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Viertes Kapitel. Die Zeiten der fränkischen und der schwäbischen Kaiserdynastie

Ausbau des Papsttums. – Papst und Kaiser. –Die Reichsverfassung. – Mönchische Gelehrsamkeit. – Die Blütezeit deutsch-mittelalterlichen Kulturlebens unter der Reichsherrschaft der Staufer. – Die beiden Friedriche. – Waiblinger und Welfen. – Die Römerzüge und die Kreuzzüge. – Aufschwung des romantischen Geistes. – Das Rittertum. – Der Mariakult und der Minnedienst.

 

Auf den großen Dynastien unseres Landes im Mittelalter lag ein Fluch, welcher ihnen die Dauer versagte. Das karlingische Haus endigte, was Genie und Kraft betrifft, schon mit Karl selber, der sächsische Kaiserstamm sank mit Otto III. in ein frühes Grab. Ebenso war dem salisch-fränkischen, endlich dem hohenstaufisch-schwäbischen Kaiserhause eine verhältnismäßig nur kurze Dauer verliehen. Es ist, als arbeitete das Verhängnis mit neidischer Hast, um das Bedeutende rasch verschwinden zu machen, wogegen es das Jämmerliche und Verrottete durch lange Jahrhunderte sich hinschleppen läßt.

Nach des frömmelnden Heinrichs II. zweiundzwanzigjährigem unerquicklichen Regimente wurde durch die Königswahl Konrads II., welche die geistlichen und weltlichen Fürsten auf der Rheinebene bei Oppenheim vornahmen (1024), die salisch-fränkische Kaiserdynastie begründet, die mit dem kinderlosen Heinrich V. im Jahre 1125 erlosch. Der vorragendste Mann dieser Familie war Heinrich III., nach außen ein wahrhafter »Mehrer« des Reichs, nach innen an das Werk der Gründung einer kaiserlichen Erbmonarchie rüstig Hand legend und zugleich der steigenden Macht des päpstlichen Stuhles mit Energie entgegentretend. Sein in blühender Manneskraft erfolgter Tod machte seine großartigen Entwürfe nicht nur zunichte, sondern verhinderte ihn auch, seinen Sohn und Nachfolger, Heinrich IV., zum Erben und Weiterführer dieser Entwürfe zu erziehen. Des vierten Heinrichs Regierung ist nur eine lange Kette von Mißgriffen, Unglück und Schmach. In zarter Jugend von den uneinigen Großen hin und her gezerrt, verdorben, verbittert, brachte der junge König durch hochfahrend unkluge Behandlung der trotzigen Sachsen einen Riß in das Deutsche Reich, in welchen der geniale Papst Gregor VII. sofort seine geistlichen Keile trieb.

Dieser gewaltige Mensch Hildebrand darf sicherlich nicht mit dem Maßstabe borniert protestantischer Kompendienschreiber gemessen werden. Er steht, germanischer Herkunft und im Bauernstande geboren, der erbarmungslosen mittelalterlichen Aristokratie gegenüber wie ein Rächer des unterdrückten Volkes da; er bewies in einer eisernen Zeit die Macht des Geistes, des Gedankens über die materielle Gewalt. Er hat ein, nachmals von Innocenz III. vollendetes geistiges Gebäude aufgeführt, welches, wenn auch von den Stürmen der Zeit oft bis in seine Grundfesten erschüttert, noch immer aufrecht steht, von dessen Zinnen das Schlüsselbanner päpstlicher Gedankenmonarchie noch immer unbesiegt weht. Vom armen Mönche hatte Gregor zum Kardinal sich aufgeschwungen und als solcher schon die päpstliche Politik mit souveräner Genialität geleitet. Auf seine Eingebungen hin hatte Papst Nikolaus II. das Kardinälekollegium errichtet und diesem die Papstwahl übertragen, welche bisher dem gesamten römischen Klerus und Volk zugestanden, damit dadurch ebenso die Einwirkung des römischen Adels auf diese Wahl, wie das Bestätigungsrecht des römisch-deutschen Kaisers zunichte gemacht würde. Nachdem er die Tiara selber errungen, ging Gregor sofort daran, seine Idee, auf Erden ein Gottesreich zu gründen, d. h. die Statthalterschaft Christi, das Papsttum, über alle weltliche Macht, über Kaiser, Könige und Fürsten zu erhöhen, den Papst zum Oberherrn über die gesamte Christenheit zu machen – in Wirklichkeit zu verwandeln. Die Grundlage, auf welcher er baute, war der römisch-katholische Glaube, sein Werkzeug die Kirche. Dieses Werkzeug mußte er sich erst zu passendem Gebrauche zuschneiden und zuschleifen. Er tat es mit durchgreifender Energie. Er löste die Kirche gänzlich vom Staate und zwar durch drei bedeutsame Maßregeln: durch das Verbot des geistlichen Ämterkaufs (Simonie), durch das Verbot der Besetzung von Kirchenämtern seitens der Landesfürsten (Laieninvestitur), durch das Gebot der Ehelosigkeit der Geistlichen (Zölibat). Sodann spitzte er das auf den berüchtigten falschen isidorischen Dekretalien beruhende Prinzip der päpstlichen Autorität und Unfehlbarkeit bis zu dessen äußersten Konsequenzen zu, indem er verordnete, daß nur rechtmäßige, d. h. vom Papste berufene Kirchenversammlungen (Konzilien) Gültigkeit besäßen und daß überdies ihre Aussprüche der päpstlichen Machtvollkommenheit stets untergeordnet wären. Endlich wußte er Bann und Interdikt zu hierarchischen Waffen zu machen, welche in jenen glaubensstarken Zeiten wie Blitzstrahlen trafen und für einzelne Personen wie für ganze Länder eine unermeßliche Furchtbarkeit besaßen. So im Innern gefestigt, so nach außen gerüstet, trat das Papsttum dem Kaisertum unter Heinrich IV. feindlich entgegen. Von der Niederlage des letzteren gibt die Szene von Kanossa Zeugnis, wo der deutsche König barfuß, barhaupt und in das Büßergewand gehüllt, von dem niedriggeborenen römischen Mönche Vergebung erflehen mußte (1077), eine Szene, welche, so sehr sie auch das deutsche Nationalbewußtsein demütigt, doch in wahrhaft großartiger Weise einen Triumph des Geistes über die Materie markiert. Allerdings nahm Heinrich später an Gregor seine Rache; aber des päpstlichen Fluches Gewalt verfolgte doch den Kaiser noch über das Grab hinaus, und wenn auch sein Nachfolger Heinrich V. dem Kaisertum gegenüber der Papstgewalt wieder größere Geltung verschaffte, so behauptete das Papsttum fortan dennoch ein Übergewicht, gegen welches tatkräftige Kaiser zwar ankämpfen, das sie aber nicht bewältigen konnten. Daß der Kaiser statt des Schirmvogtes der Kirche, was Karl und Otto I. gewesen, nur ihr erster Vasall sei, war ein Grundsatz geworden, für dessen Betätigung die ganze Einrichtung der Hierarchie sorgte. Die deutschen Erzbischöfe – es gab sechs Erzbistümer: Mainz, Köln, Trier, Magdeburg, Bremen, Salzburg – und Bischöfe – es gab in Deutschland fünfunddreißig Bistümer – waren durch den Lehnseid, welchen sie bei ihrer Einsetzung der römischen Kurie zu leisten hatten, an diese gebunden, und der Papst wußte sie durch seine diplomatischen Sendlinge (Legaten), welchen zur Überwachung des ganzen Kirchenwesens außerordentliche Vollmachten übertragen waren, bei Eid und Pflicht zu erhalten, so zwar, daß die deutschen Prälaten ihre Stellung als deutsche Große ob ihrer neuen kosmopolitisch-hierarchischen bald vergaßen oder wenigstens hintansetzten.

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Nr. 82. Altdorfer, Liebespaar.

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Nr. 83. Bürgerliche Tischgesellschaft.

Die Reform des Mönchewesens, welches sich im 10. Jahrhundert von dem burgundischen Kloster Cluny aus über Deutschland verbreitete, schuf auch hier dem päpstlichen Stuhl ein stehendes Heer, dessen geistlichen Waffen kaiserliche Lanzen und Schwerter auf die Dauer niemals gewachsen waren. Zu diesem Heere lieferten die neugegründeten Mönchsorden der Zisterzienser, Prämonstratenser und Kartäuser ihre Kontingente, aber die rüstigsten Scharen stellten die im 13. Jahrhundert von Franz von Assisi gestifteten Bettelorden, von deren Hauptstamm, dem Franziskanerorden, später viele Äste und Zweige ausliefen (Spiritualen, Barfüßer, Kapuziner, Karmeliter u. a.), und der gleichzeitig von dem spanischen Fanatiker Dominikus aufgetane Dominikanerorden. Die Franziskaner beherrschten als eifrige und populäre Seelsorger die Gemüter des Volkes, dem sie in Freude und Leid nahestanden; die Dominikaner bevormundeten die Wissenschaft und ihre Institute, wachten über die Reinerhaltung des katholischen Dogmas und haben als Inquisitoren und Ketzerverfolger ihren Orden verrufen gemacht. Die tausend Fäden des geistlichen Netzes, womit diese Mönchegesellschaften die deutsche Nation umschnürten, liefen in Rom zusammen. Dort hatten die Generale dieser Mönchemiliz ihren Sitz. Dem General, welcher nur den Papst zum Gebieter hatte, schuldeten die Mitglieder des Ordens unbedingten Gehorsam. Sie waren der Gerichtsbarkeit der Landesbischöfe entzogen und unmittelbar unter die der Kurie gestellt, ein Umstand, der, verbunden mit ihrem Vorrecht, überall zu predigen und Beichte zu hören, dem Mönchtum einen verhältnismäßig großen Vorrang vor der Weltgeistlichkeit sichern mußte.

Unter den salisch-fränkischen Kaisern traten in festeren Formen in Deutschland staatliche Einrichtungen hervor, welche hier kurz zu berücksichtigen sind. Das von den Großen gewählte Reichsoberhaupt führte den Titel eines deutschen Königs, welchen es erst bei seiner Krönung in Rom mit dem Kaisertitel vertauschte. Die obersten Normen der Reichsverwaltung, die Entscheidungen der Reichspolitik wurden mit Zuziehung der Reichsfürsten auf den Reichstagen geschöpft und gefaßt. Dem Könige zunächst standen die Reichsprälaten und Reichsbarone, unter welchen letzteren die Herzoge den ersten Rang einnahmen, während unter den ersteren die Inhaber der Erzstifte Mainz, Köln und Trier durch Macht und Ansehen vorragten. Zählt man zu diesen Großen noch eine Menge größerer und kleinerer Dynastien, geistlicher und weltlicher Herren und rechnet man hinzu den immer entschiedener nach Selbständigkeit ringenden dritten Stand, das Städtebürgertum, so ergibt sich als Summe ein so vielgegliederter, in so losem Zusammenhange stehender Staatsorganismus, daß es mit einem Wunder hätte zugehen müssen, wenn derselbe mit seiner schwerfälligen Verfassung der streng einheitlichen Macht römischer Hierarchie gewachsen gewesen wäre. Besondere Achtsamkeit wendete die waffenklirrende Zeit der fränkischen Heinriche der Ausbildung des Heerbannes zu. Das Reichsheer war eingeteilt in sieben Harste oder, wie der eigentümliche Ausdruck lautete, in sieben Heerschilde. Die vier ersten dieser Heerschilde hob der hohe Adel: der König, die geistlichen Fürsten, die weltlichen Fürsten, die Grafen und Freiherren; den fünften der Stand der Mittelfreien, welche der hohen Aristokratie nicht ebenbürtig waren, jedoch Freie zu Vasallen haben konnten; den sechsten die gemeinfreie Reiterschaft (Ritterschaft), den siebenten hoben alle Freien, d. h. alle, die nicht hörig oder unehelich geboren waren.

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Nr. 84. Dürer, Tanzende Bauern.

Von den Kulturbestrebungen der salisch-fränkischen Periode ist nicht viel zu sagen. Sie mußte sich im besten Falle damit zufrieden geben, das unter den Ottonen Errungene nicht wieder einzubüßen. Von den Werken mönchischer Gelehrsamkeit sind Übertragungen aus der alten Literatur, wie die des aristotelischen Organon als nicht unwichtig zu bezeichnen, insofern sie beweisen, daß die literarischen Schätze des Altertums allmählich aus dem Staube der Vergessenheit wieder hervorgezogen wurden. Die ausgezeichnetsten Köpfe fuhren fort, die lateinische Geschichtschreibung zu pflegen. So der vielseitige, sprachgewandte Reichenauer Mönch Graf Hermann von Veringen ( Hermann Kontraktus, † 1054) und der rhetorisch glatte Lambert von Aschaffenburg († 1077?), dessen Chronik, früher als die Hauptquelle der Geschichte Heinrichs IV. geltend, klärlich beweist, wie weit die Kunst historischer Falschmünzerei damals schon gediehen war; – so auch im folgenden Jahrhundert der Verwandte und Biograph Friedrich Barbarossas, der Bischof Otto von Freising († 1158), welchen freilich der Vorwurf, seinen Helden idealisiert zu haben, nicht ganz mit Unrecht trifft. Die originale Hervorbringung lag vom 10. Jahrhundert an bis in die Mitte des 12. in den Klöstern völlig brach, denn die Masse der Geistlichkeit hatte weit mehr Anlage und Lust zu politischer Ränkerei, zum Weidwerk mit Hunden und Falken, zu grobsinnlichen Freuden am Zechtisch, beim Würfelbrett und im Nonnenbett als zu dichterischer Beschäftigung mit der Muttersprache. Außerdem mußte die Nation die Elemente der neugewonnenen Weltanschauung, die katholisch-romantische Kultur erst in sich verarbeiten einesteils, andernteils bedeutsame Anregung von außen erfahren, bevor in ihrer Mitte eine neue Dichtung aufblühen konnte. Nachdem jene Verarbeitung vor sich gegangen, gaben im Zeitalter der Staufer die Kreuzzüge diese Anregung.

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Nr. 85. Boucher, Die Wäscherin.

Die Reichsherrschaft der hohenstaufischen (schwäbischen) Kaiserdynastie (1138-1254) bildet die eigentliche Blütezeit deutsch-mittelalterlichen Kulturlebens. Aus kleinen Anfängen schwangen sich die Staufer mit außerordentlicher Raschheit zu herzoglicher, königlicher, kaiserlicher Größe und welthistorischer Bedeutung auf. Noch zeigt man dem Wanderer beim Dorfe Wäschenbeuren in Schwaben das Mauerwerk des bescheidenen Burgstalls, welcher des berühmten Geschlechtes Wiege gewesen (das »Wäscherschlößle«). Von Beuren (Büren) führte es auch zuerst seinen Namen, bis das kühnaufstrebende von dem benachbarten Berge Hohenstaufen, wohin es seinen nachmals im Bauernkriege zerstörten Wohnsitz verlegte, eine Familienbenennung annahm, die unvergänglich in das Buch der Geschichte eingetragen werden sollte. Schon der erste Staufer von historischer Geltung tritt als Eidam eines Kaisers (Heinrichs IV.) und als Herzog von Schwaben vor uns. Sein Sohn Konrad eröffnet, zum deutschen König erwählt auf dem Reichtage zu Koblenz 1138, die Reihe der königlichen und kaiserlichen Fürsten seines Stammes, welcher mit Konradins Mord auf dem Schafott in Neapel (1268) und mit König Enzios Tod im Kerker von Bologna (1272) erlosch, nachdem er in den beiden Friedrichen seine edelsten Blüten getrieben hatte. Die Erinnerung an Friedrich Barbarossas gewaltigen Herrschergeist lebt unverwischbar im Herzen des deutschen Volkes, dessen Phantasie ihn, wie vormals den großen Karl, zu einem halbmythischen Heros stempelte, welcher dereinst aus seinem Zauberschlaf im Kyffhäuser erwachen und des Deutschen Reiches Herrlichkeit wiederbringen würde. Friedrichs II. Gestalt umfließt ein eigentümlicher Nimbus. Er war für seine Person ein über die Befangenheit und Beschränktheit seiner Zeit weit erhabener Mensch, für das Schöne im Leben und in der Kunst höchst empfänglich, einer freieren Weltanschauung lebhaft zugetan, für die farbenhelle Welt des Südens eingenommen, ein kühner Selbstdenker, eine durch und durch liebenswürdige Persönlichkeit, liebenswürdig sogar in seinen Schwächen, groß im Unglück.

siehe Bildunterschrift siehe Bildunterschrift

Nr. 86, ... Orgie
[Teil der Bildunterschrift fehlt. Re]

An das Aufblühen des staufischen Geschlechtes knüpfte sich der Streit zwischen den Waiblingen und den Welfen, welcher Deutschland und nachmals auch Italien in zwei große Parteien schied. Das im Besitze von Sachsen und Bayern mächtige Haus Welf trat der Erhebung der Staufer auf den deutschen Thron mit den Waffen entgegen. Bei der Belagerung von Weinsberg durch König Konrad III. wurden zuerst die berühmten Schlachtrufe: Hie Waibling! (von dem staufischen Städtchen Waiblingen an der Rems?) und: Hie Welf! vernommen, welche diesseits der Alpen und jenseits (Ghibellinen und Guelfen) so lange die Losungen eines unglückseligen Parteihaders sein sollten. Der heldischen Tatkraft Friedrichs des Rotbarts und der rücksichtslosen Härte seines Sohnes Heinrichs VI. wäre es wohl gelungen, des Welfentums, obgleich sich mit demselben die päpstliche Politik verband, Meister zu werden und damit der Zersplitterung des Reiches durch die hohe Aristokratie überhaupt ein Ende zu machen. Allein einesteils waren die Hohenstaufen selbst zu hocharistokratisch gesinnt, um zur Begründung eines absoluten einheitlichen Königtums in Deutschland des passendsten Mittels sich zu bedienen, d. h. sich mit dem frischaufstrebenden städtischen Bürgertum, also mit dem »Volk« von damals, zu Schutz und Trutz gegen die Adelsanarchie aufs engste zu verbünden; andernteils war ihr Geist und Gemüt von der Idee des römischen Kaisertums so erfüllt, daß sie alles an die Verwirklichung desselben setzten. Während daher in Frankreich durch ein Verständnis des Königtums mit dem Volke die Aristokratie unterdrückt und die absolute Monarchie begründet wurde; während in England durch ein Verständnis des Adels mit dem Volke das Königtum beschränkt und der Grund zur konstitutionellen Monarchie gelegt ward, verschwendeten selbst unsere gewaltigsten Kaiser Deutschlands beste Kräfte im Dienste einer Phantasie, welche die bittersten Erfahrungen nicht zu zerstören vermochten. Statt sich zu deutschen Alleinherrschern zu machen, irrwandelten sie, dem Traumbild einer römisch-kaiserlichen Weltmonarchie nach, welche schon die immer schärfer hervortretende Scheidung der verschiedenen Nationalitäten zu einem Undinge machte. Statt das Lohnendste zu tun, nämlich einen deutschen Staat innerlich auszubauen, wollten sie schlechterdings der Fremde, Italien, das Joch einer Herrschaft auflegen, welcher daheim jeden Augenblick durch eine rebellische Aristokratie Erschütterung und Umsturz drohte. Daher ihre unerquickliche Zwitterstellung zwischen Deutschland und Welschland, dessen republikanische Städtefreiheit sie mit blindwütendem aristokratischen Hochmute zu Boden traten, ein Hochmut, der die italienischen Republikaner dem Papst in die Arme trieb, welcher sie dann an ihren Drängern rächte; ein Hochmut, welcher um der Illusion der römischen Kaiserkrone willen selbst eine so schnöde Ehrlosigkeit nicht scheute, wie die Auslieferung des Reformators Arnold von Brescia durch den Rotbart an seinen päpstlichen Henker eine war.

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Nr. 87. Energische Frau weist einen stürmischen Freier in eine Badewanne.

Wie zahlreiche Fehler aber auch die Staufer begingen, wie bedauerlich ihre Mißgriffe waren, soviel ist ausgemacht, daß die Kraft und Herrlichkeit ihres Regiments die ganze Romantik des Mittelalters auf allen Gebieten zum Blühen brachte. Es lag in ihnen selbst, aller politischen Berechnung zum Trotz, ein tiefromantischer Hang und Drang, ein Streben nach idealer Heldengröße, nach südlich-sonniger Prachtentfaltung des Lebens, ein brennendes Trachten nach Ruhm und Unsterblichkeit. Eine schwellende Ader von Poesie durchpulst ihre ganze Geschichte. Die Machtfülle, zu welcher namentlich Friedrich I. das Deutsche Reich erhoben, befähigte die Nation zu einem auf vermehrten materiellen Wohlstand sich stützenden geistigen Aufschwung, der in Kunst und Poesie unvergängliche Werke geschaffen hat. Schon die hohenstaufischen Römerzüge mußten den beschränkten Gesichtskreis der Deutschen mächtig erweitern und erhellende und erwärmende südliche Schönheitsstrahlen in die dumpfe nordische Eintönigkeit leiten. In noch höherem Grade jedoch wurden die Kreuzzüge einflußreich, deren ja die Staufer mehrere persönlich führten. Die Kreuzzüge, eine umgekehrte Völkerwanderung, brachten die christkatholische-romantische Weltanschauung auf ihren Höhepunkt, indem sie dem abendländischen Waffentum eine religiöse Seele einhauchten, der europäischen Kampflust ein ideales Ziel gaben, die ganze Christenheit zu einem großartigen Unternehmen vereinigten und nach allen Seiten hin der materiellen und geistigen Regsamkeit und Unternehmungslust neue Bahnen aufschlossen. Der Orient bewies damals noch einmal seine alte Befruchtungskraft; denn unberechenbar waren die Nachwirkungen dessen, was die Kreuzfahrer im Morgenlande gesehen und gehört hatten. Die ganze Fülle orientalischer Phantastik und Symbolik ergoß sich über das Abendland und befähigte die Poesie zur Schöpfung einer Wunderwelt, die sich farbenprangend ob der rauhen Wirklichkeit wölbte und in deren Atmosphäre selbst eine in ihrem eigentlichen Wesen so eisern materielle Erscheinung, wie das germanische Kriegertum war, eine dichterische Gestalt gewann, indem es sich zum Rittertum idealisierte.

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Nr. 88. Prügelei auf einer Hochzeit.

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Nr. 89. Ein Mann verprügelt seine Frau.

Das Rittertum ist die soziale Frucht der Romantik. Nationaldeutscher Ursprung geht ihm ab; denn wenn aus dem allerdings schon zu Anfang des 11. Jahrhunderts in Deutschland ausgebildeten Reiterdienst die Pflanzschule des späteren Rittertums gemacht werden will, so ist entgegenzuhalten, daß von dem Konventionellen des letzteren im ersteren keine Spur sich findet. Reisiger oder Ritter war im Deutschen Reiche vor den Kreuzzügen jeder, welcher, mit Panzer und Halsberge, Helm und Schild, mit Schwert und Lanze auf eigene Kosten ausgerüstet, zu Pferde dem Aufrufe zum königlichen Heerbanne folgte. Von einem Ritterstand als solchem war demnach in jener Zeit noch gar keine Rede, wenigstens in Deutschland nicht. Wir haben die erste Ausbildung des Rittertums als einer gesellschaftlichen Einrichtung, vornehmlich im südlichen Frankreich und in Spanien zu suchen, wo die häufige Berührung mit dem gesellig und künstlerisch verfeinerten Moriskentum zuerst zur Ausschmückung des Lebens mit den Reizen höherer Geselligkeit Veranlassung gab. Der blühende Zustand jener Gegenden, die heitersinnliche Beweglichkeit ihrer Bewohner, der anmutigste Einfluß südlicher Frauenschönheit, die begeisterte Teilnahme an heldischer Fabelei und fröhlicher Liederkunst rief bald gewisse Formen und Bräuche adligen Verkehrs ins Leben, aus welchem sich allmählich das Gesetzbuch ritterlicher Lebensart zusammensetzte. Der Kampf um das Heilige Land verlieh dieser Konvenienz eine religiöse Weihe, welche in den geistlichen Ritterorden (Johanniter, Templer, Deutschherren) das christliche Mönchtum und das christliche Kriegertum in eins verschmolz. Die bedeutende Stellung, welche diese geistlichen Ritterorden in Bälde sich errangen, verhalf der in den Kreuzzügen aufgekommenen Vorstellung von dem christlichen Rittertum als von einem idealen Orden zu immer größerer Verbreitung und Geltung, welche sich auch in Deutschland stark bemerkbar machte, sobald die im ersten und zweiten Kreuzzug stattgehabten Berührungen des deutschen Adels mit dem französischen ihre natürlichen Rückwirkungen äußerten. Die Kirche säumte nicht, das religiöse Moment, welches die Kreuzzüge in das Rittertum gebracht, auch formell gewichtig zu machen, indem sie die Aufnahme in den Ritterorden mit kirchlichen Zeremonien umgab. Der Aufzunehmende mußte sich mit Gebet und einer nächtlichen Wacht an geheiligter Stätte (Waffenwacht, veille des armes), sowie durch Beichte und Kommunion auf den feierlichen Akt vorbereiten. Mit einem weißen Gewande angetan wie ein Täufling empfing er vor dem Altar kniend aus den Händen des Priesters das Ritterschwert. Dann legte er in einem Kreise von Rittern und Damen die Rittergelübde ab, die Kirche nach Kräften zu ehren und zu verteidigen, dem Landesherren »treu, hold und gewärtig« zu sein, keine ungerechte Fehde zu führen, Witwen und Waisen zu schützen usf. Hierauf wurde er mit Panzer, Arm- und Beinschienen und Waffenrock bekleidet, die goldenen Sporen wurden ihm angeschnallt, seine Hüfte ward mit dem ritterlichen Wehrgehenk umgürtet, und dann erhielt er in kniender Stellung von einem Ritter den Ritterschlag mittels dreier Schläge des blanken Schwertes auf die Schulter. Zuletzt überreichte man ihm Helm, Schild und Lanze, führte sein Pferd vor, und auf dieses mußte er sich ohne Hilfe des Steigbügels in voller Waffenrüstung schwingen und dasselbe verschiedene Schwenkungen machen lassen. Alles das hatte natürlich symbolische Bedeutung. Der »Ritterschlag« sollte ein Zeichen sein, daß nach ihm kein Schlag mehr geduldet werden dürfte usw. Gewöhnlich wurde der Ritterschlag in so feierlicher Weise nur bei großen Hof- und Kirchenfesten erteilt, in einfacherer Form jedoch auch vor Beginn einer Schlacht oder auf ersiegter Walstatt. Vorschule zur Ritterschaft war der Dienst als Knappe (Knabe), welchen die jungen Adeligen im Gefolge eines Ritters taten. Fürstliche Höfe wurden mit Vorliebe zu solcher Schule gewählt, und dort hießen die Knappen Edelknaben (Pagen), mit welcher Benennung sich freilich später ein mehr spezifisch höfischer als kriegerischer Begriff verband. Vom 12. Jahrhundert an war adelige Geburt, geradlinige Abstammung von einem Ritter (Ritterbürtigkeit) Grundbedingung bei der Aufnahme ins Rittertum, obgleich schon frühzeitig Ausnahmen stattfanden. Politische Rechte, wie der Erb- und Benefizienadel verlieh, brachte der Ritteradel anfänglich nicht mit sich, und erst später wurden ihm neben den Ehrenrechten auch staatsbürgerliche zuteil. Weil aber das Rittertum der Ausbildung des Begriffes persönlicher Ehre, des Ehrenpunktes, der Standesehre außerordentlich günstig war, so drängte sich bald der Adel eifrigst zur Ritterwürde, um dieser idealen Standesehre teilhaftig zu werden. Mit der Ausbildung des Point d'honneur ging die Entwicklung der ritterlichen Anstandslehre, deren Regeln und Vorschriften man in dem Worte Courtoisie (»Höfischkeit«) zusammenfaßte, aufs genaueste zusammen. Einen wesentlichen Teil dieser Höfischkeit machte der Frauendienst aus, welcher freilich in dem durch die Kreuzzüge ungemein geförderten Mariakultus eine religiöse Wurzel hatte. Wenn man bedenkt, wie naiv sinnlich dieser Kultus aufgefaßt wurde, so wird man sich unschwer erklären können, daß die von Seiten des Rittertums der Mutter Gottes geweihte Verehrung mit Leichtigkeit auf das ganze schöne Geschlecht übertragen wurde. Der in Deutschland mit besonderer Innigkeit gepflegte Minnedienst ist die schönste Seite des Rittertums. Seinen höchsten Glanz entfaltete es in den Turnieren (v. franz. tourner) mit ihren Ahnen- und Schildproben, aus welchen sich die Genealogie und Heraldik entwickelten. Wir werden auf die Turniere im folgenden Kapitel zurückkommen. Aus dem bisher Gesagten aber ergibt sich, daß das Ritterwesen vier Momente in sich schloß: ein religiöses (das Verhältnis zur Kirche), ein politisches (das Verhältnis zum Lehnsherrn), ein sittliches (das Verhältnis zur eigenen und zur Ordensehre), ein erotisch-geselliges (das Verhältnis zu den Frauen). Demnach wird das Rittertum in seiner Blütezeit ganz gut charakterisiert durch die bekannte französische Devise: »Gott meine Seele, mein Leben dem König, mein Herz der Dame, die Ehre für mich!«

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Nr. 90. Der Teufel in der Kirche.

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Nr. 91. Teufel zeigt einer Frau den Hintern.

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Nr. 92. Rembrandt, Dirne.

 


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