Arthur Schurig
Francisco Pizarro, der Eroberer von Peru
Arthur Schurig

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XXXVII

An jenem Tage, wo sich Gonzalo Pizarro nach seinen Besitzungen in Porco und Potosi zurückgezogen hatte, war er durchaus nicht ein endgültig Verzichtender. Im Gegenteil; nur sagte er sich damals, die Stunde sei noch nicht gekommen, in der er dem ganzen Lande der erwünschte Machthaber sein werde. Das Reich, das er als treuer Helfer seines berühmten Bruders mit erobert hatte, hielt er vor Gott und der Welt für sein natürliches Lehen. Hatte ihn die Einsetzung des Vaca de Castro bereits erbittert: die Ernennung eines Vizekönigs sagte ihm klar, daß man am Hofe des Kaisers auch nicht im Entferntesten daran dachte, der Familie Pizarro die Regierung der Kolonie zu belassen. Gonzalo Pizarro galt in Alt-Kastilien als entlassener Offizier, der seine Schuldigkeit getan und außer seiner gewiß reichen Beute keine weiteren Ansprüche an den Staat hatte und hegen durfte.

Die Neuerungen, die Blasco Nuñez mit reichlicher Übereile einzuführen begann, machten ihn vom ersten Tage an verhaßt. Naturgemäß sah sich der um sein Hab und Gut besorgt gewordene Ansiedler nach einem Gegenführer um. Es bedurfte keiner Propaganda. In ganz Perú gab es nur einen, dem man die nötige Tatkraft zutraute: Gonzalo Pizarro.

Man hinterbrachte ihm die vermutlich erdichtete Nachricht, Nuñez habe sich scharf gegen Pizarro geäußert. Unter Anderm sollte er gesagt haben: Man dürfe das Land nicht länger in den Händen von Schweinehirten belassen. Das wäre eine taktlose Anspielung auf die fragwürdige Erziehung von Francisco und Gonzalo Pizarro gewesen. Auch munkelte man von großen Prozessen gegen die Inhaber von Repartimientos und dergleichen.

Gonzalo Pizarro hatte sich weniger vorzuwerfen als sonst welcher Führer in den amerikanischen Kolonien, und selbst Nuñez würde sich wohl schwer gehütet haben, dem populären General etwas am Zeuge zu flicken. Gleichwohl lieh Gonzalo allem törichten Gerede ein williges Ohr, bis er sich schließlich einbildete, Blasco Nuñez sei von vornherein sein persönlicher wie politischer Gegner.

Als ihn, zu Beginn des Sommers 1544, die Bürger von Kuzko aufforderten, ihre Sache zu vertreten, leistete er dem Rufe Folge. Er kam an der Spitze von zwanzig Rittern und ward als Generalverweser von Perú begeistert begrüßt. Erfreut und zuversichtlich nahm er diesen Titel an unter der Bedingung, daß man ihn auch zum Generalkapitän der Kolonie erkläre. So wenig es in der Absicht der Ansiedler lag, einen neuen Bürgerkrieg unvermeidlich zu machen, erfüllten sie ihm doch seinen wohlberechneten Wunsch. In bescheidener Haltung nahm er diese entscheidende Würde entgegen. »Ich habe dies nur getan«, schrieb er später in seinem beachtenswerten Bericht an Pedro de Valdivia, »für den Kaiser, für Indien, vor allem für Perú.«

Alsbald begann Pizarro seine Vorbereitungen. Zunächst ließ er die sechzehn Geschütze des seligen Pedro de Candia aus Huamanga holen. Tausend Indianer hatten die Ehre, dabei Vorspann zu leisten. In kurzer Zeit war ein wohlgerüstetes Heer von 400 Mann auf den Beinen; davon war die Hälfte vorzüglich beritten. An Geld fehlte es dem reichen Manne nicht.

Noch immer war der alte Obrist Francisco de Carbajal im Lande, und zwar im Silbergrubengebiet von Charkas. Als dort die Nachricht von den neuen Verordnungen wider die Repartimientos bekannt ward, beschloß er abermals, nach Alt-Kastilien zurückzukehren. Aber es fand sich keine Gelegenheit. Der Vizekönig ließ niemanden mit Reichtümern aus dem Lande heraus. Pizarro benutzte die ärgerliche Laune des alten Feldherrn und ließ ihm die Aufforderung zugehen, den Befehl über sein Heer zu übernehmen. Carbajal ließ ihm antworten, er sei achtzig Jahr alt und sehne sich nach seiner Heimat. Und doch gab er schließlich nach und erschien in Kuzko.

Inzwischen tat Blasco Nuñez alles, um die Einschränkung der Eingeborenenarbeit zu erzwingen – im Gegensatz zu Antonio de Mendoza, dem Vizekönige von Mexiko, der die neuen Verordnungen zunächst nicht durchführte, sondern Vorstellungen dagegen beim Kaiserlichen Hofe erhob und damit voll staatsmännischer Klugheit und Umsicht die innere Ruhe seiner Kolonie rettete. Wohl vernahm Nuñez vom Eintreffen Pizarros in Kuzko und von seinen Rüstungen, aber in seiner Unkenntnis der Verhältnisse und Charaktere machte er sich keine Sorgen.

Um diese Zeit fand Inka Manko, der letzte König von Perú, seinen Tod. Er hatte nach der Niederlage der Chilianer eine Anzahl von ihnen in seinem Lager in der Sierra aufgenommen. Bei einem Streit erschlugen die Spanier den Fürsten. Einzelheiten sind unbekannt. Den Mord büßten alle andern Weißen mit ihrem Tode. Mit Inka Manko verlosch die stille Hoffnung der Peruaner, die alte Freiheit wiederzugewinnen.

Pizarro hatte aussprengen lassen, er rüste einen Zug gegen den Inka, der nach wie vor zuweilen das Land unsicher gemacht hatte. Jetzt ließ er die Maske fallen und trat den Vormarsch auf Lima an. Unterwegs wurde ihm eine Anzahl angesehener Ritter untreu, angeblich weil sie sich nicht damit befreunden konnten, daß Pizarro in Kuzko Staatsgelder in seine Kriegskasse hatte wandern lassen. Wahrscheinlicher aber waren diesen Herren die Herzen in die Hosen gerutscht. An Stelle der Abgefallenen traten reichliche andre aus den Ansiedlungen, die man auf dem Marsche berührte, so daß sich die Kopfzahl des Heeres langsam verdoppelte.

Der Weg führte über die Ebene von Chupas. Carbajal geleitete Pizarro in die Stellungen und erläuterte ihm die damaligen Vorgänge.

Jetzt rüstete auch Blasco Nuñez. Er rief alle felddienstfähigen Bürger zu den Waffen, goß Kanonen aus den Kirchenglocken und griff gleichfalls tief in die Staatskassen. Um genügend Truppen, Pferde und Maultiere zu bekommen, zahlte er hohe Handgelder und anständige Preise.

Mitten in diesen Vorbereitungen traf die Audiencia in Lima ein. Unterwegs hatte sie sattsam erfahren, welche Folgen die neuen Verordnungen, gegen deren buchstäbliche Ausführung sie sich bereits in Panamá erklärt hatten, nach sich zogen: die völlige Zerrüttung der Ruhe und Ordnung im Lande. Der Lizentiat Cepeda war der Wortführer der drei anderen, ein Ränkeschmied, der die Autorität seines Vorgesetzten zerstörte.

Nuñez beging Mißgriff über Mißgriff. Um den passiven Widerstand der Bürgerschaft zu brechen, ließ er ehrenwerte Leute verhaften, so auch den bisherigen Statthalter Vaca de Castro, ohne triftige Gründe. Bei einem Wortwechsel in seinem Hause erstach er einen angesehenen Ritter.

Als nun Pizarro mit seinem Heere näher kam und in Xauxa stand, beging Nuñez seine letzte Torheit. Er ordnete an, die Stadt Lima solle geräumt werden, da sie gegen den Feind nicht zu halten sei. Er wollte sich mit dem Heere und der Bürgerschaft nach Truxillo zurückziehen. Alle Frauen und alle Habe sollten auf Schiffen fortgebracht werden.

Dem widersetzte sich die Audiencia. Nach einer nächtlichen Sitzung verhaftete sie, unterstützt vom Volke, den Vizekönig, erklärte ihn für abgesetzt und schickte ihn unter einer Bewachung nach Spanien zurück. Sodann eröffnete man die Unterhandlung mit Pizarro. Dieser empfing die Gesandtschaft, die ihn aufforderte, die vorläufige Regierung der Audiencia in Lima anzuerkennen.

Pizarro erwiderte, das Volk von Perú habe ihn zum Nachfolger seines Bruders berufen, und er forderte seinerseits die Audiencia auf, ihn schleunigst zum Statthalter auszurufen, andernfalls werde er die Stadt erstürmen und der Plünderung preisgeben.

Durch diesen groben Bescheid gerieten die vier Pandektenhelden in die größte Verlegenheit. In ihrer Angst wandten sie sich an Vaca de Castro, der noch immer auf einer der Karavellen im Hafen in Arrest saß. Was er ihnen rate? Vaca hüllte sich in kluges Schweigen.

Inzwischen traf der Obrist Carbajal, begleitet von einem halben Hundert Landsknechten, nächtlicher Weile am Tore von Lima ein. Man öffnete ihm und seiner höhnisch kleinen Schar. Er begab sich in den Palast des Vizekönigs, ließ alle die Ritter aus ihren Betten holen, die jüngst vom Heere Pizarros ausgekniffen waren, und stellte ein ironisches Verhör mit ihnen an. In der Morgenfrühe requirierte er drei Maulesel, setzte die drei Hauptschelme darauf und führte sie vor die Stadt, wo er alle drei an einem großen Baume aufhängen ließ. Zu dem Vornehmsten der drei sagte er in seiner trockenen Art: »In Anbetracht Eures Ranges sei es Euch verstattet, den Ast, an dem Euer Hochwohlgeboren gehenkt zu werden geruhen, höchstselbst auszusuchen!«

Als die fortgesetzt tagende Audiencia diesen schlechten Witz vernahm, entschloß sie sich, die Statthalterschaft Gonzalo Pizarro zu übertragen. Daraufhin zog dieser am 28. Oktober 1554 mit 1200 Spaniern und 1000 Indianern, die seine Artillerie zogen, in Lima ein. An der Spitze der Reiter, die den Zug beschlossen, ritt er selber auf einem mächtigen Ritterpferde, in voller Rüstung, eine purpurne Mütze auf dem Kopfe. Vor ihm her trug man das Banner Kastiliens; diesem zur einen Seite die Flagge der Stadt Kuzko, zur andern die Standarte Francisco Pizarros mit dem Wappen, das der Kaiser ihm und den Seinen verliehen hatte. Die Glocken der Stadt läuteten, soweit sie nicht in Gestalt der Kanonen des erledigten Vizekönigs Salut donnerten, und ganz Lima jubelte dem Einziehenden zu.

Die Audiencia empfing ihn auf der Plaza, leistete ihm den Amtseid und rief ihn sodann offiziell zum Statthalter von Perú aus. Pizarro bezog den Palast, in dessen Speisesaal noch die Blutspuren vom 26. Juni 1541 sichtbar waren. Mehrere Tage lang fanden Festmähler, Turniere und Stierkämpfe zu Ehren des neuen Herrschers statt. Man wiegte sich allgemein in der Hoffnung, der ewige Frieden sei endlich für Perú angebrochen.


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