Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfzehntes Kapitel.

Hyndman der Türsteher führte den Falkner und den Pagen nach einem Raume im Erdgeschoß und bedeutete sie, daß sie dort sich zu verhalten hätten, bis ihnen durch Seine Gnaden Bescheid zu weiterem Dienste zuginge. Speise und Trank fänden sie in der Küche, und ihr Nachtlager hätten sie, da alles im Schlosse besetzt sei, im Gasthofe zu Sankt-Michael zu nehmen, sich morgens aber hier wieder einzufinden.

Kaum war Hyndman verschwunden, so fragte der Falkner mit aller Hast gespannter Neugierde:

»Nun, Roland, die Neuigkeiten, die Neuigkeiten! komm, öffne Deinen Zeitungsbeutel! Was spricht der Regent? hat er sich nach Adam Woodcock erkundigt? ist alles niedergeschlagen, oder wird der Abt der Unvernunft noch dran zu glauben haben?«

»Alles steht nach dieser Seite hin gut,« antwortete der Page; »aber« – und hier sah er verwundert auf seine Mütze – »habt Ihr mir etwa Kette und Medaillon von der Mütze abgemacht?«

»Freilich, und grade noch zur rechten Zeit, als der sauertöpfische Patron von Türsteher sich eben erkundigen wollte, was Ihr da für pfäffischen Plunder an Euch trüget! denn sonst wäret Ihr doch Euer Medaillon los, denn man hätt's Euch Gewissens halber konfisziert! Aber wie steht's denn mit Euren weitern Neuigkeiten? laßt Ihr sie nun bald fliegen? was hat der Regent zu Euch gesagt?«

»Nichts was ich weiter sagen werde,« erwiderte Roland.

»Was der Tausend!« rief Adam, »wie klug und weise wir doch mit einem Male geworden sind! Herr Roland, Ihr habt's wirklich in kurzer Zeit recht weit gebracht! Nahe dran wart Ihr, Euch einen blutigen Schadet zu holen, und habt Euch eine goldene Kette geholt, dann einen Feind erworben, den Herrn Türsteher nämlich mit seinen Säbelbeinen, dann habt Ihr Audienz gehabt beim ersten Mann in ganz Schottland, und nun steht Ihr da mit so geheimnisvollem Schleier um die Stirn, als wärt Ihr am höfischen Himmel geflattert, schön, als Ihr aus Eurem Ei krocht.. Meiner Treu, Ihr seid, scheint's mir, mit einem Stück Eierschale auf dem Kopfe herumgelaufen wie die Schnepfen drüben in Avenel ... wollte Gott, wir wären wieder hinter ihnen her! ... aber setz Dich, Junge! Adam Woodcocks Sache ist's nie gewesen, sich in Heimlichkeiten einzudrängen: da, setz Dich, ich will was zu essen und trinken holen, mir hängt der Magen schon ganz windschief, ich weiß ja von früher her, wo man hier was Gescheites bekommt.«

Der Falkner ging und überließ Roland den seltsamen und verwickelten, zugleich auch höchlich beunruhigenden Betrachtungen, die die Vorgänge dieses Vormittags in seinem Gemüte geweckt hatten. Gestern noch ohne Zweck und Ziel auf der Landstraße, als Begleiter einer Greisin, mit deren Verstand es ihm selbst nicht ganz richtig zu sein schien, und jetzt, ohne daß er selbst wußte, wie und weshalb, und in welchem Maße, der Hüter eines Staatsgeheimnisses von solch wichtiger Natur, daß der Regent selbst ihm treues Verschweigen ans Herz gelegt hatte. Der Umstand, daß er selbst die Tragweite dieses Geheimnisses nicht vollständig begriff, in dessen Besitz er wider Willen gesetzt worden war, war mehr geeignet, die Situation für ihn interessant, als gleichgültig zu gestalten. Es war ihm zu Mute, wie jemand, der eine romantische Landschaft zum ersten Male in einen Nebelsack gehüllt erblickt, so daß die Berge und Abgründe, zufolge der schwanken Umrisse, in denen Felsen, Bäume und andre Dinge ringsumher dem Auge erscheinen, doppelte Höhe und Tiefe gewinnen, weil es an jedem Maßstabe für sie gebricht. Selten gewinnt aber beim Menschen, vorzüglich, wenn er kurz vorm Eintritt in das zweite Lebensjahrzehnt steht, die Phantasie dermaßen die Herrschaft über sein ganzes Wesen, daß ihm das Bewußtsein für irdische Nahrung abhanden kommt. So war es auch unserm Helden, wie wir ihn nachgerade wohl nennen dürfen, ganz lieb und recht, daß sein Freund Adam Woodcock mit einer tüchtigen Schüssel voll Rindfleisch und Gemüse wieder in der Stube erschien und hinter ihm drein ein Diener sichtbar wurde, der Salz und Brot und was sonst zu einer rechtschaffnen Mahlzeit gehört, herbeitrug. Der Falkner sagte freilich, für das armselige Dienervolk des Adels werde es mit jedem Tage schlechter und karger, es sei wirklich ein Stück Arbeit, etwas Bessers noch zu ergattern als Haut und Knochen, grobe Reden und Püffe seien weit leichter zu haben, und Bier gebe es überhaupt nicht mehr, sondern nur Malzwasser ... »aber, Kamerad,« setzte er bei, »es kommt nichts heraus dabei, Klagelieder über alte Zeiten anzustimmen, besser ist's schon, man sucht die Gegenwart zu nehmen, wie sie ist.«

Mit diesen Worten setzte sich der ehrliche Falkner neben den Junker, dessen Sorge um die Zukunft in der angenehmen Befriedigung einer durch Jugend und Entbehrung geschärften Eßlust schon eine Weile lang geschwunden war. Sie hielten auch wirklich auf königliche Kosten ein tüchtiges Mahl, so schlicht auch die Speisen waren, aus denen es bestand, und ungeachtet des über den Haustrunk des Palastes gefällten Tadels hatte er doch bereits viermal tüchtig an dem Kruge »gezulpt«, bevor es ihm wieder einfiel, daß er sich drüber »mokiert« hatte. Dann warf er sich in einen alten Armsessel, heftete auf seinen Gefährten einen Blick sorgenloser Lust und bedauerte es lebhaft, daß demselben noch immer nicht die Ballade bekannt sei, die er für den Aufzug des Narrenabtes komponiert habe. Und ohne auf eine Aufforderung zu warten, stimmte er munter und fidel an:

Der Papst in stolzer Heidenpracht
Hüllt uns in Narrenkappen.
Wenn Blinder Blindenführer macht,
Im Irrsal beide tappen;

Auf seinem Thron spricht keck er Hohn.
Dem, was Vernunft gebeut ...
Singt dudeldum und dudeldei
Im Grünen ungescheut.

Der Bischof brummt, wie Ihr ja wißt,
Und neckt sich mit der Dirne.
Der Sündenmönch frönt dem Gelüst
Mit frecher Muckerstirne.

Nicht lesen schier kann sein Brevier
Der Pfaff. O arge Zeit!
Singt dudeldum und dudeldei
Im Grünen ungescheut.

Roland fand an diesem Spottgedicht, wie sich bei seiner Denkart und Glaubensrichtung wohl denken läßt, kein sonderliches Behagen und griff nach seinem Mantel, um ihn über die Schulter zu werfen, und Adam Woodcock setzte deshalb in seinem Gesange aus. »Wo soll's denn schon wieder hin, unruhiger Knabe?« rief er, »Du hast doch ganz gewiß Quecksilber in Deinen Adern! hältst genau so wenig aus, wie ein Falke auf dem Handgelenk, wenn er die Haube nicht auf hat.«

»Je nun, Woodcock,« antwortete der Page, »ich will mal einen Gang durch die Stadt machen, wenn Du es durchaus wissen willst. Wenn man die ganze Nacht hier zwischen vier Steinmauern verbringen sollte, dann könnte man grad so gut eingekerkert sitzen im alten Schloß am See.«

»Aber allein laß ich Euch keinen Schritt tun,« sagte der Falkner, »bis der Regent Euch wohlbewalten aus meiner Hand empfing. Drum laßt uns, wenn's Euch paßt, nach Sankt-Michael in den Gasthof gehen. Dort werden wir Menschen genug sehen, aber durchs Fenster, wohlgemerkt! denn daß Ihr etwa noch mal hinauslauft, um Euch mit Seytons und Leslies herumzuschlagen, das geb ich auf keinen Fall zu.«

»Na, also auf nach Sankt-Michael!« stimmte der Page bei; und sie verließen den Palast, gaben der Wache am Tore Bescheid über Namen und Stand und Zweck ihrer Anwesenheit im Schlosse und wurden dann gegen Ausfolgung von Einlaßkarten für den kommenden Tag durch eine enge Pforte des Haupttors hinausgelassen. Bald hatten sie den Gasthof, der am Fuße des Calton-Hügels lag, erreicht, ein großes, unwirtliches Gebäude, das mehr einer Karawanserei des Morgenlandes glich als einem Gasthofe im Abendlande,

Der jeden Wunsch des Gastes zu erfüllen trachtet,
Der nicht auf Kreide bei der Zeche achtet.

Immerhin gab es für Roland, dessen Auge an solchen Anblick, wie ihn eine volle Gaststube des damaligen Schottland darbot, nicht gewöhnt war, des Aufregenden und Ergötzlichen grade genug zu sehen. Einheimische und Fremde trafen einander hier, begrüßten einander, spielten Karten und pokulierten zusammen, ohne daß sich einer um den andern kümmerte, und bildeten so einen schroffen Gegensatz zu der strengen Ordnung und einförmigen Ruhe, mit der sich alles in dem wohlgeordneten Haushalte des Ritters von Avenel vollzog. Neckerei, Wortwechsel und Zank gab es an allen Tischen, und doch schien der Lärm, der dadurch entstand, niemand zu stören, ja niemand zu kümmern als die Gruppe, zu der die im Disput befindlichen grade gehörten.

Der Falkner setzte sich, in eins der Erkerfenster, ließ sich kalten Kapaun und Rindszunge und Landwein bringen und sagte zu Roland:

»So, Kamerad! nun zugelangt, heut soll's noch ein paar lustige Stunden setzen! Begraben wir die Sorgen bis morgen!«

Aber Roland war noch zu satt von dem Abendessen im Schlosse und vergnügte sich durch die Beobachtung des draußen in dem großen Hofe herrschenden Lebens und Treibens. Die vielen, jetzt zur Hauptstadt strömenden Adelinge des Landes hatten alle Ställe mit ihren Pferden in Beschlag genommen, und es wimmelte draußen von kriegerischem Gefolge und von Dienerschaft in allen möglichen Trachten und Livreen. Das war ein Singen und Lärmen und Pfeifen und Schreien und Lachen, untermischt mit Waffen- und Sporengeklirr, mit Stampfen und Wiehern, daß Roland bald die Ohren weh taten. Aber er hörte nicht auf, zu sehen und zu staunen. Wiederholt hatte Woodcock ihn aufmerksam gemacht auf das und jenes, das ihm besonders verdiente, beobachtet zu werden, und worunter sich auch manche Dirne befunden hatte, die im buntfarbigen Mieder, in schmuckem Rock und Unterrock mit der Gelte zum Trog gelaufen war, um dem einen oder andern bevorzugten Knecht oder Diener bei der Abwartung seines Rosses zur Hand zu gehen. Aber kein einziges mal hatte Roland ihn einer Antwort gewürdigt.

»Na, Schockschwerenot! Roland, was seht Ihr denn bloß, daß Ihr gar kein Wort für mich übrig habt?«

Roland blieb nach wie vor stumm.

»Na, wißt Ihr, Herr Roland,« sagte der Falkner wieder, »bei mir zu Hause ist's nicht Mode, daß man jemand die Antwort weigert, der mit einem spricht.«

Aber auch jetzt kam keine Antwort aus dem Munde des Gefährten.

»In dem Burschen steckt wahrhaftig der Henker,« brummte der Falkner vor sich hin, »der muß sich die Augen verguckt und die Zunge lahm geschwatzt haben.«

Er goß den Krug Wein hinunter und rückte näher zu Roland heran, der wie eine Bildsäule dasaß und in den Hof hinaus stierte, trotzdem sich dort, wenigstens für die Augen des Falkners, nicht das geringste zeigte, was solches stieren Gaffens als wert hätte erscheinen können. Aber das Staunen des Pagen hatte seine guten Gründe, wenngleich sie nicht danach beschaffen waren, daß er sich zu seinem Kameraden darüber hätte aussprechen können.

»Der Bursche ist, weiß der Himmel, von Sinnen!« brummte Woodcock vor sich hin. Der Lärm im Hofe hatte verschiedene Leute von der Straße herbeigelockt, darunter auch einen Pagen, dessen Erscheinung, als er ins Hoftor trat, die Aufmerksamkeit Rolands sogleich auf sich gezogen hatte. Er war etwa von gleichem Alter mit ihm, eher junger als älter, und mochte, der Tracht und Haltung nach zu schließen, einem gleich vornehmen Hause angehören wie er, bloß war er zierlicher und schmächtiger von Gestalt. Er warf, kaum in den Hof getreten, einen Blick zu den obern Fenstern hinauf, und da erkannte Roland zu seinem höchsten Staunen unter der purpurnen Samtmütze mit der weißen Feder, die den Pagenkopf bedeckte, die seiner Erinnerung so tief eingeprägten Gesichtszüge mit den wohlgeformten Brauen unter den goldnen Ringellocken und der Purpurlippe, die in der Regel von halb unterdrücktem schelmischem Lächeln umspielt war, mit einem Worte, da erkannte Roland in dem schmücken Pagen die lustige Maid, die er zum erstenmal in dem Kloster, zum andern mal in dem Palaste des Lords Seyton gesehen hatte, Katharina Seyton! ja, Katharina Seyton in Pagentracht, und, dem Anschein nach, mit Geschick und Glück bemüht, ihn nachzuäffen.

»Beim heiligen Georg und was weiß ich noch allem!« sprach Roland bei sich, »sah man wohl je eine keckere Dirne? .. Indessen sieht's doch so aus, als ob sie ihrer Vermummung sich ein wenig schämte, denn jetzt hält sie schon wieder den Mantelzipfel vors Gesicht ... aber, mit welcher Keckheit drängt sie sich durch diesen Haufen von Mannsvolk .. Ich glaube gar, jetzt zieht sie dem Stallburschen in der Friesjacke mit der Reitgerte ein paar über!«

Ein Tölpel von Stallburschen in dicker Friesjacke hatte dem, wie es schien, in großer Eile befindlichen Pagen nicht Platz machen wollen und bekam jetzt seine Reitpeitsche zu kosten. Sie sauste ihm um die Ohren, und brummend trat der ungelenke Mensch beiseite! Während seine Kameraden sich darüber vor Lachen ausschütten wollten, trat eine Dirne, in rotem Mieder, die ihm geholfen hatte und seinem Mißgeschick dadurch die Krone aufsetzte, daß sie aus vollem Lachen mitlachte, zu dem Pagen heran und fragte, ob er vielleicht hier jemand suche.

»Richtig erraten, mein Kind, einen jungen Schößling mit Palmenzweig auf der Mütze, schwarzäugig und schwarzlockig, in grünem Wams und mit den Mienen eines Gecken vom Lande. Ich hab ihn schon überall in der Canon-Gate gesucht und kann ihn nicht finden.« »Na, nur gemütlich,« murmelte Roland verwundert in sich hinein, »das hört sich ja recht schmeichelhaft an!«

»Ich will dem schmucken jungen Herrn gern den Gefallen tun und Umschau nach dem jungen Buben vom Lande halten,« sagte die Magd zu dem Pagen.

»Seid so gut,« antwortete dieser; »bringt Ihr ihn mir her, sollt Ihr heut abend auch einen guten Groschen und am andern Sonntag, wenn Ihr ein reines Mieder anhabt, einen Schmatz bekommen.«

»Na, das nenn ich die Keckheit doch etwas weit getrieben, gegen mich wie gegen die Dirne,« brummte Roland in sich hinein.

»Den Groschen könnt Ihr behalten,« beschied die Dirne, »und den Schmatz schenk ich Euch!«

Im andern Augenblick war die Magd, die für Pagen einen schärfen Blick zu haben schien, in der Gaststube und sah sich um. Dann ging sie heraus, um gleich darauf mit dem Pagen hereinzutreten.

Die verkleidete Maid ließ ihren Blick keck über die in der Gaststube sitzende und stehende Gesellschaft von Mannsvolk schweifen; Roland wußte nicht, was er von ihr denken sollte, nahm sich aber vor, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern ihr lustig gegenüberzutreten und sie gleich merken zu lassen, daß er sie erkannt habe und um ihr Geheimnis Bescheid wisse, daß also ihr Schicksal in gewissem Sinne in seiner Hand liege, und daß er sie recht wohl nötigen könne, sich vor ihm zu »ducken« oder wenigstens doch so zu tun, als »krieche sie vor ihm zu Kreuze«.

In dieser Weise hatte sich Roland die weitere Entwicklung der Situation recht fein ausgedacht; aber als er die zu solchem Verhalten passende Miene grade aufsetzen wollte, trafen seine Blicke auf das kecke, unverwandt auf ihn gerichtete Augenpaar seines brüder- oder schwesterlichen Pagen, der in ihm sogleich mit seinem Falkenblick die Persönlichkeit erkannt hatte, auf deren Suche er begriffen war, und mit der unbefangensten Miene und dem unerschrockensten Wesen von der Welt hörte er sich plötzlich angesprochen:

»Ei, Herr Palmenzweig, Euch such' ich, weil ich mit Euch was zu sprechen habe.«

Es war dieselbe ruhige, zuversichtliche und kalte Stimme, wie er sie im Kloster aus ihrem Munde vernommen hatte, es waren dieselben Gesichtszüge, die ihm so scharf vor der Seele standen, die ihm, aus solch unmittelbarer Nähe gesehen, ganz unmöglich Zweifel wecken konnten, und doch stand er da perplex und außer stande, sich die Situation zurechtzulegen, und es war ihm, als wenn ihn Ungewißheit beschliche, ob er nicht doch am Ende das Opfer einer Augen- oder Sinnestäuschung sei; und aus der Klugheit, die er hatte entfalten wollen, aus der pfiffigen Miene, die sein Gesicht hatte zeigen sollen, war eine alberne Blödigkeit, aus dem spöttischen Lächeln, das auf seine Lippen hatte treten wollen, ein dummes Grinsen geworden, so daß er ganz aussah, wie jemand der lachen will, um seine Verlegenheit zu bemänteln.

»Na, ich denke doch, bei Dir zu Lande wird Schottisch gesprochen, Palmzweig?« fragte die wundersame Fee in der noch wundersamern Verkleidung, »ich sagte doch, ich hätte mir Dir zu reden!«

»Was habt Ihr junges Kampfkücken denn vor mit meinem Kameraden?« fragte Adam Woodcock, der sich anschickte, seinem Kameraden zu Hilfe zu kommen, obgleich er über den Grund von dessen Verwirrung auf durchaus falscher Fährte war.

»Mit Euch altem Hahne gar nichts,« erwiderte das jugendliche Stutzerlein, »geht Ihr in aller Ruhe und reicht Euren Falken Pillen zum Abführen! Ich seh es ja an Eurer Tasche und Eurem Handschuh, daß Ihr so was seid wie Falkenier?«

Das Stutzerlein lachte, und dieses Lachen rief ihm jenes andre, das er im, Kloster gehört hatte, so deutlich in die Erinnerung, daß er sich kaum, enthalten konnte auszurufen: »Katharina Seyton, so wahr Gott lebt« – aber er unterdrückte noch rechtzeitig diesen Ausruf und sagte statt, seiner nur: »Mir kommt so vor, mein junger Herr, als seien wir einander nicht ganz fremd.«

»Dann müssen wir einander grade im Traume gesehen haben,« sagte der Page, »ich habe tagsüber aber so viel zu tun, daß es mir ganz unmöglich ist, mich um Träume zu kümmern.«

»Oder Euch derjenigen bei Tage nicht mehr zu entsinnen, die Ihr abends gesehen habt,« versetzte Roland.

Der Page sah ihn verwundert an, dann sagte er: »Ich verstehe von Euren Reden nicht mehr und nicht weniger als dort der Gaul. Soll in Eurer Rede ein Tort gegen mich liegen, so steh ich nicht an, Euch darüber zur Rede zu stellen, wie jeder andre junge Kavalier von Edinburg.«

»Daß ich mich mit Euch nicht in Händel einlassen werde, wißt Ihr recht gut,« erwiderte Roland, »wenn's Euch beliebt mit mir wie mit einem Fremden zu reden. Mir muß ja jeder Streit mit Euch fern liegen.«

»Dann laßt mich in Ruhe den Auftrag ausrichten, den ich für Euch habe« sagte der Page. »Aber, tretet ein wenig hier herüber, damit uns das alte Falkenleder nicht hört.«

Sie trat in einen Verschlag am Fenster, der Jüngling kehrte der Gesellschaft in der Gaststube den Rücken zu, nachdem er sich noch einmal mit scharfen Blicken rings umgesehen, dann zog er unter seinem Purpurmantel ein kurzes, aber fein ziseliertes Schwert hervor, dessen Griff und Scheide mit silbernem Zierat ausgelegt waren, und sprach zu Roland wie folgt:

»Ein Freund sendet Euch diese Waffe und schenkt sie Euch unter der Bedingung, daß Ihr sie nicht früher ziehen sollt, als bis es Euer angestammtes Oberhaupt Euch befiehlt. Weil man Euer heißes Blut kennt, und Eure Keckheit, Euch um ungelegte Eier zu bekümmern, soll dies Eure Strafe sein, erteilt von denjenigen, die Euch wohlwollend gesinnt sind und deren Hand bestimmt ist, in Euer Geschick einzugreifen. Dies ist mein Auftrag. Wollt Ihr nun ein ehrliches Wort austauschen gegen ein gutes Schwert und Euer Gelübde durch Handschlag und Handschuh verpfänden, dann laß ich Euch meinen Flamberg da, andernfalls bin ich gehalten, ihn denen wieder zurückzubringen, die ihn mir übergeben haben.«

»Ich darf nicht fragen, wer die Auftraggeber sind?« fragte, die herrliche Waffe bewundernd, Roland.

»Mein Auftrag ermächtigt mich nicht, auf solche Frage Bescheid zu tun,« sagte das Stutzerlein im Purpurmantel.

»Und auch, wenn mich Beleidigung trifft, soll ich nicht vom Leder ziehen dürfen?« fragte Roland wieder.

»Nicht dieses Schwert,« versetzte der Page, »aber dazu habt Ihr ja doch das eigne Schwert, das ich Euch doch nicht nehmen soll; und wozu habt Ihr denn Euren Dolch?«

»Unter dieser Bedingung, und da es von so lieber Hand kommt, nehme ich das Schwert,« erklärte Roland, »doch glaubt mir, sofern wir in irgend welcher Unternehmung von Wichtigkeit, wie ich ja doch anzunehmen veranlaßt worden bin, gemeinsam handeln, dann wird doch ein gewisser Grad von Vertrauen und Offenheit Eurerseits von nöten sein, um meinem Eifer das nötige Feuer zu geben. Für den Augenblick will ich nicht weiter in Euch dringen. Es genügt mir, wenn Ihr mich versteht.«

»Wenn ich Euch verstehe?« wiederholte der Page, jetzt seinerseits unverblümte Verwunderung zeigend, »nicht leben will ich, wenn dem so ist ... Ihr steht da und lächelt und schneidet Gesichter, als wenn Gott weiß welches Wunderding von Rank und Intrige zwischen uns sich abspielte, und dabei habe ich doch weder Euch noch habt Ihr mich gesehen!« »Was?« rief Roland Gräme, »Ihr wolltet in Abrede stellen, baß wir einander schon gesehen hätten?«

»Potztausend! vor jedem christlichen Potentaten will ich's beschwören!« rief der andre Page.

»Und wollt Ihr ferner leugnen, daß es uns eingeschärft worden ist, uns wechselseitig unsre Gesichtszüge einzuprägen?« rief Roland. »Gedenkt Ihr nicht der Damen Brigitte und Magdalene ...«

Hier unterbrach ihn der Page mit mitleidsvollem Achselzucken und sagte:

»Was schwatzt Ihr da von einer Brigitte und einer Magdalena? ... Na, das ist doch helle Verrücktheit oder Träumerei! ... Wißt Ihr was, mein Herr Palmenzweig? Mir scheint, Ihr seid nicht mehr recht bei Euch! oder Euer bißchen Griebs ist Aehren lesen gegangen! Trinkt einen guten Magenbitter, oder zieht über Euer krankes Hirn eine wollne Nachtmütze ... und damit Gott befohlen!«

Damit war der Page verschwunden.


 << zurück weiter >>