Johann Kaspar Riesbeck
Neue Briefe, für und wider das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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XIV. Brief.

Antwort auf den vorhergehenden.

Machen Sie sich auf eine ernstliche Unterhaltung mit mir gefaßt. Ich gebe die Sache der Mönche noch nicht verlohren. Sie sollen in gegenwärtigem Schreiben die Antwort auf ein Argument wider die Ordensgeistlichen antreffen, das bisher unüberwindlich schiene. Wissen Sie wohl, daß der ehelose Stand dieser Leute eine wahre Wohlthat für sie selbst und für das menschliche Geschlecht überhaupt ist? Das möchte ich hören, werden Sie sagen. Verurtheilen Sie mich nicht voraus; sondern geben Sie Achtung, wie ich meinen Beweis führen werde. Der Cölibat ist eine Wohlthat für die Mönche selbst. Das ist das erste. Er ist vortheilhaft für ihren Leib und Gesundheit; vortheilhaft für ihre Seele; und dann auch für ihr ganzes äusserliches Verhältniß. Daß der ehelose Stand der Gesundheit sogar keinen Schaden bringe, daß er ihr vielmehr nütze, darüber habe ich mit einsichtsvollen Aerzten ausdrücklich gesprochen, und auch gründliche Bücher nachgeschlagen. Es würde ein wenig schmutzig herauskommen, wenn ich die Sache hier ausführlich abhandeln wollte. Begnügen Sie sich also mit dem wenigen, das ich Ihnen jetzt sagen kann. Ich will mehr a posteriori gehen. In keinem Stand giebts ältere und gesündere Leute, als unter der Römischkatholischen Geistlichkeit in und ausser den Klöstern. Das ist unwidersprechlich. Ich habe vor mehrern Jahren eine Liste aller lebenden Cardinäle zu Gesicht bekommen, auf der der Tag ihrer Geburt angemerkt war. Ich erstaunte, als ich sah, welch ein hohes Alter die allermeisten erreichen. Die nächste Ursache davon, auf die mich die von Medicis erlernte Gründe führen, ist die Keuschheit, in der diese Herren ihre Tage zubringen. Verschonen Sie mich mit der hämischen Anmerkung, die ich schon voraus sehe, daß Ehelosigkeit nicht allemal Keuschheit beweise. Sie wissen ja, daß keine zuverläßigere Zerstöhrerinn der Gesundheit und des Lebens der Menschen ist, als die Unkeuschheit in und ausser der Ehe. Ausser der Ehe noch viel mehr. Die vor unsern Augen wandelnde Gerippe von Menschen, deren bleiche Gesichter, schwankender Gang, spitzige Nase, hervorhangende Augen und stinkender Athem laute Prediger ihrer Ausschweifungen sind, sprechen für meinen Satz; so wie die lebhafte Farbe, die man auf den Gesichtern so vieler Mönche und Nonnen sieht, es unwiderleglich macht, daß Keuschheit die Hüterinn unserer Gesundheit und unsers Lebens ist. Ich hoffe, Sie werden mich recht verstehen, und das nicht weiter, als sich gebührt, ausdehnen, keine Klage daraus wider die Stifter des Ehestands, wider den Schöpfer zweyerley Geschlechter machen, und mit Einem Wort mir einräumen, was nicht zu läugnen ist. Sie wissen, was der Lebensbalsam bey dem männlichen Geschlecht ist. Ihn erhalten und nicht versprüzen, muß der Natur eine ganz besondere Festigkeit geben, wie mir erst neulich ein gewissenhafter und rechtschaffener Mönch sagte, da wir in unsern Unterredungen auf diese Materie kamen. Und glauben Sie nicht, daß der Schöpfer, der ja doch alles voraussieht, und also auch den Stand, in den ein jeder Mensch dereinst treten wird, bey dem Bau des Körpers eines solchen Menschen, auch darauf, wenn ich so menschlich reden darf, den Bedacht werde genommen, und ihm nicht so viel von jenem Balsam gegeben habe, als einem andern, dessen Beruf es einmal seyn würde, das menschliche Geschlecht fortzupflanzen? Denke Sie dem, was Sie hier lesen, reiflich nach, Sie werden mir gewiß Recht geben. Die Ehelosigkeit ist aber auch eine Wohlthat für die Mönche, in Ansehung ihrer Seele. Gott mit ungetheiltem Herzen dienen können; durch keine Sorgen der Nahrung für seine Familie gequält werden; dadurch, daß man weiß, man werde in seinem Leben nicht in den Ehestand treten, vor allen Gedanken und Phantasien, die andern, wenn sie nur eine Manns= oder Weibsperson erblicken, gleich ein Gewirre in ihr Gemüth machen, bewahrt bleiben; durch die lange Uebung der Keuschheit sich je mehr und mehr in dieser vortreflichen Tugend festsetzen, durch Abtödtung seiner selbst sich des doni castitatis je länger je fähiger und würdiger machen, sollte das kein Vortheil für die Seele seyn? Ich habe als ein Politicus schon oft die Mönche in diesem Stück beneidet. Wir Laien wollen auch in den Himmel kommen; aber wie schwer wird es uns, wenn wir uns mit jenen vergleichen! Ich will hier nur bei den Hindernissen der Seeligkeit, die man im Ehestand findet, stehen bleiben. Mein, wie viele sind deren! In den Jünglingsjahren vertändelt man manche Zeit, bis man eine Person findet, bey der man glücklich zu seyn hofft. Man läßt sich durch die Leidenschaften des Ehr= und Geldgeitzes, der Wollust, von einem Gegenstand zum andern hinreissen. Heut gefällt diese; morgen eine andere. Endlich bricht man mit seinem Entschluß los, und wählt, und wird gemeiniglich – betrogen – Lassen Sie doch das Ihre liebe Frau nicht lesen. Sonst giebts Auftritte, die schlimmer sind, als der mit Ihrem lieben Xaver. Setzen Sie den Fall, daß einer in seinem Ehestand den rechtschaffenen, tugendhaften, gottseeligen Mann machen will. Er hat sich ein Frauenzimmer ausersehen, die er für tüchtig hielt, durch sie in seinen löblichen Absichten gefördert zu werden; die in ihrem ledigen Stand alle gute Hofnung von sich gab, daß sie jeden, der sie zur Gattin bekäme, glücklich machen würde. Aber – die Scene ändert sich. Die liebe Hälfte, in deren Besitz man sich den Himmel versprach, findet für gut, die Maske abzunehmen, und dem Ehemann eine – Xantippe zu zeigen. Das Christenthum, das sie vorher von sich blicken ließ, war nur Firniß; ihre Tugend bloß angenommenes Wesen, um damit geschwind, weil doch Lasterhafte immer lieber Tugendhafte, als ihres gleichen, zu Gatten haben wollen, einen Mann zu erhaschen; ihre Sittsamkeit wird zur Arglist; ihre Stille zu heimtückischem Wesen, ihre Liebe zur Reinlichkeit verwandelt sich in Hang zu Pracht und Staat, ihre ihre Sparsamkeit wird zum Geiz; das gefällige Wesen, das sie in den ersten Wochen des Ehestandes zeigte, verliert sich, und Herrschsucht kommt an seine Stelle. Der Mann findet die Sache ganz anders, als ihm seine süßen Träume ehmal gesagt hatten. Er braucht gute Worte, um seine Juno in eine Penelope umzuschaffen. Er kehrt das Rauhe heraus, wenn jenes nicht helfen will. Er redet, und schweigt – und lacht, und weint. Aber alles vergebens! Der Mann verfällt aus Verzweiflung auf Abwege, um sich den Unmuth zu vertreiben; wird lasterhaft, verwünscht alle Freuden des Ehestandes, und eilt der Hölle zu, da er, wenn er ein Mönch geworden, und ausser der Ehe geblieben wäre, nach seiner guten Anlage hätte zum Heiligen werden können. Er geht also verlohren, und das darf er niemand beymessen, als derjenigen Person, in deren Umgang er den Himmel auf der Erde zu haben gemeynt hatte. Glückliche Mönche! von allen diesen Versuchungen, und noch von weit mehrern seyd ihr frey. Euer Geschäft ist, den ganzen Tag euer Gemüth mit göttlichen Dingen zu unterhalten, ohne durch jemand darinn gestört zu werden. Eure Seele und Seeligkeit ist in Sicherheit, wenn verheurathete Personen mit genauer Noth, und noch dazu der wenigste Theil, dem ewigen Verderben entrinnen.

Getrauen Sie sich wohl, etwas hiewider einzuwenden, lieber Freund? Ich sehe zwar Ihren spitzigen Pfeilen, die Sie auf mich in Ihrer Antwort losdrücken werden, schon entgegen. Aber Sie wissen ja: tela praevisa minus nocent – und Sie sollen noch einen Beweis hier lesen, daß der ehelose Stand eine Wohlthat für die Mönche sey, der, wenn Ihnen auch das bisherige nicht ganz sollte Genüge gethan haben, vollends gar entscheiden muß. Der Cölibat ist ein Vortheil für sie, in ihrem ganzen äusserlichen Verhältniß betrachtet. Durch den Ehestand tritt man in eine Menge von Verbindungen mit der Welt, auf die man in seinem Thun und Lassen immer Rücksicht zu nehmen hat. Man bekommt Anverwandter, die man vorher nicht gehabt hatte. Es ist oft sehr schwer, sich von ihnen loszuwickeln, wenn sie uns in ihr Interesse ziehen wollen; und mehrmalen erfordert es unser eigener Vortheil, sich mit ihnen einzulassen. Von dem allem weiß ein Mönch nichts. Er hat kein anderes Interesse, als das heil seiner Seele; keine andere Verbindung als mit der Kirche, seiner Mutter. Er ist ja sogar aus seinem Vaterland, aus seines Vaters Haus und aus seiner Freundschaft ausgegangen; er hat alles Irdische verlassen. Er wandelt nur noch auf Erden, unter den Menschen; aber sein Sinn und Herz gehet über Erde und Welt hinaus; und es ist, als ob er nicht mehr zu den Bürgern der Welt gehörte, wenn wenn er schon unter ihnen lebt und wandelt. Seiner leiblichen Bedürfnisse halber muß er zwar oft mit Weltmenschen umgehen; das thut er aber immer unter heimlichem Seufzen und genauer Wachsamkeit, daß er nicht beschmitzt werde, und Schaden an seiner Seele nehme. Auf diese Weise schlägt er sich durch; und da ihn keine Frau und Kinder in seinem geistlichen Betrachtungen stören; da er nicht nöthig hat, für sie auf die Zukunft zu sorgen, sich oder ihnen gute Freunde zu machen, und diesen zu Lieb oft einen Schritt zu thun, der einen sauer ankommt; so ist es, denke ich, in den Augen eines jeden Unparteyischen ausgemacht, daß der Mönch auch in Ansehung seiner ganzen äusserlichen Verhältniß dadurch unendlich beglückt ist, daß ihn die Kirche vom Ehestand dispensirt.

Ich habe Ihnen oben versprochen, daß der Cölibat der Mönche auch eine Wohlthat für des menschliche Geschlecht überhaupt sey. Sie müssen mir das noch lesen, wenn Ihre Geduld auch nur noch an einer Spinnwebe hienge. Es ist mir unbegreiflich, daß bisher niemand von den warmen Vertheidigern des Mönchsstandes auf diese Entdeckung gefallen ist, die ich hiemit Ihrem reifen Urtheil heimstelle, und auf die ich mir mehr, als auf alles, was ich bisher diesen guten Leuten zum Vorschub gesagt habe, einbilde. Gesetzt, es hätte seine Richtigkeit, was man seit geraumen Jahren so mit Heftigkeit behauptet, und so behauptet, daß fast niemand das Herz hat, ein Wort dawider zu sagen; ein Fürst müsse das zur Hauptsache machen, seine Staaten zu bevölkern; sein wahrer Reichthum bestehe in der Menge von Unterthanen; um diese zu vermehren, müsse er alles thun, und aus andern Ländern mit Anbietung allerhand Vortheile Leute in die seynigen herbeylocken. Gesetzt, sage ich, das hätte seine ausgemachte Richtigkeit – wiewohl die Herren Politiker, die so aus vollem Halse schreyen: Fürsten, bevölkert eure Staaten! Auch den Fürsten zeigen sollten, wie man den Unterthanen zu essen geben sollte: so kann man doch nicht in Abrede seyn, daß es Zeiten geben könne, in denen man Entvölkerung wünschen muß. Man denke an die Jahre 1770. 1771. und zum Theil 1772. zurück. Diese sind nun, Gottlob, vorbey, und dürften so bald nicht wieder kommen, welches der Himmel geben wolle! Aber damal war eben doch die große Menge Volks kein Seegen. Wo nehmen wir Brod her in der Wüste? hieß es in jenen Jahren. Wie wenig war das, was die Erde damals hervorbrachte, unter so viele! Glauben Sie noch nicht, daß es zu viele Menschen geben könne? Ich weiß nicht, was für ein neuerer Schriftsteller, (ich glaube, es ist Jerusalem, – Ihnen darf ichs wohl sagen, daß mir auch bisweilen Schriften von Protestanten unter die Hände kommen – ) den Ausdruck irgendwo gebraucht: alles scheine einen allgemeinen Banquerout der Natur zu drohen, und alle Cabinette der Fürsten vereinigen sich mit den Societäten der Wissenschaften, den fürchterlichen Folgen davon vorzubauen. Die Aecker, die Bergwerke, die Forsten, die Viehzucht, nichts scheine für die nöthigen Bedürfnisse mehr hinreichend zu seyn. Man mache Versuche über Versuche, wie man der Erde eine größere Fruchtbarkeit geben, das Korn vermehren, die Holzungen vervielfältigen, die Landesprodukte verreichern, und neue Quellen entdecken möge. Was bedarfs dieser Klagen? Man steure der allzustarken Bevölkerung, so wird dem Banquerout der Natur vorgebogen. Tausend Personen essen und trinken nicht so viel, und brauchen nicht so viele Kleider, als zehentausend. Und warum soll die Volksmenge vortheilhaft seyn, wenn sie sich nicht ernähren können? Lieber eine halbe Million Unterthanen weniger, die Nahrung haben, als 500.000 Seelen mehr, die nach Brod schreyen. Sie wissen aus der Geographie, daß China das bevölkertste Land in der Welt ist. Man ließt die Nachrichten davon mit Erstaunen. Städte, worinn 1 – 2 Millionen Menschen sind, und deren nicht nur Eine, oder zwo. Dörfer, die mehr Leute enthalten, als Paris und London. Ausserdem ist das Reich eines der fruchtbarsten auf dem Erdboden. Ein jeder Fleck Landes ist angebaut. Der Ackerbau ist in dem grösten Ansehen; und um ihn dabey zu erhalten, pflegt der Kaiser alle Jahre Einmal in in Begleitung seines Hofstaats mit großer Feyerlichkeit selbst mit eigener höchster Hand einen Acker zu pflügen. Dem ungeachtet ist die Armuth nirgends größer, als in China. Die Menge des Volks ist zu groß. Man behauptet, es enthalte 158 Millionen Einwohner. Eine fürchterliche Anzahl! Sie haben nicht alle Platz in Städten und Dörfern, so daß ganze Flüsse mit Schiffen angefüllt sind, die Jahr aus Jahr ein darinnen, wie in den Häusern, wohnen. Diesem Unheil in China wäre durch eine tüchtige Anzahl von Mönchs= und Nonnenklöstern bald gründlich abgeholfen. Die Ehelosigkeit würde bald mehr Platz in diesem Kaiserthum machen. Mich wundert, daß die Jesuiten, die ehmal in so großem Ansehen darinnen standen, und die immer gegründete Ansprache auf gute Einsichten in allen Dingen, also auch in der Staatskunst, Policey und dem Cameralwesen machen konnte, dem Kaiser und den Großen nicht die Augen in diesem Stück geöfnet haben. Doch, wer weiß, was geschehen wäre, wenn sie das Glück gehabt hätten, den Kaiser, den Hof und das ganze Reich zum christkatholischen Glauben zu bekehren? An Klöstern von allen Orden würde es alsdann nicht gefehlt haben, und dadurch müßte in 20 – 30 Jahren die ungeheure, der Armuth beförderliche und den Staat nachtheilige Volksmenge ganz gewiß verringert worden seyn. Die Kriege nehmen heut zu Tage bey weitem nicht so viele Leute mehr weg, als ehemalen, seit dem sich die Kriegskunst nicht nur geändert hat, sondern auch die Großen der Erde Länder ohne Schwertstreich zu erobern wissen, und durch Traktaten ihre Staaten zu vermehren, die Kunst gelernt haben. Dabey nimmt die Anzahl der Menschen und mit dieser die Bedürfnisse, auch solche, die der Luxus erfunden hat, immer mehr zu. Diese seegnen sich freylich über ihrer mehreren Bevölkerung vor den Katholischen. Aber es wird nicht lange mehr anstehen, so werden sie darüber, freylich nicht zu ihrem Vergnügen, zurecht gewiesen werden. Je mehr es Menschen in einem Land, oder in einer Stadt giebt, desto höher ist auch der Preis der Lebensmittel, und desto drückender für die Armen, deren immer die gröste Anzahl ist. Wohlfeile Zeiten sind ja allezeit angenehmer, als theure. Jene hat man zu gewarten, wenn der Leute nicht zu viele sind. Und diesen Endzweck befördert nichts so zuverläßig. Als die Mönche und Nonnen, und zwar diese, in so fern sie ihr Leben ehelos zubringen. Sie müßten sehr ungerecht seyn, wenn Sie nun noch einen Augenblick anstehen wollten, meinem Beweis, den ich in diesem Brief geführt habe, seine volle Kraft zuzugestehen, daß der ehelose Stand der Geistlichen eine wahre Wohlthat für die menschliche Gesellschaft überhaupt sey. Ich bin meiner Sache dießfalls so gewiß, daß ich keine Wort mehr darüber verlieren will. – Nur noch das, ehe ich schließe. Warum haben Sie mir nicht auf die Stelle aus Schmids Geschichte der Deutschen: daß die Mönche so viel öde Plätze angebauet haben, geantwortet?

Ich bin etc.


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