Heinrich Schaumberger
Der Dorfkrieg
Heinrich Schaumberger

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Auf der Höhe des Windsberg-Buchbacher Steiges stand ein Mädchen im sonntäglichen Putz; ihre Röcke flatterten im Wind, ihre seidene Schürze knatterte und rauschte. Die rechte Hand hatte sie zum Schutz gegen die blendenden Sonnenstrahlen wie einen Schirm an die Stirn gelegt, scharf blickte sie hinab in das Tal, – jetzt färbte höheres Rot ihre Wangen, ein heller Jauchzer entquoll ihren Lippen, hastig hob sie die linke Hand und wehte mit ihrem weißen Tüchlein grüßend hinab. Wie zur Antwort klang fröhliche Musik herauf. Doch war es die Musik wohl kaum, die das glückliche Lächeln auf ihre frischen Lippen und zugleich einen feuchten Tau in ihre süßen blauen Augen lockte, was ihren Busen immer stürmischer heben und senken ließ. Jetzt tönte auch aus dem Wald, unfern zu ihren Füßen, ein heller, klingender Jubelschrei, wenige Minuten noch, und Karline lag schluchzend am Hals ihres Geliebten. Wortlos hielten sie sich umschlungen, sie hatten sich nichts zu gestehen, zu geloben, zu sagen; auch war das Glück dieses Augenblicks nach allen vorausgegangenen Stürmen zu groß, zu überwältigend, um Worte zu gestatten. Endlich flüsterte Heiner: »Zu den Eltern, Karline, zu den Eltern! Ihre Not soll enden, sie sollen sich unseres Glückes erfreuen, mich drängt es, den Vater um Verzeihung zu bitten!« Karoline drückte still weinend den Geliebten fester an sich.

Hand in Hand betrat das stattliche Paar den Schulzenhof. Türk, der Hofhund, krümmte sich an seiner Kette, vor Freude winselnd; Hansmichel kam herbei, wünschte herzlich Glück und meinte lachend: »Als ich mir vor zwei Jahren an der Leiter da fast das 165 Hirn einrannte, hätte ich nicht gedacht, daß die Geschichte solchen Ausgang nehmen würde. Aber 's ist schon recht so, und ich gönn Euch die Freude von Herzen!«

»Potz Velten und Bastel, ich bin der Schulz von Windsberg, ein Mann und bedeut was! – Habt ihr mich und die Mutter ganz vergessen?« lärmte der Schulz am Treppenrand. »Kommt rauf und sagt: ist's in Ordnung?«

»Einen, – nein hundert, tausend Grüße von meinem Paten,« rief Heiner, eilte die Treppe hinauf und schüttelte Vater und Mutter die Hand. »Alles ist in Richtung und Ordnung! Meine Patenleute sind ganz glückselig, mein Pate hat sich gleich auf den Weg ins Amt gemacht, in Schottendorf erwartet er Euch!«

»Ich sag's ja, der Zipfelschneider ist ein Mann und bedeut't was, trotz einem Schulzen,« sagte der Schulz heftig, um seine Rührung zu bemeistern. »Der Herrgott sei gelobt und gepriesen! Alte, hol mir gleich meine Pudelkappe und meinen Stecken, mein Kriegskamerad soll nicht auf mich warten!«

»Noch eins, Schwieger,« sagte Heiner, indem eine tiefe Röte in sein Gesicht stieg. »Ihr waret mir von jeher zugetan, habt mir nichts als Guttat erzeigt, solang ich mich besinnen kann, – schlecht dankte ich Euch! – Schwieger, und wenn ich hundert Jahr alt werd, den einen Tag vergeß ich nie, niemals werd ich aufhören zu bereuen, was ich damals getan. – Ich entschuldige mich nicht, aber von Herzen bitt ich: verzeiht und vergeßt die Schmach, die ich Euch angetan! Vor Gott gelob ich's: an Eurem Kind, der Karline, will ich gut machen, was ich dort verdorben.«

Die Frauen weinten, der Schulze schüttelte Heiners Hand und schrie: »Potz Velten und Bastel, ich sag's ja, ich bin der Schulz von Windsberg, ein Mann und bedeut was! – Ich hätte nichts gesagt, Heiner, denn jenes Tages darf ich mich nicht rühmen, aber schwer auf dem Herzen gelegen hätte mir die Geschichte doch. Aber nun ist's gut, in Wahrheit alles, alles gut! – Ich sag's: einen bessern Schwiegersohn wollt ich mir nicht wünschen, ich hab in den zwei Jahren Respekt vor dir kriegt, Heiner, und weiß, meine Karline ist bei dir gut aufgehoben! Und sie verdient's, daß ihr's gut geht, Heiner, 's ist ein Rackermädle, sag ich dir, ein Rackermädle! Eine Kuraschiertheit und Schneid hat sie an sich. Du wirst's schon auch noch spüren! Ja, ich sag's, man merkt's gleich, ihr Vater ist 166 ein Mann und bedeut't was! – – So! – Hansmichel, gleich mach dich auf die Bein und bestelle die Windsberger, Grumbacher und Lindenbrunner Nachbarn auf heut abend nach Buchbach. Sag, 's dürft keiner daheim bleiben, ihre Weiber und Kinder sollten sie auch mitbringen, wir feierten heut abend das Friedensfest und die Freierei meiner Karline mit dem Schneidersheiner, – alle wären meine Gäst! – So lauf! – Was wird's aber mit dir, Alte?«

»Geh, du alter Narr,« lachte sie unter Tränen und packte Butter, Käse, Wurst und Schinken, Kaffee und Zucker in ihren Korb. »Ich bin da, wo ich hingehöre, bei der alten Schwieger in Buchbach! – Mach, daß du fortkommst, sei vernünftig und verfalle nicht wieder auf dumme Streiche!«

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