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Satanisches Vermächtnis

1815

Jean Paul, aus tiefer Seelenverwandtschaft neben Homer und Goethe Beethovens Liebling in seinem letzten Jahrzehnt, sagt in seinen Jugenderinnerungen: Der Tod ist der eigentliche Schauspieldirektor und Maschinenmeister der Erde.

Solch eine durchgreifende Regisseurrolle spielt der Tod in des Meisters Leben, als er Kaspar Karl van Beethoven wegrafft, den älteren unter seinen beiden Brüdern. Ludwigs Existenz war damit bis ins Fundament erschüttert und verwandelt.

 

Am Morgen des 14. November 1815 tritt ein Bote vor Beethoven, der schon bei früher Arbeit sitzt, an der schönen Zweiten Cello-Sonate (op. 102) für Maria v. Erdödy, mit der Meldung, des Herrn van Beethovens Bruder läge im Sterben und begehre ein letztes Mal nach ihm.

Beethoven springt auf. Der seit Jahren an der Lungenschwindsucht leidende Bruder hatte langes Dasein längst nicht mehr zu erwarten; gleichwohl, die Nachricht, schon gehe es mit ihm zu Ende, erschüttert den Meister.

Jedermann stirbt heute oder morgen. Beethoven denkt Tag für Tag daran, ergeben und bereit. Und dieser Kaspar Karl, ehemals erfolgloser Musiker, später kleiner Staatskassenbeamter, im Vergleiche zum Meister, dem unermüdlichen Autodidakten, Mann ohne Bildung und ohne Bildungsdrang, übrigens in seiner Eigenschaft als Bruder eine fragwürdige Figur, dieser nun Sterbende sinkt in sein Grab, ohne daß morgen ein Hahn nach ihm kräht ... Immerhin, seufzt Ludwig, er war doch mein Bruder! Ich muß ihm in seiner letzten Stunde gute Worte sagen; muß mich seines verwaisten Sohnes annehmen, ihm den Vater im höchsten Sinne ersetzen. Das ist meine Pflicht, denn die Beethovens sind ebenso eine Familie wie ...

Es fällt dem Grübelnden kein genügend hochmütiger oder genügend bescheidener Vergleich ein; doch darauf kommt es ihm auch nicht an. Eines steht für ihn fest: Er, Ludwig van Beethoven, ist das Haupt der Familie, und soweit es in seiner Macht liegt, darf sie nicht untergehn. Warum soll aus dem erst Achtjährigen nicht ein großer Beethoven werden?

 

Der Bruder wohnt in der Alser-Vorstadt Nummer 121, ziemlich weit draußen, nahe der Herrenalser Linie. Um die innere Stadt auf dem Wege dahin zu meiden, geht Beethoven von seiner Wohnung im dritten Stocke des Lambertschen Hauses in der Seilerstatt durch das Kärntnertor und über das Glacis. Langsam, die Hände auf dem Rücken, den Hut hinausgeschoben, schlendert er dahin, tief in Gedanken, in Erinnerungen an den Bruder, von dem er sich verabschieden soll für immer.

Er ist des um dreieinhalb Jahre jüngeren Erzieher gewesen, nicht erst seit jenem 20. November 1789, da der Kurfürst-Erzbischof den Vater als unverbesserlichen Säufer seines Amts enthob. Bereits zwei Jahre zuvor, nach der Mutter frühem Hingange, waren ihm die beiden jüngeren Geschwister Kaspar Karl und Johann Niklas anvertraut worden. Dann war Ludwig nach Wien gegangen; zwei Jahre nach seiner Ankunft hatte er zuerst Kaspar Karl nachkommen lassen und im Mai darauf (1795) auch den Jüngsten gerufen. Er wollte sie unter seinen Hirtenaugen haben; sie sollten vorwärts kommen, sollten tüchtige, angesehene, wohlhabende Männer werden.

Nur zum Teil waren ihm seine fürsorglichen Pläne geglückt. Johann war Apotheker geworden; die Kriegsjahre brachten ihm Vermögen. Seit dem Frühjahre 1808 besaß er die Apotheke zu Linz. Kaspar Karl, vielmehr Karl (wie er sich seit seiner Übersiedlung nach Wien einfach nannte) hatte sich zunächst, wie zuvor in Bonn, sein täglich Brot als Musiker und Musiklehrer verdient, schlecht und recht, bis er im Jahre 1799, nicht ohne Ludwigs und dessen Gönner Fürsprache, den Beruf änderte und als Praktikant an der Staatsschuldenverwaltung angestellt wurde. Nach und nach hatte er es dort bis zum Kassierer gebracht. Weder irgendwie hervorragender Kopf noch strebsamer Arbeiter, pflegte er seine Amtszeit pünktlich abzusitzen; alles übrige war ihm gleichgültig. Und als Mensch? Ludwig muß sich eingestehen: Hintergangen hat er mich manches Mal, manche böse Eigenmächtigkeit zu meinem Schaden vollführt, mir manchen alten Freund vertrieben (so im Jahre 1809 meinen Bonner Intimus Stephan Breuning) und manch Andern von mir abgehalten, der mir Freund und Helfer hätte werden können. Breuning hat mich oft eindringlich vor seiner Habgier gewarnt; Franz v. Brunswick ihn als inferiore Kreatur verdammt. Immerhin, er ist doch mein Bruder! Das habe ich in Treue zu ihm allen entgegnet, die mir seine Ränke gegen mich, seine offene Undankbarkeit, seine kleinen Diebstähle an meinem Eigentum berichtet und nachgewiesen haben. Leider war es nicht nur das verfluchte Geld, das ihn mir verdarb. Beide Brüder haben den mir heiligen Namen Beethoven geschändet, durch ihre Mißheiraten (Karl i. J. 1806, Johann 1812) und durch den schlechten Ruf ihrer Weiber. Der Meister verachtet und haßt seine Schwägerinnen, die er, nicht zu Unrecht, für liederliche, ungebildete, niederträchtige Frauenzimmer hält. Insbesondre hätte sich Karl, Ludwigs Meinung nach, längst seiner Gefährtin entledigen müssen, denn sie unterhält skandalöse Liebschaften vor aller Welt; aber der Schwächling und Pantoffelheld läßt sich immer wieder davon abbringen.

 

Durch so qualvolle Rückblicke verstimmt, gelangt Beethoven, nun frei von bürgerlicher Rührung, in der zehnten Stunde vor das Grundstück des Bruders. Er hat es seit kaum einem Jahre in Besitz. Wenn man von der Stadt her kommt, ist es rechter Hand das vorletzte Haus in der Hauptstraße, ein niedriges längliches Gebäude mit einem Oberstock. Von der Hintertüre der engen Hausflur übersieht man einen länglichen Hof mit Pferdestall (Karl hält sich einen Gaul und ein Wägelchen), Wagenschuppen, Ziegenverschlag und Hühnerhaus. Weiter hinten bemerkt man den Obstgarten, wo zwei Dutzend Bäume ihre kahlen Äste in die neblige Novemberluft spießen. Und ganz hinten, schon an der rückwärtigen Adlergasse, ist ein Hinterhaus sichtbar; zu ebener Erde sind dort zwei ärmliche Haushalte untergebracht.

Die Familie des Kassierers und Hauswirts wohnt im Vorderhause, in der einen Hälfte des Oberstocks. Daneben und ebenso unten im Erdgeschoß hausen kleine Leute. Beethoven, der weite hohe Räume liebt, fern den Anderen, fährt jedesmal zusammen, wenn er die schmale Treppe hinaufsteigt. Proletarierdunst ist ihm gräßlich.

Er findet den kranken Bruder in seinem Bett. Der blasse, kleine, rothaarige, häßliche, verbrauchte Mann – er steht erst im zweiundvierzigsten Lebensjahre – sieht jammervoll aus, zumal auch sein inneres Leid unverkennbar ist. Daß er vor der Pforte des Jenseits steht, erkennt jeder.

Voll echter Freude greift Karl nach der Hand des Bruders. »Ich glaube,« flüsterte er, »der Teufel holt mich noch heute nacht, der Teufel, dessen Gesell ich dir gegenüber so oft gewesen bin, ich weiß selber nicht warum. Verzeihst du es mir?«

»Laß es gut sein!« spricht Beethoven, immer noch stehend, ernst und ehrlich versöhnt auf den Reuigen herniederblickend. »Ich trage dir nichts nach. Du bist mein Bruder, und ich weiß, in jedem Beethoven wütet ein Dämon. Und stark muß der sein, der sich ihn zu gutem Ding dienstbar machen will und kann.«

Jetzt erst sieht sich Ludwig um. Die Stube ist düster und dumpf; die Gardinen sind zugezogen und beide Fenster geschlossen. Er erblickt drei Männer, die sich von ihren Stühlen erhoben haben, in verlegener Haltung. Es sind kleine Hausbesitzer aus der Nachbarschaft, von Frau Johanna van Beethoven vor einer Stunde herbeigeholt, damit sie ihr als rechtsgültige Zeugen dienen. Kaspar Karl hat soeben seinen Letzten Willen geschrieben, vielmehr diktiert bekommen und ihn ohne Einwand unterzeichnet.

Die drei Kleinbürger wissen: Das ist der berühmte Bruder, der die Schlacht von Vittoria gemacht hat. Einer der drei reicht dem Komponisten ehrerbietig die Urkunde. In diesem Augenblicke verläßt Frau van Beethoven, von ihrem Schwager kaum begrüßt, ein kokettes Figürchen, nett gekleidet, eine Frau von noch nicht dreißig Jahren, lautlos das Gemach; aber sie bleibt ungesehen und horchend draußen vor der Stubentür, gleichsam im Hinterhalt, denn in den letzten Stunden ihres Mannes handelt es sich um Wichtiges für sie, vor allem um ihre gesetzliche Stellung zu ihrem Sohne.

 

Ludwig van Beethoven ersucht die Zeugen, ihm das Testament vorzulesen. Der es ihm gereicht, nimmt es wieder und liest mit kräftiger Stimme den Wortlaut vor. Es enthält acht Punkte. Johanna als Witwe und Karl van Beethoven als einziges Kind sind als Universalerben eingesetzt, jedes zur Hälfte.

Der für Ludwig van Beethoven wichtige Punkt lautet:

»Fünftens bestimme ich zum Vormunde meinen Bruder Ludwig van Beethoven. Nachdem dieser mein innigst geliebter Bruder mich oft mit wahrhaft brüderlicher Liebe auf die großmütigste und edelste Weise unterstützt hat, erwarte ich auch fernerhin mit voller Zuversicht und im vollen Vertrauen auf sein edles Herz, daß er mir die so oft bezeigte Liebe und Freundschaft auch bei meinem Sohne Karl haben und alles anwenden wird, was ihm nur immer zur geistigen Bildung meines Sohnes und zu seinem ferneren Fortkommen möglich ist. Ich weiß, er wird mir diese meine Bitte nicht abschlagen.«

Im Punkt acht ferner sind die Pfauen des Sterbenden erwähnt, und zwar erklärt Karl sie als Eigentum seiner Frau, wie er ihr auch ein Heiratsgut bestätigt, das sie ihrem Ehemann wohl nie eingebracht hat. Von diesen Pfauen sind die zwei schönsten ein Geschenk Ludwigs. In einem Briefe an den Regierungsrat Joseph v. Varena in Graz, einen eifrigen Verehrer seiner Musik, hatte er am 3. Februar 1815 geschrieben: Einer meiner Brüder ist kränklich, und wie solche Menschen gewöhnlich Liebhabereien haben, ist es die seine, sich Pfauen zu halten. Verzeihen Sie mir, daß ich Sie mit so was belästige. Vielleicht können die guten Ursulerinnen hier helfen. Ich bitte, mir doch ja sogleich Auskunft zu geben; alle Kosten werde ich übernehmen, um ihm eine Freude zu machen. Wie gesagt, er ist kränklich und hängt an derlei ...

Bei der merkwürdigen Erwähnung der königlichen Tiere lächelt Beethoven vor sich hin. Es war immer eine versöhnliche Seite am Bruder Karl, daß er gleich ihm Tiernarr ist.

 

Ludwig fürchtet Rührseligkeit wie die Pest. Dieses Testament dünkt ihn weinerlich, schwülstig, unwahr, berechnet auf sein Mitleid und seinen Familiensinn. Ob erhaltener ungedankter Wohltaten fordert man neue, größere, endlose von ihm.

Kaspar Karl vermacht ihm seinen ungeratenen Sohn; das ist der Angelpunkt.

Zum zweitenmal in seinen fünfundvierzig Lebensjahren sieht sich Beethoven zwangsweise zum allein verantwortlichen Oberhaupte der Familie eingesetzt. Und wiederum glaubt er, sich vor Gott und vor sich selber der Berufung nicht entziehen zu dürfen.

Mehr noch, schon faßt er Zutrauen zu der ihm auferlegten Mission. Wenn er alle Kraft entfaltet, sollte es ihm, der nie sein Ziel aus dem Auge läßt, nicht gelingen, aus dem unreifen, nicht unbegabten Knaben einen wackeren Mann zu erziehen?

Alles das überblickt er blitzschnell, und der Entschluß ist geboren. Wie immer in ihm heiligem Moment geht eine überirdische Sonne über dem Antlitz des Kyklopen auf.

Mit fester Stimme erklärt er: »Bei Gott, Bruder Karl, ich will das schwere Amt übernehmen, aber ich muß die alleinige Verantwortung haben und volle väterliche Gewalt über deinen und nun meinen Sohn. Ich werde ihn zu mir nehmen. So und nicht anders will und kann ich es tun.«

Kaspar Karl reicht ihm gerührt die Rechte.

Ludwig erwidert den Händedruck in brüderlicher Zuneigung. Worte sind ihm unmöglich. Ein Ende mit diesem Abschied!

Hastig drückt er den Hut auf den erhitzten Kopf. Da springt die Tür auf und wild wie eine Löwin, der man das Junge raubt, rast Johanna van Beethoven herein.

»Willst du meine Mutterliebe morden, verrückter Egoist?« schreit sie in kreischender Hysterie.

Ludwigs Auge flackert. Ohne die Furie einer Entgegnung zu würdigen, macht er sich brutal den Weg frei und stürmt aus dem Hause.

 

Beim Mittagsmahl in der Weinstube Zum schwarzen Kamel in der Bognergasse, nachdem er die Ruhe wiedergewonnen, tut ihm der Vorfall leid, und so stellt er sich am Nachmittag abermals beim Bruder ein. Die Schwägerin ist zum Glück ausgegangen, zum Stelldichein mit ihrem Liebsten.

Unter Tränen klagt Kaspar Karl sein Leid. Kaum wäre Ludwig am Vormittage fort gewesen, da habe er einen Nachtrag zum Testament unterzeichnen müssen.

Beethoven liest das Blatt. Es beginnt mit den Worten: Da ich bemerkt habe, daß mein Bruder, Herr Ludwig van Beethoven, meinen Sohn Karl nach meinem allfälligen Hinscheiden ganz zu sich nehmen und ihn der Aufsicht und Erziehung seiner Mutter gänzlich entziehen will, da ferner zwischen meinem Bruder und meiner Gattin nicht die beste Einigkeit besteht, so habe ich für nötig gefunden, nachträglich zu meinem Testament zu verfügen, daß ich durchaus nicht will, daß mein Sohn Karl von seiner Mutter entfernt werde, sondern daß er immerhin und solange es seine künftige Bestimmung zuläßt, bei seiner Mutter zu verbleiben habe, daher denn dieselbe so gut wie mein Bruder die Vormundschaft über meinen Sohn Karl zu führen hat ...

Der Schluß lautet: Daher empfehle ich zum Wohle meines Kindes meiner Gattin Nachgiebigkeit, meinem Bruder aber Mäßigung. Das ist die letzte Bitte des sterbenden Gatten und Bruders.

Die Urkunde ihm aufs Bett legend, fragt Beethoven: Warum hast du dies unterschrieben?

Der längst Willenlose beteuert, das Kodizill sei ihm abgenötigt worden. Er widerrufe es ehrlichen Herzens. Ludwig solle alles tun, es rechtsungültig zu machen.

Beethoven hat auf der Stelle erkannt, daß dieser Nachtrag zum Letzten Willen des sterbenden Bruders unselige Wirkungen haben müsse. Er sagt sich: Kein vernünftiger Mensch, zumal keiner mit hohen ideellen Pflichten, wird es mir je verdenken, wenn ich das verruchte Weib vor ein energisches Entweder-Oder stelle. Einer nur kann Herrscher sein.

Künftige schwere Kämpfe ahnend, nimmt er des Bruders Abschiedshand unter stummem Trost.

Erschöpft sinkt Kaspar Karl in sein Kissen. Die große gelbe Hauskatze ist zu ihm gesprungen. Er kraut ihr mit zitternden Fingern den Kopf und flüstert in unverständlichen Worten mit ihr.

Ludwig erhebt sich.

Der Todkranke schlummert ein.

Andertags in der Morgenfrühe stirbt er, und wiederum drei Tage später nimmt ihn die Erde des Währinger Friedhofes auf.

Der Verstorbene hegte, von Ludwig fortgesetzt ermahnt, seit Monaten die Absicht, sich von seiner würdelosen Ehefrau scheiden zu lassen, aber Charakterschwäche und zuletzt die sich verschlimmernde Krankheit verhinderten seine Selbstbefreiung. Daß Johanna van Beethoven längst auf den Tod ihres Mannes lauerte, wußten beide Brüder, und da dieser Tod rascher kam als zu erwarten war, verfällt Ludwig van Beethoven auf den fast mittelalterlichen Argwohn, das verhaßte Weib habe mit Gift nachgeholfen. Er wendet sich an den ihm befreundeten Dr. med. Andrea Bertolini und beruhigt sich in seiner falschen Vorstellung nicht eher, auch dann noch zweifelnd, als bis der Arzt es zuwege gebracht, daß der Begrabene nachträglich auf die unmittelbare Todesursache hin behördlich untersucht wird.

Kaspar Karls Testament nebst Nachtrag war bereits am 17. November dem Landgericht übergeben worden, worauf am 22. der Beschluß verkündet wird: Frau Johanna verwitwete van Beethoven sei zur Vormunderin und Herr Ludwig van Beethoven zum Mitvormund des minderjährigen Karl van Beethoven bestellt.

Gegen diesen überraschend schnell erfolgten Gerichtsbeschluß kämpft Ludwig Jahre lang, bis in den April 1820, zum sichtlich großen Nachteil seiner Arbeit und Gesundheit. Zwar erreicht er es bei der letzten Instanz, alleiniger Vormund seines Pflegesohns zu werden; doch bis zu dieser Entscheidung reiben ihn die Ränke der durchtriebenen Schwägerin und ihrer Helfer sowie die Borniertheit der niederen Gerichte fast auf. Obendrein ist der Neffe, ein kluger, frühverdorbener Bursche widersetzlich und undankbar. Liederlich, unehrlich und träg, schwankt er, auf jeden kleinen Vorteil bedacht, zwischen Mutter und Oheim hin und her.

Ludwig van Beethoven bleibt sich und seiner Idee immerdar treu. Einmal auf einer Wanderung im Jahre 1816 kritzelt er in sein Merkbüchel:

O sieh herab, Bruder! Ja, ich habe dich beweint und beweine dich noch. O warum warst du nicht aufrichtiger mit mir? Du lebtest noch und wärst gewiß so elendiglich nicht umgekommen, hättest du dich früher von deinem Weib entfernt und wärst mir ganz genaht.

 

Die Götter hatten Beethoven den Menschen wahrlich nicht verwöhnt; daß sie ihm jetzt den zukunftslosen Sprößling eines alles in allem nichtswürdigen Bruders aufbürden, war ein übler Witz des Satans.

Die Sterne lügen nicht. Das aber ist geschehen wider Sternenlauf und Schicksal.


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