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Unter der Peitsche

Es ist mir von vielen Seiten gesagt worden, in Kritiken, in Briefen, von bedeutenden Männern und geistreichen Frauen, daß meine »Venus im Pelz« Das Vermächtniß Kains, Novellen von Sacher-Masoch. Erster Theil: Die Liebe. eine Abnormität behandle, daß sie mehr ein pathologisches als poetisches Interesse errege. Ich muß gestehen, daß ich auf jeden anderen Vorwurf gefaßt war, nur nicht auf diesen. Indem ich in einer Reihe von Novellen die Liebe, ihre verschiedenen typischen Erscheinungen behandelte, konnte ich an der rein sinnlichen Liebe nicht prüde vorübergehen; sobald ich aber einmal diesen Vorwurf erfaßt hatte, mußte ich sofort auf einen zweiten, auf ein noch ungelöstes Problem stoßen: auf die innige Verwandtschaft von Wollust und Grausamkeit.

Die Handlung, welche ich mit diesem Problem in meiner »Venus im Pelz« in Verbindung gebracht habe, mag etwas sehr Apartes haben, abnorm ist der Vertrag, durch welchen ein gebildeter Mann in unserer nüchternen Zeit freiwillig und in allem Ernst der Sklave seiner Geliebten wird, abnorm sind viele der Szenen, der Wendungen, aber der Kern der Geschichte ist normal, denn es ist ein Gesetz der Natur, nicht erklärt noch, aber festgestellt, daß Wollust Grausamkeit erzeugt und umgekehrt. Und gerade in der weichen, sinnlichen Natur des Weibes ist dieser Proceß ein ganz gewöhnlicher, wenn er sich auch nicht immer so phantastisch äußert wie bei meiner Heldin.

Auch den Pelz, mit dem ich meine Heldin umkleide, hat man mir übel genommen, und doch ist er das normale Attribut der Herrschaft und Schönheit, der Tyrannei, der Wollust und Grausamkeit.

Übrigens beruht meine »Venus im Pelz« vollkommen auf Thatsachen, so zwar, daß aus einer Reihe wirklicher Geschichten die eine poetische – meine Novelle – heranwuchs. Ich will heute eine davon erzählen, welche ganz speziell den Satz illustriren soll, daß das Weib gut ist, wo es liebt und wieder geliebt wird, grausam jedoch, wo es nicht liebt, sich aber geliebt weiß.

Die Heldin meiner Geschichte ist heute in Wien und ist eine der schönsten Frauen der österreichischen Aristokratie. Ihren Namen darf ich selbstverständlich nicht nennen, ja nicht einmal andeuten, aber statt des Namens will ich ihr Porträt geben und so wahr und getreu malen, wie ich nur vermag.

Sie ist Baronin und ist heute noch jung und schön; als die Geschichte spielte, war sie um etwa fünf Jahre jünger und – nicht bloß im Verhältniß zu anderen Frauen – sondern überhaupt das verführerischste Weib, das die Phantasie eines Poeten ersinnen, das der Pinsel eines Mackart malen kann.

Sie war ideal bis zu ihren kleinen rosigen Zehen herab, bis in die kleinsten Haarspitzen, welche lose auf ihre ewig heitere olympische Stirne fielen. In vollendeter Harmonie der Proportionen war sie weder groß noch klein, zugleich schlank und üppig; sie hatte den Bau einer griechischen Statue und den zugleich plastischen und pikanten Kopf einer Marquise aus der Rokokozeit, einer Pompadour, und in diesem wunderbaren Antlitz hatte sie ein Paar grüne Augen von einem Ausdruck, der sich nicht schildern läßt, dämonisch innig und eisig kalt zugleich, die Augen einer Sphynx; und eine Flut dunkler Haare, welche über den Nacken bis auf den Rücken herabfiel, denn es war im Sommer auf dem Lande bei Wien, und sie war immer sehr decolletirt.

Das Hinreißendste an dieser Frau war aber ihr Gang; sie ging mit Esprit, mit aller Poesie der Wollust; das Herz blieb Einem stille stehen im Leibe, wenn man sie das erste Mal gehen sah.

Und sie konnte lieben, lieben wie eine Löwin, und sie liebte einen Mann, den ihr Besitz so wahnsinnig machte, daß er die höchste Seligkeit darin fand, nichts weiter zu sein als ihr Sklave.

In einer heiligen Liebesnacht lag er zu ihren Füßen und bat in höchster Verzückung: »Mißhandle mich, damit ich mein Glück ertragen kann; sei schlecht mit mir, gib mir Fußtritte statt Küsse –«

Das schöne Weib sah den Geliebten mit ihren grünen Augen seltsam an, eisig und doch verzehrend; dann ging sie durch das Zimmer, schlüpfte langsam in eine prachtvolle weite Jacke von rothem Atlas, reich mit fürstlichem Hermelin besetzt, und nahm eine Peitsche von ihrem Toilettetisch, eine lange Peitsche mit kurzem Stiel, mit der sie ihre große Dogge zu strafen pflegte.

»Du willst es«, sagte sie, »ich werde Dich also peitschen.«

»Peitsche mich«, rief der Geliebte, noch immer auf den Knien, »ich bitte Dich darum.«

»Aber ich werde Dich vorher binden, damit Du Dich nicht zur Wehre setzen kannst –«

»Ich mich wehren, was fällt Dir ein?«

»Genug, ich will es«, entschied die schöne Frau und ohne weiter zu fragen, löste sie die starke seidene Schnur, mit der ihre Pelzjacke gegürtet war, und band dem knienden Manne die Hände auf den Rücken wie einem Delinquenten.

»Nun – peitsche mich«, rief der vor Wollust trunkene Mann.

Sie lachte und holte zu einem Hiebe aus, der mit unbarmherziger Gewalt in seinen Rücken schnitt; im nächsten Augenblicke aber warf sie die Peitsche weg und schlang zärtlich die Arme um seinen Hals. »Habe ich Dir weh gethan?« fragte sie besorgt, »verzeih' mir, ich bin ein abscheuliches Geschöpf.«

»Peitsche mich nur, wenn es Dir Vergnügen macht«, sagte der Geliebte.

»Aber es macht mir kein Vergnügen.«

»Ich bitte Dich, peitsche mich«, rief er.

»Ich kann nicht, ich liebe Dich zu sehr«, erwiderte die Baronin und löste seine Bande – »aber ich möchte einen Menschen peitschen, den ich nicht liebe, das wäre ein Genuß.«

Wenige Tage nach dieser seltsamen Scene ließen sich die Liebenden zum Andenken an dieselbe photographiren, die Baronin in ihrer Pelzjacke auf einer Ottomane ruhend, die Peitsche in der Hand, ihr Anbeter zu ihren Füßen. Das Bild war eben so originell als fesselnd, und als der Sklave der schönen Frau nicht lange darnach einen Freund gewann und derselbe es zufällig zu sehen bekam, geriethen alle seine Sinne so sehr in Aufruhr, wurde seine jugendliche überreizte Phantasie so entzündet, daß er den Freund nicht allein um das schöne Weib in der fürstlichen Pelzjacke, sondern sogar um die Peitschenhiebe von ihrer kleinen weißen Hand zu beneiden begann.

Der Zufall wollte, daß die Baronin, welche weder prüde noch bedenklich war, in diesem Augenblicke mit ihrem Sonnenschirm an das Fenster ihres Sklaven pochte – dieser wohnte nämlich ebenerdig – es war dies das Signal zur Promenade.

Ihr Anbeter eilte mit seinem jungen Freunde auf die Straße und benützte die Gelegenheit, den neuen Fanatiker der vielumworbenen, sieggewohnten Frau vorzustellen. Der Eindruck der lebendigen Schönheit übertraf noch jenen der photographirten, der arme jugendliche Schwärmer ging wie im Fieber neben der liebenswürdig lächelnden Göttin, im Fieber trank er an demselben Abend bei ihr den Thee und bestieg im Fieber den Zug, um nach Wien zurückzukehren.

Er kam aber bald wieder und stieg diesmal bei seinem glücklichen Freunde ab; er begann damit, diesem offen seine Leidenschaft für die Baronin zu beichten, und endete damit, ihr selbst ein Geständnis abzulegen. Die Baronin lächelte.

Der junge Schwärmer sprach hierauf von dem seltsamen Bilde, von dem berauschenden Eindruck, den es auf ihn gemacht.

»Aber das Bild ist eine Lüge«, schloß er.

»Wie?« rief die Dame.

»Mein Freund liegt als Sklave zu ihren Füßen, und das ist mindestens eine Phrase, denn die Peitsche ist wohl nie gebraucht worden.«

»Doch!« – Die Baronin lächelte wieder.

»Sie haben ihn gepeitscht!« schrie der Fieberkranke auf.

»Gewiß.«

»Und ist es Ihnen ein Genuß, einen Menschen zu peitschen?«

»Einen Menschen, der mich liebt? – gewiß!« entgegnete die schöne Frau; in ihren Augen lauerte etwas Böses.

»Nun, so peitschen Sie mich!«

Die Baronin sah den jungen Fanatiker einen Augenblick lang an, dann lächelte sie, aber diesmal so, daß ihre prachtvollen Zähne sichtbar wurden.

»Aber, wenn ich peitsche, peitsche ich im Ernste«, sagte sie, »und vor unserm Freunde.«

»Vor der ganzen Welt, wenn Sie wollen«, sagte der Wahnsinnige, »aber Sie ziehen dazu Ihre Pelzjacke an.«

Eben trat ihr Anbeter ein. Sie erklärte ihm Alles mit wenigen Worten und verschwand dann, um bald in einer fließenden, weißen Atlasschleppe und ihrer rothen, hermelinbesetzten Jacke zu erscheinen, die Haare mit Perlen durchflochten, Stricke und die Hundepeitsche in der Hand.

»Ich werde Sie binden«, sagte sie.

Der junge Schwärmer hielt die Hände hin.

»Nicht so.« Das schöne Weib band ihm mit unglaublicher Geschwindigkeit die Hände auf den Rücken dann die Füße, sodaß er stehen, aber sich nicht bewegen konnte, und fesselte ihn dann an das Fensterkreuz. »So«, sagte sie dann mit räthselhaftem Lächeln, schürzte den weiten, pelzbesetzten Ärmel ihrer Jacke auf und betrachtete ihr Opfer einen Augenblick mit grausamem Vergnügen.

Und nun begann sie zu peitschen; er zuckte bei jedem Hiebe zusammen, aber er war Mann genug, nicht den leisesten Ton des Schmerzes von sich zu geben, Mann genug, auch dann nicht um Gnade zu bitten, als schon sein Blut unter der Peitsche des schönen Weibes floß, das ohne Erbarmen lospeitschte, bis es selbst müde war.

Dann warf sie die Peitsche weg, gab ihrem Geliebten einen Kuß und streckte sich auf den üppigen Sammtpolstern ihrer Ottomane aus.

Und die Pointe?

Der Mann, den sie gepeitscht hatte, war von der Stunde an ihr Sklave, aber sie – sie fand es bald nicht einmal der Mühe werth, ihn zu peitschen.


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