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Viertes Kapitel

»Es ist wohl, glaube ich, nicht vonnöten, Euer Gnaden zu bemerken, daß die Lairds von Douglas, die dieses Schloß erbauten, an Alter ihres Stammbaumes keinem Geschlecht in Schottland nachstehen. Rühmen sie sich doch selber, daß ihr Haus nicht gleich anderen langsam bekannt wurde und sich hervortat, sondern daß es urplötzlich auftaucht und sogleich mit dem Ruhme hoher Auszeichnung vor die Welt tritt. »Im Baume könnt ihr uns heißen,« sprechen die Douglas, »aber nicht als schwächliches Reis; auch im Strome könnt ihr uns sehen, aber nicht bis zur Quelle uns folgen.« Kurzum, sie stellen in Abrede, daß Geschichtsschreiber oder Genealogen imstande sind, einen ersten niedrigeren Mann nachzuweisen des Namens Douglas, welcher seinem Geschlechte als Ursprung gelebt hätte, und wahr ist ja auch, daß das Geschlecht der Douglas, soweit es bekannt ist, stets Ruhm genoß durch Tapferkeit und Kühnheit, und zugleich auch die Macht besaß, durch Kühnheit zum Erfolg und zum Sieg zu gelangen.«

»Genug«, sagte der Ritter; »von dem Stolz und der Macht dieses Hauses habe ich viel gehört und nicht im geringsten die Absicht, die kühnen Ansprüche desselben auf Achtung und Ansehen zu leugnen oder herabzusetzen.«

»Ihr habt doch sicher auch, edler Herr,« bemerkte der Sänger, »von James Douglas, dem derzeitigen Erben des Hauses, gehört?«

»Mehr denn genug,« antwortete der englische Ritter: »daß er ein standhafter Anhänger des in die Acht erklärten Verräters William Wallace war; daß er, als jener Robert Bruce, der König von Schottland zu sein vorgibt, sein Banner erhob, alsbald als Rebell aufstand; daß er seinem Oheim, dem Erzbischof von St. Andrews, Geld über Geld raubte, um die magere Schatzkammer des schottischen Thronräubers zu füllen; daß er Diener seines Verwandten verführt, die Waffen ergriffen hat, nach wie vor Prahlhans bleibt, obgleich er schon wiederholt derbe Züchtigung erfahren hat, und nach wie vor all denen mit Unheil und Schaden droht, die im Namen von Recht und Gesetz und im Auftrag des rechtmäßigen Herrschers das Schluß Douglasdale verteidigen.«

»So beliebt es Euch zu sprechen«, versetzte Bertram; »ich bin aber überzeugt, Ihr würdet mich, wäret Ihr Schotte, mit Geduld anhören, wenn ich erzählte, was von dem jungen Douglas von Leuten gesprochen wird, die ihn gekannt haben. Aus deren Reden geht hervor, daß er gar wohl der Mann sei, den Ruhm seines Namens zu wahren und zu mehren; daß er vor keiner Gefahr, um der Sache von Robert Bruce zu dienen, zurückscheue; daß er gelobt habe, mit der kleinen Streitmacht, die er stellen könne, sich an jenen Männern aus dem Süden zu rächen, die sich seit Jahren, seiner Auffassung nach zu Unrecht, in den Besitz des Schlosses seiner Väter gesetzt haben.«

»O, von seinen Unternehmungen und Drohungen gegen unseren Schloßhauptmann und uns ist übergenug verlautbart. Indes halten wir es nicht eben für wahrscheinlich, daß Sir John de Walton ohne Befehl seines Königs Douglasdale räumen werde, wenngleich sich das Küchlein Douglas herausnimmt, lauter zu krähen als ein ausgewachsener Kampfhahn.«

»Herr Ritter,« sagte hierauf Bertram, »unsere Bekanntschaft ist nur kurz, und doch sagt mir mein Gefühl, sie sei mir Bürgschaft dafür, daß meine Hoffnung, Ihr und James Douglas möchten einander nicht früher treffen, als bis der Zustand beider Länder eine friedliche Zusammenkunft ermöglicht, bei Euch keinen Anstoß erregen werde.«

»Sehr verbunden, lieber Freund«, erwiderte Sir Aymer; »du scheinst übrigens von der Achtung, die dem jungen Douglas gebührt, wenn man in diesem Tal, der Stätte seiner Geburt, von ihm redet, ein richtiges Gefühl zu haben. Nur darum möchte ich für meine Person bitten, lieber Sänger, bleibe streng bei der Wahrheit, deiner Gewohnheit gemäß, wenn du der Nachwelt von mir erzählst, melde also nicht, dein Bekannter vom heutigen Frühlingsmorgen, mag er noch am Leben oder schon tot sein, habe zu den Lorbeeren des James Douglas einen neuen Kranz geflochten, den ausgenommen, den der Tod demjenigen flicht, dessen Los es ist, durch einen stärkeren Arm oder durch das größere Glück des Gegners zu erliegen.«

»Für Euch, Herr Ritter, fürchte ich nicht,« sagte der Sänger, »denn Ihr besitzt den glücklichen Charakter, der kühn in der Jugend und in vorgerückterem Alter für weisen Rat eine ergiebige Quelle ist. Ich möchte nicht, daß mein Vaterland durch frühen Tod solchen Ritters Verlust litte.«

»Du bist also aufrichtig genug, England den Vorteil guten Rates zu wünschen,« sprach Sir Aymer, »obgleich du dich in der Kriegsfrage auf Schottlands Seite neigst.«

»Gewiß, Herr Ritter,« erwiderte der Sänger, »denn da ich wünsche, daß Schottland und England ihr wahres Interesse erkennen, bin ich auch verpflichtet, beiden das gleiche Glück zu wünschen. Nach meiner Meinung sollten sich beide Länder bemühen, in Freundschaft und Frieden zu leben. Dann könnten beide furchtlos der Feindschaft der ganzen Welt trotzen.«

»Hegst du solch freisinnige Meinung, Sänger, dann müßtest du, meine ich, auch für den Sieg der englischen Waffen in diesem Kriege beten; gleichen die Aufstände dieses hartnäckigen Landes doch völlig dem Kampf des auf den Tod verwundeten Hirsches, der mit jedem Aufflackern seiner Kräfte schwächer wird, bis die Hand des Todes seinen Widerstand völlig zähmt.«

»Nicht also, Herr Ritter«, sagte der Sänger; »wohl dürfen wir Sterblichen in unserem Gebet, ohne uns eines Vergehens schuldig zu machen, dem Zweck, den wir ersehnen, Ausdruck geben; aber es ziemt uns nicht, einer allwissenden Vorsehung die Art und Weise namhaft zu machen, wie unsere Gebete erfüllt werden sollen, oder einem Lande den Untergang, wie einem Hirsche den Gnadenstoß zu wünschen. Ob ich mich auf mein Herz oder auf meinen Verstand berufe, immer muß ich den Himmel bitten, Recht und Billigkeit in dem vorliegenden Falle walten zu lassen; und sollte ich Besorgnis um Euretwillen hegen bei einer Begegnung zwischen Euch und Douglas, geschähe es doch nur, weil er meinem Dafürhalten nach die bessere Sache vertritt. Zudem haben ihm überirdische Gewalten den Sieg verheißen.«

»Das sagt Ihr mir, Herr Sänger,« rief in drohendem Tone Ritter Aymer, »und doch wißt Ihr, wer ich bin und welches Amt ich bekleide.«

»Eure Gewalt und Würde kann Recht nicht in Unrecht wandeln und keinen Beschluß der Vorsehung abwenden«, erwiderte Bertram; »bekannt ist Euch ja, daß sich James Douglas schon dreimal wieder in den Besitz des Schlosses seiner Ahnen gesetzt hat, und daß es der jetzige Schloßhauptmann mit dreifach überlegener Streitmacht und auf Grund feierlicher Zusage behauptet: der Zusage, daß ihm die Baronie Douglas mit allem Zubehör als freies Besitztum anheimfallen solle, wenn er das Schloß auf Jahr und Tag gegen die schottische Streitmacht hält. Aber ebenso bekannt wird Euch auch sein, daß dieser Zusage die Bedrohung gegenübersteht, als Ritter entehrt und als Verräter erklärt zu werden, wenn er sich während solches Zeitraums die Feste durch List oder Gewalt entwinden läßt, und daß allen Häuptlingen, die unter ihm kommandieren, die gleiche Belohnung, aber auch die gleiche Strafe winkt.«

»Alles das weiß ich,« antwortete Sir Aymer, »und wundere mich bloß, daß die Kenntnis dieser Bedingungen so weit in das Volk gedrungen ist. Was aber hat das mit dem Ausgang des Kampfes zu tun, wenn wir aufeinandertreffen sollten?«

»Mir scheint, Herr Ritter, es ist notwendig, den Gegner aufs Haar zu kennen, mit dem man sich in solchem Kampfe messen will. Es ist Euch doch bekannt, wie James von Thirkwall, der letzte englische Schloßhauptmann vor Sir John de Walton, überrumpelt wurde? und auf welche barbarische Weise das Schloß geplündert wurde?«

»Ich glaube wohl, daß ganz England Kunde erhielt von dem blutigen Gemetzel und von dem abscheulichen Verhalten des schottischen Häuptlings, der alles, was tragbar war, Gold und Silber und Waffen, in den Wald schleppen und allen Mundproviant auf die roheste Weise vernichten ließ.«

»Ihr sprecht von dem Vorfall, den man im Lande »des Douglas Speisekammer« nennt?«

»Ja, und ich sah von den schrecklichen Resten dieser Kammer genug, um noch heute vor Ekel zu schaudern. Urteile selbst, ob solche Tat den Beifall des Himmels finden kann! Zwei Jahre hindurch war im Schlosse, das uns für sicher galt, seitdem es neu aufgebaut worden, Mund- und anderer Proviant für den König oder Lord Clifford, wer von beiden zuerst ins Feld gegen die Rebellen rücken würde, aufgesammelt worden. Auch uns, ich meine die Truppen des Grafen Pembroke, meines Oheims, die in der Nähe von Ayr am kaledonischen Walde in heißem Kampfe gegen die Rebellen lagen, sollte dies andere Heer stützen. Nun geschah es, daß sich Thirkwall, ein kühner Soldat und stets auf dem Posten, im Schlosse am Allerheiligenfeste von diesem James Douglas überrumpeln ließ, der von wildem Grimm erfüllt war über den Tod seines Vaters in englischer Gefangenschaft im Schlosse von Berwick. Die Wut mag ihm den Gedanken eingeblasen haben, alle Vorräte, die er im Schlosse fand und die er bei der Überlegenheit der Engländer im Lande weder fortschaffen noch selber genießen konnte, auf barbarische Weise zu vernichten. Alles Fleisch und Korn ließ er in die Keller schaffen und in Haufen türmen, dann ließ er allen Wein aus den Fässern über die Haufen laufen, alle Ochsen ließ er erschlagen und ihr Blut den gleichen Weg nehmen wie den Wein, endlich ließ er die Leichen der Mannschaft in die ekle Masse stampfen, denn beim Douglas gab es keinen Pardon.«

»Ich maße mir nicht an zu verteidigen, was Ihr mit Recht mißbilligt. Aber bedenkt, wenn Ihr erlebt hättet, daß Euer leiblicher Vater in langer Gefangenschaft hingesiecht und gestorben wäre, wenn sein Erbe eingezogen und von Fremden in Besitz genommen worden wäre, dann ließet gewiß auch Ihr Euch zu Handlungen treiben, die Ihr bei kaltem Blute und vom Feindesstandpunkte aus nicht anders als mit Abscheu ansehen müßtet; dann möchtet auch Ihr vielleicht keinem Feinde Pardon geben und, was Euch zum eigenen Unterhalt nicht verwendbar, für andere, die Euch feind sind, unbrauchbar machen.«

»In solchen Dingen mich als Verteidiger dieses Douglas aufzuspielen, Sänger Bertram, habe ich wahrlich keine Ursache, denn durch seine Handlungsweise hatte meines Oheims Heer einen schlimmen Stand und der Wiederaufbau des Schlosses seine großen Mühen. Daraus aber, daß wir völlig ohne Proviant waren, mußte natürlich Not über ganz Schottland kommen, denn wir nahmen nun doch dem Ärmsten im Lande weg, was er von Vieh noch besaß. Wahrlich! an das grause Elend dieser Zeit denke ich selbst als Kriegsmann mit schwerem Herzen.«

»Mir scheint, wer den Stachel des Gewissens fühlt, müsse milde sein, wenn er von Vergehen anderer spricht«, sprach der Sänger. »Im übrigen darf man wohl sagen, daß eine gewisse Ursache zu solchem Tun des jungen Douglas in der Prophezeiung liegen mag, die uralten Datums sein soll und die man dem Thomas dem Reimer oder, wie er auch genannt wird, Erceldoun dem wahren Sprecher beimißt. Im selben Verhältnis, wie das Geschlecht der Douglas jetzt durch Verlust ihrer Güter und Zerstörung ihres Stammschlosses leiden um der Treue willen gegen ihres Königreichs rechtmäßigen Erben, im selben Verhältnis hat ihnen der Himmel gerechten Lohn ausgesetzt. Die Mauern des Douglas-Schlosses sollen, so oft sie niedergebrannt und geschleift werden, um so stattlicher, prächtiger, erhabener aus ihrem Schutt erstehen!«

Der Ritter gab keine Antwort, sondern ritt voran, auf dem Rücken des hochgelegenen Ufers entlang. Der Weg, der sich immer an dem Wasserlauf hielt, zog sich jetzt ziemlich steil in das Tal hinunter. Von diesem Punkte aus eröffnete sich hinter einem Felsen, der wie eine Theaterkulisse an der Seite vorgeschoben zu sein schien, um die Aussicht in den unteren Teil des Tales zu vermitteln, der Blick über die weite Niederung, während in mäßiger Entfernung vom Strome sich im Schmuck seiner vielen Türme das stolze Schloß erhob, von welchem das ganze Tal seinen Namen führte.

Der Nebel, dessen Wolken nach wie vor das Tal füllten, ließ hin und wieder den Blick frei über das Städtchen Douglas, das am Fuße des Schlosses lag, dessen Mauern wohl einen vorübergehenden Angriff abwehren konnten, aber zu schwach waren, einer regelrechten Belagerung standzuhalten. In der Mitte des Städtchens erhob sich die Kirche, ein schöner Bau im gotischen Stile, aber zurzeit in arg verfallenem Zustand.

Das Schloß war von der kleinen Stadt durch einen Wassergraben getrennt. Es war ein düsterer gewaltiger Bau, stark befestigt durch Bastionen und Türme und gekrönt mit hohen Zinnen. Aus seiner Mitte ragte der hohe, nach dem Namen Lord Henry Cliffords, des Siegers in vielen Treffen zwischen Schotten und Engländern, als der »Clifford« benannte Hauptturm empor, von welchem aus man weiten Blick über das Douglas-Tal und die Grafschaft haben mußte.

Der Ritter streckte den Arm aus, während sein Antlitz von siegesfrohem Lächeln erglänzte.

»Dort siehst du das Schloß, Sänger«, rief er; »nun urteile selbst, ob Cliffords Zutaten zu seinem Bau die Einnahme erleichtern werden!«

Der Sänger schüttelte den Kopf und schwieg.

Inzwischen war die Abteilung zur Schloßwache herangekommen, die zunächst bloß dem Ritter Zutritt gewährte. Fabian, der junge Knappe im Dienste des Ritters, setzte den Wachkommandant in Kenntnis von dem Wunsche seines Herrn, dem Sänger gleichfalls den Zutritt zu gestatten.

Ein alter Armbrustschütz faßte den Sänger scharf ins Auge.

»Widerspruch gegen den Neffen des Grafen von Pembroke ziemt sich nicht für uns, und uns kann es recht sein, Herr Fabian, wenn Ihr den Sänger auf ein paar Wochen im Schlosse als Euren Gast aufnehmt. Allein der Herr Ritter kennt den strengen Befehl Sir Johns, und käme Salomo, der weise König der Juden, in eigener Person als fahrender Sänger und bäte am Tor um Einlaß, so dürfte ich ihm solchen nicht gewähren, sofern nicht Sir Johns Befehl rückgängig gemacht wird.«

»Meinst du denn, Kerl,« rief der Ritter, der zurückgeritten kam, weil er die Worte des Kriegsmannes gehört hatte, »ich hätte Lust dir einen Befehl zu geben, der dem Sinne Sir Waltons zuwider wäre? Soviel Vertrauen darfst du doch wohl haben, daß dir durch mich keine Unannehmlichkeiten erwachsen werden. Behalte den Mann im Wachzimmer und laß es an der rechten Bewirtung nicht fehlen. Sir John de Walton aber bestelle, wenn er heimkehrt, der Mann sei mit mir aufs Schloß gekommen und habe Zutritt auf meine Weisung hin erhalten. Sollte weiteres zu deiner Entschuldigung vonnöten sein, dann soll es der Schloßhauptmann aus meinem Munde vernehmen.«

Der Armbrustschütze neigte zum Zeichen des Gehorsams die Pike, die er in der Hand trug, und führte Bertram in die Wachstube. Dort versah er ihn, der erhaltenen Weisung gemäß, mit Speise und Trank.

Vom Tore her drang der Schall eines Jagdhorns. Der Schloßhauptmann kehrte von seinem Ritte heim. Die Schildwachen schulterten und gaben die Parole ab. Der Ritter sprang vom Pferde und fragte den Armbrustschützen, der über die Wache das Kommando führte, nach etwaigen Vorfällen während seiner Abwesenheit. Gilbert Greenleaf, so hieß der greise Kriegsmann, berichtete von dem Sänger, der zufolge Weisung des Ritters de Valence in der Wachstube, und vom Sohne desselben, der in der Abtei vorläufig Unterkunft gefunden hätte.

Der Schloßhauptmann zog die Stirn in Falten.

»Wir brauchen solchen Zeitvertreib nicht,« sprach er, »und lieber wäre es uns gewesen, unser Stellvertreter hätte andere Gäste gefunden, solche, die sich für offenen, freimütigen Beruf besser eignen als solcher Sänger, der seinem Gewerbe nach Lästerer Gottes und Betrüger der Menschheit ist.«

»Ja,« erwiderte Greenleaf, seiner Neigung zum Widerspruch auch dem Schloßhauptmann gegenüber freien Lauf lassend, »Euer Gnaden haben aber früher zu äußern geruht, daß das Sängergewerbe, rechtlich betrieben, gleichen Anspruch an Ansehen und Wert habe wie die Ritterschaft selber.«

»Das mag in früherer Zeit richtig gewesen sein, Greenleaf«, antwortete der Hauptmann; »aber heute hat der Sänger vergessen, daß es Pflicht von ihm sei, die Jugend zu Tugend und frommer Sitte zu begeistern. Indessen will ich mit Sir Aymer, meinem wackeren Freunde, über den Fall sprechen.«

Unterdes war Sir John de Walton, eine schlanke Figur vom schönsten Ebenmaß der Glieder, unter den weiten Schwibbogen der Wachstube getreten. Gilbert Greenleaf lauschte seinen Worten und füllte durch Winke und Zeichen die Pausen im Gespräch.

Hinter den beiden Kriegsmännern war der Knappe Sir Aymers, ohne von ihnen gesehen zu werden, in die Wachstube getreten, wo er seiner Obliegenheit, die Waffen seines Ritters zu säubern, nachkam.

»Ich brauche Euch nicht zu sagen, Gilbert Greenleaf, daß die schnelle Beendigung dieser Blockade oder wenigstens Belagerung, mit welcher uns der Douglas zu bedrohen fortfährt, in meinem direkten Interesse liegt. Meine persönliche Ehre fordert, daß ich dies gefährliche Schloß für England bewahre. Deshalb macht mir die Zulassung dieses fahrenden Sängers Unruhe. Prompter, wie gesagt, wäre der junge Sir Aymer seiner Instruktion nachgekommen, wenn er dem Wanderer jeden Verkehr mit der Besatzung untersagt hätte.«

»Schade, daß der tapfere junge Ritter solch ungestümen Knappen hat«, bemerkte kopfschüttelnd der alte Armbrustschütz; »so tapfer er auch ist, so fehlt es ihm doch an Beharrlichkeit; er schäumt gleich einer Flasche Dünnbiers, wenn es in Gärung tritt.«

»Soll dich der Henker holen, altes Trümmerstück«, dachte der Knappe Fabian bei sich, dem in den Kemenaten, wo er seine Arbeit verrichtete, kein Wort von dem Gespräch entging.

»Mir würde die ganze Sache wahrlich nicht in solchem Maße nahe gehen, wäre Sir Aymer mir weniger teuer, als es der Fall ist«, nahm Sir John de Walton wieder das Wort. »Erfahrung soll sich jeder junge Mann selber sammeln und nicht bei anderen holen oder durch andere einimpfen lassen. Ich will den Wink beachten, den Ihr mir eben gegeben habt, Gilbert, und will den Knappen von dem Ritter trennen; auch mir scheint, als trifft hier das Sprichwort vom Blinden zu, der den Blinden führt.«

»Der Satan über dich, altes Waschweib!« dachte der Knappe bei sich; »habe ich dich erwischt über dem Bestreben, meinen Herrn und mich beim Hauptmann zu verlästern? Hieße es nicht, eines angehenden Ritters Waffen in Schmutz ziehen, sollte meine Aufforderung zum Kampfe dir wahrlich nicht geschenkt bleiben. Indessen sollst du nicht zweierlei Zungen reden: eine im Schlosse und eine vorm Schloßhauptmann, wenn du vielleicht auch meinst, wegen deiner Kriegsmannschaft unter König Eduards Banner dazu ein Recht zu haben! Meinem Herrn will ich melden, wohin deine Absichten zielen, und aus unserer Unterhaltung über diesen Fall wird sich wohl ergeben, ob wir jungen Leute die Ordnung im Schlosse halten werden oder ihr alten Graubärte!«

Der Schlag war geschehen. Zwei stolze, feurige Charaktere waren gegeneinander in Mißtrauen gesetzt worden, und während Ritter de Valence meinte, daß ein Freund, der ihm in mancher Hinsicht verbunden sei, ihn ungerechterweise im Verdacht habe, meinte Sir John de Walton andererseits, daß ein junger Mann, den er mit ebensolcher Sorgfalt behandelt habe, als sei es der eigene Sohn, der seiner Unterweisung alles verdanke, was er vom Kriegshandwerk wüßte und was er an Erfolgen im Leben bislang gewonnen hatte, sich wegen Kleinigkeiten für beleidigt und auf höchst ungeziemende Weise für schlecht behandelt hielt.

Der zwischen den beiden Hauptleuten gesäete Samen der Zwietracht verbreitete sich bald wie Lolchsamen unter Weizen von einer Besatzung zur anderen; die Soldaten nahmen, wenngleich aus keinem rechten Grunde, Partei entweder für Sir John de Walton oder für seinen Leutnant de Valence; für den ersteren zumeist die älteren, für den anderen die jüngeren; und nachdem so der Ball der Zwietracht geworfen worden, fehlte es an den Armen nicht mehr, ihn in Bewegung zu halten.


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