Paul Schreckenbach
Der König von Rothenburg
Paul Schreckenbach

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VIII.

Der erste Mai des Jahres vierzehnhundertundsieben war herangekommen.

Nach uralter Sitte versammelten sich an diesem Tage alljährlich Rothenburgs gesamte Bürger, um in feierlicher Weise den Schwur der Treue zu erneuern, den sie der Stadt geleistet hatten. Der Eid mußte abgelegt werden, noch ehe der Morgen graute, denn sobald das goldene Tagesgestirn am Himmel erschien, trat der äußere Rat zusammen, um den inneren Rat zu küren.

In vierzig Hauptmannschaften geteilt, im vollen Schmuck ihrer Waffen, standen die männlichen Bürger auf dem weiten Marktplatze. Je vier Hauptmannschaften zu gleicher Zeit wurden in das Rathaus eingelassen, wo sie im kerzenerleuchteten Saale vor Bürgermeister und Rat mit aufgereckter Schwurhand gelobten, »dem ehrbaren Rate in allen Stücken gehorsam zu sein und bei ihrer Seelen Seligkeit nach allen Kräften und bestem Wissen und Gewissen allen Schaden von der Stadt abwenden, ihren Nutzen aber jederzeit treulich und redlich fördern zu wollen.«

Wie so oft schon in früheren Jahren, sprach auch heute Heinrich Topler ihnen den Eid vor, den sie nachsprechen mußten. Der Tag konnte für ihn eine Schicksalswende bedeuten, wie noch nie einer in seinem Leben bisher, das wußte er wohl, und seine Getreuen wußten es auch. Aber niemand hätte in seinen ehernen Zügen eine Bewegung wahrzunehmen vermocht, und seine Stimme klang so klar und voll wie immer.

Als die Eidesleistung zu Ende war, hätten die Bürger von der Gemeine nach Hause gehen können, denn nun legte der innere Rat dem äußeren Rechnung ab, und dann hatte die Wahlhandlung ihren Anfang zu nehmen. Sonst war das auch stets geschehen, die Bürger hatten sich zerstreut, entweder heim zu ihren Weibern oder in die Trinkstuben, um auf der Stadt Heil und Gedeihen einen Becher zu leeren. Heute dagegen verließ kein Mann den Marktplatz, denn der Bürgermeister hatte den Zunftmeistern, die meist zugleich auch der Stadt geschworene Hauptleute waren, Kunde gegeben, daß am Morgen, wenn die Ratsglocke ertöne, die ganze Bürgerschaft in der Jakobskirche sich zu sammeln habe.

Eine große Spannung lag auf den Gesichtern. Nicht die Einführung einer neuen Ratsordnung erwartete man, denn Topler hatte den ehrenhaften Meistern gesagt: »Liebe Gesellen, es ziehet ein Wetter gen Rothenburg daher, wie ihr in Kürze von mir hören werdet. Da ist es geziemlich, daß in so schwerer Zeit die Leute das Regiment in Händen haben, die des Regierens kundig und gewohnt sind, nicht Neulinge, die noch nichts wissen und sich erst müssen bewähren. Darum wartet noch ein Jährlein, bis guter Friede ist im Lande. Dann wollen wir mit Gottes Hilfe ein neu Ding anrichten in Rothenburg.« Das hatten sie ohne Widerworte eingesehen und ihm die Hand darauf gegeben, wissend, daß Topler sein Wort und seine Zusage so sicher halten und einlösen werde, wie der Frühling auf den Winter folgte.

Aber was mochte das sein, was der Bürgermeister der ganzen Gemeinde künden wollte? Etwas Gutes sicher nicht, wahrscheinlich gab er ihnen Gewißheit, daß die Feinde der Stadt nun bald losbrechen würden. Daß sie im geheimen an der Arbeit waren, einen Bund zusammenzubringen gegen Rothenburg, das wußte man längst. Auch glaubten die wenigsten, daß das geschehe, weil Topler im Verdacht stand, noch insgeheim zu König Wenzel zu halten. Selbst seine Feinde unter den Ehrbaren gaben sich nur den Anschein, das zu glauben. In Wahrheit sah ein jeder ein, daß der Burggraf die Städte niederzwingen wollte, weil er das Ziel hatte, alleiniger Herr in Franken zu sein, und dazu sollte der Anfang mit Rothenburg gemacht werden. War nun der Krieg vor der Tür? War der Fehdebrief des mächtigen Zollern schon eingelaufen?

Die Bürger sollten nicht lange im unklaren bleiben, denn gleich nachdem die letzte Hauptmannschaft den Saal verlassen hatte, wandte sich der Bürgermeister um und sprach zu den hinter ihm sitzenden Ratsherren: »Ehevor wir jetzt die Rechnung legen und den Rat küren, ehrbare Herren, entbiete ich Euch und die gesamte Gemeine nach der Kirche Sankt Jakobi, da ich Euch eine Botschaft zu künden habe, die keinen Verzug noch Aufschub leidet.«

Die meisten blieben nach diesen Worten verblüfft sitzen, einige fuhren auf und riefen: »Was? Wie? Vor der Ratskürung?« und dann erklang eine helle Stimme aus dem Haufen: »Das ist wider Gesetz und Ordnung! Warte, bis der neue Rat geküret ist, der dieses Jahr gebieten wird in Rothenburg. Dann sage, was du zu sagen hast. Jetzt hast du kein Recht dazu.«

»Wohl habe ich Recht, Hans Offner, das merke!« gab Topler zurück. »Noch bin ich der Stadt oberster Feldhauptmann, und weil ich das bin, steht mir zu, Rat und gemeine Bürgerschaft jederzeit zu berufen, es sei spät oder früh, Tag oder Nacht, so der Stadt eine Gefahr drohet. Und sie drohet nicht nur, sie ist da.«

Noch redete er, da ertönte über ihrem Haupte vom Rathausturme herab ein scharfer Glockenklang wie Sturmgeläute. »Die Ratsglocke, Ihr Herren! Die Bürger ziehen zu Sankt Jakobi. Folget mir!« sagte Heinrich Topler und schritt ruhig zur Tür hinaus.

Erstaunt, verwundert, durch sein schnelles Vorgehen überrumpelt, folgten ihm die Ratsherren nach. Ein einziger, Hans Offner, schloß sich aus und rannte heimlich von dannen. Im übrigen erschienen die Ehrbaren eben so vollzählig in der Kirche wie die gemeinen Bürger, und bald war das ungeheure Gotteshaus bis auf die Emporen hinauf so mit Menschen gefüllt, wie es nicht hätte voller sein können, wenn der Papst selber hätte die heilige Messe zelebrieren wollen.

Der Rat stellte sich vor dem Hochaltare der Gemeine gegenüber auf. Heinrich Topler trat vor, und sogleich ward alles stille.

»Sind nur ehrenfeste, unbescholtene, der Stadt geschworene Bürger unter uns?« fragte er.

»Ja! Ja!« erklang es von allen Seiten.

»Wer nicht Bürger der Stadt ist, er sei vornehm oder gering, den mahn' ich, daß er entweiche, damit er nicht seinen Hals verliere.«

Aber keiner rührte sich vom Flecke.

»So schließet die Türen und lasset keinen heraus oder herein!« gebot Topler weiter.

Er riß sein Wams auf und entnahm ihm ein großes Schreiben. »Der Brief hier in meiner Hand«, begann er, »ist mir zugestellt von einem, der einen Pfaffen des Würzburger Bischofs niedergeworfen hat. Seitz Eberhardt und Hans Fürbringer, die ihr der Siegel und Wappen am kundigsten seid in der Stadt, tretet heran und seht nach, ob dies des Bischofs wahrhaftig Siegel ist!«

»Da ist kein Zweifel,« bestätigten die beiden, als sie widerwillig herangetreten waren und das Siegel untersucht hatten.

»Jener Pfaffe«, fuhr Topler fort, »ritt als Gesandter des Würzburgers an den Burggrafen.«

Laute »Ah!« und »Oh!« und »Höret!« erschollen von allen Seiten. Der Bürgermeister machte eine wohlberechnete Pause, dann rief er mit lauter Stimme: »So will ich Euch vorlesen, ehrbare, feste, lieben Freunde und Bürger unserer Stadt, was unsere Feinde wider uns gesponnen haben.«

Aber plötzlich ward er unterbrochen. Die Seitentür flog auf, und geleitet von Hans Offner, ward ein Armsessel von zwei Knechten in die Kirche getragen, auf dem der kranke Walter Seehöfer saß. Er sah erschrecklich aus mit seinem gelben Antlitz, dem weißen Bart und Haar und den vor Haß und Wut blitzenden Augen.

Einen Augenblick ward es still in der ganzen weiten Kirche. Dann richtete sich der Greis in seinen Kissen empor und schrie gellend: »Ich protestiere! Ich protestiere gegen diese Tagung und gegen alles, was hier geschieht. Das alles ist wider das gemeine Recht unserer Stadt. Der Mann da will sich zum Herrn machen über Rothenburg. Findet niemand den Mut, ihm zu widerstehen, ich wag's! Ich schelte dich einen Verräter an der Stadt, Heinrich Topler, du hast deinen Eid gebrochen, der dich zum Gehorsam verbindet gegen den Rat. Du hast dich in der Stadt Unfrieden gesetzt, und so gebiete ich als Bürgermeister des äußeren Rats: Peter Creglinger und Seitz Eberhard, ergreift diesen da, daß er sein Urteil erwarte nach der Stadt Recht und Gerechtigkeit!«

Nach diesen, mit wilder Kraft hervorgestoßenen Worten, die alle durch ihre übergroße Kühnheit überraschten, entstand wieder ein paar Augenblicke eine tiefe Stille. Dann geschah etwas Unerwartetes: Heinrich Topler lachte laut auf, nicht höhnisch oder grimmig, sondern aus tiefster Brust, ein lautes donnerndes, befreiendes Lachen. Und mit einem Male fiel die gesamte Bürgerschaft ein, dröhnend brauste das Gelächter durch den ehrwürdigen Raum, sich immer erneuernd, unwiderstehlich, so daß selbst die giftigsten Feinde Toplers einstimmen mußten. Wie sie sich auch dagegen wehrten, es half ihnen nichts, sie wurden mit fortgerissen.

Walter Seehöfer sank in seinem Stuhle in sich zusammen, indem Scham und Zorn sein Antlitz dunkelrot färbten. Er gab sein Spiel verloren, denn die Erfahrung seines sechzigjährigen Lebens hatte ihn gelehrt, daß zwar eine schlechte Sache auf den Sieg hin und wieder rechnen kann, eine lächerliche nimmer.

Er winkte den Seinen, daß sie ihn fortschaffen möchten. Das geschah, und Heinrich Topler wartete, bis sein Feind die Kirche wieder verlassen hatte.

Dann begann er auf's neue, ohne des Zwischenfalles mit einem Worte zu gedenken: »Vernehmet denn, liebe Ratsgesellen und Bürger, was der hochwürdige Pfaffe von Würzburg dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg kund und zu wissen tut.« Er entfaltete das Schreiben und las:

»Hochgeborener Fürst, freundlich lieber Vetter, unseren Gruß und willig Dienst allezeit zuvor. Als Ihr uns geschrieben habt von denen von Rothenburg ob der Tauber, daß Ihr sie wollet angreifen und mit Gewalt sie überziehen, dieweil Ihr nit wollet leiden, daß sie die adeligen Schlösser haben und Herren sein wollen in Franken, wie sich nicht gebühret, auch nicht erhört sei im Reiche: Also danken wir Eurer Botschaft fleißiglich und lassen Euer Liebden wissen, daß wir denen von Rothenburg gleicher Weise wollen feind sein, wie auch Ihr, so Ihr bei unserem Herrn, dem König, möget erlanget haben, daß sie erklärt werden in des Reiches Acht und Aberacht, und daß wir Euch wollen Zuzug leisten, mit mehr denn zweihundert Pferd und dreihundert Knecht, so Ihr uns das wollet zugestehen, was Eure Weisheit uns angeboten hat. Wir bitten aber fleißig, hochgeborener Fürst, daß Euer Liebden wollen verziehen, denen zu Rothenburg abzusagen vor dem Feste der Pfingsten, sintemalen uns glaubhafte Botschaft ist zugetragen, daß die Ehrbaren in der Stadt wollen den Heinrich Topler nicht wieder Bürgermeister und Stadtmeister sein lassen, sondern wollen ihn richten, weil daß er sich ein Dominat hat angemaßt und an der Stadt unehrlich getan. Also daß, wenn die von Rothenburg den Topler werden gerichtet haben, werden wir um so leichter die Stadt und alle Städte gewinnen, wie denn Euer Liebden weiß, daß die Fürsten und Herren niemand brauchen zu fürchten in den Städten, als diesen Heinrich Topler alleine. So wollet uns kund tun, hochgeehrter Fürst und lieber Vetter, ob Ihr unserem Rate nachleben wollet oder nicht, desgleichen die anderen Fürsten und Herren, die wider die zu Rothenburg sein. Derhalben befehlen wir Euch und alle, die bei Euch sein, der Gnade Gottes und der heiligen Jungfrau und haben Euch zu Urkund und rechter Sicherheit unser eigen Siegel an diesen Brief gehangen, der gegeben ist auf unserem Schlosse zu Fraustadt, da man zählt von Christi Geburt vierzehnhundert Jahre und darnach im siebten Jahr auf den nächsten Montag vor Sant Georgen Tag, des heiligen Martyrers.

Johannes, durch die Gnad Gottes Bischof von Würzburg.«

Topler ließ das Schreiben sinken und blickte im Kreise umher. Während der Verlesung des bischöflichen Briefes hatten sich mehrere von den Ehrbaren scheu in den Hintergrund gedrückt. Am liebsten hätten sie den Ausgang gewonnen, und als nun der Bürgermeister sich umdrehte und den Rat mit einem stolzen Blicke maß, da wagten sie nicht, die Augen zu erheben, und mancher unter ihnen erbebte in der Angst vor dem, was nun kommen mußte. Keiner wagte ein Wort, jeder fühlte, daß der furchtbare Mann jetzt fester im Sattel saß denn je zuvor, und daß jeder, der sich wider ihn wehrte, in Gefahr stand, vom Volke zerrissen zu werden.

Aber auch von der gemeinen Bürgerschaft wagte keiner zu reden, denn alle warteten mit Spannung darauf, was der Bürgermeister jetzt sagen werde.

Und Heinz Topler richtete sich zu seiner ganzen gewaltigen Länge empor und sprach ernst: »Liebe Bürger, aus diesem Briefe folget mehreres. Zum ersten: daß die Lügner sind, die Euch gesagt haben, der Burggraf sei der Stadt feind um meinetwillen, weil ich's halten wolle mit Wenzel von Böhmen, dem alten Könige, und nicht Herrn Ruprechts, des neuen Königs Freund sei. Denn sehet, der Pfaffe von Würzburg schreibt, unsere Schlösser wollen sie uns nehmen, die unser Land beschirmen, wollen nicht dulden, daß wir Herren sind in Franken, wollen uns demütigen und klein machen. Gebet Ihr also unsere Burgen dahin mit freiem Willen, so habt Ihr guten Frieden und könnet geruhsam hinter dem 0fen hocken fortan. Und ich frage Euch, lieben Gesellen: Wollet Ihr das?«

»Nein, nein!« schrie und brüllte es von allen Seiten.

»Dann habet Ihr Krieg und Fehde. Wollt Ihr sie als mannliche Bürger durchfechten bis zum Ende?«

»Ja, ja! Heil Heinz Topler! Nieder mit dem Burggrafen und dem Würzburger Pfaffen! Krieg! Krieg!« wogte es durcheinander.

Topler wartete mit freudigem Antlitze, bis der Sturm sich gelegt hatte. Dann redete er weiter: »Es folgt zum zweiten, daß es Schurken gibt und Verräter in unserer Stadt, die mir nach Leben und Ehre stehen und mich richten wollen und die dem Bischof das hinterbracht haben.«

Er kam nicht weiter, denn zornige Schreie und wilde Rufe aus hundert Kehlen unterbrachen ihn.

»Schlagt sie tot! An den Galgen mit ihnen! Steinigt die Buben!« hallte es überall wider.

»Stille, liebe Bürger!« rief Topler. »Ich will sie nicht richten, ob ich's wohl könnte, ich habe jetzt andere Gedanken, denn aus dem Briefe des Würzburger Pfaffen folget mir ein Drittes.«

»Und das laß mich sagen!« ertönte eine mächtige Stimme, und ein Mann sprang auf, dem man bei seiner riesenhaften Gestalt solche Behendigkeit nimmermehr zugetraut hätte. Es war der Ratsherr Peter Northeimer, von dessen Geschlecht in der Stadt die Sage ging, daß es sich von dem berühmten Sachsengrafen Otto von Nordheim herleite, dem Feinde weiland Kaiser Heinrichs des vierten. Der hünenhafte Wuchs, der breite rotblonde Bart und die blitzenden hellblauen Augen des Mannes machten zum wenigsten die niedersächsische Herkunft höchst wahrscheinlich.

Topler kannte ihn als einen seiner ältesten und festesten Freunde. Darum nickte er ihm freundlich zu und sagte: »So sprich, was du auf dem herzen hast, Peter Northeimer!«

Der begann, und während er redete, schwoll seine Stimme immer gewaltiger an: »Ehrbare, ehrenfeste Herren und lieben Bürger von Rothenburg, ich will Euch was sagen. Wer hat uns in allen Fehden geführt? Heinz Topler. Wer hat alle unsere Feinde unter den Rittern und Herren zu Boden geworfen, daß sie des Aufstehens vergaßen? Heinz Topler. Wer hat unsere Stadt so fest gemacht, wie keine sonst in Franken? Wer hat unsere Burgen gewonnen und ausgebaut und ein Gebiet von sechs Geviertmeilen zur Stadt gebracht, ohne daß wir seit dreißig Jahren einen Pfennig Steuern hätten bezahlen müssen? Wer hat das Kaiserliche Landgericht für uns erworben und Privilegien vom Könige und Ablässe vom Papst, wie neulich erst? Heinz Topler, immer Heinz Topler. Jetzt haben wir's gehört aus unserer Feinde Mund, was der Mann uns wert ist, sollten wir's noch nicht gewußt haben. Sie warten auf seinen Sturz. Dann wollen sie über uns kommen. Bürger von Rothenburg! Wir stehen vor der schwersten Fehde, die uns jemalen gedroht, und wir können ihr nimmer ausweichen. Und da sage ich denn: In sogestalter Zeit darf nur einer Bürgermeister von Rothenburg sein und oberster Feldhauptmann bei uns: Heinz Topler!«

Unermeßlicher, brausender, donnernder Beifall folgte diesen Worten. Aber Peter Northeimer war noch nicht zu Ende. Er fuhr mit schmetternder Stimme fort: »Ehrbare und Bürger! Die oberste Gewalt in unserer Stadt ist nicht beim Rate, sie ist bei der ganzen Gemeinde. Die Gemeinde von Rothenburg ist in ihren Grenzen Herr, wie über Leben und Tod, so über alle Ämter. Und da tue ich einen Vorschlag, dahin lautend, daß heute Heinrich Topler gekürt werde, wie noch kein Bürgermeister vor ihm, nicht nur vom Rat, sondern von der ganzen Gemeinde, und daß er sei auf ein Jahr oberster Herr und Richter dieser Stadt und gewalthabender Hauptmann und worthabender Bürgermeister des innern Rates. Seid Ihr des zufrieden, daß wir so tun?«

»Ja! Ja!« ertönte es wie aus einem Munde.

»Und wollt Ihr den Heinz Topler, unseren lieben Ratsgesellen, als einen solchen haben? Dann hebt die Hände hoch zu einem Zeugnis, daß Ihr einverstanden seid mit meinen Worten.«

Alle erhoben die Rechte, und wieder ging es in stürmischem Jubel durch den Raum: »Heil Topler! Heil Heinz Topler!« Auch nicht einer wagte es, sich auszuschließen. Die ihm gram waren, wurden zum Teil von der allgemeinen Begeisterung mit fortgerissen, zum Teil gaben sie ihre Zustimmung aus Furcht, denn sie kannten die leichte Beweglichkeit und den rasch auflodernden Zorn ihrer fränkischen Landsleute und sahen ein, daß ein jeder Widerstand von vornherein ganz vergeblich war.

Der Gefeierte stützte sich schwer auf Peter Northeimers Arm. Die große Freude drohte den starken Mann zu überwältigen, er ward blaß, und es sah aus, als sollte eine Ohnmacht seine Sinne umfangen. Aber nur einen Augenblick überkam ihn die Schwäche, dann war er wieder er selbst. Er trat einige Schritte vor und winkte, als wolle er reden. Sogleich legten sich die Wogen, und alles Volk schwieg.

»Bürger von Rothenburg!« rief er laut und machtvoll, und ein bebendes Schwingen in seiner Stimme verriet, wie bewegt er innerlich war. »Bürger von Rothenburg! Dieser Mann hier hat recht! Wer ein Werk begonnen, wie ich, der muß es auch durchführen, und schwerlich kann das ein anderer. Deshalb, da jetzt die große Fehde heranzieht, muß ich im Regiment bleiben, um der Stadt gemeinen Nutzens willen. So danke ich Euch denn, herzliebe Gesellen und Freunde, für die Ehre, die Ihr mir erwiesen und für Euer großes Vertrauen und will gern sein, als was Ihr mich haben wollet: ein oberster Pfleger und Richter unserer Stadt in Krieg und Frieden.« Und nun hob er die Rechte empor, »Hiermit gelobe und schwöre ich, Heinrich Topler, einen leiblichen Eid, daß ich diese meine Ämter will führen nach der Stadt Gewohnheit und Gerechtigkeit und nichts dabei bedenken, als was der gemeinen Stadt zu Ehre, Nutzen und Vorteil ist. So wahr mir Gott helfe und alle seine Heiligen! Amen.«

Es fehlte nicht viel, so hätten die Bürger ihren Heinz Topler auf den Schultern aus der Kirche nach dem Rathause getragen, wo nun die Rechnungsablegung und Ratskürung stattfand.

Auch hier trug die Toplerpartei einen großen Sieg davon. Alle bedeutenderen Anhänger und Verwandten des Bürgermeisters kamen in den inneren oder wenigstens in den äußeren Rat.

So kehrte Heinz Topler als Sieger gegen Mittag in sein Haus zurück. Er schritt dabei durch eine Gasse, die das Volk links und rechts gebildet hatte, und das Händeschütteln und Heilrufen wollte kein Ende nehmen.

Daheim warf sich ihm sein Weib mit Freudentränen an die Brust. Von der Gefahr, in der ihr Mann geschwebt, hatte sie nur eine dunkle Ahnung gehabt, denn er hatte sie nicht eingeweiht in die Umtriebe seiner Feinde, um ihr Gemüt nicht zu beschweren. Aber Frau Margarete Topler war eine stolze Frau, stolz vor allem auf ihren Mann, in dem sie die Krone aller Mannheit sah, und dessen Ehrung sie viel höher erfreute, als wenn ihr selbst eine Ehre erwiesen wurde.

Auch seine Kinder drängten sich glückwünschend an ihn heran, und Jakob konnte vor Erregung kein Wort hervorbringen, als er seines Vaters Rechte faßte.

»Mein lieber Sohn,« sagte Heinrich Topler, »dieser Tag, der mich so hoch erhebt, gründet auch dein Glück. In zween Wochen fahren wir selbander nach Nürnberg und holen die Braut.«


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