Paul Schreckenbach
Der König von Rothenburg
Paul Schreckenbach

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XII.

Ungefähr zehn Wochen waren vergangen, seitdem Heinrich Topler in den Kerker gelegt worden war, und noch immer schmachtete er in dem Gefängnisgewölbe des stolzen Baues, in dem er einst als Herr gewaltet hatte. Zwar seine Feinde hätten ihn längst zu Tode gebracht, wenn es in ihrer Macht gelegen hätte. Schon am Tage nach seiner Verhaftung stellten sie ihn vor ihr Gericht und lasen ihm eine lange Anklageschrift vor, die nicht ohne Geschick abgefaßt war. Da ward ihm vorgeworfen, er habe wider der Stadt Recht ein heimliches Gericht in seinem Hause gehegt, er habe Geld aus Rothenburg nach Nürnberg geschafft, ohne es zu versteuern, er habe sich ein Dominat angemaßt und sich mit Fürsten und Herren gemein gemacht, auch mit dem Burggrafen um die Stadt gewürfelt, und was dergleichen Behauptungen mehr waren. Der Beklagte hörte alle diese Anschuldigungen schweigend an, und als man dann begann, ihn über die einzelnen Punkte zu befragen, da wandte er seinen Richtern und Anklägern den Rücken zu. Selbst die Bedrohung mit der Tortur fruchtete nicht das geringste, er fuhr fort, sich in stolzes Schweigen zu hüllen. Und vor der Anwendung der peinlichen Frage schrak man doch zurück. Denn sehr bald dämmerte den Ehrbaren von Rothenburg die Erkenntnis auf, daß sie mit einem Manne wie Topler doch nicht ganz nach eigenem Gutdünken verfahren durften und daß sie sich mit seiner Inhaftierung in einen bösen Handel eingelassen hatten.

Denn Feinde und Freunde der Stadt rührten sich sogleich. Zuerst lief ein scharfes Schreiben des Burggrafen ein, der als Schutzherr der Stadt und Landvogt in Franken verlangte, daß man den Gefangenen vor das Gericht des Königs stelle. Dieselbe Forderung erhob König Ruprecht selbst, und seine Gesandten führten eine gar hochfahrende Sprache. Sie drohten verblümt sogar mit der Acht, im Falle, daß man dem Willen des Königs widerstehe.

Die ehrbaren Ratsherren von Rothenburg wanden sich bei Anhörung dieser Botschaften verlegen auf ihren Stühlen hin und her. Man hatte dem Volke vorgespiegelt, Topler müsse fallen, um eine Erneuerung der Acht zu verhüten, und nun schien der Zorn des Königs erst recht aufzuflammen, wenn man ihm nicht den Willen tat und den Gefangenen auslieferte. Dazu aber wollten sich seine Feinde durchaus nicht verstehen. Sie fürchteten nicht mit Unrecht, er könne sich durch sein Geld und seine Klugheit wieder in Gunst bringen und ihnen dann gefährlicher werden als je zuvor. Auch wollte man lieber, daß die Stadt sich an seinem Vermögen bereichern sollte, als der goldhungrige König. So hielt man die beiden Fürsten einstweilen hin mit allerlei Versprechungen und höflichen Ausflüchten, es hatte jedoch sehr den Anschein, als würden sie nicht mehr lange mit sich spielen lassen.

Aber noch bittreren Verdruß und größere Schmerzen bereitete den nunmehr regierenden Herren die Haltung der verbündeten und befreundeten Städte. In Nürnberg hatte alles aufgeschrien vor Schreck und Zorn, als die unglaubliche Kunde ruchbar ward, und eine Botschaft ging an Rothenburg ab, die an Schärfe und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Ähnlich erklang's von den schwäbischen Städten her. Fast kein Tag verging, an dem nicht eine Gesandtschaft in die Stadt einritt, die den Rat um Freigebung des Gefangenen bittend oder auch drohend bestürmte.

So ward es seinen Feinden schwül und immer schwüler zumute. Was sollte schließlich noch aus dem Handel werden? Wie sollte man sich auf die Dauer dieses Andringens erwehren? König und Burggraf drohten, die Städte baten und drängten – schlug nun gar etwa die Stimmung in der Bürgerschaft wieder einmal um, so konnte die Sache einen Ausgang nehmen, den niemand geahnt hatte. Und der Teufel mochte dem wetterwendischen Volke trauen! Schon waren Anzeichen vorhanden, daß sich bei dem einen das Mitleid regte, bei den anderen die Erinnerung an die Großtaten des Mannes erwachte.

Kam aber der Topler wieder frei, so kam er auch jedenfalls wieder ans Ruder, und dann mochten seine Feinde sich für verloren halten.

Gedanken dieser Art schienen dem nunmehrigen Bürgermeister Walter Seehöfer durch den Kopf zu gehen, als er an einem schönen Junitage die Straße von Würzburg nach Rothenburg hinzog. Er saß auf einem bequemen Wagen, dem geharnischte Knechte vorausritten und folgten. Obwohl der Weg sehr holprig und steinig war, ging's ziemlich rasch vorwärts, denn die Gäule witterten die Nähe des heimischen Stalles. Auch schien der Bürgermeister Eile zu haben, denn er mahnte hin und wieder die Knechte, schneller zu fahren, und dabei starrte er finster vor sich hin, als ob er eine schwere Sorge auf dem Herzen trüge.

Vor dem Wirtshause des Dorfes Steinfeld ließ er ein paar Minuten Halt machen und sich ein Glas Landwein einschenken. Denn die Straße war staubig, und die Sonne brannte noch sehr stark, wenn sie sich auch schon zum Untergange neigte.

Während er trank, schweiften seine Blicke nach der Dorflinde hinüber. Dort stand inmitten eines Volkshaufens ein Mann auf hohem Steine, den jedermann kannte im ganzen Tauberlande. Es war Wenzel, der Spielmann, der mit seiner Fiedel von Ort zu Ort zog und den Leuten in Versen mitteilte, was in der Welt geschehen war. Er besang Mordtaten und Kriegstaten und sonst aufregende Geschehnisse, und wenn er auftrat, lief alles zusammen und lauschte. Auch Seehöfer horchte hinüber, als er nach einem Vorspiele zu singen anhub. Aber wie ward ihm, als die Weise an sein Ohr klang:

O Rothenburg, was hast du gemacht?
Deinen besten Mann ins Elend bracht!
Den Bürgermeister und Stadtmeister gefangen,
Da er zum Rate war gegangen!
Drob klagt alles im ganzen Land –
O weh, der großen Untreu' und Schand'!

»Zufahren!« schrie Seehöfer und ließ seinen Becher fallen, als habe er Essig daraus getrunken. Bis Rothenburg sprach er kein Wort mehr.

Als er in der Stadt angelangt war, ließ er seinen Wagen vor Häuptleins Hause halten und stieg aus. Der Alte war jetzt völlig auf beiden Beinen gelähmt und konnte keinen Schritt mehr gehen. Aber in den Rat ließ er sich zu jeder Sitzung tragen, denn sein Geist war merkwürdig aufgelebt, seitdem sein tödlich gehaßter Feind im Kerker lag.

Er streckte von seinem Lehnstuhle aus dem Eintretenden beide Hände entgegen und rief statt jeder Begrüßung: »Bringst du es mit, Seehöfer?«

Der nickte und zog aus einer Tasche seines Wamses ein Seidentuch hervor. Als er es aufgewickelt hatte, kam ein winziges Fläschchen zum Vorscheine. Das faßte er vorsichtig an und hielt es seinem Freunde vors Gesicht. »Zwanzig Tropfen!« flüsterte er. »And fünfhundert Gulden hat der welsche Schuft mir abgenommen.«

»Ist nicht zuviel, wenn's seinen Zweck erfüllt,« brummte Häuptlein.

»Wer einen Tropfen in seinen Trank bekommt, der lebt noch zwanzig Tage,« sagte Seehöfer, »wer zwei bekommt, noch neunzehn und so fort. Schüttet man alle zwanzig Tropfen auf einmal hinein, so ist er in einem Tage und einer Nacht nicht mehr am Leben, und auch der geschickteste Medikus kann nicht sagen, woran er gestorben ist.«

Häuptleins Augen glitzerten. »Dann rate ich zu den zwanzig Tropfen, denn man weiß nicht, was morgen geschieht. Es hat sich viel ereignet in den vier Tagen, die du in Würzburg zugebracht hast.«

»Der Italiener konnte die Tinktur nicht eher beschaffen,« entschuldigte sich Seehöfer. »Was ist geschehen?«

»Kaum warst du fort, da kam der halbe Nürnberger Rat angereist. And wen brachten sie mit? Den Jakob Topler und verlangten, daß wir ihn wieder aufnehmen sollten!«

»Und das hat der Rat getan?« rief Seehöfer.

»Der Kerl hat schwören müssen, nichts wider die Stadt tun zu wollen, dann haben sie ihn aufgenommen. O, es kommt noch besser! Alle seine Befreundeten, außer dem Bluthunde selbst, sind gegen ihren Eid, nicht aus der Stadt weichen zu wollen, der Haft entlassen.«

Seehöfer fuhr mit einer Gebärde des Schreckens empor und starrte seinem Freunde erbleichend ins Gesicht.

»Noch nicht alles!« fuhr Häuptlein fort. »Als sie herausgeführt wurden, erwartete sie eine große Volksmenge, die ihnen zujubelte und sie in ihre Häuser geleitete. Und noch nicht alles! Eine Gesandtschaft des Königs und des Burggrafen ist da, vor einer halben Stunde sind sie eingeritten. Und wo wohnen sie? Bei Jakob Topler! Und morgen früh um zehn wollen sie vor den Rat.«

Er stieß ein häßliches, pfeifendes Gelächter aus und sank in seinen Stuhl zurück. Seehöfer war bei den letzten Worten geradezu zurückgetaumelt. Aber er raffte sich schnell wieder auf, und an seinen Freund dicht herantretend, raunte er ihm zu: »Dann ist es höchste, höchste Zeit, daß wir tun, was getan werden muß. Am meisten erschreckt mich, was du vom Volke sagst. Steht's so, dann darf der Topler nicht einen Tag frei werden! – Leb' wohl!«

In seinem Hause fand er seinen Amtskollegen Hans Offner, der jetzt Bürgermeister des äußeren Rates war. Der teilte ihm mit umwölkter Miene mit, was in den letzten Tagen geschehen war. Man müsse darauf gefaßt sein, daß der König und der Burggraf morgen die Auslieferung des Gefangenen erzwingen würden. Schon der gemeinen Bürgerschaft wegen werde man sich nicht länger weigern können, denn dem gemeinen Manne sei ganz und gar nicht mehr zu trauen.

Offner war auf einen Zornausbruch Seehöfers gefaßt gewesen, aber zu seiner lebhaften Verwunderung hatte der heftige und bissige Greis nicht einmal ein Wort des Vorwurfes für ihn und den Rat. Er sagte vielmehr mit der größten Gelassenheit nach einer Weile: »Manchmal kommt alles anders, als man fürchtet. Was ändert nicht zuweilen eine Nacht? Morgen wird sich alles finden. Schlafe ruhig, Hans Offner!«

Der Bürgermeister entfernte sich erstaunt und nachdenklich, denn seines Kollegen Worte und Gebaren waren ihm rätselhaft. Seehöfer aber begab sich sogleich nach Eintritt der Dunkelheit ins Rathaus hinüber und verweilte dort mehrere Stunden lang. – –

Am anderen Vormittage standen drei Männer vor dem Rate von Rothenburg. Der graubärtige Greis in ihrer Mitte war des Königs Kanzler, Johann Kirchheim, die beiden Ritter ihm zur Seite waren des Burggrafen Abgesandte, Seckendorff und Egloffstein.

Der Kanzler entfaltete ein Pergament und las einen Befehlsbrief König Ruprechts vor, daß der Ehrbare Heinrich Topler, da er sich wider das Reich vergangen, ihm auf der Stelle auszuliefern sei, und daß er seinem vielgeliebten Schwäher Herrn Friedrich Burggraf zu Nürnberg den Auftrag gegeben habe, den besagten Heinrich Topler vorderhand in seinen Gewahrsam zu nehmen. Wer dem widerstrebe, werde er behandeln, wie es dem Könige ungehorsame Leute verdient hätten.

Kaum hatte er geendet, so hub Seckendorff zu reden an. Der alte Ritter blickte den Ratsherren mit unverhohlener Verachtung ins Gesicht, man sah es ihm an, daß er Mühe hatte, noch halbwegs die höfliche Form zu wahren.

»Ehrbare von Rothenburg,« sagte er, »meine Botschaft an euch ist kurz. Heute abend sieben Uhr hält mein gnädiger Herr, der Burggraf, vor dem Rödertore und begehrt als Rothenburgs Schutzherr und als Beauftragter unseres Herrn, des Königs, in die Stadt mit zehn Rittern einzureiten.«

In der Versammlung entstand darauf eine Bewegung, aber Seckendorff beachtete es nicht, sondern fuhr mit erhobener Stimme fort: »Noch vor dem Rödertore wird seine fürstliche Gnaden die Meldung entgegennehmen, ob dem Willen des Herrn Königs Gehorsam geleistet worden ist. Wenn nicht, so wird er die Stadt nicht betreten. Ehrbare von Rothenburg, ihr wisset, was das zu bedeuten hat. Ich gebe euch eine Stunde Bedenkzeit.«

Er wandte sich zum Gehen. Verblüfft, erschrocken und zornig blickten die Ratsmänner einander in die Gesichter, aber nur ganz vereinzelte Rufe wurden laut. Noch vor wenigen Monaten hätte eine solche Sprache hier einen Sturm der Entrüstung entfesselt, jetzt war von dem stolzen Bürgertrotz wenig mehr übrig geblieben.

Da ertönte Walter Seehöfers scharfe Stimme: »Liebe Ratsgesellen, brauchen wir eine Bedenkzeit? Wozu? Weigern wollen wir uns doch mit nichten. So wollen wir den Willen des Herrn Königs tun und den Topler seinem Gerichte übergeben.«

Seckendorff war umgekehrt und blickte dem Sprechenden mit der größten Überraschung ins Gesicht. Desgleichen taten alle übrigen. Das hatte niemand erwartet.

»So ihr denn nichts einzuwenden habt,« fuhr Seehöfer fort, »so bitte ich dich, Seitz Eberhardt, sage den Wächtern, daß sie ihn hierher bringen.«

Eine atembeklemmende Stille herrschte im Saale, als der Ratsherr gegangen war, und als dann die Tür aufging, stießen alle einen Schrei des Schreckens aus. Der da, von zwei Knechten geführt, hereinschwankte, war der Heinrich Topler nicht mehr, den sie gekannt hatten. Ein Greis kam herein, dem Haare und Bart schlohweiß um das Antlitz hingen und der kaum noch zu gehen vermochte. Mit blöden Augen starrte er in das Sonnenlicht, das er so lange entbehrt hatte, tat einige unsichere Schritte vorwärts und glitt dann mit einem schwachen Laute aus den Armen seiner Wächter zu Boden.

Entsetzt schauten sich die Ratsherren an. Keiner sprach ein Wort, dann sagte Seckendorff: »Er ist ein Sterbender. Ich habe in diesem Saale nichts zu gebieten, aber wer von euch noch einen Funken von Ehre in der Brust hat, der gehe hinaus. Das hat Heinrich Topler verdient, daß er wenigstens nicht in Gegenwart seiner Mörder sterbe.«

Scheu, mit gesenkten Blicken schlichen sie hinaus, von ihrem Gewissen überzeugt, einer nach dem anderen. Widerwillig entfernte sich zuletzt auch Seehöfer, und nur die drei Gesandten und die Knechte blieben bei dem Ohnmächtigen zurück im Saale.

»Hebt ihn einstweilen hierher!« gebot Seckendorff und wies auf den Prunkstuhl, den Topler einst als Bürgermeister inne gehabt hatte, und als man den Befehl eilend befolgt hatte, setzte er hinzu: »Holt sein Weib und alle seine Anverwandten. Vergesset auch des Medikus nicht!«

Binnen einer Viertelstunde waren alle im Saale versammelt, die Heinrich Topler geliebt hatte. Aber wohl eine Stunde lang dauerte es, bis es gelang, ihn wieder ins Leben zurückzurufen.

Endlich schlug er die Augen auf und suchte sogleich, sich emporzurichten. Mit lautem Weinen stürzte Frau Margarete auf ihn zu, umschlang ihn mit ihren Armen und küßte seine Hände.

»Mein liebes Weib,« sagte er mit schwacher Stimme, »ich sterbe!«

»Nein, nein!« schrie sie. »Du sollst leben mit uns!«

»Ich sterbe,« wiederholte er, »mir sind nur noch Augenblicke gegeben. Kommt alle her, meine Kinder, daß ich euch segne.«

Schluchzend knieten sie alle vor ihm hin, und er legte jedem die Hand aufs Haupt. »Segne auch diesen hier, Vater,« stammelte Jakob und nahm aus den Armen seiner weinenden Frau ein Kind, das in Tücher eingewickelt war. »Dein Enkel, Vater! Geboren, als du im Kerker lagst.«

Die müden Augen des Sterbenden leuchteten auf, und er legte leise die zitternde Hand auf den Knaben. »Werde ein Mann, wie deine Väter waren! Gott gebe dir mehr Glück?« murmelte er und lehnte sich wieder zurück.

Der Guardian trat neben ihn hin mit den Sterbesakramenten, und alle im Saale sanken auf die Knie.

Da mit einem Male hob Heinrich Topler das Haupt noch einmal. Er hatte einen erkannt, der hinter den anderen kniete und über alle emporragte, und lauter als vorher klang seine Stimme: »Komme her, Peter! Gib mir die Hand! Du warst mein treuester Geselle! Peter, die Topler gehen von hier fort. Du aber sieh darauf, daß Rothenburg freie Reichsstadt bleibe!«

Damit streckte er sich aus, ein Zittern lief durch seine Gestalt, und er war tot.– – –

Am Abend kam der Burggraf in die Stadt. Als ihm Seckendorff noch vor dem Tore berichtete, was geschehen sei, ward das Antlitz des Fürsten düster, und er wandte sich ab, um seine tiefe Bewegung zu verbergen.

»Liegt er noch im Rathause?« fragte er nach einer Weile.

»Sie haben ihn in seinem Hause aufgebahrt.«

»So komm! Ich nächtige heute nicht in dieser Stadt, aber eines will ich noch hier vollenden.«

Finster, die Augen starr geradeaus gerichtet, ritt er durch die schweigende Volksmasse dahin. Auf dem Markte aber zügelte er sein Roß und rief mit mächtiger Stimme: »Bürger von Rothenburg, euer großer Bürgermeister ist gestorben. Vor dem Gerichte des Königs werden das alle verantworten, die es verschuldet haben. Wir aber wollen ihn dahin bringen, wo er morgen seine Ruhestatt finden möge, nach Sankt Jakobi.«

So geschah's. Friedrich selbst schritt der Bahre voran, und alles Volk folgte nach. Unter dem Geläute sämtlicher Glocken wurde die Bahre dicht vor dem Hochaltare aufgestellt, den der Verstorbene einst selbst gestiftet hatte. Heinrich Topler lag da, die Hände auf der Brust über seinem gewaltigen Schwert gefaltet, einen Zug des Friedens im Antlitz tragend, den man an dem Lebenden niemals geschaut hatte. Nur ein schlichtes Totenhemd umschloß seine Glieder. Aber durch die hohen Fenster brach feurig die Abendglut herein, und jeden, der ihn liegen sah, wollte es bedünken, als breite der Himmel selbst einen Purpurmantel aus über den Schlummernden, – den toten König von Rothenburg.


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