Paul Schreckenbach
Der König von Rothenburg
Paul Schreckenbach

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IX.

In einem Erkerzimmer des Schlosses zu Ansbach saß Friedrich von Hohenzollern, Burggraf zu Nürnberg, mit einigen seiner Räte vor einem breiten Tische, den ein großer Haufen von Akten bedeckte. Es war eine schwierige und wenig kurzweilige Arbeit, die da zu erledigen war, aber der gewissenhafte Fürst unterzog sich ihr jedes Jahr einmal. Er prüfte selbst die Rechnungen seiner Hofgüter, Forsten und Meiereien, die im Ansbachschen lagen, und zwar prüfte er sie so, daß die Vögte und Verwalter oft keinen leichten Stand hatten. Manch einer bekam wegen verschwenderischen Haushaltens oder unvorteilhafter Wirtschaftsweise eine strenge Vermahnung aus dem Munde seines gnädigen Herrn zu hören.

Auch heute war das geschehen, eben wieder hatte einer mit gesenktem Haupte das Gemach verlassen. Der Burggraf lehnte sich in seinen Armstuhl zurück und sprach seufzend zu dem ihm gegenübersitzenden Ritter von Seckendorff, seinem vertrautesten Rat: »So sind sie, die Leute in unseren Tagen. Treu und Glauben schwindet nach und nach dahin, es täte not, man briefte und siegelte alles, und dann säh noch jedweder auf seinen Nutzen allein. Es ist doch oft kein leicht Ding, Seckendorff, Fürst zu sein.«

»Nicht jeder nimmt das Amt so schwer wie Euer Gnaden,« versetzte der.

»Leider!« erwiderte Friedrich. »Ich aber nehm's, wie ich's nach meinem Gewissen nehmen muß und acht' mich als nichts anderes, denn als einen Amtmann Gottes am Fürstentum. Was gibt's, Egloffstein?« wandte er sich an einen Hofherrn, der eintrat und in der Nähe der Tür stehen blieb.

»Herr, der Topler von Rothenburg ist eben in die Stadt eingezogen mit zweihundert Pferden und etlichen Wagen.«

Friedrich fuhr empor. »Was soll das?« rief er heftig. »Fähret er nicht unter meinem Geleit? Wozu der Troß?«

»Er sagt, Herr, es sei ein Hochzeitszug. Sie wollen seines Sohnes Braut und seiner Tochter Bräutigam von Nürnberg gen Rothenburg holen. Und weil er mit Euer Gnaden zu reden hätte, so sei er über Ansbach gezogen.«

»Er sagt's? Ist er denn da?«

»Er wartet unten, Herr!«

»So führe ihn herauf! Ihr tretet ab, ihr Herren, ich werd' euch zu gelegener Zeit wieder fordern lassen. Nur du bleibst, Seckendorff!«

Als die anderen das Gemach verlassen hatten, lachte der Burggraf herb. »Mit zweihundert Pferden zieht der Bürgermeister von Rothenburg zu einer Hochzeit über Land. Hast du's gehört, Seckendorff?«

»›Kaufleut' sind edel worden‹, kennt Ihr das Liedlein nicht, das also anhebt, edler Herr?«

»Nun, ein Kaufmann ist ja der Topler nicht,« versetzte Friedrich. »Aber wenn er auch von edelm Blute ist, dies Prangen ist denn doch zu viel. So reitet ein Fürst des Reiches durch's Land.«

»Ich mein', Euer Gnaden, der Topler achtet sich nicht geringer denn ein Reichsfürst!«

Der Burggraf ward der Antwort überhoben, denn geleitet von dem Ritter von Egloffstein, trat Heinrich Topler in das Gemach.

Über das Antlitz des alten Seckendorff ging in diesem Augenblicke ein großes Staunen, fast ein Erschrecken. Er hatte seinen Herrn sehr oft und den Rothenburger Bürgermeister hin und wieder gesehen, aber noch nie hatte er die beiden nebeneinander geschaut. Und wie nun der Burggraf sich erhoben hatte, um seinem Gaste einige Schritte entgegenzugehen, da fiel dem Ritter die Ähnlichkeit auf, die unverkennbar zwischen den beiden bestand. Der Fürst war kleiner, zierlicher, und die Züge seines Gesichtes waren feiner, aber in der Haltung und den Gebärden glichen sich die beiden in auffallender Weise.

»Gott grüß' Euch, erlauchter Herr!« sprach Topler, indem er näher trat.

»Seid mir willkommen, Herr Bürgermeister von Rothenburg,« erwiderte Friedrich mit der verbindlichen Freundlichkeit, die er auch solchen gegenüber beobachtete, die seine Gegner waren, wenn er sie nur persönlich achten konnte. Und Heinrich Topler achtete er sehr hoch und sprach das jedermann gegenüber häufig aus. »Ihr habt mit mir zu reden verlangt, und ich bin gern bereit, Euch anzuhören. Ich meine, es wird nichts Kleines sein, warum der Topler von Rothenburg zu mir reitet.«

»Es ist nichts Kleines, hochedler Fürst, da habt Ihr recht. Ein Großes ist's, was mich zu Euch führt, der gefährdete Friede in Franken und Schwaben.«

Der Fürst blickte ihn erstaunt an. »Ihr, Herr Topler, wollt den Frieden bringen?«

»Warum ich nicht?«

»Man sagt Euch nach, daß niemand in Euerer Stadt die Fehde lieber sähe, als Ihr.«

Toplers Antlitz rötete sich. »Das, Herr Burggraf, ist eine üble Nachrede meiner Feinde,« sagte er nachdrücklich. »Ich gehe keinem Kriege aus dem Wege, wenn ich ausziehen muß, aber ich vermeide ihn, solange es irgend sich verträgt mit der Ehre und dem Nutzen meiner Stadt. So auch jetzt. Zeugnis dafür sei Euch, daß ich zu Euch gekommen.«

»Dann seid mir doppelt willkommen!« rief Friedrich und streckte ihm die Hand hin. »Und weil sich solch Geschäft am besten erledigt bei einem guten Trunke – Egloffstein, sage meiner Hausfrauen, daß ein Gast bei mir eingekehrt ist. Sie solle uns ein paar Flaschen edeln Steinweines senden.«

»Setzt Euch nieder, Herr,« fuhr er zu Topler gewandt fort. »Und was Ihr mir zu künden habt, wird wohl die Gegenwart meines vertrauten Rates ertragen.«

»Der edle Ritter von Seckendorff, der zu den Besten gehört in Franken, mag ruhig bleiben. Doch Herr, zur Sache! Ich komme der Irrungen und Späne halber, die zwischen Euch und meiner Stadt bestehen. Ich denke, wir nehmen sie vor, einen nach dem anderen und sehen zu, daß wir damit zu einem guten Ende kommen.«

»Und in wessen Namen verhandelt Ihr, Herr Topler? In Euerm eignen Namen, oder für die Stadt mit gemeiner Vollmacht des Rates?«

»Ihr redet mit Rothenburg, Herr, wenn Ihr mit mir redet,« versetzte Topler stolz. »Auf ein Jahr haben mir Rat und Gemeinde alle Gewalt in der Stadt übertragen.«

Der Burggraf schlug leicht mit der Hand auf den Tisch. »Ich hörte es bereits, aber es war mir schwer zu glauben.«

»Warum, erlauchter Herr?«

»Weil viele Köpfe viele Sinne haben, und weil es ganz ungewöhnlich ist und kaum erhört, daß sich eine Stadt, so wie die alten Römer taten, selbst einen der Ihrigen zum Diktator erküret.«

Topler lachte. »Die Römer waren, wie man in den alten Historien liest, ein kluges Volk. Wolle denn Euer Gnaden in dieser Wahl die Klugheit der Rothenburger erkennen!«

»Wohl mehr Euere Klugheit, Herr Heinrich Topler, und Euere Kraft. Doch einerlei! Mir kann es recht sein, wenn ich mit einem Manne zu verhandeln habe und nicht mit hundert und mehr Leuten. So sprecht denn aus, was Euch am Herzen liegt!«

Topler lehnte sich in seinem Stuhle nach vorne und war eben im Begriff, seine Rede zu beginnen, als die Tür aufging, und eine hohe Frau in das Gemach trat. Hinter ihr schritten zwei Dienerinnen, deren eine ein silbernes Tablett mit drei kleinen, gleichfalls silbernen Bechern, die andere zwei breite Flaschen in der Hand trug.

Betroffen, fast verwirrt, stand Heinrich Topler von seinem Sitze auf. Er hatte die schöne Else, wie die Gemahlin des Burggrafen im Volksmunde hieß, noch nie gesehen, und er mußte sich sagen, daß ihm im Laufe seines Lebens noch niemals ein so holdseliges Frauenbild vor Augen gekommen war. In wunderbarer Fülle floß ihr das goldene Haar über den edelgeformten Nacken hernieder, und in dem feinen Antlitz leuchteten die großen Augen wie zwei Sonnen, in deren Glanz man kaum hineinzuschauen wagte.

Der Burggraf blickte verwundert auf die Eintretende. »Wie? Du selbst bemühst dich?«

Ein leichtes Rot färbte die Wangen der Fürstin, und mit einer liebreizenden Offenheit gab sie zur Antwort: »Ich hörte, daß der Herr Bürgermeister von Rothenburg dein Gast sei. Ich hatte Euch«, und sie neigte das Haupt ein wenig gegen Topler, »noch nie gesehen und doch so viel von Euch sagen hören. So lüstete mich, den Mann kennen zu lernen, von dessen Taten man sogar Lieder singt im Lande.«

Topler neigte sich tief. »Viel Ehre für mich, erlauchte Frau,« erwiderte er. »Hätt' ich geahnt, Ihr begehrt mich zu sehen, wahrlich, Ihr hättet nicht lange auf Euern Knecht zu harren brauchen, und zu jeder Stunde wäre ich hergeritten.«

Frau Else lächelte. Sie hatte auf der Stelle bemerkt, welchen Eindruck ihre Schönheit auf den gewaltigen Mann hervorbrachte, und obwohl sie viel zu klug war, um eitel zu sein, so war sie doch eben ein Weib, und die Huldigung, die in seinem Blicke und in seiner Haltung lag, schmeichelte ihr. Der Burggraf aber rief scherzend mit erhobenem Finger: »Ei, ei, Herr Topler, Ihr redet wie ein fahrender Ritter in blondem Haar und nicht wie ein Mann, dem schon an den Schläfen die Haare ergrauen.«

»Mein Herz ist jung geblieben und freut sich aller Schönheit der Welt, wo sie ihm begegnet, und das Schönste im Garten Gottes ist eine holdselige Frau,« gab Topler zurück.

»Erlaubt, daß ich Hausfrauenamt übe!« sagte die Fürstin, ergriff einen der inzwischen gefüllten Becher und führte ihn an ihre Lippen. »So kredenze ich Euch den Trunk, Herr Topler, als meines Eheherrn Gast. Euch zum Heil!«

»Solche Ehre ist wohl noch nie einem Bürgermeister von Rothenburg geschehen!« rief Topler, als er den Becher aus ihrer Hand entgegennahm.

»Es hat ja auch noch niemalen solch' einen Bürgermeister von Rothenburg gegeben, wie Ihr seid,« sprach der Burggraf ernst. »Wir müssen Gegner sein um unserer Stellung willen, und ich fürchte, das kann nimmer anders werden. Aber als Männer, denk' ich, kennt einer des anderen redliche Gesinnung.«

»Ich danke Euch für dieses Wort, erlauchter Herr und Fürst, und bitt' Euch, daran zu denken, wenn wir nachher miteinander verhandeln. Ja, so steh' ich zu Euch und hab' nie anders gestanden. Es ist mir leid, daß Ihr meiner Stadt Feind seid, denn meiner wäret Ihr nimmer. So kann ich aus vollem Herzen sagen: Heil Euch, Herr, und Euerm holdseligen Gemahl und Euern Kindern! Das Zollernhaus blühe allewege in Franken und Schwaben!« Nach diesen Worten leerte er seinen Becher bis auf den Grund.

»Und jetzt will ich die Männergeschäfte nicht weiter stören,« nahm die Burggräfin das Wort. »Die Neugier der Frau ist gestillt,« fügte sie lächelnd hinzu. Dann wandte sie sich zum Gehen und sagte: »Lebet wohl, Herr Topler, und so Ihr ein Eheweib daheim habet, so grüßet sie von mir.«

»Es wird der Bürgersfrau von Rothenburg eine sonderliche Ehre sein, den Gruß der Fürstin zu empfangen.«

»Mir liegt es nahe, daran zu gedenken, daß manchmal Bürger zu Fürsten werden,« versetzte sie, und mit freundlichem Neigen des Hauptes schritt sie hinaus, von ihren Dienerinnen gefolgt. Topler blickte ihr gedankenvoll nach. Gerade die letzten Worte, die sie noch beim Abgehen sagte, hatten ihn eigentümlich berührt. Er wußte, daß sie damit auf ihre mütterliche Verwandtschaft mit den Viskontis angespielt hatte, jenem mächtigen Herrengeschlechte Mailands, das sich aus kleinen Anfängen emporgerungen hatte zu einer gewaltigen Machtstellung, so daß die früheren Handelsherren Fürsten geworden waren und von den deutschen Fürstengeschlechtern als ihresgleichen betrachtet wurden. In Italien waren sie nicht die einzigen, denen das geglückt war, es gab jenseits der Alpen noch mehrere derartige Dynastengeschlechter, die Medici, vor allen Dingen. Auf deutschem Boden dagegen war solches noch keinem gelungen, ja, es hatte das wohl überhaupt noch keiner ernstlich versucht. Er aber – war er nicht auf dem Wege dazu? Die Macht, die ihm seine Stadt übertragen hatte, wollte und mußte er von nun an festhalten um jeden Preis, und das bedeutete nichts anderes, als daß er seine Feinde aus der Stadt vertreiben und schließlich aus dem Gewählten des Volkes zu einem Herrn des Volkes werden mußte. Das war wohl kaum zu vermeiden, und er konnte nunmehr schwerlich anders, aber doch graute ihm im Innern davor, denn er sah viel Blut auf diesem Wege. Er saß so in Gedanken verloren da, daß er wie aus einem Traume auffuhr, als der Burggraf sich mit den Worten an ihn wendete: »Nun, Herr Bürgermeister, so saget denn, was Ihr von mir begehret!«

Topler strich sich mit der Hand über die Stirn und sagte dann langsam und überlegend: »So ich zu Euch rede, wollt Ihr mir denn vergönnen, daß ich ganz frei und offen spreche?«

Der Fürst nickte. »Sprecht aus, was irgend Euer Herz bewegt!«

»So frag' ich Euch, Herr Burggraf, und bitt' um eine deutliche Antwort: Warum wollet Ihr der Stadt Rothenburg Feind sein?«

Der Fürst ward durch diese Frage in sichtbare Verlegenheit gesetzt. Das war denn doch gar zu kurzab gefragt, und er hatte einen anderen Gang der Verhandlung erwartet. Doch entschloß er sich, da er ein gerader und ehrlicher Mann war, darauf eine offene Antwort zu geben. Darum erwiderte er: »Um zweier Ursachen willen! Zuvörderst, weil Ihr unseres Herrn und Königs Ruprecht geheimer Widersacher seid.«

»Wer sagt Euch das, Herr?«

»Ihr seid dem Bunde zu Marbach beigetreten, den der Kurfürst von Mainz, etliche Herren und viele Städte geschlossen haben. Wollet Ihr in Abrede stellen, daß dieses Bündnis sich gegen König Ruprecht richtet?«

Topler antwortete nicht sogleich. Erst nach einer Weile des Besinnens gab er die Antwort: »Wenn's Euch recht ist, Herr, so lasset uns von diesem Punkte zuletzt reden. Bringet zuvor Euere andere Klage vor mich.«

»Wie Ihr wollt. Der andere Punkt ist, daß ich des Reiches Schutz- und Schirmvogt sein will über Rothenburg.«

»Und das, Herr, wollen wir Euch nicht weigern,« gab Topler zurück.

»Wie?« rief der Burggraf, sich erstaunt aufrichtend. »Ihr wollet mich als Euern Schutzherrn anerkennen? Das ist sehr viel oder sehr wenig,« setzte er hinzu.

»Wie meint Ihr das, Herr Burggraf?«

»Ich meine: Ob das mehr ist als eine bunte Seifenblase, was Ihr mir bietet, kommt auf die Rechte an, so Ihr mir einräumet.«

»Die Rechte sind die: Ihr habet die Stadt vor Kaiser und Reich mit zu vertreten. Rothenburg gehet kein Verbündnis mehr ein, ohne Euch zu fragen, und handelt nimmer Euch zu Schaden. Dahingegen wird ein ewiger Bund geschlossen zwischen Euch und uns, wir leisten Euch Hilfe und Zuzug wider Euere Feinde, wie Ihr sie uns leistet. Auch habt Ihr das Recht, den Eintritt zu fordern in die Stadt mit einer mäßigen Gefolgschaft und darin zu verweilen drei Tage lang auf der Stadt Unkosten und Rechnung, und die Geschenke und Verehrungen sollen nicht geweigert werden, die dabei üblich und gebräuchlich sind.«

Der Burggraf sah ihn nachdenklich an. »Das ist nicht wenig, Herr Bürgermeister, und doch – zu wenig!«

»Was begehren Euere fürstliche Gnaden noch?«

»Das Recht, ohn' das alle Schutzherrlichkeit über Rothenburg eitel Dunst und Rauch ist, die Öffnung der sechs Festen, so in der Stadt Händen sind, vor allem des festen Schlosses zu Nordenberg.«

Toplers Antlitz verfinsterte sich bei diesen Worten in erschreckender Weise, »Herr!« fuhr er auf, aber er hielt noch an sich und sprach in gemessenem Tone: »Ihr wisset selbst, daß die Burgen wertlos sind für die Stadt, so sie mit einem anderen das Recht der Besetzung teilen muß.«

»Warum? Wenn ich euer Schutzherr bin und ein ewig Verbündnis unter uns bestehet?«

»Weil wir dann in Euere Hand gegeben sind, Herr, und weil das nicht mehr eine Schutzherrlichkeit ist, sondern eine Herrschaft. Mit welchem Recht begehrt Ihr das, Herr Burggraf?«

»Mit dem Recht, das mir König Ruprecht verlieh, da er mich zum obersten Hauptmann des Reiches in Franken machte. Keine Stadt des Reiches in diesen Landen darf mir ihre Schlösser sperren. Auch den Schutz über Euere Stadt, den schon mein Vater besaß, als sie noch klein war, hat er mir bereits verbrieft und versiegelt.«

Topler stieß ein rauhes Gelächter aus. »Wie kann der Pfalzgraf bei Rhein verbriefen und verschenken, was ihm nicht gehört?«

Hier machte der alte Ritter von Seckendorff, der bis dahin stumm dabeigesessen, eine ungestüme Bewegung, aber der Fürst wies ihn durch einen Wink zum Schweigen und sagte ernsthaft: »Der Pfalzgraf bei Rhein kann das nicht, wohl aber der römische König.«

»Ach Herr, wer ist der römische König? Der eine sitzt in Prag und trinkt, der andere sitzt in Heidelberg und rechnet. Macht hat keiner, und beiden fehlt das Geld. Wem sie Versprechungen machen, der läuft ihnen zu, und mehr als Worte kann keiner geben!«

Der Ritter von Seckendorff schlug die Hände fast entsetzt zusammen und murmelte: »Verbrechen wider die königliche Hoheit! Crimen laesae majestatis.« Der Burggraf aber rief mit starker Stimme: »Herr Bürgermeister, besinnt Euch! Solch unehrerbietig Reden wider meinen König und Schwäher will und darf ich nicht hören.«

Topler stand auf. »Ich will Euch damit nicht länger lästig fallen, Herr,« sagte er kalt. »Überdies hat alles Reden über die Könige keinen Sinn, wenn das wegen Nordenberg und der anderen Festen Euer letztes Wort ist.«

»Es ist mein letztes Wort, Herr Topler! Davon kann ich nicht abgehen.«

»Herr Burggraf! Wahr und wahrhaftig Euer letztes Wort?«

»Ja, wahr und wahrhaftig.«

»So ist mein Ritt zu Euch vergebens gewesen. Ich suchte den Frieden, Ihr wählt die Fehde. So nehm ich Urlaub von Euch, gnädiger Herr. Gehabt Euch wohl.«

»Halt, Herr Bürgermeister!« rief der Burggraf. »Ich will offen zu Euch reden, wie Ihr zu mir geredet habt. Ich meine, Ihr werdet eine Bedenkzeit nehmen, wenn ich Euch sage: Im Falle einer Weigerung trifft Rothenburg des Reiches Acht!«

»Nein, Herr, ich will keine Bedenkzeit. Ihr wollet fechten und die mit Euch im Bunde sind; das weiß ich, und somit weiß ich genug. Ob Ruprechts Acht noch dazu kommt oder nicht, kümmert mich wenig. So blas' ich sie von mir, wie den Staub von meinen Ärmeln. Er hat keine Gewalt noch Kraft, längst nicht so viel wie ich. Was schiert mich der Schattenkönig! Ich bin der König von Rothenburg. Gehabt Euch wohl, Herr!«

Damit schritt er schwer und wuchtig zur Tür hinaus.


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