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Siebentes Kapitel.

Als sie von den Resten des gestrigen Abendbrots ihr Frühstück eingenommen hatten, machten sie sich auf die Wanderung. Magdalene Gräme ging festen und rüstigen Schrittes voran, und Roland, mißmutig über die ihm neuerdings aufgezwungene Abhängigkeit, schritt hinter ihr drein.

»Soll ich mich denn immer verzehren in der Begierde nach Unabhängigkeit und freier Tätigkeit,« sprach er bei sich, der Worte der Greisin eingedenk, daß er kein Recht haben solle zu wählen zwischen dem, was er tun und was er nicht tun wolle, »und soll ich demungeachtet durch die Umstände immerfort genötigt sein, mich dem Willen andrer Menschen zu beugen?«

Sie sprachen selten zusammen. Frau Gräme sang hin und wieder aus irgend einer schönen lateinischen Hymne mit gedämpfter Stimme einige Strophen, murmelte ein Credo oder ein Ave und versank tiefer und tiefer in ihre religiösen Betrachtungen. Die Aufmerksamkeit des Enkels war mehr auf irdische Dinge gerichtet, und wenn von Zeit zu Zeit einmal ein Sumpfvogel mit trotzigem Kampfgeschrei aus einem Busche aufstieg und über einen Sumpf hinschoß, da fiel ihm der muntre Woodcock ein und die prächtigen Falken, oder wenn sie an einem Dickicht vorbeigingen, das mit Heide- und Pfriemenkraut durchwachsen war zu einem sichern Versteck, dann träumte er von einem Rehbock oder von Windspielen. Oft aber wandte seine Seele sich zurück zu seiner gütigen Gebieterin, von der er geschieden war, ohne jeglichen Versuch von seiner Seite, sie wieder zu versöhnen, so daß sie mit vollem Recht ihm zürnte.

»Hätte ich mich doch nur noch einmal zu ihr begeben,« sprach er bei sich, und diesen Gedanken konnte er nicht los werden, »und wäre es nur auf einen Augenblick gewesen, um ihr zu sagen: Gnädigste Herrin, der Waisenknabe war wohl unbändig, aber undankbar war er nicht.«

Um die Mittagsstunde herum erreichten sie ein kleines, einzeln liegendes Dörfchen, das, wie die meisten Grenzorte, mit ein paar vorspringenden Türmen oder Schirmdächern, damaligem Brauche gemäß, aus Rücksicht auf die oft notwendig werdende Verteidigung gegen Ueberfälle, befestigt war. Ein kleiner Bach floß hindurch, und an einem Winkel, den er bildete, stand ein verfallnes Wohnhaus, das aber ehemals Personen von Rang und Stand zum Aufenthalt gedient haben mochte. Ein paar Maulbeerbäume milderten das düstre Aussehen des aus dunkelrotem Gestein aufgeführten Hauses, das einstmals ein stattliches Aeußere gehabt haben mochte. Der Hof vor der Tür, ehedem von einer niedern Mauer umschlossen, die aber jetzt in Verfall war, zeigte unter dem dichten Grase, das von Nesseln und anderm Unkraut überwachsen war, deutliche Spuren eines ehemaligen Steinpflasters. Der Bach hatte die Mauer unterwaschen, in seinem Bett lagen verschiedene von den Ecktürmchen, die sie vor Zeiten gekrönt hatten, und infolge der Trümmer, die es in seinem Laufe geschaffen, hatte es sich weiter an den Turm herangezogen und schickte sich nun an, auch den Grund zu unterhöhlen, auf dem das Gebäude selbst stand, sofern ihm nicht schnell noch durch einen Dammbau Einhalt getan wurde.

Alles dies erregte Rolands lebhafte Aufmerksamkeit, als er sich mit seiner Begleiterin auf einem gewundenen Pfade, der ihnen die mannigfachsten Ausblicke eröffnete, dem eigentümlichen Gebäude näherte. »Führt unser Weg nach diesem Hause?« fragte er die Großmutter, »dann hoffentlich nur auf kurzen Besuch, denn das Haus sieht ganz so aus, als genügten ein Paar Tage mit Böen aus Nordwest her, es in den Bach hinein zu befördern.«

»Du siehst bloß mit den Augen des Leibes,« sagte die Greisin, »Gott wird sein Besitztum schützen, wenn es gleich von den Menschen verlassen und verachtet ist... Besser unter seinem Schutze auf Sand zu wohnen, als auf Felsen menschlichen Selbstvertrauens zu flüchten.«

Unter dem Austausch dieser Worte traten sie in den Hof des alten Hauses, und hier merkte Roland sofort, daß das Haus ehedem eine stattliche Fassade besessen hatte aus dem gleichen dunkelroten Stein, aus dem das Haus selbst gebaut war. Aber die Fassade war zertrümmert, und nur verwitterte Spuren von Nischen und Gebälk bedeckten die Stelle, die sie einst eingenommen hatten. Der Haupteingang an der Vorderseite war vermauert, aber ein schmaler, wenig betretener Pfad führte zu einer engen Pforte, die durch eine dicht mit eisernen Nägeln beschlagene Tür Zugang zu dem Hause gewährte. Hier klopfte die Frau Gräme dreimal hintereinander, bei jedem Schlage eine bestimmte Weile inne haltend. Nach dem dritten Schlage gab drinnen ein leises Pochen Antwort, und bald darauf wurde die schmale Pforte geöffnet, und ein bleiches, hageres Weib begrüßte die Ankömmlinge mit dem Spruche: »Gesegnete, die da kommen im Namen des Herrn!« Als sie eingetreten waren, schloß die Pförtnerin die Pforte schnell wieder zu und schob die starken Riegel wieder vor.

Die hagere Frau führte sie durch ein niedriges Portal in ein Vorzimmer von ziemlich bedeutender Größe, das mit Steinplatten gepflastert war und an dessen Wänden Steinplatten entlang liefen. Am obern Ende befand sich ein Bogenfenster, das aber zum Teil mit Heubündeln verbaut war, wodurch der Raum ein sehr düstres Aussehen gewann.

Hier verweilten sie, und die Besitzerin, denn das war die Pförtnerin – umarmte nun Magdalena und küßte sie auf beide Wangen und bewillkommnete sie mit dem Namen Schwester.

Dieses Wort ließ in Roland keinen Zweifel über die Religion der Frau. Sie sprachen dann heimlich noch ein paar Worte, und dadurch gewann Roland Zeit, die äußere Erscheinung der neuen Bekannten genauer zu betrachten.

Sie mochte zwischen fünfzig und sechzig Jahren alt sein. In ihren Blicken lag eine Mischung von Trübsinn und Not, die an Mißmut grenzte, aber die trotz ihres Alters noch deutlich erkennbare Spuren der einstigen Schönheit verrieten. Sie trug sich in einfachster Weise, dunkel, in gewisser Hinsicht ebenso klösterlich wie die Gräme. Ein hoher Grad von Sauberkeit schien darauf hinzudeuten, daß sie wohl arm, aber nicht so weit heruntergekommen war, daß sie den Sinn für Anstand im Leben verloren hatte. Ihr Benehmen sowohl wie ihre Gesichtszüge und ihre äußere Erscheinung verrieten deutlich, daß sie früher in andern Verhältnissen gelebt haben und auch eine Erziehung genossen haben mußte, die weit über die beschränkte Lage, in der sie sich jetzt befand, gereicht hatten. Je länger Roland die Greisin betrachtete, desto deutlicher war es ihm, daß diese Frau Dinge erlebt haben müsse, die des Erzählens wohl wert sein mochten.

Mittlerweile, hörte das flüsternde Gespräch der beiden Frauen auf. Die Besitzerin des Hauses trat zu ihm und betrachtete ihn scheinbar mit reger Aufmerksamkeit und Teilnahme.

»Also dies ist das Kind Deiner unglücklichen Tochter, Magdalene, sagte die Frau zu der Gräme, »und diesen letzten Sproß Eures unglücklichen Stammes wollt Ihr der guten Sache weihen?«

»Ja, beim heiligen Kruzifix,« antwortete die Gräme in ihrem gewöhnlichen Tone unbeirrbarer Festigkeit, »der guten Sache weihe ich ihn, mit Haut und Fleisch, mit Armen und Sehnen, mit Seele und Leib.«

»Du bist ein glückliches Weib, Magdalene, daß Du so hoch erhaben bist über menschliche Neigung und menschliches Gefühl, um ein solches Opfer dem Altare zuführen zu können. Ich hätte mit weit schwererem Herzen nur ein solches Opfer bringen können.«

Und wieder betrachtete sie den Jüngling, aber in ihren Blick hatte sich ein Ausdruck wehmütiger Teilnahme geschlichen. Endlich trieb ihre unausgesetzte Betrachtung dem Jüngling das Blut in die Wangen und er wollte sich schon ihrer Nähe entziehen, aber seine Großmutter hielt ihn mit der einen Hand zurück, während sie ihm mit der andern das Haar aus der von Schamröte überflognen Stirn strich und mit unerschütterter Festigkeit, in die sich aber eine innige Zuneigung mischte, die Worte sprach: »Ja, sieh ihn Dir nur an, Schwester, denn nie ruhte Dein Blick auf einem schöneren Gesichte. Auch mir kam, als ich ihn zum ersten Male sah, eine Empfindung, wie sie jedem irdisch empfindenden Wesen auch wohl kommen muß. Aber von dem verwitterten Baume, der seinen Blätterschmuck schon längst verlor, kann kein Sturm ein Blatt mehr reißen, und ebensowenig kann eine zufällige Erscheinung des menschlichen Daseins noch Empfindungen wecken, die in der Stille frommer Andacht schon lange entschlummert sind.«

Aber während die Greisin so sprach, strafte ihr Benehmen sie Lügen, denn als sie jetzt hinzusetzte: »Aber, je reiner und fleckenloser das Opfer ist, desto würdiger, nicht wahr, Schwester, ist es der Annahme.« Es schien, als ob sie den Gefühlen, die sie erschütterten, mit Freuden entränne, denn sie fuhr gleich darauf fort: »Aber er wird sich retten können, meine Schwester, und es wird sich ein Widder fangen in dem Dickicht, und die Hand unsrer abtrünnigen Brüder wird nicht, über unsern Joseph kommen. Kann doch der Himmel seine Rechte verfechten selbst durch die Hand von Kindern und Säuglingen, von Frauen und unmündigen Knaben!«

»Der Himmel hat uns verlassen,« sagte die andre; »um unsrer Sünden, um der Sünden unsrer' Väter willen ist von diesem fluchbeladnen Lande die Hilfe aller gebenedeiten Heiligen gewichen. Die Krone des Märtyrertums können wir wohl gewinnen, nicht aber die Krone des irdischen Triumphs. So wurde wiederum einer hinüber in eine bessre Welt gerufen, dessen Weisheit uns in solch schwerer Zeit gar sehr fehlen wird. Der Abt Eustachius ist nicht mehr von dieser Erde.«

»Möge seine Seele Gnade finden!« betete Magdalene Gräme, »und möge der Himmel auch uns Gnade schenken, die wir jetzt ohne ihn weiter leben müssen in diesem blutigen Lande. Unersetzlich ist für uns freilich sein Verlust, denn wer besäße seine Erfahrung, seinen Eifer, seine Weisheit, seinen Mut? Mit der Fahne in der Hand ist er gefallen im Kampfe, und doch wird Gott einen Nachfolger ihm erwecken, der das geweihte Panier tragen wird gleich ihm! Sprich, wen hat das Kapitel ernannt als Nachfolger in seinem Amte?«

»Es geht, die Rede, es getraue sich keiner der wenigen überlebenden Brüder, das von ihm hinterlassene Amt zu übernehmen. Die Ketzer haben sich verschworen, keine neue Wahl geschehen zu lassen, und sollen entschlossen sein, keinem neuen Abt den Einzug in das heilige Marienkloster zu erlauben.«

» Quousque tandem, Domine ,« erwiderte Magdalene, »das wäre freilich ein gefahrvoller Riß in unsern Bund, aber ich bin fest in meinem Glauben, daß sich ein andrer für uns erheben wird an Stelle des von uns abgerufenen Streiters. Doch sprich, wo ist Deine Tochter Katharine?«

»Im Sprechzimmer, Magdalene,« versetzte die Matrone, »aber« – sie stockte, blickte auf den Jüngling und wisperte der Freundin ein paar Worte ins Ohr.

»Um ihn sei ohne Sorge,« erwiderte Magdalene Gräme, »freilich ist's ebenso recht wie von nöten, aber von seiner Seite sei ohne Sorge, denn mir sollt's eine Freude sein, war er so fest im Glauben, wie er fest ist in seinen Grundsätzen, wie sein Gemüt frei ist von schlechten Gedanken, Reden und Handlungen. Denn das muß man an der ketzerischen Erziehung bestehen lassen, Schwester, in strenger Sitte ziehen sie dort«die Jugend heran und lassen keinerlei jugendlicher Torheit eine Pforte!«

»Nun, so soll er meine Katharine sehen, da Du es für unbedenklich und zweckmäßig hältst, Schwester. Folge mir also, Jüngling,« setzte sie hinzu und ging der Freundin voraus, langsamen Schrittes, allerhand Gänge entlang und durch mehrere Gemächer. Unterwegs fand der Page Gelegenheit, über die neue Lage, die ihm sein Schicksal bereitet hatte, Betrachtungen anzustellen, die von keiner seinem feurigen Charakter besonders angemessenen Art waren. Statt einer Gebieterin, sagte er sich, habe er nun ihrer zwei erhalten, und zwar zwei Greisinnen, die sich verbündeten, jeden seiner Schritte nach ihrer Willkür zu lenken, im Verfolg eines Planes, an dem er selbst keinen Anteil habe. Das aber ginge, wie er bei sich dachte, zu weit, denn wenn auch seine Großmutter zufolge der Wohltaten, mit denen sie ihn überhäufte, ein Anrecht besäße, seine Schritte zu leiten, so sei sie doch nicht berechtigt, solches Recht an ihm auf fremde Personen zu übertragen oder mit ihnen zu teilen, und höchst unangenehm war ihm zu beobachten, daß die Greisin seiner neuen Bekanntschaft ganz ohne Umstände den gleichen Ton ihm gegenüber annahm wie seine Großmutter, und die gleiche Gewalt über ihn auszuüben sich anschickte wie jene.

»Aber so soll es nicht lange bleiben,« dachte Roland Gräme bei sich, »es soll mir nicht einfallen, mein ganzes Leben nach den Pfeifen von Weibern zu tanzen, ihr Brot zu essen, zu laufen und zu stehen, wenn sie mich rufen. Nein, beim heiligen Andreas! eine Hand, die eine Lanze zu schwingen versteht, ist der weiblichen Zuchtrute entwachsen. Bei der ersten besten Gelegenheit, die sich mir bietet, sollen sie das Halsband in der Hand behalten, und ich will meiner Wege gehen, frei und ungebunden. Mögen sie dann zusehen, wie sie mit dem Plane, den sie im Schilde haben, allein zurechtkommen. Und ich glaube, das rettet beide noch aus einer Gefahr, die ihnen selbst an den Kragen gehen könnte, denn meines Wissens ist doch Graf Murray mit seiner Ketzerpartei zu weit schon im Lande vorgedrungen, als daß es noch geschehen könnte, daß ein paar alte Weiber dagegen aufkämen!« Während er solchen Gedanken nachhing, traten sie in ein niedriges Gemach, worin ein drittes Frauenzimmer saß. Es war der erste Wohnraum in dem Gebäude, der mit beweglichen Sitzen und einem hölzernen Tische ausgestattet war. Der Tisch war mit einem Stück Tapete verdeckt. Auf dem Boden lag ein Teppich, auf dem Herde stand ein Rost, kurz, die Stube sah aus, als sei sie bewohnbar und werde auch bewohnt.

Rolands Augen fanden indessen eine schönere Weide, als eine Zimmereinrichtung, und sei sie noch so schön gewesen, ihm hätte sein können: dieser andre weibliche Insasse des Wohnhauses schien von allem bisher gesehenen wesentlich verschieden zu sein. Mit einer stummen, aber tiefen Verbeugung hatte sie die beiden alten Frauen begrüßt. Als ihr Auge dann auf Roland fiel, zog sie züchtig den Schleier über ihr Gesicht, aber ohne alle erkünstelte Eile und Schüchternheit, die von Verlegenheit hätte künden können. Roland war jedoch Zeit genug geblieben, zu erkennen, daß es ein Gesicht war, das einem Mädchen von kaum sechzehn, siebzehn Jahren angehörte, und das ein Paar Augen hatte, die einen wundersam milden und doch gleichzeitig feurigen Glanz hatten. Das Mädchen verlor in Rolands Augen dadurch nicht, daß sie eine volle Gestalt hatte, die eher zu einem Vergleich mit einer Hebe, als mit einer Sylphide gepaßt hättet aber die vollen Formen verrieten zugleich einen lieblichen Reiz von Zartheit, der durch das knapp sitzende Leibchen und den nicht grade weiten Rock noch auf das vorteilhafteste herausgehoben wurde. Rock und Leibchen trug sie nach fremdem Schnitte, und der erstere war auch kurz genug, um ein zierliches Füßchen sehen zu lassen, das auf einer Querleiste des Tisches ruhte, an dem sie saß, während ihre zierlichen Finger eifrig an einem Stück Tapete nähten, das so zerrissen war, daß die Näherin, die es wieder in stand bringen wollte, schon über eine gute Portion Geduld und Fertigkeit verfügen mußte.

Es ist notwendig, hier zu bemerken, daß sich Roland über diese Einzelheiten nur durch verstohlene Blicke zu unterrichten vermochte, und daß es ihm vorkam, als habe sich das Mädchen bemüht, sich in ähnlicher Weise über seine Person zu unterrichten, trotz des ihr Gesicht verdeckenden Schleiers. Mittlerweile setzten die beiden Frauen ihre heimliche Unterredung fort und warfen von Zeit zu Zeit einen Blick auf die jungen Leute, der Roland Gräme keine Minute darüber im Zweifel ließ, daß ihre Unterhaltung sich um sie drehte. Endlich hörte er deutlich, wie seine Großmutter die folgenden Worte zu der andern Greisin sprach:

»Nein, Schwester, Gelegenheit miteinander zu sprechen und bekannt zu werden, müssen wir ihnen schon lassen; sie müssen einander doch persönlich kennen lernen; wie sollen sie sonst ausführen können, was ihnen zustehen wird?«

Es war ihm, wie wenn die andre Greisin Einwendungen dagegen erhöbe, seine Großmutter aber sie nicht gelten lassen wollte.

»Es muß so sein,« hörte er noch aus dem Munde der letztern, »drum laß uns auf den Erker hinaustreten, Schwester, wo wir unser Gespräch in Ruhe fortsetzen können.« Dann wandte sie sich an Roland und das Mädchen: »Es wird gut sein, wenn Ihr miteinander besser bekannt werdet, als Ihr es bis jetzt seid.«

Mit diesen Worten trat sie auf das Mädchen zu und schlug ihr den Schleier zurück, ein Gesicht enthüllend, das jetzt, mochte seine Farbe sein wie sie wollte, im Augenblick von jäher Schamröte übergossen wurde.

» Licitum sit,« sagte Magdalene mit einem Blick auf die andre Greisin.

» Vix licitum , sagte darauf die andre und legte dem Mädchen den Schleier wieder so über das Gesicht, daß er ihre Züge, wenn nicht verhüllte, doch überschattete; dann flüsterte sie laut genug, daß Roland es hören konnte:

»Katharine, vergiß nicht, wer Du bist, und was Deine Bestimmung Dir vorschreibt.«

Hierauf entfernten sich beide Greisinnen durch eine der Fenstertüren, die auf einen langen, breiten Altan führte, der einen angenehmen Spaziergang im Freien ermöglichte,, ohne daß man das Haus selbst zu verlassen brauchte. Hier verweilten die beiden Frauen in geheimer Zwiesprach, ohne jedoch so vollständig darin aufzugehen, daß sie nicht Zeit gefunden hätten, einen Blick hin und wieder in das Zimmer hinein zu werfen, um sich zu unterrichten, wie dort die Sachen ständen.


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