Heinrich Schaumberger
Umsingen
Heinrich Schaumberger

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5.

»Herein!« rief der Vetter. Die Thüre ging auf, der Bergkasper und Schneidersheiner verfärbten sich, denn in die Stube trat der Laubschneider. »Guten Morgen allerseits!« sagte der kleine Mann. »Laßt Eiwch im Frühstück nicht stören, ich habe alleiwn mit dem Herrn Schulmeiwster zu reden!«

»Thut mir leid, Meister Roth,« entgegnete der Vetter. »Heute habe ich wahrlich keine Zeit, Euch allein anzuhören, wir haben einen starken Marsch vor uns!«

»Weiwß schon, Herr Schulmeiwster!« sagte der Schneider, der hartnäckig den Titel Kantor verschmähte, weil er behauptete, ein »Schulmeiwster« bedeute mehr als ein Kantor. »Ich wollt' auch nicht heiwmlich mit Eiwch reden, die da dürfen's auch anhören! – Ja, Herr Schulmeiwster, ich muß mich über Eiwre Musikanten beklagen: Eiwre Musikanten führen sich nicht gut auf, sie machen nichts als schlechte Streiwch!«

Der Vetter legte den Löffel nieder und sagte ernst: »Meister Roth, bedenkt was ihr sagt!«

»Ist nichts zu bedenken! Ich weiwß was ich red' und ich verantwort's. Ich bin ein Mann bei der Spritz', hab' Schulen genossen und heiwt noch Orthographie im Kopf! Und ich lass' mir's nicht gefallen! Helft Ihr mir nicht zu meinem Recht, Herr Schulmeiwster, lauf' ich heiwt noch zum Herrn Amtmann und verklag'!«

Das Staunen des Vetters war nicht gering; nachdem er den Bericht des Schneiders über die gestrigen Vorfälle zu Ende gehört, warf er seinen Löffel zornig auf den Tisch und wollte gegen die Uebelthäter losfahren. »Herr Kanter, hör' 79 mich nur einen Augenblick!« flüsterte ihm der Zimmerdick zu. »Es ist ja freilich eine dumme Geschichte, aber 's ist eben ein Musikantenstreich! Stehst Du jetzt dem Laubschneider bei, stellt sich der Racker gar auf die Hinterfüße und nun wird der Kram erst schlimm. Ueberlaß die Sache mir, mein Wort. darauf, ich bring' sie in's Gleiche, und es gibt noch einen Hauptspaß obendrein. Was dem Kasper und Heiner gebührt, kannst Du ihnen ja einmal unter vier Augen zu Theil werden lassen!«

Nach einigem Sinnen nickte der Vetter und sagte: »Meister Roth, so schnell kann ich nicht entscheiden. Wie Ihr die Sache darstellt, habt Ihr freilich Recht, aber meine Musikanten muß ich doch auch erst hören. Wie wär's, Zimmerdick, wenn Du nachher im Vorbeigehen mit dem Michelslang, dem Schmiedsjakob und Schneiderskasper die Geschichte an Ort und Stelle genau ansähest? Ich nehm' unterwegs die Bursche vor – am Abend könnten wir dann die Sache in Ordnung bringen. Wie?«

Die Musikanten, die des Vetters Absicht sofort erkannten, waren einverstanden, die geschmeichelten Schwarzen konnten kein Ende finden, ihren Beifall auszudrücken. Auch der Laubschneider rief: »Herr Schulmeiwster, das ist eiwn Wort! Ihr seiwd eiwnmal meiwn Mann!«

»So, so!« lärmte jetzt der Schneidershannikel. »Ja das glaub' ich! Aber himmelschreiendes Unrecht ist's, daß der Herr Kanter seinen Musikanten so wenig beisteht!«

»Gerechtigkeiwt geht über Freiwndschaft!« erklärte der Laubschneider. »Hab' ich's getroffen, Herr Schulmeiwster?«

Der Vetter hatte nicht Zeit beizustimmen, denn schon schrie der Schneidershannikel: »Komm' mir nur mit 80 Gerechtigkeit! Was mein Jung' gethan, das war ein Spaß, obendrein hat er Dir die Sach' noch gesteckt – und zum Dank willst Du ihn verklagen? – Wart' nur! Jetzt will ich Dir auch einheizen! Auf offener Straße hast Du meinen Heiner überfallen, geohrfeigt – ja Du hast gar nach Deinem Gewehr geschrieen! Weißt, was das bedeutet? Das ist Ueberfall, Mord, Straßenraub! Darauf steht das Zuchthaus in Eisen – verstehst's: in Eisen! Und 's ist mir nichts zu viel, ich lauf' heut noch zum Herrn Amtmann und verklag' Dich!«

»Herr Schulmeiwster, Herr Schulmeiwster!« schrie der Laubschneider, »steht mir beiw!«

Auf die bittenden Blicke des Zimmerdick ließ sich endlich der Vetter bewegen, achselzuckend den Hülfesuchenden abzuweisen. Voller Angst wendete sich dieser selbst an seinen Gegner: »Herr Kollege – Du wirst doch das nicht thun? – Gott, gerechter! – Hat mich nicht Deiwn Heiwner auch wieder geprügelt nach Noten? – Und mit dem Gewehr – meiwn Herr Nachbar, der Hansaden, muß mir bezeiwgen, daß ich gar keiwn Gewehr im Haus hab'!«

Der Streit ward allgemeiner; während der Zimmerdick, die Schwarzen und der Wasserfuchs den Laubschneider unterstützten – die Schwarzen aus vollster Ueberzeugung – schlugen sich der Hansaden, der Hanshenner, der Eckenpeter und Mühljohann zur Partei des Schneidershannikel. Dem armen Laubschneider ward zuletzt himmelangst, er sah sich schon im Zuchthaus und hörte im Geist seine Ketten klirren. Er wollte seine Beschwerde zurücknehmen, das verhinderte jedoch der Zimmerdick, und seinen kräftigen Tröstungen gelang es auch, den Verzagten wieder aufzurichten.

81 Später als wir gewollt, brachen wir auf, der Zimmerdick, Wasserfuchs und die Schwarzen mit dem Laubschneider nach dem Schneidersrangen, wir Andern nach Lindenthal. Als der Zimmerdick schnaubend den Vetter eingeholt, wurden der Bergkasper, Schneidersheiner und Schülzle zu ihnen gerufen – mit langen Gesichtern kehrten sie zurück und der Bergkasper meinte wehmüthig: »De He Kante! – de vesteht's!« – Was? – das sagte er nicht.

Sobald es anging, nahm ich Johann bei Seite: »Hast Du mit Dorthee geredet?«

»Ja freilich!«

»Nun? – Wie steht's?«

»Ja, 's sind böse Mädle! Ausgelacht hat mich die Dorthee! Du wärst doch auch so'n G'studirter und sonst nicht dumm, aber auf die Mädle müßtest Du Dich schlecht verstehen, mehr könnt' und dürft' sie nicht sagen. Das war ihre Antwort.«

»Und was soll ich daraus nehmen?«

»O Herrje! – 's Beste, was sonst? Du solltest's einrichten, daß Abends in der Schule getanzt wird, trug sie mir noch auf; sie selber wolle sich bei den Wagnersleuten verhalten, Du und ich sollten sie dort abholen, das Uebrige würde sich finden! – Bist zufrieden?«

Jetzt erst bemerkte ich die Herrlichkeit des klaren Wintermorgens! In stiller Majestät stieg die Sonne über das Gebirge empor, die weiten Schneefelder blitzten in allen Farben des Regenbogens, und die Eisnadeln an Bäumen und Sträuchern funkelten wie Diamanten. Fröhlich klang unser Lied in Lindenthal hinein in den stillen Morgen: 82

Komm', schöner Tag,
        Aus deinem Schlafgemach!
        So herrlich golden aufgeschlagen,
        Dort wo die fernen Berge ragen!
        Komm', schöner Tag, zu uns herab!

Wir grüßen dich
        Gar herzensfreudiglich!
        Und heller Jubel klingt durch Wälder,
        Gesang durch Auen, Triften, Felder!
        Wir fallen drein in Flur und Hain!

Du siehst uns an
        So hold von deiner Bahn,
        O Sonne! Deine hellen Strahlen
        Uns Feld und Au und Hain bemalen.
        So laßt uns sein so klar und rein!

Nicht bloß Kinder folgten, heute schlichen uns auch die Erwachsenen heimlich nach, um ja keinen Gesang zu versäumen.

Dort, wo der Weg nach dem Pachthof Hohenstein in den Wald einbiegt, fiel mir ein behauener Stein in die Augen, unter dessen Moosdecke ein halbverwittertes, roh eingemeißeltes Kreuz kaum noch zu erkennen war. Auf meine Frage erzählte der Zimmerdick: »An dem Ort, wo der Marterstein steht, hat sich vor mehr denn hundert Jahren gar eine grausige Geschichte zugetragen. Damals ging eine Magd ihres Burschen wegen im Winter allnächtlich mutterseelenallein durch den Wald von Hohenstein nach Lindenthal in die Lichtstube. Ihre Herrenleute haben sie oft gewarnt, auch die Bauersleute in Lindenthal, denn auf dem Weg war es von jeher nicht richtig, schon manchem ehrlichen Christenmenschen ist da greulicher Teufelsspuk aufgestoßen. Das Mädle verlacht die Warnung, ja in der heiligen Zeit hat sie sich gar 83 vermessen: sie wollt', der Teufel begegnet ihr leibhaftig, sie getraue sich mit ihm wohl fertig zu werden. Darüber sind alle Leut' arg erschrocken, ihr Bursch besonders hat sich entsetzt und ihr gleich die Lieb' aufgesagt! Vor Gott und nach Gott hat der Bauer das Mädle gebeten, sie sollt' doch nur die eine Nacht in Lindenthal bleiben, aber sie hat sich nicht halten lassen und kein Mensch hat sich mit ihr zu gehen getraut. Die ganze Lichtstube greift nach den Gesangbüchern und singt und betet für das Mädle, aber das war zu spät! Kaum war das Mädle aus dem Haus, so erhebt sich ein Sturm, wie ihn noch kein Mensch erlebt, die stärksten Bäum' hat er umgerissen, in der Luft war ein Krachen und Brausen, Heulen und Wehklagen, als ging' die Welt unter, und die wilde Jagd ist über's Dorf weg nach Hohenstein zugezogen, voraus der feurige Drach, so groß wie ein Haus! – Am andern Tag sind die Lindenthaler dem Mädle nachgangen, dort beim Stein haben sie sein Leich' gefunden und das Gesicht stand ihr im Genick! – Seit der Zeit ist's an dem Ort erst nicht richtig, das Mädle geht um – kein Mensch betritt gern Nachts den Weg!«

Der Vetter meinte: »Eine echte, rechte Teufelsgeschichte! Nur Eines gefällt mir nicht dabei!«

»'s Donnerwetter, Herr Kanter, nichts für ungut!« fiel der Schmiedsjakob ein. »Was wär' das?«

Der Vetter lachte: »Mir ist nicht recht, daß ihr sie heute noch glaubt! Braucht man den Teufel zu bemühen, um den Tod des Mädchens zu erklären? Jedenfalls hat sie sich selbst gefürchtet, dazu der Sturm – ist's da zu verwundern, wenn sie im wilden Wald am steilen Berghang verunglückte?« – Die Musikanten wagten zwar diese Erklärung 84 nicht anzufechten, heimlich schüttelten sie desto betrübter die Köpfe über diesen »sündlichen Unglauben« ihres Herrn Kantors. Nur der Hansaden, ein belesener Mann, war in tiefes Sinnen versunken. Plötzlich fuhr er auf: »Herr Kanter, ich muß Euch Beifall geben! Hätt' der Teufel dem Mädle wirklich das Gesicht in den Nacken gedreht, so wär' solch sichtbarlich Zeichen seiner Gewalt gewiß auch in die Bücher kommen, ich hab' aber noch in keiner Chronika was davon finden können. Nein, nein! – Ich hab's ja immer gesagt, der Spuk kommt von den beiden Schweden her, die im dreißigjährigen Krieg bei der Plünderung den Teufelsschatz durch Zauberkünst' vorn im alten Schloß gehoben haben, bei der Theilung uneins wurden und sich erstachen. Dagegen ist nichts zu sagen, 's steht in meiner alten Chronika daheim, und einmal beim Wegbau sind ja auch ihre Gerippe funden worden!«

Der Vetter, der solche Gespräche nicht leiden mochte, war unbemerkt zurückgeblieben; kaum konnte der Hanshenner, auch ein sehr belesener Mann, das Ende von Hansaden's Rede erwarten, als er auch schon dreinfuhr. »Was? – Schweden? – Dreißigjähriger Krieg? – Laß Dich doch nicht auslachen, Hansaden! – Die Schweden sind ja im siebenjährigen Krieg nach Deutschland kommen!«

»Was denn!« sagte Hansaden überlegen. »Guck in die Bücher, wirst's finden: der alte Fritz hat sich an die dreißig Jahr mit dem Gustav Adolf und seinen Schweden rumgeschlagen!«

»Laß Dich begraben mit sammt Deinen Büchern!« höhnte Hanshenner. »Jedes Kind weiß, daß der alte Fritz 85 den Wallenstein im siebenjährigen Krieg Anno – Anno – nu Anno dazumal – bei Lützen auf's Haupt schlug!«

Die Musikanten ergriffen Partei, der Streit ward hitziger. Endlich rief Hanshenner mich zur Entscheidung auf und freute sich auf die Demüthigung seines Gegners. Als ich jedoch in meiner Auseinandersetzung weder dem Hausaden noch ihm Recht gab, schüttelte er verdrießlich den Kopf und sagte zum Wasserfuchs: »Solch ein Präzepterle weiß auch nicht Alles!«

Da man einmal vom Krieg redete, kam das Gespräch natürlich auch auf Napoleon und die Franzosen. Der Hanshenner machte ein geheimnißvolles Gesicht und rief plötzlich: »Spiegelfechterei ist's mit dem Lui Philipp! Zum Schein haben ihn die Franzosen zum König gemacht! Eine faule Geschichte wird's! Und wer wirds wieder ausfressen müssen? – kein andrer Mensch als wir selber!«

Keiner der Musikanten wußte, wo eigentlich Hanshenner hinaus wollte, um so größeren Eindruck machten natürlich seine Worte. In völliger Ueberzeugung stimmten sie ein. »Freilich! – wir müssen's ausfressen!«

»Spiegelfechterei ist's mit Lui Philipp!« begann Hanshenner nochmals. »Und wer steckt dahinter? – kein andererer Mensch als der Napolium! – Paßt auf, in 'nem halben Jahr haben wir die Franzosen im Land, den Napolium vorndran!«

»Ach Du gerechter Gott!« jammerte der Wasserfuchs. »Also wirklich der Napolium? – Gott sei uns gnädig!«

Ich mußte lachen und sagte: »Beruhigt euch! Der Napoleon kommt nicht wieder, der ist lange gestorben auf der einsamen Insel Helena.«

86 Damit kam ich aber schlecht an; ganz roth im Gesicht schrie der Hanshenner: »Gestorben! – Helena! – Ja, 's beißt mich was gestorben! – So steht's in den Büchern, das weiß ich auch! – Aber das ist blauer Dunst! Der Napolium ist so gesund wie ein Fisch im Wasser, und er wird da sein, ehe wir uns dessen versehen!«

Ganz verblüfft über solche Bestimmtheit fragte ich: »Woher wißt Ihr das?«

»Man weiß Manches, wenn man gleich nicht studirt ist!« fertigte mich der Hanshenner grob ab. »Guckt nur in die Bibel, drin steht's haarklar!«

»O Herr, mein Leben!« lamentirte der Gänskasper, »'s steht in der Bibel! – Nu ist's aus, rein aus!«

»Nun hört auf,« sagte ich ärgerlich, »der Spaß ist nicht fein!«

»Was Spaß!« schrie Hanshenner. »Ihr wollt ein Präzepter sein und wißt so schlecht Bescheid in der Bibel? – Heißt's nicht in der Offenbarung St. Johannes, Kapitel 9, Vers 11: Und hatten über sich einen König, einen Engel aus dem Abgrund, deß Name heißt auf Ebräisch Abbadon, und auf Griechisch hat er den Namen Apollyon? – Ist das nicht sonnenklar? – Apollyon – auf Deutsch: Napolium? – Weiter heißt's Vers 7: Und die Heuschrecken sind gleich den Rossen, die zum Krieg bereitet sind; Vers 8: Und hatten Haare wie Weiberhaare; Vers 9: Und hatten Panzer wie eiserne Panzer. – Herr Präzepter, das sind die Franzosen, wie sie leiben und leben! Kenn' sie noch von Anno Sechs her! Ihre Gäule waren alle auf den Krieg dressirt, die Reiter haben eiserne Panzer angehabt, und von ihren Helmen hingen ganze Pferdeschwänze, daß es von Weitem 87 aussah wie lange Weiberhaare. Ist's nicht so, ihr Nachbarn?«

»Ja, ja,« bestätigten die Männer traurig, »so haben die Schelmfranzosen ausgesehen!«

»Aber,« rief ich, ernstlich ungeduldig und ärgerlich, »wie hängt das mit dem Leben und Sterben Napoleon's zusammen?«

»Habt doch nur Geduld!« sagte Hanshenner mitleidig, hielt mich an meinem Mantelknopf fest und flüsterte mir wehmüthig zu: »Und Vers 10 heißt's: Und ihre Macht war, zu schaden die Menschen fünf Monate lang!«

»Ich verstehe nicht, was Ihr wollt!« rief ich und begann erstlich an Hanshenner's Verstand zu zweifeln.

»O Herrje!« schrie nun auch der Hanshenner dagegen, »ich meinte doch, das wäre leicht genug zu verstehen! Also der Apollyon ist der Napolium, die Heuschrecken sind die Franzosen, und die Menschen das sind wir. Nun sind fünf Monate beinahe ein halbes Jahr, fünfzig Jahr aber sind die Hälfte von hundert Jahren. Drum ist's klar: dem Napolium und seinen Franzosen ist fünfzig Jahre Macht gegeben, uns zu plagen. Nun rechnet selber aus, ob er schon gestorben sein kann!«

Als ich auch diese gründliche Beweisführung anfechten wollte, sagte der Zimmerdick: »Man muß ihm seinen Unglauben zu gut halten, er ist noch gar jung. Hätte er die Franzosenkriege mit durchgemacht, er würde nicht solch' lästerliche Reden führen! Herr meines Lebens! die Haare stehen mir zu Berg, denk' ich an jene Zeit, da die Franzosen zwischen Bergheim und Sulzdorf ein Lager schlugen! – Bergheim war rein ausgeplündert. Kein Körnlein Getreide, kein Mehl, kein Brod, kein Erdapfel aufzutreiben, im ganzen Dorf war 88 kein Schwanz, keine Klaue, keine Feder mehr zu finden. Und während uns vor Hunger die Nägel blau wurden, lag der feinste Weizengries schuhhoch im Lager, Ochsen wurden blos der Zunge und der Nierenstücke wegen niedergeschlagen; das beste Fleisch und Brod verdarben die Unmenschen muthwillig und machten es unbrauchbar.«

»Unsere ganze Schäferei raubten die Schufte, dreihundert Schafe an einem Tag!« fuhr Hansaden fort. »Wie Garben schichteten sie die lebendigen Thiere auf Leiterwägen und spannten Heubäume darüber. Allgerechter Gott! Armslang hingen den Schafen die Zungen heraus, das jämmerliche Blöken kann ich heut noch nicht vergessen! Und wozu all' der Jammer? – Bis sie nach Schottendorf kamen, waren drei Viertel der Thiere erstickt, mit Lachen haben die Soldaten die Kadaver vom Wagen geworfen und am Weg liegen lassen.«

»Am greulichsten haben sie bei uns, in Tiefenort, gehaust!« sagte Hanshenner. »Wie schon der Hauptzug vorüber war, kommen eines Abends die Weißkittel (Marodeurs) in's Dorf, und da sie nichts zu plündern finden, verlangen sie von meinem Vater, er war Schulz, Geld. – Wo sollt's mein Vater hernehmen? So haben ihn die verfluchten Hunde mit ihren Ladstöcken so lange geschlagen, bis er zusammenbricht, ist auch acht Tage darnach gestorben! – O Herrgott, wenn ich an die Zeiten denk'!«

»Nun ist's genug!« fiel der Vetter ein. »Die Zeiten sind ja vorüber, und die Franzosen haben in Rußland, bei Leipzig und Waterloo ihren Lohn empfangen. Auch das Prophezeien aus der Bibel laßt sein, das ist ein sündlicher Mißbrauch des Buches. Napoleon kommt nicht wieder, der 89 schläft ruhig im Invalidendom zu Paris, wohin ihn die Franzosen von der Insel St. Helena geholt haben. – Verderbt euch doch den schönen Tag nicht durch solche unnütze Sorgen!«

»Mir war die Sache gleich nicht recht zu deuten!« fiel der Hansaden selbstbewußt ein. »Ich mocht' nur nichts sagen, gegen den Hanshenner richtet man doch nichts aus!«

Die Musikanten athmeten erleichtert auf; Hanshenner zog sich gekränkt zurück und sagte zum Wasserfuchs, von dem die Rede ging, er besitze das sechste und siebente Buch Moses mit Dr. Faustus' Höllenzwang und könne darum auch mehr als Brod essen: »Der Herr Kanter weiß so gut wie ich und Du wie's steht, er darf's nur nicht sagen!«

Eben bog der Weg um einen bemoosten Felsen; der Wald, durch den wir bisher gewandert, trat zurück und eine wundervolle Fernsicht that sich vor uns auf. Zu unsern Füßen breitete sich ein heiteres Thal, selbst im Winter angenehm belebt durch zahlreiche Höfe, Dörfer und Schlösser. Von der Landstraße tönte fröhliches Schlittengeläute herauf, und die Sonne spiegelte sich auf den Eisflächen des vielfach gewundenen Flusses und stattlicher Teiche. In blauer Ferne, von duftigen Dunstwölkchen fast verhüllt, verkündeten ragende Thürme und Giebel die große Stadt, daneben leuchteten auf hohem, kegelförmigen Berge die Mauern und Thürme der alten Veste stattlich in's Land hinein. Die Aussicht schloß ein Kranz von bewaldeten Bergen, von denen Ruinen, Schlösser, Kirchen und Klöster herübergrüßten, darüber schauten die blauen Spitzen des Fichtelgebirgs und der hohen Rhön, kaum noch erkennbar, herein in diese liebliche, kleine Welt. Mir ward das Herz weit, und nicht mir allein – alle Augen glänzten, jede Brust athmete tiefer. Ei, wie lustig 90 schmetterten die Trompeten von der Höhe hinab in das Thal, wie klang das Echo von den gegenüberliegenden Waldbergen so fröhlich, so weich, so lockend zurück; ei, und wie kam jetzt das Lied so recht aus vollem Herzen:

O herrliche Natur! – In deines Tempels Hallen
    Muß ich mit Staunen stille steh'n!
    Entzückend ist dein Lied! Die Wälder widerhallen
    Von wonnigem Getön!

Vor der Hausthüre des stattlichen Pachthofes, der sich an die altersgrauen, moosbedeckten, eupheuumrankten Ruinen lehnte, stand der Pachter, nahm die Strumpfkappe ab und ließ während des Gesanges die Daumen kreisen. »Kommt rein!« rief er, als wir schlossen. »Hab' lange auf euch gewartet; ist mir doch eine wahre Sehnsucht nach meinem Lied und euch ankommen!«

In der hellen Pachterstube fühlten wir uns bald behaglich, zumal ein Paar flinke, nette Töchter gar freundliche Wirthinnen machten. Ein Korb Wallnüsse gab dem Jungvolk Veranlassung zu mancherlei Scherzen und Possen. Derweil saßen die Alten ehrbar zusammen, redeten über dies und das, natürlich auch über den Geist droben im Schloß, einem grauen Mönchlein mit Spinnwebgesicht, dessen Erscheinen stets einen Todesfall oder sonstiges Unglück in der Pachtersfamilie anzeigte. Das brachte die Musikanten auf Ahnungen und Geistererscheinungen überhaupt, sie erzählten Geschichten, daß Einem am lichten Tag die Haare zu Berg stiegen. Um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, sagte der Vetter: »Hier oben ist's wohl schön, aber, besonders im Winter, ein bischen einsam, nicht?«

91 »Das wohl, Herr Kanter!« sagte der Pachter. »Dafür brauche ich mich nicht über böswillige Nachbarn zu ärgern!«

»Auch wahr! Da Ihr Schulz und Gemeinde in einer Person seid, sind Verdrießlichkeiten nicht möglich!«

»Hm, hm, so ganz glatt geht's freilich auch nicht ab!« lachte der Bauer und rieb mit der Kappe den Wirbel. »Die Herren droben wissen's einzurichten, daß man seines Lebens nicht allzufroh wird. Besonders das Schulzenamt ist eine rechte Last!«

»Ja, ich wenigstens möchte nicht Schulz sein!« meinte der Schneidershannikel. »Denkt nur, wie's dem Sulzdorfer verwichen ging. Als der Amtmann den neuen Weg nach Schottendorf einsieht, war er mit dem Bau zufrieden, nur noch Kwâckschterschbâm (Zwetschgenbäume) müßten gepflanzt werden, hat er befohlen. – So geschieht's denn auch. Der Bericht ist aber kaum in's Amt, wird mein Schulz auch vorgeladen. Da ich am selben Tag geladen war, gingen wir zusammen. Kaum erblickt der Amtmann den Schulz, so zerreißt er den Bericht, tritt ihn mit Füßen und brüllt den Schulzen an: ›Er Ochs, Er Esel! Habe ich nicht befohlen, es müßten Zwetschgenbäume gesetzt werden? Wie kann er sich unterstehen und Aepfelbäume pflanzen?‹ Meinem Schulz steht der Angstschweiß in haselnußgroßen Tropfen auf der Stirn, kaum bringt er heraus: ›Herr Amtmann, halten zu Gnaden, am Weg stehen Kwâckschterschbâm, aber schreiben kann ich das widerwärtige Wort nicht, drum hab' ich Aepfelbäume in den Bericht gesetzt. Ich hab' gemeint, so ein studirter Herr, halten zu Gnaden Herr Amtmann, wird schon wissen, wie der Has läuft!« – O Herrgott von Bentheim!! hat darnach erst der Amtmann einen Lärm aufgeschlagen! Acht 92 Tage wollte er den Schulzen in's Loch stecken lassen, aber es ging noch gnädig genug ab, er hat ihn bloß zur Thür hinausgeworfen.«

»Ja ja, so gehen die Herren mit uns um!« lachte der Pachter. »Aber der Schulz hätte auch gescheiter sein können!«

»So? – taugte er dann zum Schulz?« fiel der Zimmerdick ein. »Das ist ja ein alter Frack: zu dem Amt werden blos die Dümmsten genommen! – Ihr müßt das nicht auf Euch beziehen, Pachter. – Unserem Schulzen fehlen auch blos die Hörner und das Rindvieh ist fertig. Kommt er verwichen in's Wirthshaus, schimpft und wettert: ›Da möchte man doch rein des Teufels werden über die Herren von der Regierung! Haben sie schon wieder fünfundzwanzig neue Grafen gemacht! Wo soll das naus? – Geht's so fort, fressen uns die Grafen noch rein auf!‹ Damit wirft er das neueste Amtsblatt auf den Tisch. Und was war's? – Die Regierung hatte eine Verordnung mit fünfundzwanzig Paragraphen ausgehen lassen!«

»Du schneidest auf! – So was ist ja gar nicht möglich!« rief der Pachter, der sich vor Lachen schüttelte.

»Kein Buchstabe ist zuviel, ich hab's selber mit angehört!« sagte Hansaden. »'s ist wahr, die Schulzen werden oben arg gehudelt, aber in der Regel verdienen sie's nicht besser. Grob sind sie von Haus aus, und ihr Verstand reicht nicht weiter als zum Schimpfen, Fluchen und – –«

»Halt da!« fiel ihm der Schneidershannikel in's Wort. »Am Gerichtstag wartet in Schottendorf vor dem Amt ein ganzer Himpel Schulzen auf den Amtmann, der Kreuzmannsjakel zufällig auch. Kommt eine Waldfrau vorbei mit einer klipper-hagel-rassel-dürren Gais. Fragt der Jakel: ›Was ist 93 mit Eurer Gais?‹ – ›Ja, sie saift nit!‹ klagt die Frau. – ›Da laßt sie Schulz werden,‹ gibt der Jakel zur Antwort, ›nachher säuft sie gewiß!‹«

* * *

»Holla, wo brennt's – wo hinaus?« rief der Vetter, als die Musikanten, statt vor dem ersten Haus Halt zu machen, spornstreichs nach Mühldorf hinein rannten.

»Herr Kanter,« sagte der Schneidersnikel, »das Singen und Blasen dörrt die Lunge gar arg aus. Hält man sie nicht richtig feucht, kann sich gar zu leicht die Schwindsucht anspinnen.« Damit verschwand der Kleine sammt seinen Kameraden im Wirthshaus.

In der Wirthsstube saß Lehrer Schmidt von Gersdorf und erklärte – man denke meinen Schreck! – er gehe mit nach Bergheim. Den Zimmerdick nahm er sogleich bei Seite und redete lange heimlich und eifrig auf ihn ein – da wußte ich, was die Glocke geschlagen hatte. Johann flüsterte mir zu: »Der Gersdorfer macht Ernst, gewiß bestellt er den Zimmerdick zum Freiersmann! Nur ruhig, er kommt doch zu spät – heut Abend muß Alles in Ordnung kommen!«

Ziemlich spät erst nahmen wir unsere Arbeit wieder auf, auch Schmidt schloß sich auf die Einladung des Vetters uns an. Trotz meiner Unruhe und Sorge mußte ich doch vor dem Rikelshaus herzlich in das allgemeine Gelächter mit einstimmen. Schon während des Gesanges hatten die Rikelsrik und ihr nichts weniger als schönes Töchterlein, die Rikelsev, ihrem Vetter, dem Eckenpeter, gar überaus freundlich und eifrig zugeblinzt und gewinkt. Da Peter nicht darauf achtete, von allen Musikanten zuerst zum Gehen sich wendete, stürzten plötzlich beide Frauenzimmer wie Drachen aus 94 dem Haus und hingen sich fest an den Vetter, den sie mit einem Schwall von Worten und Schmeicheleien zum Eintritt in's Haus, zum Dableiben nöthigten. Peter war zuerst vollständig verblüfft, plötzlich aber schüttelte er die zwei Kletten von sich und schrie im Weitergehen: »Nur nicht grrrrand gethan! – Ihr widerwärtigen Weiberleut', laßt mich in Frieden!« Vor dem schallenden Gelächter der Musikanten flohen die Weiber scheltend in's Haus.

Wieder stand der Mond am Himmel, als wir vor dem letzten Haus sangen:

Der Mond ist aufgegangen,
    Die goldnen Sternlein prangen
    Am Himmel hell und klar;
    Der Wald steht schwarz und schweiget,
    Und aus den Wiesen steiget
    Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille,
    Und in der Dämm'rung Hülle
    So traulich und so hold!
    Als eine stille Kammer,
    Wo ihr des Tages Jammer
    Verschlafen und vergessen sollt.

So legt auch denn, ihr Brüder,
    In Gottes Namen nieder!
    Kalt ist der Abendhauch.
    Verschon' uns Gott mit Strafen,
    Und laß uns ruhig schlafen,
    Und unsern kranken Nachbar auch!Von M. Claudius.

Auf dem Heimweg rief mich der Vetter zu sich, ich mußte meine Pfeife mit ihm stopfen, und nachdem er Feuer geschlagen, begann er: »Karl, ich muß Dir was sagen. Sieh', 95 ich und Deine Base hatten uns in der Stille ausgedacht, die Wagnersmargareth solle einmal Deine Frau werden. Wir kennen das Mädchen von Jugend auf, Deine Base hat sie so zu sagen mit erzogen und in Allem unterwiesen, was einer tüchtigen Hausfrau zu wissen und zu können nöthig ist, darum darf ich ja wohl sagen: eine bessere Frau wie die Margareth wirst Du nirgends finden. Nun wollte Deine Base schon lange deßwegen mit Dir reden, allein ich habe sie stets abgehalten, ich kann dieses Ehemachen, dieses Zusammenkuppeln einmal nicht leiden, hoffte aber auch, Du würdest von selbst auf Margareth aufmerksam werden, um so mehr hoffte ich dieß, da ihr als Kinder so gut Freund waret. Meine Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt, Du hast das schönste und beste Mädchen nicht beachtet, fast möchte ich nun selber beklagen, daß ich die Base abgehalten habe, Dir da und dort einen Wink zu geben – denn leider, unsere liebste Hoffnung wird nun wohl für immer zu Wasser werden.« Der gute Vetter! Vor Bewegung konnte er nicht weiter reden. Er machte sich mit seiner Pfeife zu schaffen und erst nach einiger Zeit fuhr er fort: »Mich dauert Deine Base! Es ist ein harter Schlag für sie, daß nun Margareth wahrscheinlich Frau Schulmeisterin von Gersdorf werden wird, – sie wird sich lange nicht darein finden können. – Und mir – ja, mir geht es nicht besser, das gute, liebe Kind ist mir fast so sehr in's Herz gewachsen, als Du selber! Ach, und wie herrlich hätte es sein müssen, wären wir mit den guten Wagnersleuten durch euch noch fester verbunden worden! – Das ist kein Vorwurf für Dich, Karl; unsere Liebe bleibt unverändert, das bist Du auch überzeugt. Ich sage das auch nicht, um Dir etwa nachträglich das Herz 96 schwer zu machen, ich thu's bloß, um Dich auf das vorzubereiten, was nun kommt. Deine Base wird im ersten Schreck Dir die Schuld beimessen und Dich entgelten lassen, daß sich ihre Hoffnung nicht erfüllte. Trag' ihr das nicht nach, Karl, sie wird auch bald ihr Unrecht einsehen, Du weißt ja doch, wie lieb sie Dich hat. – – So, das wollt' ich Dir sagen! Gott verzeih' mir die Sünde, kann ich gleich jetzt dem Gersdorfer meine Margareth noch nicht gönnen, so ist mir doch leichter um's Herz; geht daheim der Jammer los, werde ich wenigstens den Kopf oben behalten.«

Meine Beichte störten die alten Musikanten, die, vom Jungvolk abgeschickt, den Vetter um die Erlaubniß zu einem Tänzchen im Lehrzimmer angingen, und als diese der Vetter freundlich ertheilt, ein ernsthaftes Gespräch mit ihm anknüpften. Wie klopfte mir das Herz! Zwar konnte das Lob des Vetters meine Liebe nicht verstärken, aber mit meiner Achtung vor dem Mädchen wuchs auch meine Sehnsucht nach Vereinigung mit ihm.

* * *

Heute zogen wir nicht still in unser Dorf ein, wie gestern; ein feuriger Marsch lockte die Bergheimer an die Fenster, und von allen Seiten schloß sich Jungvolk uns an.

Beim Anblick des Lehrers Schmidt verblaßte sich die Base; wie gut war es, daß mich der Vetter vorbereitet – so gleichgültig, fast unfreundlich war meine Pflegemutter noch nie gegen mich gewesen, als eben jetzt. Die Noth der Guten schnitt mir in's Herz, wie gerne hätte ich ihnen geholfen! Aber konnte ich? War es nicht thöricht, jetzt erst noch Hoffnungen in ihnen zu erwecken, die so unsicher, so trügerisch waren? In der Stille seufzend schwieg ich.

97 Die Stille der Vettersleute fiel außer mir Niemand auf, waren doch auch die Musikanten ausgelassener denn je. Wenige hatten sich erst zusammengefunden, da rief uns schon jammervoller Hülferuf der Annedorl in die Küche. Wir kamen noch zu rechter Zeit! Trotz aller Proteste der Annedorl wollte der Schneidersnikel durchaus die Klöße ballen helfen. Mit Gewalt wurde der lärmende Missethäter in die Stube geführt und in der Ecke scharf bewacht.

Auch der Laubschneider fand sich ein. Nach langen, lebhaften Verhandlungen, bei denen es mehrmals fast zu heftigen Auftritten gekommen wäre, da sich besonders der Wilde seines Schützlings mit wahrem Feuereifer annahm, ward die Versöhnung unter der Bedingung in's Werk gesetzt, daß der Laubschneider den Schneidersheiner, den Bergkasper und Schülzle um Verzeihung bitte und bei erster Gelegenheit für die Musikanten zwanzig Maas Bier bezahle. Der Laubschneider wehrte sich bis auf's Blut, als aber der Schneidershannikel immer bedrohlicher von Zuchthaus und Ketten redete, gab er seufzend nach. Schon reichte er dem Schneidersheiner die Hand, da unterbrach der Vetter, der sich mit keinem Wort in die Verhandlungen gemischt, den Jubel der Musikanten: »So! Das war ja nur ein Scherz der Musikanten, Meister Roth, sie wollten nur erfahren, ob Ihr wirklich der versöhnliche, verträgliche Mann seid, für den Ihr geltet. Mit den zwanzig Maas Bier ist's nichts, umgekehrt, der Schneidersheiner, der Bergkasper und der Schülzle lassen sich's nicht nehmen, Euch in nächster Zeit einen ganzen Abend im Wirthshause zu bewirthen. Seht nur – sie können auch die Zeit gar nicht erwarten, Euch in aller Ordnung um 98 Verzeihung zu bitten! Und weil Ihr Euch so wacker gezeigt, Meister Roth, so seid Ihr heut Abend mein lieber Gast!«

Dieses Erstaunen – diese Augen – diese langen Gesichter! Als aber auf einen drohenden Blick des Vetters die drei Bursche wie begossene Pudel zum Laubschneider schlichen, um Verzeihung baten, zu halten versprachen, was der Vetter ihnen aufgelegt – da regte sich das Gefühl der Männer. Mußten sie gleich über die betretenen Sünder lachen, so stimmten sie doch ein in den Ruf des Schneidershannikel: »Was unser Herr Kanter sagt, hat immer Händ' und Füß'! Unser Herr Kanter soll leben, vivat hoch!«

Mit Würde verzieh der Laubschneider seinen Gegnern, dann aber trat er zum Vetter und sagte, indem er sich die Augen wischte: »Herr Schulmeiwster, das vergeß' ich Eiwch all meiwn Lebtag nicht! Ihr seiwd eiwnmal meiwn Mann! Potz Blitz, Feiwerzeiwg! auf Eiwch laß ich nichts kommen! Und passirt Eiwch eiwnmal was an eiwern Zeiwg – schickt's nur mir! Ich flick's aus und stell's Eiwch her, daß Ihr Eiwch selber drüber verwundert!«

Nur der Gänskasper nahm an dem neu ausbrechenden Jubel keinen Antheil. Die Versöhnungsscene war ihm schwer auf's Herz gefallen, da der Eckenpeter noch immer ihm grollte, und, das war das Schlimmste! – ihm mit Recht grollte. Heute war es an den Tag gekommen, daß er wirklich unschuldig Beleidigungen erlitten hatte, denn die Pfeifenköpfe hatte Kasper's Bruder, der Schneidershannikel, malen lassen, das Würzelchen aber hatte der Bergkasper und Schülzle abgeschlagen. So saß jetzt der Gänskasper auf der Ofenbank und grämte sich über den Starrsinn Peter's, der alle Annäherungsversuche barsch abwies; dazu regte sich auch sein 99 Gewissen und sprach: der Peter hat Recht, du bist wirklich ein grober Mann! Beschämt drehte Gänskasper den Kopf nach der Wand, getraute sich keinen Menschen mehr anzublicken und mochte von der ganzen Welt nichts wissen. – Aber der Sauerbraten roch gar so gut, gleich mußten auch die Klöße kommen – sollte er sie vorbeigehen lassen und hier sitzen bleiben? Gänskasper kämpfte einen schweren Kampf, endlich siegten doch die Klöße, noch einen Versuch wenigstens mußte er machen. Mit ausgestreckter Hand ging er auf Peter los und bat: »Peter, ich seh's ein, ich bin ein grober Mann! – Aber sag's nicht vor allen Leuten und laß wenigstens meine Alte aus dem Spiel! – Ich hab' Dir groß Unrecht gethan, Peter, verzeih' mir!« Davon wollte der Peter auch jetzt noch nichts hören, erst auf einen Wink des Vetters gab er dem Bittenden die Hand mit den Worten: »Meinetwegen mag's sein, ich verzeih' Euch! Thut Ihr aber noch einmal grrrrand, geht's Euch schlecht!« Damit war der Gänskasper auch vollständig einverstanden.

Der Laubschneider und der Gänskasper waren gewiß die zufriedensten, glücklichsten Menschen am Tisch. Du lieber Gott, schmeckte das kräftige Essen dem Laubschneider, und wie hieb er ein! Mit vollen Backen kauend versicherte er dem Vetter mehr denn einmal: »Herr Schulmeiwster, die Ehr' und die Gutthat vergeß ich Eiwch all meiwn Lebtag nicht! Um den Preiws ließ ich mir alle Tage meiwn Schlittle auf's Dächle schaffen!«

Sobald es unbemerkt geschehen konnte, schlichen wir aus der Gesellschaft, mit klopfendem Herzen eilte ich neben Johann dem Wagnershaus zu.

Die vier Personen, die im traulichen Stübchen um die 100 Oellampe saßen, machten – die Dorthee ausgenommen – große Augen über den unerwarteten späten Besuch. Margareth beugte das erglühende Gesicht tief auf ihr Spinnrad, die Hausfrau schlug vor Verwunderung die Hände zusammen, nur der Hausherr ließ sich nicht aus seiner Ruhe bringen. Bedächtig nahm er seine Brille ab, barg sie im Lederfutteral, legte dieses gewissenhaft als Zeichen in das Buch, aus dem er vorgelesen, und verwahrte Buch und Brille sorgfältig in der Tischlade. Nun erst drückte er mir die Hand und hieß mich mit aufrichtiger Freude willkommen. Die Wagnerschristel hatte sich unterdeß von ihrem Staunen über den »seltsamen Zuspruch« erholt, zog geschäftig Stühle für uns an den Tisch, und während wir dem Hausherrn zu Gefallen – ich that es nicht anders, er mußte aus meinem Tabaksbeutel stopfen – unsere Pfeifen in Brand setzten, gab sie den Mädchen einen Wink, die darauf mit ihr die Stube verließen. Bald rasselte in der Küche die Kaffeemühle, die Hausfrau trug Kuchen und Tassen auf, und Johann fragte heimlich: »Na, bist Du mit der Aufnahme zufrieden?«

Wäre ich es nicht gewesen, ich hätte es wohl werden müssen, als mir dann Margareth gegenüber saß, mich so herzig anblickte, so liebreich und freundlich mit mir redete. Die Dorthee mußte unsern Wunsch schon ausgesprochen haben, denn während sie den Tisch abräumte, sagte die Hausfrau: »Hör' Alter, die Musikanten wollen in der Schule tanzen, sie sähen's gern, wenn die Mädle auch hingingen. Du hast doch nichts dawider?«

»Was soll ich dawider haben?« entgegnete der Wagnersjörgnikel, dabei sah er mich heimlich lachend an, als wollte er sagen: »Will's da hinaus? – Hab ich mir doch sowas 101 vermuthet!« Die Christel leuchtete uns auf den Hausflur und schärfte uns ein: »Haltet die Mädle ja nicht zu lang auf, das kann mein Alter nicht leiden!«

Unterdeß eilten die Mädchen voraus, trotz aller Mühe holten wir sie nicht ein – und so konnte ich Margareth nicht einmal sagen, daß der Gersdorfer Lehrer ihretwegen gekommen sei. Verstimmt, voll trüber Ahnung trat ich in das Lehrzimmer, wo der Tanz schon begonnen hatte, – richtig, dort stand Margareth erschrocken, bleich in der Ecke und der Gersdorfer ging eben lachend von ihr. Verlegen suchte ich ihr näher zu kommen, allein hastig wendete sie sich ab, eilte zur Base und weinte bitterlich. Was war das? – Die Trostgründe der Base halfen wenig, schluchzend verbarg das Mädchen sein Gesicht an der Schulter der mütterlichen Freundin; erst der Hinweis auf das allgemeine Aufsehen vermochte bei Margareth die Thränen zurückzudrängen. Süßlich lächelnd tänzelte Schmidt herbei und forderte Margareth zum Tanze, nun war es aber auch mit der Haltung der Base zu Ende. Aufstehend und ihre Schürze glatt streichend sagte sie: »Sie sind unser Gast, daran denke ich, sonst redete ich anders mit Ihnen. Aber wie Sie, nachdem was schon vorgefallen, noch einmal das Herz haben, dem Mädchen unter die Augen zu kommen, das begreife ich nicht! Wenn Sie sich nicht mehr schämen, so sollten Sie doch wenigstens daran denken, was Sie dem Mädchen für Ungelegenheiten machen – nichts für ungut!« Damit ließ sie den verblüfften Schmidt stehen und ging mit Margareth hinaus. Kurze Zeit darnach folgten ihnen Schmidt und der Zimmerdick, blieben lange weg, bei ihrer Rückkehr rieb sich der Zimmerdick heimlich lachend die Hände, Schmidt dagegen blickte trotzig und wild 102 um sich. Er mußte sich aber bald anders besonnen haben, denn plötzlich stürzte er ein Glas Bier auf einen Zug hinab, lachte überlaut und führte die Herrnbauerslisbeth in den Reihen.

»'s ist Alles in Ordnung!« wisperte mir Johann in's Ohr. »Der Gersdorfer ist gründlich abgeblitzt. Ich hab's vom Zimmerdick!«

»Jawohl, Alles in Ordnung!« sagte ich grimmig und stampfte mit dem Fuß. »Die Margareth versteht's, die Schulmeister ablaufen zu lassen! O – und ich renn' ihr erst noch in's Haus! – Was guckst Du? – Siehst Du nicht, wie auch ich abgeblitzt bin? – Ha ha ha! – Sie wird sich freuen, nun ist ja das Feld rein, ihrem Gottfried steht Keiner mehr im Weg!«

»Ha, Himmel Schweden auch!« rief Johann bestürzt. »Was ist vorkommen? – So red' doch – ich weiß nicht, steh' ich auf dem Kopf oder auf den Füßen? Red' doch!«

»Red' doch! – Was ist da zu reden? – Hast nicht gesehen, wie sie mir auswich, wie sie mir keinen Blick, geschweige denn ein Wort gönnte?«

»Das war der Schrecken wegen dem Gersdorfer!«

»Was geht mich der Gersdorfer an? – Hab' ich ihn herbestellt? Hab' ich sie etwa seinetwegen in die Schule geholt? – O, ich könnt' die Wand hinan laufen! Laß mich – jetzt ist's klar! Hat sie jemals an mich gedacht, so war's nur, um ihren Spott mit mir zu treiben!«

»Da werd' ich selber irr!« sagte Johann kleinmüthig. »Ich häng' mich nimmer in die Geschicht', thu', was Du denkst, daß 's Beste ist!«

Das war ein Trost! Eben trat die Base ein. Sah 103 sie gleich auch nicht aus, als sei bei ihr viel Trost zu finden, wagte ich es doch; so gleichgültig als nur möglich stellte ich die Frage: »Wo ist die Wagnersmargareth?«

»Wo sie hingehört – daheim!«

Nun wußte ich's! Trotz dieser Abfertigung begann ich: »Und warum ist sie so bald fort?«

»Karl, laß mich heute in Ruhe, morgen will ich Dir mehr sagen. Mir wirbelt noch der Kopf, weiß nicht, soll ich mich mehr ärgern oder freuen! – Mit Dir aber bin ich ganz unzufrieden, daß Du's nur weißt, morgen wirst's erfahren warum.«

Damit ließ sie mich stehen. Sollte ich auf meine Kammer gehen und meine Noth in der Einsamkeit ausseufzen? – War mir damit geholfen? Ward dadurch mein Schmerz gemindert? – Nein, die Nacht war gar zu lang, die Einsamkeit vermehrte gewiß meine Noth. Ha, wie lustig sich Schmidt mit den Mädchen herumschwenkte! Wer das auch so könnte! Doch freilich, wenn ich das vermochte, dann hatte ich eben Margareth nie geliebt, dann war überhaupt Alles, Alles anders. – Aber wie die Zeit hinbringen? Wie den Schmerz im Herzen übertäuben, wie die quälenden, nagenden Fragen zum Schweigen bringen? – Ha, hing dort nicht des Vetters Geige? War mir die Musik nicht oft schon zum Trost geworden? Und wenn mich auch die simpeln Tanzweisen nicht aufzurichten vermochten, so war das Geigen wenigstens eine Arbeit! Ohne Säumen stimmte ich die Violine und sagte zum Bergkasper: »Leg' Deine Klarinette weg, geh' und mach' Dich vergnügt!«

»Vergnügt?« entgegnete der Kasper und kraute sich die Haare. »Siehst nicht, wie die Majgba auf mich laue't?«

104 Den Kopf schüttelnd über diese verkehrte Welt, drängte ich mich an Kasper's Platz; richtig, kaum hatte er seine Klarinette aus der Hand gelegt, so hing die Margthbar auch schon an ihm, wohl oder übel mußte er mit ihr tanzen. Darnach lobte ihn der Laubschneider: »Das gfreiwt mich von Dir, Kasper! Nun zeiwg endlich Ernst?«

»E'nst? – wojin denn?«

»Brauchst Dich nicht zu zieren, weiwß schon lang, daß Du meiwner Margthbar nachleiwst!«

»Da wißt Ihr meh wie ich!«

»Potz Blitz Feiwerzeiwg! Ich hab' Schulen genossen und heiwt noch Orthographie im Kopf – mach' mir doch nichts vor! Zeiwg Ernst, Kasper, schenir' Dich nicht, Du bist mir als Schwiegersohn lieb und angenehm, ich sag nicht neiwn, verlaß Dich drauf!«

»Ich bin zu jung zum Heijaten!« wendete Kasper ein, dem der helle Angstschweiß auf der Stirn stand.

»Zu jung? – Dummes Zeiwg! – Wenn's an weiwter nichts fehlt, schlag' eiwn, Kasper, sag' ja!«

»Und ich will nicht heijaten!« schrie Kasper.

»Warum denn nicht? – Guck' an, Kasper; eiwne Gelegenheit wie meiwne Margthbar und mich findest Du nicht wieder. Da bin zum ersten ich, eiwn Mann, hab' Schulen genossen und heiwt noch Orthographie im Kopf, eiwn gelernter Schneiwdermeiwster dazu und versteh' mich auf Oekonomie; zum zweiwten bist Du eiwn gelernter Zimmermann und kannst Musik, darnach sind die Weiber auch nicht zu verachten von wegen dem Taglohn und so weiwter, darnach ist noch meiwn Heiwsle (Häusle) und zuletzt die vierte Bitt'! – Was willst Du mehr? – Sag ja, Kasper!«

105 »Laßt mich in Fjieden!« lärmte Kasper, als sich die Musikanten um ihn sammelten und den Heirathsantrag belachten. »Ich mag nicht heijathen!«

»Ausflüchte, Kasper! Ueberleg' nur erst die Sach' gründlich! Sag' Ja, Kasper! – Potz Blitz Feiwerzeiwg! warum kannst Du nicht Ja sagen?«

»Weil ich Euje Majgba nicht mag!« platzte Kasper, da er sich nicht anders zu helfen wußte, verzweiflungsvoll heraus. »Mejkt's Euch; und wä'e sie mit Gold behängt, ich mag Euje Majgba nicht!«

»Frau Kanter, wollt Ihr nicht eins mit mir tanzen?« fragte der Schneidersheiner höflich.

»Ach geh', Du bist nicht bei Trost! – Ich und tanzen – gar noch heut!« sagte die Base halb lachend, halb ärgerlich. Nach kurzem Besinnen meinte sie jedoch: »Aber warum denn nicht? – Komm', wollen wenigstens probiren, ob's noch geht!«

»Nun sag' ich in aller Welt nichts mehr! Was fällt Dir noch ein auf Deine alten Tage?« rief der Vetter verwundert, der eben eintrat, als die Base athemlos auf einen Stuhl sank.

»Was alten Tage! – 's geht noch, Alter!« rief die Base, die sich um dreißig Jahre verjüngt fühlte. »Und jetzt tanzen wir zusammen, wie sich's für Eheleute geziemt!«

»Gertrud, Gertrud!« rief der Vetter mißbilligend und schüttelte das graue Haupt. Aber heute war Gertrud unerbittlich, die geliebte Pfeife wanderte in die Ecke und der Vetter mußte trotz seiner Korpulenz mit in den Reihen.

»Alle Tausend! – jetzt kriegt die Sache ein Ansehen!«schrie der Zimmerdick und lehnte den Baß in die Ecke. »Solo, 106 ihr Jungen, und marsch an die Instrumente, jetzt kommen wir d'ran!«

In den Hüften sich wiegend, mit den Fingern schnalzend wie ein Planbursche, holte er seine Fränz aus der Ecke; der Laubschneider forderte Hansaden's Frau, wofür dieser die weinende Margthbar beruhigte und in den Tanz zog. Der Wasserfuchs befolgte das Beispiel des Zimmerdick und der Hanshenner erwischte die Annedorl, die ihm an Alterthum nicht nachstand. Die Schwarzen, die den Kartentisch nicht verlassen wollten, wurden von ihren Weibern gewaltsam herbeigeführt, der Schneidershannikel dagegen wählte die Herrnbauerslisbeth zur Tänzerin; »denn,« meinte er, »eine Alte habe ich daheim alle Tage!« Gleich nach dem ersten Reihen führte der Gänskasper seine Ehehälfte dem Eckenpeter zu. »Da, tanz' mit meiner Alten, Peter, daß alle Leut' sehen, was wir für Freund zusammen sind!«

Die alten Herren thaten nun ihr Möglichstes, recht leicht und anmuthig zu tanzen, brachten aber nur ein wunderseltsames Durcheinander fertig. Takt hielten sie nicht, langsam oder schnell trippelten sie herum, wie es eben ihre Körperbeschaffenheit mit sich brachte. Führte das Schicksal zwei allzu ungleichartige Größen zusammen, dann entstanden vollends ganz neue, nie gesehene Tanzarten. Während zum Beispiel der Zimmerdick in ruhiger Langsamkeit sich um sich selbst drehte wie ein Fixstern, zwirbelte, zappelte und hüpfte seine magere Fränz um ihn wie ein wild gewordener Planet.

Lange reichte jedoch der Athem nicht aus, auch die Glieder versagten bald den Dienst. »Alte,« keuchte der Zimmerdick, »dabei merkt man, daß man zu Jahren kommt. Ich hab' das Tanzen auf drei Tage satt!« Ein Ehepaar nach 107 dem andern zog sich in stille Ecken zurück und überließ der Jugend das Feld.

Spät erst trennte sich die Gesellschaft. »Meine Dorthee will auf dem Kopf stehen! Steif und fest behauptet sie, Du müßtest Dich irren, die Margareth habe noch keinen Bursch gern gehabt außer Dir, und den Gottfried könne sie nun gar nicht leiden!«

»Laß gut sein,« entgegnete ich finster. »Zuerst müß ich meinen eigenen Augen trauen. Und selbst wär's an dem, daß sie mich gern sieht – die Art, wie sie mit mir umgesprungen ist, verträgt sich nicht mit meiner Ehre. Das Mädchen, das ich gerne haben soll, muß mich auch für was achten – davon spür' ich bei Margareth nichts. Das ist's, was uns auf alle Fälle scheidet! – Gute Nacht!«

So war es heraus, das schwere, entscheidende Wort! Ich erschrak selbst davor, mir war, als habe ich damit eine undurchdringliche, unübersteigliche Schranke zwischen mir und Margareth aufgerichtet. Dahin war mein Glück! – Mit gesenktem Haupt schlich ich in meine Kammer, in der Schmidt schon schnarchte. Wie beneidete ich ihn um seinen Leichtsinn, seinen Gleichmuth! Lange, lange standen mir die Augen offen, es waren schwere Stunden, die ich durchkämpfte. Endlich verlangte die Natur ihr Recht, ein sanfter Schlaf brachte Erlösung vom Leid, heitere Träume spiegelten mir ein Glück vor, das mir für immer verloren war.

 


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