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XXVIII

Gugu hatte sich in Varietés gezeigt, wo sie ein überaus komisches Lied sang, in dessen Kehrreim das Publikum, das von überall hierherkommt mit dem selten erfüllten Wunsch, echte mittelländische Frauen zu festen Preisen zu verzehren, geschmeichelt und überlegen einstimmte:

Ich bin Gugu und habe viel gesehn,
sah viele Männer untergehn.
Woran? ... Seht meinen Leib!
Am Weib! Am Weib!

Ihr blauer Gürtel war auf, dem Seidentrikot nachgebildet, in dem sie auftrat ... Angehörige der gestürzten Kaste, die mit Überzeugung den neuen Freistaat lobten, und eine Flut schwarzer Faustkämpfer, bei deren Anblick die Mittelländer mit stillem Vergnügen ihre alten kriegerischen Instinkte sich regen fühlten, haben sie mit Hilfe Benkals des Älteren aus den großen in die ganz kleinen Theater geschwemmt, von wo sie schließlich, immer unter heimlicher Mitwirkung des politisch einflußreichen Zahnfabrikanten, von sprechenden Krokodilen verdrängt wurde. Sie ist, ohne Engagement, in die Hauptstadt zurückgekehrt, stark verwüstet, aber stolz, vor dem barbarischen Europa eine Kunst ausgeübt zu haben.

In der Laune eines ausgedehnten Nachtessens beschließt sie auf den Vorschlag ihres gelegentlichen Freundes, eines breitschultrigen und gemütvollen Kremmen, der wie alle, Völker und Menschen, die Hohe Schule der mittelländischen Hauptstadt besucht, im Morgengrauen aufzubrechen und in den blauen Tag hinein bis zu Benkal zu fahren. Es ist Sonntag, und Gugu zieht ihr schönstes Kleid an.

Sie werden vom Arzt abgewiesen, der das hübsche, auf Bergwäldern herabsehende Haus leitet, wo abgenutzte Menschen wohnen und schweigsam zusehn, wie die auf- und untergehende Sonne die Erde mit Blut und Feuer überschwemmt. Der Arzt beruhigt Gugu, die sich in ihrer übernächtigen Aufgeregtheit plötzlich für die unglückliche Geliebte des Meisters hält: »Man darf ihn nur nicht stören ... Er will allein sein ... Er liegt in seinem Stuhl und verfolgt die Wolken und die Schürzen der Mädchen, die irgendwo im Garten auftauchen ... Keine entgeht ihm, so weit sein Blick reicht ...«

Neben seinem Herrn sitzt in einer bis an den Hals zugeknöpften Joppe der alte Bra, ein wenig gelangweilt, schwankend zwischen Frömmigkeit und sündigem Verlangen, aber aufrecht im Sturz, in den das Genie ihn mitgerissen hat ...

Nachts erscheint Ij Benkal im brennenden Dornbusch seiner Träume. Sie ist nicht mehr so weiß und fest wie früher, sie gleicht jetzt Hahna ... Wenn Benkal erwacht, richtet er sich auf und flüstert andächtig: »Ich will tausend Jahre auf dich warten.«

Davon kann er dann so froh werden, daß Bra ihn im Bette schaukeln und kichern hört ...

Gugu wartet den ganzen Nachmittag im Automobil vor dem großen Tor ... Endlich, am Abend, da sie gerade abfahren, sieht sie ihn auf die Terrasse treten.

Sie ruft und winkt. Benkal hört sie nicht.

Er steht, dem Sonnenuntergang zugewendet, und so sieht sie ihn, wenn sie sich im Automobil umdreht, bei jeder Biegung der Straße, nur immer kleiner und kleiner, bis er im Rot des Himmels verschwunden ist.


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