Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel.

Ein Frühstück war von den Damen hergerichtet worden, und als Lovel mit Oldbuck und den Damen zusammen im Eßzimmer saß, hatte er mancherlei Fragen zu beantworten, wie er die Nacht verbracht hätte.

»Nun, ich hoffe,« sagte der Altertümler im Laufe dieses Gesprächs, ohne daß Lovel das Traumgesicht erzählt hatte, »Sie werden noch eine Nacht den Schrecken des Spukzimmers und noch einen Tag Ihren treuen Freunden vergönnen.«

»Ich wünschte es selber von ganzem Herzen – aber –«

»Nein, kommen Sie mir nicht mit Abers – ich bin nun einmal mit ganzer Seele darauf versessen.«

»Ich bin Ihnen sehr dankbar, werter Herr, aber –«

»Potz schon wieder ein Aber! – Ich hasse das Aber! – Das Aber ist für mich noch eine abscheulichere Zusammenstellung von Buchstaben als das Nein. Nein ist ein barscher, ehrlicher Kerl, der seine Meinung rund heraussagt und keine Umschweife macht – Aber ist eine schleichende, schielende Sorte von Konjunktion, die Ausflüchte macht und wie die Katze nm den heißen Brei geht. Das Aber nimmt einem den Becher von den Lippen weg, wenn man ihn eben ansetzt.«

»Na gut,« sagte Lovel, der im Augenblick wirklich noch nicht recht wußte, was er wollte, »Sie sollen die Erinnerung an meinen Namen nicht mit einem so rauhen Worte verknüpfen – ich muß binnen kurzem daran denken, Fairport zu verlassen, fürchte ich. Und da Sie es wollen und es mir gütigst anbieten, will ich die Gelegenheit benutzen und noch einen Tag hier bleiben.«

»Und das will ich Ihnen lohnen, mein Junge – zuerst sollen Sie John o'the Girnels Grab sehen, und dann wollen wir gemächlich an den Dünen hingehen – das heißt, über den Stand der Flut schaffen wir uns erst Gewißheit – denn so ein Abenteuer wollen wir nicht noch einmal haben – bis nach Schloß Knockwinnock und uns erkundigen, wie es dem alten Ritter und meiner schönen Feindin ergeht – das verlangt die bloße Höflichkeit, und dann –«

»Verzeihen Sie bitte, Herr, aber diesen Besuch verschieben Sie vielleicht lieber bis morgen – ich bin den Herrschaften fremd, wie Sie wissen.«

»Und sind daher noch weit mehr verpflichtet, sich höflich zu zeigen, sollt ich meinen –«

»Wenn – wenn – wenn Sie denken, es würde darauf gerechnet – aber ich glaube, ich bleibe besser fort.«

»Nein, nein, mein junger Freund – ich bin nicht so altmodisch, daß ich Sie zu etwas dränge, was Ihnen unangenehm ist – ich brauche bloß zu merken, daß Sie Ihre Ursache haben, nicht mitzumachen – was für eine Ursache, danach habe ich nicht zu fragen. Sie find vielleicht auch noch ein bißchen müde. Ich steh Ihnen dafür, daß ich Mittel finde, Ihren Geist zu beschäftigen, ohne Ihre Glieder anzustrengen – ich bin selber kein Freund vom Strapazieren – ein Spaziergang im Garten, einmal am Tage, ist Leibesübung genug für jedes denkende Wesen. – Hier, einstweilen sehen Sie sich einmal dieses Kleinod an.«

Mit diesen Worten öffnete der Altertümler einen Schubkasten und legte in Lovels Hand eine Schachtel von Eichenholz, die an den Ecken mit silbernen Rosetten verziert war.

»Bitte, machen Sie den Knopf da auf,« setzte er hinzu, als er sah, daß sein Gast an der Klammer herumnestelte.

Er tat es, der Deckel öffnete sich, und es zeigte sich ein dünner, seltsam in Schagrin gebundener Quartband.

»Dies, Herr Lovel,« sagte der Altertümler, »ist der seltene Quartband der Augsburger Konfession, des Fundaments und Bollwerks der Reformation, entworfen von dem gelehrten ehrwürdigen Melanchthon, verteidigt von dem Kurfürsten von Sachsen und den anderen tapferen Herzen, die für ihren Glauben eingetreten sind, selbst einem mächtigen siegreichen Kaiser gegenüber. Gedruckt ist sie von dem kaum weniger ehrwürdigen, lobenswerten Aldobrand Oldenbuck, meinem glücklichen Ahnherrn und Stammvater, zur Zeit der tyrannischen Versuche Philipps II, zugleich die Freiheit der Bürger und der Religion zu unterdrücken. Ja, Herr, weil er dieses Werk gedruckt hat, ist der hervorragende Mann aus seinem undankbaren Vaterlande vertrieben worden, deshalb ist er gezwungen worden, hier in Monkbarns sein Heim aufzuschlagen, unter den Ruinen päpstlichen Aberglaubens und Willkür. Sehen Sie hier seinen Lieblingsspruch, der zugleich Unabhängigkeit und Selbstvertrauen ausdrückte, die es unter ihrer Würde hielten, irgend etwas einem Gönner zu verdanken. Er war in der Tat ein Mann, der fest gestanden hätte, wenn auch seine ganze Druckerei mit Pressen und Formen und allem Zubehör in Stücke zerschellt wäre um ihn her. Lesen Sie, sage ich, sein Motto, denn jeder Drucker hatte sein Motto oder seinen Wahlspruch, als diese großartige Kunst im Entstehen war. Mein Ahnherr hatte wie Sie sehen, zur Devise das deutsche Sprichwort: Kunst macht Gunst – das ist, Fertigkeit oder Wissen in der Ausnutzung unserer natürlichen Begabung und Talente, werden uns Beliebtheit und Gönnerschaft eintragen.«

»Und diese Bedeutung also,« sagte Lovel nach kurzem, sinnendem Schweigen, »haben diese deutschen Worte?«

»Eine Frage – Sie merken, wie sehr sie passen zu einem Bewußtsein des inneren Wertes und einer hervorragenden Befähigung zu einer nützlichen und ehrenvollen Kunst. Es besteht eine Familientradition, daß er durch romantische Umstände zur Wahl dieses Spruches gekommen sein soll.«

»Und auf welche Weise denn wohl, mein guter Herr?« fragte sein junger Freund.

»Nun, es schmälert eigentlich ein wenig den Ruf meines Ahnherrn, ein besonders weiser und kluger Mann gewesen zu sein – aber es hat mal jeder eine Dummheit gemacht. Mein Ahnherr soll während seiner Lehrzeit bei dem alten Drucker Just sich in ein armseliges, Stückchen von Weibe, die Tochter seines Meisters, namens Bertha, verliebt haben. Sie wechselten Ringe oder trieben sonst welche Allotria von blödsinniger Zeremonie, wie Usus ist, wenn ein treuer Liebesbund geschlossen wird – und Aldobrand trat seine Reise durch Deutschland an, wie es sich für einen ehrlichen Handwerker geziemte. Denn es war damals Sitte unter den Handwerkern jener Zeit, daß sie eine Rundreise durchs Reich machten und in ihrem Fache in allen hervorragenden Städten eine Zeitlang arbeiteten, ehe sie sich fürs Leben irgendwo festsetzten. Es war eine weise Sitte, denn die Reisenden wurden wie Brüder in jeder Stadt von den Männern ihres Gewerbes aufgenommen und hatten in jedem Falle sichere Gelegenheit, Kenntnisse zu sammeln und mitzuteilen. Als mein Ahnherr nach Nürnberg zurückkehrte, soll er seinen alten Meister nicht mehr lebend angetroffen haben, vor kurzem war er gestorben, und zwei bis drei vornehme junge Verehrer darunter wohl auch ein paar halb verhungerte Sprößlinge von Adligen – bewarben sich um die Jungfrau Hertha, der der Vater eine Mitgift hinterlassen haben sollte, die wohl sechzehn Wappenschilde hatte aufwiegen können. Aber Bertha war eben kein allzu schlechtes Exemplar von einem Weibsstück und hatte ein Gelübde getan, nur den Mann zu heiraten, der die Presse des Vaters zu handhaben verstand. Diese Kunstfertigkeit war damals ebenso selten wie wundersam, und dazu befreite dieses Verfahren sie mit einemmale von der Mehrzahl ihrer zärtlichen Freier. Ein paar gewöhnliche Buchdrucker machten den Versuch, aber keiner war hinreichend mit dem Geheimnis vertraut – aber ich langweile Sie.« »Keineswegs, bitte, fahren Sie fort, Herr Oldbuck! Ich höre Ihnen mit ungewöhnlichem Interesse zu.«

»Ach! Torheit ist es ja doch – na also – Aldobrand kam in der üblichen Tracht eines fahrenden Druckers an in demselben Habit, in dem er Deutschland durchreist und mit Luther, Melanchton, Erasmus und anderen Gelehrten gesprochen hatte, die seine Kenntnisse nicht gering achteten, wenn sie auch unter so bescheidener Tracht verborgen waren. Aber was in den Augen der Weisheit, Religion, Bildung und Philosophie ehrenwert erschien, das erschien, wie ja leicht anzunehmen gewesen war niedrig und verabscheuenswert in den Augen des albernen affektierten Weibsvolkes, und Bertha wollte nichts mehr von ihrem früheren Geliebten wissen, als er in dem zerrissenen Wams, der Pelzmütze, den Nagelschuhen und der ledernen Schütze eines wandernden Handwerkers wieder vor sie hin trat. Er machte indessen sein Vorrecht geltend, auch zu der Probe zugelassen zu werden. Er legte sie glänzend ab, und lauter Beifall aller Zuschauer lohnte den würdigen Nachfolger Fusts – das errötende Mädchen gab ihren Irrtum zu, daß sie dem Auge mehr als dem Verstände getraut habe, und von da ab wählte sich der Bräutigam den Wahlspruch: Kunst macht Gunst. – Wer was ist denn mit Ihnen los? Sie sind ja in tiefes Sinnen versunken!«

»Verzeihen Sie,« sagte Lovel, – »ich komme Ihnen wohl sehr albern und grillig vor, aber Sie schienen zu meinen, Sir Arthur erwarte aus bloßer Höflichkeit, daß ich ihn besuche?«

»Na, du lieber Gott, ich kann Sie ja auch schließlich entschuldigen. Und wenn Sie doch so früh schon von uns wegmüssen, was hat es dann zu besagen, ob Sie bei Seiner Ehren eine gute Meinung hinterlassen haben? Aber wenn ich Sie so ansehe, kommt es mir vor, als seien Sie anderer Meinung. Nun so sagen Sie doch rund heraus – wollen wir gehen oder nicht?«

»Wir wollen gehen, auf alle Fälle.«


 << zurück weiter >>