Arthur Schurig
Francisco Pizarro, der Eroberer von Peru
Arthur Schurig

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XXVI

Pedro Pizarro berichtet, 200000 Indianer hätten Kuzko blockiert. Die Zahl ist – wie stets bei den spanischen Chronisten – märchenhaft. 20000 Mann genügten, die Stadt einzuschließen.

Inka Manko hatte sein Hauptquartier in einem steinernen Kastell, einem Tambo, das durch Erdwälle verstärkt ward.

Juan Pizarro kam ohne Kampf durch die indianische Linie. Offenbar hatte der Kriegsplan der Belagerer richtigerweise die Aushungerung der Spanier zum Endziel.

Hernando war hocherfreut, als er den schon für verloren gehaltenen Bruder wiedersah. Insgesamt betrug seine Streitmacht nunmehr: etwa 80 Reiter und 120 Mann zu Fuß, dazu 1000 Mann Kanaris-Indianer. Es war in der ersten Februarwoche des Jahres 1536. Die Verbindung mit Lima und den andern Ansiedlungen war und blieb völlig abgeschnitten; die Indianer ließen keinen Boten durch. Jeder Versuch, den Francisco oder Hernando Pizarro machte, scheiterte.

Die Belagerer, von denen der Chronist Pedro Pizarro berichtet, sie seien »zahlreich gewesen wie die Sterne am Himmel einer lichten Sommernacht«, setzten die Stadt durch zahllose, mit Baumwolle umwickelte und in Harz getauchte Brandpfeile in Flammen. Fast alle Gebäude hatten Strohdächer. Da starker Wind ging, gelang der Versuch bereits am ersten Tage. Die Spanier mußten sich auf die Plaza zurückziehen und sich darauf beschränken, die Steinhäuser, Tempel und Hallen dieses Viertels zu retten. Die Hitze und der Rauch in den brennenden Teilen der Stadt sollen furchtbar gewesen sein.

Es wird berichtet, auch das Dach des Virakocha-Tempels am großen Platze (an der Stelle der heutigen Kathedrale), der in eine Marienkirche umgewandelt war, habe am ersten Tage des Brandes dreimal Feuer gefangen. Die Spanier hatten anderweitig bereits so viel zu löschen, daß sie das Gebäude seinem Schicksal überließen. Alle dreimal verflackerten die Flammen wie von selbst: die heilige Jungfrau hatte es sich nicht nehmen lassen, den Brand ihres Hauses eigenhändig zunichte zu machen. Der sonst nicht immer ganz zuverlässige Garcilasso de la Vega berichtet hierzu, selbst Indianer hätten die Madonna mit dem Eimer hantieren gesehen. Auch Pater Acosta, der vierzig Jahre nach dem wunderbaren Ereignis ins Land kam, bezeugt es mit feierlichen Worten. Für die gläubige Nachwelt können somit Zweifel nicht bestehen. Auch der Heilige Jakob (Sankt Jago), mit Flammenschwert und Ritterschild, auf prächtigem weißem Hengst, ward während der Kämpfe mit den Belagerern mehrfach von glaubwürdigen Augenzeugen gesehen. Ohne solche überirdische Hilfe hätte sich das Häuflein der so überaus tapferen kastilischen Landsknechte wohl unmöglich gegen 200000 bis auf die Zähne bewaffnete Indianer fünf Monate halten können!

Wie verheerend der Brand und die nachfolgende lange Belagerung gewirkt haben, geht aus einer Bemerkung des Bischofs Valverde hervor, der im Jahre 1536 nach Spanien beurlaubt war. Er schreibt am 20. März 1539 an den Kaiser: »Hätte ich nicht gewußt, dies ist die Stadt Kuzko: ich hätte sie nicht wiedererkannt!« Unversehrt waren nur der große Sonnentempel und das Kloster der Sonnenjungfern, das die Peruaner aus Ehrfurcht geschont hatten.

Während des Brandes, der mehrere Tage wütete, machten die Belagerer die vier großen Zugangsstraßen vor der Stadt an vielen Stellen durch Pfahlhindernisse ungangbar, um der spanischen Reiterei den Ausfall zu erschweren. Dazu war es ihnen gelungen, sich während des allgemeinen Tumults der Burg zu bemächtigen, von deren Höhe sie die Stadt und den Großen Platz mit Steinen beschießen konnten.

Ähnlich wie Kuzko wurden gleichzeitig Lima, Truxillo, Xauxa, San Miguel belagert. Alle Farmen, die von diesen Niederlassungen weiter ab lagen, wurden überfallen; ihre Bewohner niedergestochen; alle Pässe und Heeresstraßen sorglich besetzt und bewacht.

Hernando Pizarro erfuhr durch dunkle Gerüchte, daß sich ganz Peru wider die Fremden erhoben habe. Ein Dutzend blutiger Köpfe ermordeter spanischer Farmer, die einmal nachts über die Mauern und Wälle in die Stadt geworfen wurden, bestätigten ihm die vage Kunde. Man hielt einen Kriegsrat ab. Irgendwer machte den Vorschlag, die Hauptstadt aufzugeben und sich nach dem Meere durchzuschlagen. Es sei rühmlicher, den Durchbruch mit dem Schwert in der Hand zu wagen, gleichviel ob mit oder ohne Erfolg, als sich wie Raubtiere in der eigenen Höhle einräuchern und aushungern zu lassen.

Pizarros Bruder, die Ritter Gabriel de Roja und Ferdinand Ponce de Leon, der Schatzmeister Riquelme und wenige andere waren gegen diesen Vorschlag. Mit der Aufgabe der alten Königsstadt sei alles aus.

Man müsse den wichtigen Posten mit aller Kraft verteidigen und halten. Die kastilische Waffenehre lasse keine Wahl: Hier siegen oder hier sterben!

Hernando Pizarro forderte mehr: man müsse zum Angriff übergehen, man müsse einen großen Schlag wagen. Zunächst aber dürfe die Burg nicht länger mehr ein Stützpunkt des Feindes bleiben.

Man gab dem Kommandanten Recht. Juan Pizarro ward mit der Ausführung dieses Entschlusses betraut.

Um das Augenmerk der Belagerer abzulenken, verließ Juan Pizarro an einem der nächsten Abende die Stadt an der Spitze von 60 Reitern in der entgegengesetzten Richtung. Auf großem Umwege gelangte er auf die Paßstraße im Rücken der Burg, und es glückte ihm, unbemerkt an den Wall zu kommen und die Wache zu überrumpeln. Das äußere Tor war durch große Quader verrammelt. Pizarro ließ sie beseitigen und kam vor den Innenwall. Jetzt erst merkten die Peruaner, die an nächtliche Kämpfe nicht gewohnt waren, die Anwesenheit des Feindes. Es kam zum Handgemenge. Die Spanier berannten den Wall. Juan Pizarro erkletterte als einer der Ersten einen Söller. Da traf ihn ein schwerer Stein. Zu Tode getroffen, leitete er mit lauter Stimme seine Truppen. Erbittert führten sie den Sturm durch und sprangen in den Hof. In diesem Augenblick begann Hernandos Angriff von der Stadtseite her. Nachdem der Inka-Offizier, der in der Burg den Befehl führte, gefallen war, fiel sie in die Hände der Spanier.

Vierzehn Tage nach diesem Siege erlag Juan Pizarro seiner Wunde. Allgemein betrauerte man ihn als tapferen Ritter, maßvollen Menschen und beliebten Führer.

Durch planmäßige Streifzüge hinter die Linie der Belagerer, durch Überfälle ihrer Tambos und Herden, ergänzten die Belagerten immer wieder ihre Vorräte. An Wasser fehlte es nicht; der Fluß sowie zahlreiche Brunnen spendeten es zur Genüge. So gingen fünf Monate dahin.


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