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Drittes Kapitel

Um schneller zum Schlosse Douglas hinaufzukommen, lud der Ritter den Sänger ein, hinter ihm aufzusitzen, wozu sich derselbe gern bereit erklärte.

Zwei Armbrustschützen, ein Stallknecht und ein Knappe, welcher die Ritterschafts-Ehre in Aussicht hatte, bildeten das Geleit, ebensowohl geeignet, den Sänger an der Flucht zu verhindern als vor feindlicher Gewalttat zu schützen.

»Es ist zwar im allgemeinen für Wanderer hierzulande von Gefahr so gut wie keine Rede. Aber es wird Euch zu Ohren gekommen sein, daß im vergangenen Jahr Unruhen ausgebrochen sind, die uns bestimmen mußten, Schloß Douglas schärfer zu bewachen. Reiten wir aber weiter, denn der Charakter des Landes entspricht seinem Urnamen und der Schilderung der Häuptlinge, deren Besitztum es bildete. Dunkelgrau hießen sie, denn das bedeutete der Name »Sholto dhu Glas«, und ins Dunkelgraue hinein geht unser Ritt, wenn er auch zum Glück nicht lange dauern wird.«

Der Morgen war allerdings dem eben genannten gälischen Namen entsprechend. Es war ein feuchtes, finsteres, neblichtes Wetter. Über den Höhen lagerte Nebel, über Bächen, Hutweiden, Morästen wallte Nebel, an Bäumen und Sträuchern hing Nebel: Nebel so dicht, daß man ihn mit dem Schwert durchhauen konnte; Nebel so zäh, daß der Frühlingswind nicht stark genug war, seine Schleier zu lüften. Der Weg für die Reiter war bedingt durch den Stromlauf im Tale. Die Ufer des Douglas zeigten im allgemeinen die dunkelgraue Färbung, die Sir Aymer de Valence als vorherrschende Färbung des Landes bezeichnet hatte. Einförmig war der Anblick und wirkte beängstigend. Ritter Ahmer fand offenbar Vergnügen an dem Gespräch mit Bertram, der viel Kenntnisse besaß und sehr gewandt in der Unterhaltung war, wie es die Regel zu sein pflegt bei Leuten seines Standes. Der Sänger hinwiederum zog gern Kunde ein über den dermaligen Zustand im Lande und ließ keine Gelegenheit außer Acht, die Unterhaltung im Flusse zu halten.

»Du fragtest nach meinem Geschlechte, Sänger«, äußerte nach einer kurzen Pause der Ritter; »wir entstammen normannischem Blute und gehören dermalen zum edlen Hause von Pembroke. Wenn ich zurzeit auch auf den spärlichen Sold angewiesen bin, mit dem meine Charge in diesem schottischen Kleinkriege bezahlt wird, so werden mir doch dereinst durch die Gnade der Heiligen Jungfrau Schloß und Ländereien zufallen, mit Platz übergenug für einen Sänger und Spielmann wie dich! Und gern will ich dann dich bei mir aufnehmen, falls dir deine Talente nicht inzwischen einen besseren Beschützer gegeben haben sollten.«

»Vielen Dank, edler Ritter,« sprach der Sänger, »für Eure löbliche Absicht; ich darf indessen wohl sagen, daß ich nicht, wie viele meiner Brüder vom Handwerk, bloß nach Geld und irdischem Gute trachte.«

»Wer den Durst nach Ruhm im Herzen trägt,« antwortete der Ritter, »der kann für Liebe zum Golde dort nicht viel Raum freihaben. Aber noch hast du mir nicht gesagt, Freund Sänger, welcher Art die besonderen Gründe find, die dich zur Wanderung nach solcher unwirtlichen Stätte bestimmten.«

»Das sagen Euch wenige Worte, Herr Ritter«, sagte der Sänger; »Schloß Douglas und die tapferen Taten, die dasselbe gesehen, sind weit nach England hinein erklungen. Auch gibt es keinen tapferen Ritter oder frommen Sänger, dem das Herz nicht höher schlüge, wenn ihm der Name der hehren Feste in die Ohren klingt, die ehedem niemals der Fuß eines Engländers betreten hat, außer als Gast des gefeierten Schloßherrn. Es liegt ein seltener Zauber in den beiden Namen Sir John de Walton und Sir Aymer de Valence, den Namen der kühnen und tapferen Verteidiger der alten Feste, die von ihren alten Herren so häufig und mit solch grausamer Kriegführung zurückerobert wurde, daß man sie in England unter keinem anderen Namen nennt als dem des gefährlichen Schlosses oder der Feste am Blutsumpf.«

»Ich möchte gern aus deinem Munde,« versetzte der Ritter, »die Geschichten und Sagen hören, die dich zur Wanderung nach solch unruhigem und gefährlichen Lande bestimmten, bloß um späteren Zeiten interessante Kunde von ihm zu geben.«

»Sofern Ihr über dem Bericht eines Sängers nicht die Geduld verliert,« sagte Bertram, »so will ich Euch gern erzählen, was ich vom alten Douglas und seinen Nachkommen weiß, denn mir schafft die Übung meines Berufes immerdar Freude und Genuß.«

»Du sollst einen aufmerksamen Zuhörer an mir finden«, sprach der junge Ritter; »und ist auch der Lohn nicht groß, den ich dem Sänger zahlen kann, so wird dich mein gespanntes Ohr doch allezeit freuen.«

»Ein elender Fiedler,« versetzte der Sänger, »der sich dadurch nicht besser gelohnt findet als durch Gold und Silber, und wären es gleich englische Rosenobles. Um diesen Preis beginne ich, eine lange Erzählung, die vielleicht in mancherlei Details einen besseren Dichter heischt als mich, und hunderten solcher Kriegsmänner wie Ihr zur Ohrenweide dienen kann,«


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