Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel

Am Tage nach seiner Ankunft lernte Subotin seinen Nachbar aus Retowischki kennen. Fürst Dolgoljubow war der Freund des verstorbenen Besitzers von Antonowka gewesen, er kam in Geschäften zu Nicolaj Petrowitsch.

»Ich erlaube mir, Sie als erster Ihrer Nachbarn zu begrüßen,« sagte der alte, freundliche Herr, »ich war der Jugendfreund Ihres Onkels. Hoffentlich komme ich Ihnen nicht ungelegen. Gern hätte ich Sie schon gestern willkommen geheißen, ich dachte aber, daß es Ihnen vielleicht lieber wäre, am ersten Tage allein zu sein.«

Subotin versicherte, hocherfreut zu sein, die Bekanntschaft zu machen.

»Ich danke Ihnen von Herzen,« sagte Nicolaj, »Sie haben in liebenswürdigster Weise für mich gesorgt und die Beamten und Hausleute engagiert.«

»O, bitte sehr. Ich hoffe, Sie werden mit dem Förster Diedrichsohn und den Verwaltern zufrieden sein, sie sind mir warm empfohlen worden. Ich muß Ihnen die Schlüssel zum eisernen Schrank einhändigen. Sie werden ein großes Vermögen vorfinden, Nicolaj Petrowitsch. Wenn Sie gestatten, wollen wir die Hinterlassenschaft Ihres Onkels zusammen mustern.«

Der eiserne Schrank stand in einem feuerfesten Gewölbe. Mit funkelnden Blicken betrachtete Subotin die zinstragenden Papiere, die Kassenscheine, die den Wert vieler Hunderttausende repräsentierten. Seine Hände zuckten, als er die Goldrollen und die Familiendiamanten sah. Warum war er nicht allein? Er hätte gern in seinen Schätzen gewühlt, hätte das gleißende Gold durch die Finger gleiten lassen, hätte sich an dem glitzernden Geschmeide berauscht. O, er gelobte sich, es nachzuholen, sobald er unbeobachtet war. Jetzt nahm er von seinen Schätzen Besitz mit der vornehmen Ruhe eines an und für sich schon reichen Mannes. Die beiden Herren saßen vor dem brennenden Kamin, und Michail servierte den Imbiß, den der Graf bestellt hatte. Geräuschlos mit katzenartiger Geschmeidigkeit glitt der Diener durch das Zimmer über den weichen Teppich.

Der Fürst war mit einem Vorurteil nach Antonowka gekommen, er hatte gehofft, daß der Neffe seiner Frau, der Dragoneroffizier Alexander Subotin der Erbe der Güter werden würde. Der Verstorbene hatte eine Vorliebe für den jungen, strebsamen Mann. Politische Ansichten, die sich schroff gegenüberstanden, führten eine Entfremdung herbei, das Testament wurde umgeworfen und Nicolas zum alleinigen Erben eingesetzt.

Die große Liebenswürdigkeit seines Wirts blieb nicht ohne Eindruck auf den Fürsten, er gab allmählich seine Reserve auf und wurde gesprächiger.

Michail brachte einen prächtigen Strauß seltener Treibhausblumen.

»Aus Kraßlo,« sagte er, »ein Bote hat diese Blüten für den Herrn Grafen gebracht.«

Eine Karte steckte mitten unter den köstlichen Rosen, Orchideen und Veilchen. Einige herzliche Worte von der Familie Tscherbatkin standen darauf.

»Man kommt mir von allen Seiten so freundlich entgegen, daß es mir nicht schwer fallen wird, mich einzuleben,« bemerkte Nicolas Petrowitsch lächelnd. »Wie herrlich sind diese Blumen!«

»Die schönste Blume in Kraßlo werden Sie wohl bald kennen lernen, es ist die älteste Tochter der Tscherbatkins.«

»Natalia Wladimirowna!« rief der Graf, »ich hörte schon von ihr und freue mich, sie zu sehen.«

»Armer Alexander,« dachte Dolgoljubow, »ich weiß, daß Du das reizende Mädchen liebst, Du hast nur Dein Schwert und Deinen fleckenlosen Namen, wie wenig ist das im Vergleich zu den Reichtümern Nicolaj Petrowitschs.«

Bald darauf empfahl sich der Fürst. – –

Mehrere Monate waren vergangen, seit Subotin als Schloßherr in Antonowka eingezogen war. Diese Zeit hatte genügt, um ihn in der sehr exklusiven Gesellschaft festen Fuß fassen zu lassen. Mit aalglatter Gewandtheit verstand es der Graf, sich überall beliebt zu machen. Sein hübsches Aeußere, seine vielseitige Bildung, sein vornehmes Auftreten und nicht zum wenigsten sein großer Reichtum öffneten ihm die Türen der adligen Häuser. Die Güter der Nachbarn lagen rund um das Schloß, sie gehörten den Adlersteins, Kankarins, den Kupronskis und Mestutschows. Kraßlo war die nächste Nachbarschaft und Netowischki, des Fürsten Dolgoljubow Gut, lag nur einige Werst weiter. Die russische Gastfreundschaft, diese liebenswürdige Seite der Nation, wurde überall hochgehalten.

Mehr als eine Mutter wünschte Nicolaj zum Schwiegersohn, manche der jungen Damen schwärmte heimlich für den glänzenden Kavalier.

Auch die Herren waren schnell gewonnen. Subotin lud die Nachbarn oft ein und bewirtete sie geradezu fürstlich. Der verstorbene Onkel hatte seine Wälder geliebt und geschont, nirgends war der Wildstand so reich.

»Ich liebe meine Bäume wie meine Kinder,« pflegte er zu sagen. Er tadelte diejenigen Nachbarn, die ihren Wald der mörderischen Axt preisgaben, um den Erlös der prächtigen Stämme oft in wenig Monaten in Petersburg und Moskau zu verschwenden.

»Eine furchtbare Gefahr droht unserem Vaterlande,« äußerte der alte Mann einmal, »wenn die Forsten so weiter dezimiert werden, dringt der Sand der Steppe vor und entwertet den Boden. Langsam und stetig werden weite Landstrecken unfruchtbar gemacht. Wenn ich gestorben bin, wird die jüngere Generation einsehen, wie vandalisch gehaust wird. Der Staat müßte einschreiten, ehe es zu spät wird.«

Nicolaj Petrowitsch brauchte seine stolzen Waldriesen nicht zu Geld zu machen, sein immenses Vermögen, der Ertrag der gut verwalteten Güter ließ sich kaum verbrauchen. Er besaß überreiche Mittel, um das Leben eines reichen Mannes zu führen, und um jede kostspielige Laune zu befriedigen.

Obgleich der gräfliche Stall schon zu Lebzeiten des alten Herrn außer dem Dreigespann mehrere schöne Pferde besaß, reiste Nicolaj Petrowitsch mit dem Kutscher Iwan nach den Pferdemärkten. Ein herrlicher Viererzug wurde gekauft, zwei Jagdponies und ein Araber-Vollblut, der zum Reiten bestimmt war, kosteten viele tausende. Der schlaue Iwan fand natürlich seinen Vorteil dabei, der Händler, zu dem er Subotin führte, gab dem Kutscher fünfundzwanzig Rubel.

Im Schlosse arbeiteten Handwerker, die etwas düsteren Zimmer bekamen helle, freundliche Tapeten, große Wagen brachten neumodische Möbel aus Moskau und Petersburg, das ganze Haus gewann ein anderes Aussehen. Akulina meinte oft:

»Der selige Herr Graf würde Antonowka nicht wiedererkennen.«

Nur der Ahnensaal blieb, wie er war. Selten betrat ihn Subotin, er schritt dann jedesmal schnell über das kunstvoll zusammengefügte Parkett, und er hob den Blick nie zu den Bildern.

»Man könnte glauben, daß er sich fürchtet,« dachte Michail. Das Bild des schwarzen Oberst hing an seinem alten Platz, nachdem der Rahmen repariert worden war. Wochenlang ließen sich die seltsamen, klagenden Töne nicht hören, aber plötzlich drang das leise Wimmern wieder geisterhaft durchs Haus, Subotin scheute sich nach der Ursache zu forschen. Er verlegte sein Wohn- und Schlafzimmer in den Südflügel des Schlosses, dort war das Geräusch nicht zu hören. Michail beobachtete seinen Herrn unausgesetzt. Er war früher kurze Zeit bei der geheimen Polizei in Moskau angestellt gewesen, er witterte überall Geheimnisse, und sein ungewöhnlicher Scharfsinn führte ihn meist schnell auf die richtige Spur.

»Er hat etwas auf dem Gewissen,« dachte der Diener, »schon am ersten Abend erschien der Graf mir sonderbar. Warum fürchtete er sich vor dem Ahnensaal? Warum trinkt er die schweren Weine, wenn er allein in Antonowka ist ohne die vielen Gäste?«

»Er ist einfach nervös,« sagte Michail sich, »ich sehe in jedem Menschen einen Verbrecher.«

Noch etwas intrigierte den Diener aufs höchste.

Zwei Tage nach Subotins Ankunft war der kleinere Koffer spurlos verschwunden. Den größeren Koffer, der den Namen des Grafen auf dem Deckel trug, mußte Michail am Tage nach dem Einzuge des Schloßherrn fortbringen. Michail hatte bemerkt, daß Subotin dem kleinen Koffer ein englisches Patentschloß vorgelegt hatte, und zwar erst am zweiten Morgen, am Abend aber war der Koffer fort. Es mußte dem Grafen viel an dem Inhalt liegen. Welche Geheimnisse verbarg er ängstlich?

Der Kutscher und Michail hatten die Koffer in das Zimmer getragen, beide waren schwer gewesen. Aber wer hatte dem Grafen bei der Wegschaffung des zweiten Koffers geholfen?

Nur kurze Zeit dachte der schlaue Diener nach.

»Es muß Akulina gewesen sein,« folgerte er, »die alte Hexe steckt ja immer mit dem Grafen zusammen. Na warte, mein Täubchen, ich muß Dich kirre machen und Dein Vertrauen gewinnen, ich weiß auch schon wie.«

Michail lachte. Er blickte sich im Zimmer um. Es fiel ihm auf, daß der Wandschirm nicht mehr auf demselben Platze stand, er stand jetzt vor der Winterlandschaft, einem großen Gemälde, das die linke Wand von Subotins Schlafzimmer schmückte. Sollte es etwas mit dem Koffer zu tun haben?

Michail hob den Schirm fort und klopfte mit dem Knöchel an die dunkelrote Tapete.

»Es klingt merkwürdig hohl,« dachte er, »sollte hier ein verborgenes Versteck sein? Akulina, die so lange im Schloß lebte, müßte es kennen.«

Zufällig fiel Michails Blick auf den lackierten Fußboden. Fast hätte er laut aufgeschrieen vor Freude. Von der Stelle, wo der Koffer gestanden hatte, bis zur Wand, an der das Gemälde hing, zog sich ein kaum merklicher Streifen. Es sah aus, als ob etwas Schweres über die Diele geschleift worden wäre. Michail pfiff leise vor sich hin.

»Ja, ja,« sagte er. »es ist so, wie ich vermute, hier, hinter dem Bilde, muß ein Versteck sein, der Koffer ist dort fortgestellt.«

Mit vor Hast bebenden Fingern befühlte er die Wand und den breiten Goldrahmen, aber er konnte nichts entdecken. Verdrießlich gab er für heute seine Nachforschungen auf. Aber er setzte sie beharrlich fort, und endlich krönte sie der Erfolg. Auf der rechten Seite des Gemäldes war ein Jäger mit seinem Hunde abgebildet, Michails Luchsaugen ruhten auf diesem Punkt. Die grüne Kappe des Jägers erschien ihm sonderbar hoch, er fuhr tastend mit dem Finger darüber hin. Eine runde Erhöhung war bemerkbar.

Michail drückte darauf. Nichts regte sich.

»Und doch liegt hier der Schlüssel des Rätsels,« dachte er, »ich ruhe nicht eher, bis ich es finde.«

Er rückte den Knopf etwas nach oben. Ein leises, knackendes Geräusch ließ sich hören.

»Aha,« dachte der Diener, »es ist so, wie ich glaubte.«

Nach längeren Versuchen bewegte sich das Gemälde, es schob sich zur Seite, eine dunkele, enge Kammer lag dahinter. Michail zündete ein Streichholz an, der Koffer stand in dem Versteck.

Eine brennende Neugier plagte den Diener.

»Ich muß wissen, was der Graf so sorgsam aufbewahrt. Sind es Reiseerinnerungen, Kostbarkeiten, die er hütet wie der Drache seinen Schatz? Vor allen Dingen muß ich arglos scheinen und alles vermeiden, was den Verdacht erregen könnte, daß ich etwas weiß.«

Michail schloß die Tür und entfernte sich.

Die Hauptperson im Schloß war Akulina. Sie war ganz nach Antonowka übergesiedelt und mußte ihrem Herrn Gesellschaft leisten, wenn er allein war. Es schien, als ob er die Einsamkeit haßte. Stundenlang konnte sich Subotin mit der Amme unterhalten, durch sie erfuhr er alles, was er zu wissen wünschte, sie war über die Nachbarn orientiert und kannte ihre Verhältnisse. So wußte Nicolaj Petrowitsch, wo in jeder Familie der wunde Punkt zu finden war, wie er die Menschen behandeln mußte, deren Freundschaft er zu gewinnen bestrebt war. Mit Kraßlo als der nächsten Nachbarschaft führte Subotin eifrigen Verkehr. Der biedere, etwas beschränkte Tscherbatkin warb förmlich um die Gunst des reichen, jungen Mannes, verfolgte er doch dabei einen Plan, der ihm sehr am Herzen lag. Es gab viele reizende Mädchen in der Gegend, der Graf machte überall den Hof, ohne eine ernstere Absicht zu verraten.

Sollte er bereits eine Neigung haben? Hatte er auf seinen Reisen diejenige gefunden, die er zur Herrin seines stolzen Besitzes machen wollte?

Eines Tages hatten sich mehrere Nachbarn in Kraßlo versammelt. Ostern, das größte Fest der Russen, war nahe. Es schien in diesem Jahre früh Lenz zu werden, schon zogen die ersten Schwärme der Wandervögel vorüber, an manchen Stellen schmolz der Schnee unter den Strahlen der Sonne.

Mit einem leicht hinkenden Schritt trat Nicolaj Petrowitsch in den Salon von Kraßlo, er fand dort einige zwanzig Personen versammelt. Der Fürst und die Fürstin Dolgoljubow mit ihren beiden Töchtern, Kupronskis, Adlersteins und Vater und Sohn Mestutschow hatten sich zufällig bei Tscherbatkins eingefunden.

Man begrüßte Subotin lebhaft. Er hatte die Herren zu einer Auerhahnjagd eingeladen, alle freuten sich darauf, es konnte keinen scharmanteren Wirt geben als den Schloßherrn von Antonowka. Unter den Nachbarn war heute ein Fremder, den der Graf noch nicht gesehen, ein junger, bildhübscher Offizier in Dragoneruniform. Tscherbatkin stellte ihn Nicolas vor.

»Alexander Kyrillowitsch Subotin, ein Vetter von Ihnen, lieber Graf.«

Subotin stutzte. War das derjenige, der nach ihm die nächste Anwartschaft auf die Erbgüter der Familie hatte? Sehr höflich, aber sehr kalt, verbeugte sich der Leutnant vor Nicolaj, er warf einen durchdringenden Blick auf die Erscheinung, des Schloßherrn von Antonowka und Ostrokino. Der Blick wurde von Nicolaj Petrowitsch hochmütig zurückgegeben. Die Hände der beiden jungen Männer berührten sich kaum. Schon in dieser ersten Minute wußten sie es, daß sie sich unsympathisch waren.

»Der arme Alexander Kyrillowitsch lebt in einer kleinen Provinzstadt und muß sich kümmerlich behelfen,« sagte Herr von Kankarin.

Subotin hörte es und dachte:

»Ich muß ihn für mich gewinnen. Es wäre unpolitisch, einen Feind zu haben. Mein Reichtum soll mir dazu verhelfen, mir die Menschen geneigt zu machen, die etwas gegen mich haben.«

Natascha Tscherbatkin und Nadja Dolgoljubow traten Arm in Arm auf den Grafen zu. Beide waren sehr schöne Mädchen, groß und schlank von Wuchs, es war schwer zu sagen, welcher der Preis der Schönheit mehr gebührte, der blonden, blauäugigen Natalia, oder der tief brünetten Freundin aus Retowischki.

»Wir haben eine Bitte an Sie, Nicolaj Petrowitsch!« rief Herrn von Tscherbatkins liebliche Tochter.

»Ja, eine große große Bitte!« stimmte Nadja bei.

»Sie würden furchtbar nett sein, wenn Sie sie erfüllten,« sagte Natascha.

Sie steht vor ihm, das goldig schimmernde Köpfchen erhoben, ein schelmisches Lächeln auf den rosigen Lippen und ihre dunkelblauen Augen halb flehend, halb siegesgewiß auf ihn gerichtet. Subotin fühlt es plötzlich heiß in seinem Herzen emporwallen, die Worte Akulinas fallen ihm ein. »Natascha Wladimirowna wäre die rechte Frau für Sie.« In seinen Blicken flammt es auf. Sie erscheint ihm begehrenswert, bezaubernd. Eine Atmosphäre von Unschuld und Reinheit umgibt das junge Wesen, das hold wie eine Blume erblüht ist.

Vor der offenkundigen Bewunderung Subotins senkte Natascha die seidenen Wimpern, sie errötet heftig und steht in reizender, mädchenhafter Verwirrung da.

»Sprich doch, Nadja,« flüstert sie der Freundin zu.

»Wir möchten gern tanzen!« ruft Nadina Dolgoljubow, »geben Sie ein Fest, einen großen Ball, Natascha und ich haben noch nie einen mitgemacht.«

Subotin lachte.

»Weiter ist es nichts, meine Damen. Nun, Ihr Wunsch ist mir Befehl,« sagt er galant. »Ich bitte nur um etwas Zeit, um meine Vorbereitungen zu treffen.«

»Ach! wie herrlich!« jubelt Nadina und klopft in die Hände vor Freude. »Aber Natascha, Du stehst stumm da,« fügte sie leiser hinzu, »Du branntest fast noch mehr als ich auf die Erfüllung unseres lange gehegten Wunsches.«

»Freuen Sie sich nicht?« fragte der Graf traurig.

Nadina wurde schon von ihrer Tante Kankarin fortgerufen, da sagte Subotin leise und schnell:

»Für Sie könnte ich alles tun.«

Glühende Leidenschaft zitterte in seiner Stimme, das junge Mädchen fühlte sich plötzlich davon umloht. Sie bebte so heftig, daß er fast etwas wie Mitleid mit ihr fühlte.

»Sie wird, sie muß mich lieben,« so schwor Nicolaj Petrowitsch sich in dieser Stunde.

»Wie wäre es, meine Damen,« wandte der Graf sich an die Frauen und Töchter seiner Nachbarn, »wenn Sie mir die Ehre erwiesen, am ersten Juni nach Antonowka zu kommen? Ich beabsichtige nämlich einen Ball zu geben.« Laute, freudige Zustimmung erfolgte von allen Seiten. »Ich danke für die liebenswürdige Annahme meiner Einladung,« fuhr Subotin fort, »wie wäre es mit einem Maskenfest?«

»Das haben wir ja immer gewünscht,« rief man jubelnd, »das wird herrlich werden, wundervoll!«

Wie blitzten die Augen, wie streckten die Hände sich Nicolaj Petrowitsch entgegen. Er drückte sie ritterlich an die Lippen.

Natascha war verschwunden, lange suchte Subotin sie vergeblich. Endlich sah er sie in einer Fensternische stehen, vor ihr den Dragonerleutnant, der heftig auf sie einsprach. Sie schüttelte verneinend den blonden Kopf. Was mochte Alexander Kyrillowitsch ihr sagen?

Liebte auch er das schöne Wesen, dem er, der reiche Graf Subotin, seine Bewunderung zollte?

»Sie sind zu arm und können sich nicht heiraten,« sagte Nicolaj sich, »es reizt mich, auch hier Sieger über den zu bleiben, dem ich das Erbe weggeschnappt habe.«

Ein grausamer Zug entstellte Subotins hübsches Antlitz, und seine Hand ballte sich zur Faust.

»Ich halte fest, was mir gefällt,« murmelte er leidenschaftlich erregt. Zum erstenmal machte Nicolaj Petrowitsch heute der Tochter des Hauses so auffallend den Hof, daß es alle bemerkten. Die Eltern Nataschas waren sehr erfreut. Gerade so wünschten sie es. Der reiche Schwiegersohn kam in die Familie, und die schwierige, pekuniäre Lage wurde durch die brillante Partie verbessert.

»Denn selbstverständlich muß er uns helfen,« dachten Vater und Mutter Natalias.

Das junge Mädchen fühlte sich geschmeichelt, noch nie war der Graf ihr so liebenswürdig erschienen. Wie die Motte, die, vom Licht angezogen, um die Flamme flattert, so fühlte sich Natascha unwillkürlich gefangen. – Bei Tisch saß Subotin neben ihr, weiter unten hatte Alexander Kyrillowitsch seinen Platz.

»Wie es sich für einen armen Teufel schickt,« dachte dieser bitter, »ich habe ja keine Güter und kein Geld. Und ich liebe Natascha Wladimirowna seit meiner Kadettenzeit.«

Unter den Gästen befand sich heute der Untersuchungsrichter aus X., ein Herr von Morschowskoi. Er erzählte bei Tisch von einem seltsamen Funde. Unweit der Kreisstadt Bogbrodisch lag ein Wald, durch den ein Fluß ging, eine Bohlenbrücke führte darüber. Durch den Regen der letzten Wochen war der Schnee geschmolzen, vorüberfahrende Bauern hatten dicht am Ufer einen kleinen Handkoffer gefunden, der die Buchstaben F. K. trug. Als man den durchweichten Koffer öffnete, lagen Wäsche und Papiere darin, die einem gewissen Feodor Feodorowitsch Karmitow gehört haben mußten. Lange mußte das Fundobjekt unter dem Schnee gelegen haben, die Nässe war in das Innere gedrungen, die Wäsche war voller Stockflecken und die Papiere, eine Legitimation, Geburts- und Universitätsschein fast unleserlich.

Subotin hatte sein Gespräch mit Natalia plötzlich abgebrochen, er leerte hastig ein großes Glas Madeira, dann sagte er ruhig:

»Ihre Mitteilung interessiert mich besonders, Herr von Morschowskoi. Ich fürchte, es handelt sich hier um jemand, der mir nahe steht.«

Alle blickten den Grafen gespannt an. Auch Michail, der bei Tisch bediente, ließ seine Luchsaugen scharf auf dem etwas bleicher gewordenen Gesicht seines Herrn ruhen.

»Wo ist der Handkoffer? Könnte ich ihn nicht sehen?«

»Gewiß, Herr Graf, ich selbst habe ihn in Verwahrung,« entgegnete der Untersuchungsrichter zuvorkommend.

»So gestatten Sie mir wohl, bald nach T. zu kommen, um mich durch den Augenschein zu überzeugen, ob meine Voraussetzung zutrifft? Karmitow ist ein naher Verwandter von mir.«

Niemand sagte ein Wort. Das freimütige Bekenntnis des Grafen setzte die meisten Anwesenden in Erstaunen.

»Die Schwester meines Vaters entfloh mit dem Hauslehrer ihrer Brüder und wurde von ihrer Familie verstoßen. Sie hatte einen Sohn, bei dessen Geburt sie starb, er hieß Feodor wie sein Vater.«

»Und Sie kannten Ihren Vetter?«

»Nein, ich habe mir die größte Mühe gegeben, ihn zu finden, um mich des armen Menschen anzunehmen, ich fürchte, es muß ihm ein Unglück zugestoßen sein. Bitte, forschen Sie nach, tun Sie alles, um eine Spur zu entdecken, Herr von Morschowskoi.«

»Gewiß werde ich es,« sagte der Untersuchungsrichter, »wir wollen später das Weitere besprechen.«

Subotin verneigte sich zustimmend, dann wandte er sich wieder an seine Tischdame.

»Wie gut und edel Sie sind,« sagte Natascha warm, »Sie nehmen sich Ihres armen Verwandten an und verleugnen ihn nicht.«

Nicolaj sprach leise mit dem schönen Mädchen, er sagte ihr, daß ihre Anerkennung ihn glücklich mache. – Beide fühlten, daß der heutige Tag ein Wendepunkt in ihrem Leben wäre.

Vom unteren Ende der Tafel ruhten ein Paar ernste, dunkele Augen auf dem Grafen und Natalia Wladimirowna; Alexander Kyrillowitsch dachte:

»Mich täuscht er nicht, Nicolas Petrowitsch spielt Komödie. Er ist anders als er sich zeigt. Ich muß über das geliebte Mädchen wachen, ich liebe sie besser, reiner als jener glänzende Kavalier, aus dem die Leidenschaft für ihre Schönheit spricht.«


 << zurück weiter >>