Arthur Schurig
Francisco Pizarro, der Eroberer von Peru
Arthur Schurig

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XXV

Der Marques de los Atavillos (solcher war er durch Kaiserliche Ordre geworden; Atavillos ist der Name einer der fruchtbarsten Gaue des Reiches Peru) sollte sich beschaulicher Tätigkeit nicht lange erfreuen. Um die Ansiedler in San Miguel, Xauxa, Kuzko, Lima, Truxillo (gegründet im Herbst 1535) wirtschaftlich zu stützen, verlieh er Encomiendas und Repartimientos (d. h. Ländereien mit einer bestimmten Anzahl von Eingeborenen als Arbeiter). Diese zwangsweise Verteilung der Indianer war, ehrlich gesagt, Einführung der Sklaverei! Es sei betont, daß in den ändern spanischen Kolonien die Klagen über die Schinderei der hilflosen Urbewohner bei weitem schlimmer waren; aber auch in Peru sind Tausende von Indianern und Indianerinnen durch Mühsal und Peinigung bei kärglichster Nahrung in den Tod getrieben worden. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es, »die Pest der persönlichen Sklaverei der Indianer habe die Körper und die Seelen sowohl der Sklaven wie der Herren in gleichem Maße verdorben«. Das will besagen: das Elend der Indianer war so maßlos wie die Roheit der Spanier.

Vor nichts hatte der kastilianische Landsknecht Ehrfurcht. Aus Habgier und Kulturlosigkeit zerstörte er, was ihm in die Hände fiel. Mit ihm wetteiferten »aus christlichen Gründen« Pfaffe und Mönch. Die vier Pizarros verabscheuten dieses brutale Tun und Treiben und zügelten es, wo sie nur konnten, aber sobald sie nicht persönlich zugegen waren (das Land Peru war groß!), wurden die Ausschreitungen um so schlimmer. Vieles aber geschah mit Pizarros Genehmigung. Die Sonnenjungfern, deren es in den Klöstern von Kuzko und andernorts an die 6000 gegeben hatte, die Blüte des Landes, buchstäblich wie köstliche Blumen aufgezogen und gepflegt, wurden an die Offiziere und Soldaten, Schreiber und Ansiedler verteilt. Nur die allerwenigsten wurden als Ehefrauen geschätzt und geschützt. Die meisten verdarben als Mägde und Dirnen; viele gingen freiwillig in den Tod, wenn ihnen die Flucht nicht gelang. Man kann den wahren Wert einer Armee, gleichviel ob sie in einem Kulturlande oder unter Barbaren weilt, in jedem Jahrhundert daran messen, wie sich der Offizier, der gemeine Mann, der Troßknecht zu den Frauen und Jungfrauen des Landes stellt. Die Spanier in ihren amerikanischen Kolonien haben sich mit wenigen rühmlichen Ausnahmen auf das Unritterlichste benommen. Das Vorbild Alexanders des Großen, der die edelsten und schönsten Töchter eines eroberten Landes als hohe Auszeichnung den Besten seines Heeres vermählte, war leider den kastilianischen Kondottieri in der Regel unbekannt. Ferdinand Cortes glänzt hierin als schöne Ausnahme; der alte Plutarch war nicht umsonst sein Liebling von Jugend auf. Ähnlich ist der Glauben eines besiegten Volkes zu achten; nichts ist heilloser als der Eifer und Übereifer der Missionare. Die Inkas, die beim Einbruch in Peru das Holzbild des Fischgottes und gewiß auch andre Götzen ruhig stehen ließen und die Tempel ihres erhabenen Sonnengottes gelassen daneben erbauten, waren klug und weise; Valverde und seine gehirnkranken Kollegen dagegen, die unter Mord und Totschlag christliche Massentaufen abhielten, verdienen die Verachtung der Nachwelt.

Es war die natürliche Folge der abscheulichen Vergewaltigungen aller Art, deren sich die Spanier jahrelang schuldig gemacht hatten, daß es endlich im Volke der Peruaner gärte. Es entstand in Kuzko eine geheime Verschwörung, die sich über das ganze Reich ausbreitete. Den Mittelpunkt bildeten der Inka Manko und der Hohepriester des Landes, Huilljak Umu. Die im Lande verstreuten Inka-Edelleute organisierten auf Grund der alten Wehrordnung des Reiches die Volkserhebung. An einem vorbestimmten Tage des Januars 1536 sollte sie ausbrechen, den Spaniern unerwartet. In der Tat hat kein Peruaner, weder in der Oberschicht des Adels noch im breiten Volke, das heilige vaterländische Geheimnis verraten.

Bald nachdem Francisco Pizarro die alte Königsstadt verlassen hatte, verschwand Inka Manko heimlich aus Kuzko, um sich persönlich an den Vorbereitungen zu beteiligen. Gleichzeitig entwich Huilljak Umu dem Stabe Almagros. Die Entfernung des Inka fiel zunächst nicht weiter auf. Nun aber hatte Pizarro ungefähr 1000 Mann aus dem Gau Kanaris in sein Heer eingestellt. Die Kanaris-Indianer, ein kriegerischer Stamm, im Lande Quito ansässig, waren noch keine sechzig Jahre von den Inkas unterworfen und mit dem übrigen Reiche nicht völlig verschmolzen. Sie hielten zu den Conquistadoren, in der heimlichen Hoffnung, eines Tages wieder frei zu werden wie ihre Großväter.

Durch einen Häuptling der Kanaris ward Juan Pizarro auf die Flucht des Inka Manko aufmerksam gemacht. Sofort setzte sich der Ritter an die Spitze einer Reiterschar, verfolgte den Fürsten und ergriff ihn in einem Walde unweit der Stadt. Man brachte ihn zurück und sperrte ihn in die Burg von Kuzko. Kein Spanier ahnte das Motiv der Flucht.

Kurze Zeit darauf traf Hernando Pizarro in Kuzko ein. Er hatte die kaiserlichen Verfügungen nach Lima gebracht und sollte nun am wichtigsten Orte der Kolonie den Befehl führen. Offenbar rechnete Francisco Pizarro mit der baldigen Rückkehr Almagros und seiner Leute, die man fortan »die Chilianer« nannte.

Hernando stattete dem gefangenen Inka unverzüglich seinen Besuch ab. Es ist überliefert, daß er ein Freund des Inka Atahuallpa (Mankos Bruder) gewesen war; die Chronisten behaupten sogar, Atahuallpa hätte sein Leben nicht eingebüßt, wenn Pizarros Bruder im Hauptquartier verblieben wäre. Auch der junge Inka gewann sein Herz. Hernando schenkte ihm die Freiheit und seine Freundschaft. Er unterwies ihn im Reiten, Schießen und Exerzieren, erzählte ihm von Spanien und dem europäischen Leben, lehrte ihn die Anfangsgründe der kastilianischen Sprache und ließ sich dafür in die Sprache und Geschichte der Inka einweihen. Der Fürst soll sehr rasch ein vorzüglicher Reitersmann geworden sein. Seine Dankbarkeit bewies der kluge Peruaner dadurch, daß er den spanischen Obristen verborgene Schätze finden ließ.

Eines Tages erzählte er ihm, er wisse, wo die Priester eine Bildsäule seines Vaters Huayna Kapak aus purem Golde versteckt hätten; es sei in einer Höhe der Cordillera. Hernando, dessen Goldhunger größer war als seine Kenntnis der Inkaseele, glaubte seinem Schützling allzu gern. Er erteilte ihm den nötigen Gebirgsurlaub und gab ihm zwei spanische Unteroffiziere mit, die sein besondres Vertrauen genossen. Die drei machten sich gegen Weihnachten 1535 auf die Reise. Wochen vergingen: keiner kehrte wieder. Schließlich kam Hernando zur Erkenntnis, daß er getäuscht worden war. Er beauftragte seinen Bruder Juan, mit 60 Reitern den verdächtigen Urlaubsübertreter einzuholen.

Der Ritter Juan kam auf seinem Streifzug an den Eingang des vier Leguas südlich von Kuzko entfernten Yucay-Tales, in dem das Lieblingsschloß der Inkakönige lag, einen der köstlichen Orte zu Füßen der Sierra. Hier traf Pizarro die beiden Soldaten, die den Inka begleitet hatten. Von ihnen erfuhr er, daß der Fürst an der Spitze von Truppen stände, deren Vormarsch auf Kuzko bald zu erwarten sei. Das ganze Land sei in sichtlicher Unruhe. Ihnen sei kein Leid zugefügt worden; der Inka habe sie allergnädigst laufen lassen.

Juan ritt in das Tal ond gewahrte alsbald auf dem jenseitigen Ufer des Yucay-Flusses die befestigte Stellung eines Inka-Heeres. Die Brücken waren abgebrochen. Pizarro überlegte sich die Sache nicht lange und ritt mit seinen 60 Reitern in breiter Front durch das nicht sehr tiefe Wasser. Ein Hagel von Steinen, Pfeilen und Wurfspießen begann von drüben. Alsdann aber zogen sich die Indianer in ihre Schanzen zurück.

Die Spanier sammelten sich, stellten sich in Gefechtsform auf und ritten langsam an. Gegen ihre gewohnte defensive Taktik wagten die Indianer, offenbar weil sie sich an Zahl vielfach überlegen sahen, einen Angriff in mehreren Haufen, in der Absicht, die Spanier zu überflügeln und von drei Seiten zu fassen. Es kam zum Lanzenkampf. Die Spanier hatten es zum ersten Male in Peru mit regulären, gutbewaffneten und gefechtstüchtigen Truppen zu tun. Die indianischen Lanzen waren mit harten Kupferspitzen versehen. Die Phalanx der Kämpfer trug Baumwollkoller und Lederhauben. Andre Haufen hatten Bogen, Wurfspieße, Steinschleudern, Schwerter und Keulen.

Beim Gegenangriff der Reiter unter dem gewohnten Schlachtrufe »Hie San Jago!« wankte der Haupttrupp der Indianer, verlor aber seine Ordnung keineswegs. Langsam wichen sie nach den Bergen, die sie hinter sich hatten, und zogen sich schließlich in die Sierra zurück. Über die Zahl der indianischen Truppen ist nichts überliefert. Mehr als tausend können es kaum gewesen sein. Auf beiden Seiten war mannhaft gefochten worden. Mehrere Spanier, mehrere Pferde und vielleicht ein halbes Hundert Indianer hatten ihr Leben verloren. An Wunden war kein Mangel. Die Spanier biwakierten am Eingange eines Seitentales.

Am andern Morgen sah man auf allen Höhen und in allen Pässen Scharen von Indianern. Einige Male erfolgten Angriffe, ohne daß es zum Nahkampf gekommen wäre. Juan Pizarro verblieb in seinem Lager.

Da, am dritten oder vierten Tage, kam ein Eilbote aus Kuzko: die Hauptstadt sei belagert; Juan solle sofort zurückreiten.

Unter Jubelrufen der Indianer verließen die Spanier das Tal des Yucay.


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