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Viertes Kapitel.

Unsere beiden Freunde schritten durch einen kleinen Obstgarten, wo die alten, schwer mit Früchten beladenen Apfelbäume bewiesen, daß die Mönche ihre Tage nicht immer in gleichgültigem Nichtstun verbrachten, sondern oft sich mit Gartenbau und Baumpflege befaßten. Herr Oldbuck unterließ nicht, Lovel darauf aufmerksam zu machen, daß die Pflanzer jener Tage schon das moderne Geheimnis gekannt hätten, zu verhindern, daß die Obstbäume die Zweige senkrecht in die Erde schlügen, und sie zu zwingen, daß sie nach der Seite die Wurzeln auseinanderbreiteten. Sie hätten gleich nach dem Einpflanzen Pflastersteine unter die Bäume gelegt zwischen die Wurzeln und den Untergrund.

»Dieser alte Bursche hier,« sagte er, »vergangenen Sommer ist er vom Sturm gebeugt worden, aber trotzdem er halb auf der Erde liegt, ist er doch noch voller Früchte – dieser alte Kerl hat, wie Sie sehen, eine solche Steinschicht zwischen den Wurzeln und dem harten Lehmboden. Dieser andere Baum hier hat eine Geschichte. Die Frucht heißt der Abtsapfel. Die Frau eines Barons aus der Umgegend war so närrisch danach, daß sie oft in Monkbarns einen Besuch machte, um zu ihrem Vergnügen Äpfel zu pflücken und frisch vom Baume zu essen. Der Gemahl, ein eifersüchtiger Mann, hatte den Verdacht, daß ein so nahe an die Torheit der Mutter Eva streifender Geschmack auch einen ähnlichen Sündenfall verkünde. Sintemalen die Ehre einer adeligen Familie hierbei in Betracht kommt, so sage ich nichts weiter über die Geschichte, allein die Güter von Lochard und Cringlecut zahlen noch heute jährlich ihre sechs Maß Gerste vollgerüttelt, um die Schuld ihres tollkühnen Besitzers abzubüßen, der mit seinem weltlichen Verdacht den frommen weltverlorenen Zusammenkünften des Abtes und seiner Büßerin zu nahe getreten ist. – Aber für jetzt will ich nicht mehr sagen, ich hebe noch einiges für einen andern Besuch auf. Und hier haben wir etwas wirklich höchst Merkwürdiges vor uns.«

Unter solchem Geplauder war er wacker über satte Weidewiesen nach einem offnen Heidestück geschritten und sie standen nun auf der Kuppe einer kleinen Erhöhung.

»Hier, Herr Lovel,« sagte er, »ist ein wahrhaft bemerkenswerter Fleck.«

»Eine schöne Aussicht hat man hier,« sagte sein Gefährte, in die Runde schauend.

»Allerdings. Aber nicht wegen der Aussicht hab ich Sie hierher geführt. Sehen Sie sonst nichts Merkwürdiges? Nichts auf dem Erdboden?«

»Ei freilich, einen undeutlich markierten Graben, wie, mir scheint.«

»Undeutlich! – Na, ich bitt schön, Herr, die Undeutlichkeit muß schon in Ihrer Sehkraft liegen. Deutlicher kann überhaupt nichts abgezeichnet sein. Das ist ein richtiger echter ager oder vallum mit dem dazu gehörigen Graben oder fossa. – Undeutlich! ei, helf Ihnen der Himmel, meine Nichte, ein so seichtköpfiges Gänschen, wie nur eins unterm Weibsvolk zu finden ist, hat die Spuren des Grabens auf den ersten Blick erkannt. – Undeutlich! ei, Sie müssen doch annehmen, daß Schafsköpfe, Rindviecher und Idioten wie die leibhaftigen Kannibalen, die von nichts was verstehen, das Land aufgepflügt und dabei zwei Seiten des Vierecks ganz vernichtet und die dritte Seite erheblich beschädigt haben – aber die vierte, das sehen Sie doch selber, ist noch unversehrt!«

Lovel versuchte sich zu entschuldigen und seine schlecht angebrachten Worte wieder gut zu machen, indem er seine Unerfahrenheit einwandte. Aber es gelang ihm nicht sogleich, seine ersten Worte waren zu offenherzig und natürlich herausgekommen, als daß Sie den Altertümler nicht hätten beunruhigen sollen, und über den Schreck darüber konnte er nicht sogleich hinwegkommen.

»Mein werter Herr,« fuhr der alte Herr fort, »Ihre Augen find nicht unerfahren. Sie können doch Wohl, sollt ich meinen, einen Graben von ebener Erde unterscheiden? Undeutlich! ei, der gemeinste Pöbel, der niedrigste Junge, der eine Kuh hüten kann, nennt es das Kaim von Kinprunes, und wenn damit nicht ein antikes Lager gemeint ist, dann weiß ich nicht, was es sonst heißen soll.«

Lovel gelang es endlich, die gekränkte und empfindliche Eitelkeit des Altertümlers zu beruhigen, und dieser fuhr in seiner Tätigkeit eines Cicerone fort.

»Sie müssen wissen, unsere schottischen Altertümler sind sehr verschiedener Meinung darüber, an welchem Punkte der Endkampf zwischen Agricola und den Kaledoniern stattgefunden habe. Nun, was würden Sie sagen – was würden Sie denken, Herr Lovel, wenn der Schauplatz dieses denkwürdigen Kampfes eben hier an dem Kaim von Kinprunes läge? auf dem Grund und Boden des obskuren unbedeutenden Individuums, das jetzt zu Ihnen spricht?«

Er machte eine kleine Pause, um seinen Gast eine so schwerwiegende Mitteilung verdauen zu lassen, und fuhr dann in höherem Tone fort:

»Jawohl, mein guter Freund, ich müßte mich in der Tat sehr irren, wenn diese Stelle nicht mit allen Angaben über dieses berühmte Schlachtfeld übereinstimmte! Es war in der Nähe der Grampian-Berge! – nun! dort liegen sie, am Rande des Horizonts verlieren sie sich in den Himmel hinein – es lag in conspectu classis – in Sehweite der römischen Flotte – und könnte ein römischer oder englischer Admiral eine bessere Bucht zum Landen finden, als die dort rechter Hand? Ich Hab meine Meinung für mich behalten, bis ich den Grund und Boden an mich gebracht hatte, denn er gehörte damals dem alten Hannes Howie, einem kleinen Lord ganz hier in der Nähe, und wir haben manche Unterhandlung miteinander gehabt, ehe wir einig geworden sind. Endlich hab ich – fast schäme ich mich, es zu sagen – meinem Herzen einen Stoß gegeben und hab ihm ebensoviel von meinem guten Getreideboden für diesen wüsten Fleck gegeben, aber es war eine nationale Angelegenheit, und da der Schauplatz einer so berühmten Schlacht mein Eigentum geworden ist, so hab ich ihn doch übervorteilt. Dann hab ich angefangen nachzugraben, ob sich nicht irgendwas in der Erde fände, und am dritten Tage haben wir einen Stein gefunden, den ich nach Monkbarns gebracht habe, um von der Skulptur einen Gipsabguß zu machen. Es ist ein Opfergefäß darin gemeißelt mit den Buchstaben: A. D. L. L., die man, ohne daß es an den Haaren herbeigezerrt erscheinen möchte, deuten kann als: Aricola, dicavit lidens ludens. – Mein guter Freund, ich berufe mich nur auf das, was man mit Augen sieht! Haben wir nicht hier vor uns die porta decumana? – und dort wurden wir, wenn nicht der greuliche Pflug so gewüstet hätte, die porta praetoriana sehen. Zur linken Hand können Sie ein paar leise Spuren von der porta sinistra sehen, und rechts haben wir eine Seite der porta Dextra noch fast ganz unversehrt. Hier nun wollen wir hintreten auf diesen tumulus, der den Ausgangspunkt des verfallenen Komplexes darstellt – das Zentrum, ohne Frage, das Praetorium des Lagers. Von diesem Platze aus, der jetzt von den übrigen Teilen der Befestigung kaum noch zu unterscheiden ist, höchstens an der ein wenig höhern Lage und dem grünern Rasen, von diesem Punkte aus können wir uns vorstellen, hat Agricola nach dem riesigen Heere der Kaledonier hingeblickt, das den Abhang des gegenüberliegenden Hügels besetzt hatte. Ja, mein lieber Freund, von diesem Standorte aus hat er wahrscheinlich, nein, ganz bestimmt, die Schlacht geleitet! Von diesem selben Praetorium aus–«

Eine Stimme hinter ihnen unterbrach seine überschwengliche Beschreibung.

»Praetorium hin, Praetorium her, ich erinnere mich noch gut, wie das hier gebaut worden ist.«

Beide drehten sich zugleich um, Lovel mit Überraschung, Oldbuck mit Überraschung und Entrüstung über eine so unhöfliche Unterbrechung.

Ungesehen und ungehört über der enthusiastischen Ausführung des Altertümlers und Lovels höflicher Aufmerksamkeit, hatte ein Zuhörer sich zu ihnen herangeschlichen. Er hatte das Äußere eines Bettlers, ein breitkrempiger Hut von riesigem Umfange, ein langer weißer Bart, der sich mit seinem graumelierten Haar vermischte, ein altes, aber stark geprägtes, ausdrucksvolles Gesicht, das von Wetter und schutzloser Preisgebung gehärtet war und braun war wie Ziegelstaub, ein langer blauer Kittel mit einem Abzeichen von Zinn am rechten Arm, ein paar über die Schulter geworfene Rucksäcke, in die er die Nahrung hineintat, wenn er milde Gaben, in Materialien von denen empfing, die selber nur um einen Grad wohlhabender waren als er, – all dies kennzeichnete ihn als Bettler von Beruf und zwar einen von jener privilegierten Klasse, die in Schottland, Königs Gnadenleut oder Blauröcke heißen.

»Was, Ihr seids, Edie?« sagte Oldbuck, der vielleicht hoffte, seine Ohren hätten ihn betrogen. »Was habt Ihr da geredet?«

»Über dies Stückchen Ruine da. Euer Ehren,« versetzte der unerschrockene Edie. »Ich kann mich drauf besinnen, wie es gebaut worden ist.«

»Den Teufel könnt Ihr! Ihr alter Narr, es war ja schon hier, ehe Ihr noch ans die Welt gekommen seid, und wird noch da sein, wenn Ihr schon längst am Galgen gehangen habt, Mensch!«

»Ob gehängt oder ersoffen, ob hier oder anderswo, ob tot oder lebendig, ich weiß noch, wie es gebaut worden ist.«

»Ihr – Ihr – Ihr –,« versetzte der Altertümler, zwischen Verwirrung und Ärger stotternd, »Ihr alter Bummelant und Vagabund, was wißt denn Ihr davon?«

»O, ich weiß Bescheid darüber – und was hätte ich denn für Nutzen davon, Ihnen etwas vorzulügen? Ich weiß folgendes darüber: Zwanzig Jahre mags her sein, da haben ich und ein paar Schnorrer wie ich und die Maurergesellen, die den langen Deich gemacht haben am Fußsteige unten, uns an die Arbeit gemacht und das Ding hier gebaut, das sie ein – ein Praetorium nennen. Damals hatte der alte Trumm Hochzeit, und wir haben oft drin gesessen, wenns regnete. Mehr Beweise finden Sie, Monkbarns, wenn Sie die Erde aufgraben, wie Sie schon angefangen haben, und dann werden Sie, wenn Sie ihn nicht überhaupt schon gefunden haben, einen Stein finden, auf dem einer von den Maurergesellen einen Suppenlöffel ausgehauen hat, zum Jux auf den Bräutigam, und er hat vier Buchstaben darauf gegraben, nämlich A. D. L. L. – Aiken Trums Langer Löffel – denn Aiken war einer von denen, die sich in Suppe todessen konnten.«

Lovel warf einen verstohlenen Blick auf unsern Altertümler, sah aber sogleich in purem Mitleid wieder weg. Denn, gütiger Leser, wenn du je das Gesicht eines sechzehnjährigen Backfischchens gesehen hast, dessen Schwärmerei von treuer Liebe durch eine unzeitige Entdeckung zerstört worden ist, oder eines zehnjährigen Kindes, dessen Kartenhaus von einem boshaften Spielkameraden umgeblasen worden ist, – ich kann dir getrost sagen, Jonathan Oldbuck von Monkbarns sah weder viel weiser noch weniger betrübt aus.

»Da liegt ein Irrtum vor,« sagte er plötzlich und wandte sich von dem Bettler ab.

»Nicht der geringste von meiner Seite,« versetzte der kecke Bettler. »Ich bin kein Freund von Irrtümern, es schaut doch immer ein Malheur dabei heraus. – Nun, Monkbarns, der junge vornehme Herr, der bei Euer Ehren ist, denkt gering von einem Kerl wie ich, und doch wette ich, ich kann ihm sagen, wo er gestern in der Dämmerstunde gewesen ist, bloß ist's ihm vielleicht nicht angenehm, daß in andrer Leute Beisein darüber gesprochen wird.«

Lovels Wangen färbten sich vor Scham, mit der starken Röte eines Zweiundzwanzigjährigen.

»Laßt den alten Gauner,« sagte Herr Oldbuck. »Meinen Sie nicht etwa, ich dächte geringer von Ihnen Ihres Berufes wegen. Wer das tut, ist ein Narr voller Vorurteile und ein Hanswurst. Es wird Ihnen erinnerlich sein, was der große Tullius in seiner Rede pro archia poeta sagt, wer unter uns wäre wohl so roh und barbarisch, daß ihn der Tod des großen Roscius nicht rühre, bei seinem hohen Alter habe man doch so wenig sich darauf gefaßt gemacht, daß er sterben könnte, sondern vielmehr gehofft, ein so anmutsvoller, so ausgezeichneter Meister seiner Kunst müsse von dem allgemeinen Lose des Todes ausgenommen sein. So sprach der König der Redner von der Bühne und ihren Jüngern!«

Die Worte des alten Mannes schlugen Wohl an Lovels Ohr, aber sie vermittelten ihm keinen bestimmten Begriff, denn sein Geist war jetzt damit beschäftigt, darüber zu grübeln, auf welche Weise Wohl der alte Bettler, der ihn noch immer mit herausfordernd verschlagener pfiffiger Miene ansah, etwas von seinen Angelegenheiten erfahren haben könnte. Er griff in die Tasche, das sicherste und schnellste Mittel, ihm begreiflich zu machen, daß er auf seine Verschwiegenheit rechne, und gab ihm ein Almosen, dessen Höhe wohl mehr seinen Besorgnissen als seiner Barmherzigkeit entsprach, dabei sah er ihn mit einem ausdrucksvollen Blick an, den der Bettler – ein Physioanomiker von seinem Gewerbe her – vollkommen zu verstehen schien.

»Seien Sie unbesorgt Herr, ich bin keine Schlabbertasche, aber es sind noch mehr auf der Welt als ich,« sagte er, indem er Lovels Gabe einsteckte.

Er sprach die Worte in so leisem Tone, daß nur Lovel ihn verstehen konnte, aber mit einem Ausdruck, der das, was er unausgesprochen ließ, vollauf zu verstehen gab.

Dann wandte er sich an Oldbuck.

»Ich gehe jetzt nach der Pfarre. Haben Euer Ehren was zu bestellen dort oder vielleicht auch an Sir Arthur, denn ich treffe wohl auch noch vor Abend auf Schloß Knockwinnock ein.«

Oldbuck fuhr auf, wie aus einem Traume. In hastiger Rede, in der Ärger mit dem Wunsche, sich nichts merken zu lassen, stritt, und indem er gleichzeitig seinen Tribut in Edies weichen fettigen Hut warf, sagte er:

»Geht nach – nach Monkbarns – laßt Euch was zu essen geben – doch hört! wenn Ihr nach der Pfarre geht oder nach Knockwinnock, so braucht Ihr nichts von Euer albernen Geschichte von vorhin zu erzählen.«

»Wer, ich?« versetzte der Bettler. »Gott segne Euer Ehren! Von mir soll keine Menschenseele ein Wort davon erfahren, meinetwegen mag das Ding da immer schon von Noahs Sintflut da sein. Meine Lippen sollen Verschwiegenheit darüber bewahren.

Aber, Herr, die Leut reden, Euer Ehren hatten Hannes Howie für diese dürre Heide ebensoviel von dem besten Boden gegeben! Nun, wenn er wirklich Ihnen das Ding da für ein antikes Werk angeschwindelt hat, so ist meine aufrichtige Meinung, der Handel kann nimmer gelten, Sie brauchten sich nur ein Herz zu fassen und die Sache beim Gericht anhängig zu machen und zu sagen, daß Sie übers Ohr gehauen worden wären.«

»Der freche Schurke!« murmelte der entrüstete Altertümler zwischen den Zähnen, »dafür soll aber doch noch dein Buckel die Geißel des Henkers kennen lernen.« Und in lauterm Tone setzte er hinzu: »Gebt Euch zufrieden, Edie, es ist alles ein Irrtum.«

»Wahrlich, so denk ich auch,« fuhr sein Peiniger fort, dem es Vergnügen zu machen schien, die wunde Stelle zu kitzeln. »Wahrlich, so hab ich immer schon gedacht, und es ist noch gar nicht so lange her, da hab ich zu Lucie Gemmels gesagt: Kein Gedanke daran, hab ich gesagt, daß seine Ehren Monkbarns so eine Dummheit gemacht haben sollte und einen Boden, von dem der Acker fünfzig Schilling wert ist, für so eine Wüstenei, die mit einem schottischen Pfund zu teuer bezahlt wäre, hingegeben hätte. Verlassen Sie sich drauf, der gnädige Herr ist übers Ohr gehauen worden von dem alten Teufelskerl, dem Hannes Howie. – Aber soll der Himmel uns behüten, Ihr Herrn, wie ist das nur möglich,« sagt sie, »der Lord ist doch so gelehrt in den Büchern– so einen gibts überhaupt nicht wieder hier herum – und Hannes Howie hat doch, nicht Grieps genug im Schädel, daß er seine Rindviecher aus dem Gemüsegarten jagen kann? – Ja doch, ja doch, sag ich, – er hat ihn an der Nase herumgeführt mit einer von seinen Geschichten aus der alten Welt – denn Sie besinnen sich doch wohl noch, Herr, wie Sie damals mal von einem alten schottischen Dreier sagten, es wäre eine antike Münze.«

»Geh zum Teufel,« sagte Oldbuck, und dann setzte er in milderm Tone hinzu, wie einer, der wohl weiß, daß sein Ruf in der Macht seines Gegners läge: »Schert Euch nach Munkbarns, und wenn ich zurückkomme, will ich Euch 'ne Flasche Bier in die Küche schicken.«

»Lohns der Himmel Euer Ehren!«

Diese Worte waren gesprochen in dem echten weinerlichen Geplärr des Bettlers, während er, seinen Stab vor sich setzend, in der Richtung auf Monkbarns hinwegschritt.

»Aber haben Euer Ehren,« und er wandte sich noch einmal um, »jemals das Silber zurückbekommen, das Sie dem herumziehenden Trödler für den schottischen Dreier bezahlt haben?«

»Fluch dir! geh an dein Geschäft!«

»Schon gut, schon gut, Herr! Gott segne Euer Ehren! – Ich hoffe, Sie werdens Hannes Howie schon heimzahlen, und ich erlebs noch!«

Und mit diesen Worten ging der alte Bettler, Herrn Oldbuck endlich von Erinnerungen befreiend, die nichts weniger als angenehm waren.

»Wer ist der zudringliche alte Kerl?« fragte Lovel, als der Schnorrer aus Hörweite war.

»O, eine von den Landplagen dieser Gegend – ich bin immer gegen die Abgaben für die Armen und gegen die Arbeitshäuser gewesen – ich denke, ich werde jetzt dafür stimmen, damit dieser Schurke hinter Schloß und Riegel kommt. Wer er ist? Ei, er ist mit allem so ziemlich durch! Ist Soldat gewesen, Bänkelsänger, wandernder Kesselflicker, und jetzt ist er Bettler. Unser törichter Landadel schont seiner und verhätschelt ihn förmlich. Sie lachen über seine Witze und erzählen die Schnurren Edie Ochiltrees weiter.«

»Er nimmt sich viel Freiheit heraus – was ja die Seele des Witzes ist,« bemerkte Lovel.

»Ei ja, Freiheiten genug,« sagte der Altertümler. »In der Regel erfindet er so eine verdammte unwahrscheinliche Schwindelei, um einen zu hänseln, wie den Mumpitz, von dem er eben geschwatzt hat, aber ich will jetzt noch nicht weiter darauf eingehen, bis ich nicht der Sache auf den Grund gegangen bin.«

»In England,« sagte Lovel, »würde mit einem solchen Bettler kurzer Prozeß gemacht werden.«

»Freilich, die Parochievorsteher und Büttel würden ihm seine faulen Witze bald versalzen! Aber hier! – Fluch ihm! – hier ist er eine Art privilegierten Ärgernisses – einer der letzten Vertreter der altmodischen schottischen Bettlersippschaft, die in einem Landstrich ihre Runde machten und der Neuigkeitskrämer, der fahrende Sänger und oft auch der Chronist des Kreises waren. Dieser alte Gauner weiß mehr alte Balladen und Traditionen als irgend einer in diesem oder den vier nächsten Sprengeln. Und schließlich,« setzte er hinzu und wurde ein wenig milder gestimmt, während er Edies gute Seiten beschrieb, »der Hund hat Humor und ist eine gutmütige Haut. Er hat sein hartes Geschick mit ungebrochenem Mute ertragen, und es wäre grausam, wenn man ihm den Trost versagen wollte, über die Leute, denen es besser geht wie ihm, sich lustig zu machen. Für das Vergnügen, daß er mich gefoppt hat, kriegt er auf ein paar Tage Essen und Trinken. Aber ich muß zurück und ihm nachschaun, sonst verbreitet er seine verdammte unsinnige Geschichte über die halbe Gegend.«

Nach diesen Worten verabschiedeten sich unsere Helden, Herr Oldbuck kehrte zu seinem hospitium in Monkbarns zurück, und Lovel nach Fairport, wo er ohne jeden weiteren Zwischenfall anlangte.


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