Arthur Schurig
Francisco Pizarro, der Eroberer von Peru
Arthur Schurig

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VII

Im Mai 1528 erreichte Pizarro mit seinen Begleitern Palos, den Hafen von Sevilla. Offenbar war sein Kommen bereits im Heimatlande bekannt, jener Oberrichter zu Santa Maria namens Enciso, dem Pizarro von Anno 1513 her eine Geldsumme schuldete, empfing ihn mit einer Vollstreckungsurkunde, und da Pizarro zu andern Dingen nach Europa gekommen war als eine veraltete Schuld zu begleichen, zahlte er nicht einen Pfennig, worauf ihn der pfiffige Pandektenmann einfach in den Schuldturm stecken ließ.

Das war ein übles Debüt. Zum Glück gelang es dem Ritter Pedro, seinen Kommandeur den Klauen des rücksichtslosen Gläubigers zu entreißen, indem er sich an die Öffentlichkeit wandte. Der Kaiser gab Befehl, den Entdecker Perus seine Reise fortsetzen zu lassen.

Karl V. {bekanntlich von 1519 bis 1556 deutscher Kaiser) befand sich damals im zweiten Kriege gegen Franz I. Drei Jahre zuvor hatte er bei Pavia gesiegt. Hinterher hatte der ewig kampflustige Franzosenkönig den Madrider Frieden von 1526 als erzwungen und somit ungültig erklärt. Im Mai 1527 war Rom von den deutschen Landsknechten gestürmt worden. Jetzt stand der Kaiser auf der Höhe seines Ruhmes. Die amerikanischen Kolonien lagen ihm wenig am Herzen. Er hat sie zu keiner Zeit wirklich gefördert. Aber berichten ließ er sich immer gern von den Abenteuern seiner kühnen Kapitäne. Eben hatte er den Eroberer von Neu-Hispanien (Mexiko) in Toledo, wo er Hof hielt, empfangen und sich von dessen leidensvollen Feldzuge nach Honduras (1524 bis 1526) erzählen lassen. Huldvoll nahm er jetzt Pizarros Bericht entgegen. Er betrachtete die exotischen Schätze und Stoffe, bewunderte das stattliche Lama, das man ihm vorführte, und vergoß Tränen, als ihm der beredte Kondottiere von der Seefahrt ins Unbekannte, von der Hungerinsel, von den Gefechten der tapferen kleinen Schar gegen Legionen Indianer, von all den Entbehrungen und Todesgefahren und zuletzt von den Tempeln, Goldschätzen und Seltsamkeiten des großen Reiches Peru erzählte. Er ernannte ihn zum Statthalter und Obergeneral von Neu-Kastilien (Peru), knöpfte ihm den Sankt-Jago-Orden an den Feldrock und sagte ihm allergnädigst, seine Sache werde dem »Rate von Indien« zur Prüfung und Förderung übergeben werden.

Ferdinand Cortes bekam erst im Juli 1529 Bescheid, und auch Pizarros »Kaiserlicher Vertrag« trägt kein früheres Datum als den 26. Juli 1529. Dies Dokument ist in mancher Hinsicht merkwürdig.

Pizarro ward zum Statthalter des zu erobernden Landes ernannt, wobei das ihm untertänige Reich eine Küstenlänge von 200 Leguas haben sollte. Er erhielt alle Rechte eines Vizekönigs, gewisse hohe richterliche Würden auf Lebenszeit und ein Jahresgehalt von 725 000 Maravedis (1600 Goldpesos), selbstverständlich aus den Einkünften der Kolonie, die erst erobert werden sollte.

Seine Pflichten bestanden darin, daß er binnen sechs Monaten eine wohlgerüstete Streitmacht von 250 Mann aufzustellen hatte, davon 100 Mann aus den amerikanischen Kolonien. Zur Aufbringung der Artillerie und des Kriegsgeräts wurde ihm eine unbedeutende staatliche Beihilfe gewährt. Sechs Monate nach seiner Wiederankunft in Panama hatte er daselbst mit seinem Expeditionskorps sich einzuschiffen und nach Peru zu segeln.

Almagro bekam 300000 Maravedis (700 Goldpesos) Jahresgehalt zugesichert und wurde zum Befehlshaber der Festung Tumbez ernannt. Dazu erhielt er den Rang und die Rechte eines Hidalgo.

Pater Luque bekam (wunschgemäß) das Bistum Tumbez, dazu den grotesken Titel »Schutzherr der Indianer Perus«. Sein Jahreseinkommen ward auf l000 Dukaten festgesetzt.

Bartolomäo Ruiz heimste den Titel »Großlotse der Südsee« ein, dazu eine Dotation. Ritter Pedro de Candia wurde Artillerie-Kommandeur. Auch die übrigen elf Getreuen von der Insel Gallo bekamen ihren wohlverdienten Lohn in Titeln und Ämtern in spe.

Am wenigsten Ehren und Würden winkten in diesem Vertrage dem Capitano Don Diego de Almagro. Hier verrät sich Pizarros Passivität seinem in Panama verbliebenen Genossen gegenüber. Er hätte gewiß ohne viel Mühe auch ihm einen hochklingenden Titel verschaffen können.

Die geraume Zeit, die Pizarro auf Bescheid warten mußte, benutzte er, um Offiziere und Mannschaften anzuwerben. Vor allem gewann er seine vier Halbbrüder: Hernando Pizarro, Martin de Alcantara, Gonzalo Pizarro und Juan Pizarro. Die drei letzten waren froh, daß sich ihnen eine gute Gelegenheit bot, zu Reichtum und Macht zu gelangen; sie ordneten sich von vornherein und allezeit willig dem berühmt gewordenen Bruder unter. Hernando dagegen trug immerdar den kastilianischen Edelmann zur Schau. Gleichwohl hat er im Dienst niemals den Respekt und Gehorsam verletzt, den er als guter Offizier seinem General schuldete. Er hat ihn redlich unterstützt Pizarro kam es darauf an, persönlich treue Offiziere um sich zu scharen. Er hatte sich oft genug einsam und verlassen gesehen, und er glaubte, Blutsverwandtschaft, zumal in gemeinsamer Gefahr, sei die stärkste aller Stützen.

Es fehlte Pizarro an Geld. Ohne Verbindungen und Empfehlungen wäre es ihm unmöglich gewesen, die nötigen Leute aufzubringen. Hernando Pizarro half ihm, auch Ferdinand Cortes, ein Verwandter seines Vaters, wie schon gesagt. Er hatte gleich bei seiner Ankunft im Hafen von Palos eine Begegnung mit dem berühmten Eroberer gehabt. In der Folge kamen sie öfters zusammen. Pizarro verdankte ihm manch wertvolle Weisung und manchen brauchbaren Teilnehmer seines Unternehmens.

Die sechs Monate waren bald abgelaufen. Drei Karavellen lagen im Hafen von Sevilla, bereit, Mannschaft, Kriegsgerät und Vorräte aufzunehmen, aber noch waren die 150 Mann nicht vollzählig und die Ausrüstung recht dürftig. Da vernahm Pizarro, daß der »Rat von Indien« im Begriffe sei, die Schiffe und die Mannschaft besichtigen zu lassen. Es war im Januar 1530. Sofort entschloß er sich, mit dem größeren Teile seiner Streitmacht auf der größeren Karavelle unverzüglich abzusegeln. Er fuhr nach Gomara, einer der Kanarischen Inseln. Den Befehl über die beiden andern Schiffe übertrug er seinem Bruder Hernando mit dem Auftrag, ihm sobald wie möglich zu folgen.

Als die Kommission des »Rates zu Indien« in Palos eintraf, war Pizarro bereits auf hoher See. Hernando versicherte den Herren, die Expedition sei vollzählig. Man schenkte ihm Glauben oder tat wenigstens so, und die beiden zurückgebliebenen Karavellen gingen gleichfalls nach Gomara ab.

Das vereinte Geschwader traf nach guter Fahrt im Hafen von Santa Marta (an der Nordküste Südamerikas) ein. Nach kurzer Rast ging Pizarro wieder in See und erreichte den Hafen Nombre de Dios. Chronisten überliefern, er habe geplant, von Santa Marta aus die Landenge zu überschreiten. Das ist wohl aber kaum anzunehmen; es sei denn, er habe heimlich die Absicht gehabt, seine Streitmacht von Panamá fernzuhalten.

In Nombre de Dios wurden die Ankömmlinge von Almagro und Luque begrüßt, die begierig auf die Erfüllung ihrer ehrgeizigen Wünsche waren. Almagro war höchst verstimmt, als er vernahm, wie wenig für ihn gesorgt worden war. Pizarro versprach ihm, ihn jederzeit als ihm gleichgestellt anzusehen und zu behandeln. Ja, er verzichtete zugunsten des Mißvergnügten auf sein Adelantamiento. Voller Argwohn fügte sich Almagro in das Unabänderliche.

Mit großem Pomp und Prunk zog Pizarro an der Spitze seines kleinen Heeres in der Stadt Panamá ein. Um sich zu rächen, kargte Almagro mit dem Gelde, das er inzwischen aufgebracht hatte. Hernando Pizarro überwarf sich sogar mit ihm, während Francisco Pizarro alles versuchte, den verbitterten Genossen wieder unternehmungslustig zu stimmen. Schon drohte Almagro, auf eigene Faust den Zug nach Peru anzutreten, was arge Zersplitterung unter der ungeduldig gewordenen alten und neuen Mannschaft zur Folge gehabt hätte. Da gelang es dem Richter Antonio de la Gama, die beiden Pizarros mit dem biederen, aber kleinlichen Almagro einigermaßen zu versöhnen. Es war die alte Geschichte: Herrennaturen und Plebejer vertragen sich schwer, wenn sie sich in das Kommando teilen sollen. Franz Pizarro hatte sowieso reichlich viel Feinde in Panamá. Jetzt schürte und hetzte der den Spießbürgern näher stehende Korporal gegen den Kapitän, wo er nur konnte. Schließlich aber rückte er die angesammelten Vorräte und Waffen sowie 700 Goldpesos heraus, indem er sich doch wohl sagte, daß er ohne den ihm verleideten, aber als Führer unvergleichlichen Pizarro im ganzen Leben nicht Peru erobern könne. Der verschlagene Luque und hinter ihm der Goldgeber Espinosa, der von San Domingo herüberkam, um die gefährdete Sache ins Fahrwasser zu bringen, taten, was sie nur konnten. Pizarro verzichtete hochnotpeinlich zugunsten Almagros auf seine Würde als Adelantado, wobei er versprach, die kaiserliche Genehmigung nachträglich erwirken zu wollen. Auch sonst wurden dem Benachteiligten allerlei Zugeständnisse gemacht.

Am Johannestage (am dritten Weihnachtstage) 1530 fand die feierliche Vereidigung der Teilnehmer und die Weihe der Kaiserlichen Standarte, die Pizarro aus Spanien als Hoheitszeichen mitgebracht hatte, sowie der Fahnen der Mannschaft in der Stiftskirche zu Panama statt. Frater Juan de Vargas, ein Dominikaner, der sich dem Zuge auf Geheiß der Regierung anschloß, hielt die Rede und reichte allen Offizieren und Soldaten das Abendmahl. Er redete von einem Kreuzzuge wider die Ungläubigen, von der Ausbreitung des Christentums und der Erlösung heidnischer Seelen aus satanischer Finsternis durch die von Gott dazu berufenen Kastilianer.

In den ersten Tagen des Januars 1531 lichteten die drei Karavellen die Anker. An Bord waren außer den Seeleuten 27 Reiter, 190 Mann zu Fuß, dazu etwa 30 Indianer als Dolmetscher, Diener und Träger. Zum Frater Juan de Vargas hatten sich noch etliche andre Dominikaner gesellt. Ob sich Europäerinnen oder Indianerweiber mit einschifften, wissen wir nicht.


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