Johann Kaspar Riesbeck
Neue Briefe, für und wider das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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X. Brief.

Antwort auf den vorhergehenden.

Da haben wirs, wir Antimönche! Jetzt sind wir mundtodt, und es ist uns nichts übrig, als uns dem nächsten besten Pater aus einem Franciskanerkloster in die Arme zu werfen, ihm zu beichten, ihm unsere Einfälle wider die Mönche ohne Rückhalt als die verdammlichsten Versündigungen zu bekennen, und uns den strengsten Büßungen, als einer heilsamen Arzney wider unsere verderbliche Seelenkrankheiten, mit der grösten Geduld zu unterwerfen. Dahin wird es noch mit uns kommen; das folgt aus Ihrem Brief, lieber Freund, wenn Sie schon nicht gleich errathen werden, wie ich diesen Schluß aus demselbigen herleite. Kleine Geduld! Sie sollen den Beweis jetzt gleich lesen. Sie schreiben mir, »die Mönche werden mit ihrem Gebet für den Riß stehen, und durch Ihre heissen Seufzer, die sie gen Himmel schicken, das ihnen drohende Ungewitter gewiß abwenden. Sie werdens zuwegebringen, daß den Schriftstellern , die ihre Feder wider sie, als solche unschuldige Lämmer, in Galle tauchen, die Hände gelähmt, und bey diesen, die aus Irreligionismus bereit sind, den Mönchen den letzten Herzstoß zu geben, zur Erfüllung gebracht werde, was dort der Prophet sagt: Beschliesset einen Rath, und es werde nichts daraus, beredet euch, und es bestehe nicht!« Ein kalter Schauer muß bei Lesung dieser Worte einem jeden, der sein Scherflein auch zur Zurechtweisung der Mönche, und zur Verbesserung der Klöster in der Katholischen Kirche, beyzutragen sich in seinem Gewissen verbunden erachtet, ohne sich doch durch unordentliche Leidenschaften, oder durch andere unlautere Absichten bey seinem Schreiben leiten zu lassen, durch alle Glieder fahren. Es ist wahr, der Einfall ist scheinbar. Er gründet sich auf einen Spruch, der in der Bibel steht: »Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.« Wenn das seine Richtigkeit hat, werden sie sagen, so ist mit allen Versuchen wider diese guten Leute nichts ausgerichtet; so ist alles verlohren, was auch, um jene zu stürzen, zuwegezubringen getrachtet wird. Denn der Himmel ist doch mächtiger, als die Erde, und er wird sich derer ohne Zweifel annehmen, die als Geistliche es mit ihm und nicht mit der Erde halten, die sich durch Enthaltung alles dessen, was von der Welt ist, einen himmlischen Sinn angewöhnen, die durch Ertödtung der Glieder, die auf Erden sind, zeigen, daß sie nicht von der Welt, sondern schon, so lange sie auch hienieden wallen, Himmelsbürger seyen. Das alles ist gut gesagt, daß viele ernstliche Gebete in den Zellen für die Erhaltung des Mönchsstandes und der Klöster gen Himmel steigen. Aber ich habe eine gedoppelte Bedenklichkeit auf dem Herzen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will. Die Erste ist diese: Sie scheinen, es für ausgemacht anzunehmen, daß Mönch seyn, und Gerecht seyn, ganz einerley sey. Daran zweifle ich, so gut katholisch, und so gewiß ich allen rechtschaffenen Leuten, sie mögen im geistlichen oder weltlichen Stande, im Kloster, oder auf einer Pfarre, oder bey einem Domkapitel seyn, von Herzen gut bin. Nein, das wäre zu weit gegangen, wenn man behaupten wollte, alle Mönche seyen Gerechte; eben so übertrieben, als wenn sich einer unterstehen wollte, das Subjekt und Prädikat mit einander zu verwechseln, und sagen: Alle Gerechte seyen Mönche. – Es giebt freylich Mönche, und Freunde der Mönche, die das glauben. Das erinnert mich an ein Gemälde, das ich einstens auf meiner Reise in Bayern in einer Kirche an einem Hochaltar sahe. Die Enthauptung Johannis des Täufers wird vorgestellt, und die Jünger dieses Mannes Gottes, die ihn begraben, sind Capuciner. Hilf Himmel, was das für ein Einfall ist, aber auch zugleich für ein unumstößlicher Beweis des großen Alterthums dieses ehrwürdigen Ordens. Man sollte nicht mehr über jenen Maler lachen, der den Teppich des Esels, auf dem Christus seinen Einzug nach Jerusalem hielt, mit den Wappen der 13 Schweizer Cantons versahe. Also, Freund, besinnen Sie sich, und trauen Ihrem Schluß nicht mehr: Wenn des Gerechten Gebet viel vermag, so werden die Mönche über ihre Feinde siegen. Ich bin aufs neue in meinen heimlichen Zweifeln wider die Gottseligkeit der Mönche, die man die man bisher ohne Rückfrage für so bekannt angenommen hat, durch die Piece: Nachrichten von Klostersachen, die schon im Jahre 1777 das Licht gesehen hat, mir aber erst vor 2 Tagen in die Hände gekommen ist, bestärkt worden. Um Sie nicht zu erzürnen, will ich Ihnen keinen Auszug aus dem Buche geben. Aber das versichere ich Sie, daß Sie erstaunen würden, wenn Sie es lesen sollten. Meine zwote Bedenklichkeit, bey der ich voraussetze, daß Sie mir die Wahrheit des Sazes nicht mehr bestreiten werden, daß nicht alle Mönche Gerechte seyen, ist diese: Entweder sind diejenigen, die in ihrem Gebet sich des bedrangten Mönchsstandes annehmen, Gerechte, oder nicht. Sind sie es nicht, nun so ist ihr Gebet vergiblich, und wenn sie sich, wie ehmal die Baalspfaffen, mit Messern rizten; das werden sie aber gewiß bleiben lassen. Sind sie aber wahrhaftig fromm und gottseelig, so werden sie zwar dem Himmel ihre Noth klagen; aber theils sich anheischig machen, wenn ein anders über sie verhängt seyn sollte, sich, anstatt zu murren, seinem Willen in Gelassenheit zu unterwerfen, und bessere Zeiten in Geduld zu erwarten; theils aber auch, wenn es ihnen ernstlich um die Ehre Gottes und um das geistliche Wohl der Menschen zu thun ist, Gott bitten, daß er selbst darein sehen, den in so manchen Klöstern, bey so manchen Orden, bey so vielen Mitgliedern dieser an sich ehrwürdigen Gesellschaften unläugbar herrschenden Aergernissen steuren, und es möge darnach mit den Mönchen gehen, wie es wolle, sich nur seiner armen Kirche in Gnaden erbarmen wolle. Ich denke, wider das werde sich nichts einwenden lassen, und bin in gewissem Verstande hierinn sogar Ihrer Meynung, daß ich würklich für besser hielte, wenn die Mönche, anstatt durch unüberlegte heftige Ausfälle auf ihre Feinde ein böses Gewissen zu zeigen und Blösse zu geben, sich, wie das lateinische Sprüchwort heißt, an die Waffen der Kirche, Gebet und Thränen, halten möchten. Der Pater aus dem Orden des H. Franciscus, der den oben angeführten Nachrichten von Klostersachen den aus der Pfüze herausfliegenden Goldkäfer entgegen gesetzt hat, hat bey vernünftigen Leuten gewiß aus Uebel Aerger gemacht. Ich will von dem Ausdruck nicht sagen, der in dieser Farce herrscht, und nicht schlechter und pöbelhafter seyn könnte; sondern die Verantwortung selbst, oder, wie er es nennt, die gründliche und heilsame Widerlegung aller gottlosen und ehrenrührischen Schriften wider die löbliche Gebräuche der Klosterleute, hätte nicht heilloser ausfallen können. Si tacuissetSi tacuisset – Si tacuisset, Philosophus esset: Hättest du geschwiegen, wärest du ein Philosoph gewesen [richtig: Si tacuisses, philosophus mansisses: Hättest du geschwiegen, wärest du Philosoph geblieben (d. h. weiterhin als Weiser gelten)] – Ich komme nun auf eine andere Stelle in ihrem Brief, worauf ich gleichfalls, und zwar desto bündiger, antworten muß, weil es scheint, Sie halten sich in diesem Punkt für unwiderleglich. Sie sagen, die Aufhebung der Bettelmönchsorden sey aus diesem Grund nicht einmal wahrscheinlich, und diejenigen, die den Fürsten rathen, werden solche nicht für empfehlungswürdig halten, wenn sie nur der Sache recht auf den Grund sehen wollten, weil die Finanzen nicht so viel dabey gewinnen würden, als sie z. E. durch die Aufhebung des Jesuiter Ordens gewonnen haben; die Bettelmönche haben selbst nichts, leben nur von der Gutthätigkeit anderer, von dem Almosen; ihr Terminiren müsse sie allein vor dem Hunger bewahren; wie man sich von Leuten bereichern wolle, deren vornehmstes Gelübde die Armuth sey, u. s. w. Wollen Sie mirs nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen sage, daß, so scheinbar auch dieser Einfall, so wie der vorige, seyn möge, ich mir doch nicht bange seyn lasse, ihn nach Nothdurft abzufertigen? Zuerst merke ich an, daß er für die Fürsten viel Beleidigendes enthält. Denn was heißt er in der Hauptsache anders, als so viel: Wenn die Bettelmönche für die Kirche noch so heilsam, ja gar unentbehrlich seyn sollten, so ist ihr Untergang unvermeidlich, so bald man überzeugt ist, daß er für die Einkünfte des Staats eine neue Quelle eröfnet. Hätten Sie das Herz, das einem Fürsten oder Minister unter das Gesicht zu sagen? Und sind Sie gewiß, daß Sie dafür nicht würden auf die Finger geklopft werden? Wahr ists, die Höfe werden alle Tage auf die Vermehrung ihrer Intraden aufmerksamer, man bietet allem auf, was zur Erreichung dieses in der That großen Endzwecks dienen kann. Das ist die Ursache, warum in unsern Tagen die Handlung, die sicherste Quelle der Reichthümer, immer höher getrieben, und immer eine Nation auf die andere eifersüchtig wird, die es darinn weiter zu bringen sucht. Aber daraus folgt noch lange nicht, daß einem Fürsten jedes Project zur Erhöhung seiner Einkünfte willkommen seyn müßte. Denken sie hierüber nur ein wenig nach, so werden sie mir Recht geben müßen. Ich sage also nur so viel: diejenigen Schriftsteller, die keine Freunde der Bettelorden sind, sind es, wenigstens einige, nicht deswegen, als ob durch ihre Aufhebung der Staat viel gewinnen, und in ihren Klöstern große Schäze zu erheben wären; sondern sie haben andere Rücksichten; und diejenigen Fürsten, die diesen Orden drohen, drohen ihnen auch nicht, wenigstens nicht alle, in der Absicht, ihre Schatzkammern mit dem Raub ihrer Güter aufzufüllen; sondern sie haben andere Beweggründe, die der Welt ja schon genugsam vor Augen liegen. Ich weiß es wohl, die Kronen Portugalls, Spanien und Frankreich müßen sichs bis auf diese Stunde noch nachsagen lassen, daß der Jesuiterorden ein Opfer ihrer Habsucht und der Begierde nach den Schäzen dieser Väter geworden sey. Aber gesagt ist noch nicht bewiesen. Und man weiß ja, daß ganz andere Machinen bey jener wichtigen Begebenheit mitgewürkt haben. Wenn das gälte, so würden andere Orden, z. E. der Benediktiner, auch vor der Aufhebung nicht sicher seyn. Jener Schluß beweißt demnach zu viel, und Sie wissen, was zu viel beweisen heißt. Nun aber will ich Ihnen einstweilen zugeben, wohlgemerkt, nicht eingestehen, daß das Grab der Bettelmönche deßwegen unmöglich nahe vor der Thür seyn könne, weil die katholischen Prinzen ihre Absicht, ihre Cassen aus demselben füllen zu können, gewiß um der Armuth dieser Leute willen nicht erreichen würden. Ist es Ihnen Ernst, mein Freund, mit dieser Behauptung? Sie werden sich bald bekehren, wenn Sie mich nur ein wenig anhören wollen. Ich will bey weitem nicht alles sagen, was ich sagen könnte; sondern nur das Unwidersprechlichste anführen. Hat der Fürst nicht genug gewonnen, wenn er seine Unterthanen zu wohlhabenden, ich will nicht sagen, reichen Leuten macht? Wer hindert aber den Nahrungsstand in katholischen Staaten am meisten? Lassen Sie mich abermal die Klöster der Benediktiner und anderer Orden, die ungeheure Einkünfte besitzen, mit Stillschweigen vorbeygehen. Diese Saite will ich jetzt gar nicht rühren; sondern hören Sie nur die Klagen der Protestanten an, in deren Nachbarschaft Bettelordensklöster sind, mit was für unaufhörlichen Besuchen diese von terminirenden Capucinern und andern belästiget werden. Armuth ist fast überall das Loos der Bauren, wenigstens der allermeisten. Der Abgaben an die Obrigkeit ist kein Ende. Wenn Gott ein fruchtbares Jahr schenkt, so kann der Landmann vor Angst, wie viel Posten er hie und da, wenns dem Winter zugeht, von dem Ertrag seiner Güter und seines Viehes zu berichtigen habe, der Freude über den schönsten Segen keinen Platz geben. Und wenn er endlich mit genauer Noth mit Schulden zahlen fertig ist, wenn er, ehe er auch noch für seine 6 – 8 Kinder etwas zurückgelegt hat, seinen Bissen in Ruhe und Frieden essen will, so kommt der terminirende Kloster Innwohner, und bettelt ihm beynahe seinen traurigen Rest ab; der Protestant giebt aus Mitleiden, und glaubt dem Bettler, was er ihm vorlügt. Der Katholik aber thut seine milde Hand aus abergläubischer Devotion auf, weil er den Haß und Fluch dieser Scheinheiligen fürchtet, und nicht so klug ist, ihn zu verachten. Setzen Sie noch diesen Umstand hinzu, wie viel Geld in die Hände mancher Bettelmönche kommt, die die Kunst, verlohrne Sachen zu finden, verstehen wollen. Das Responsorium des H. Antons beten zu lassen, dafür muß man etwas bezahlen. Diese Herren halten sich eximirt von dem Befehl Christ: Umsonst habt ihrs empfangen, umsonst gebt es auch. – Sie machens, wie jener Holländer, der einem Reisenden auf die Frage, wie viel Uhr es seye, die Weisung gab, nach der Uhrtafel zu sehen; und da der Reisende nun keine Verbindlichkeit weiter gegen seinen bequemen Freund auf sich zu haben glaubte, hinzusetzte: Ja, man muß bezahlen. Wie viel tragen Ihnen die Scapuliere, die Lucaszettelchen, die Amulete, die Hexenpantoffeln, die Verwahrungsmittel wider alle Unfälle zu Wasser und zu Land ein, mit denen sie einen ausschliessenden Handel treiben, und mit deren Verfertigung sie ihre edle zeit in ihren Zellen zubringen. Das geht alles über den gemeinen Mann her, den man am meisten schonen sollte. Die Vornehmere, wiewohl es auch unter ihnen noch Pöbel genug giebt, fangen an, dießfalls klüger zu werden. Die Mönche erpressen oft in einem Tage mehr Almosen von diesen elenden Leuten, als wahrhaftig bedürftige Arme in einem ganzen Jahr zur höchsten Nothdurft erhalten. Glauben Sie nun nicht, daß Fürsten nur dieser einzigen Umstand von Rechtswegen aufmerksam machen darf? Die Mönche tragen nicht das mindeste zur Bedürfniß des Staats bey, und essen doch manchen Bissen von dem Mark des Landes. Ich muß hier abbrechen, und berühre zum Beschluß nur noch das in Ihrem Brief, daß mit den Mönchen die Religion selbst fallen werde. Hätte das seine Richtigkeit, so würde ich einen jeden Buchstaben schmerzlichst bereuen, den ich von dieser Materie niedergeschrieben habe. Ich bin ein aufrichtiger Freund und Verehrer der Religion. Sie haben mich hoffentlich als einen solchen kennen gelernt, und es würde mir leid seyn, wenn ich das Unglück hätte, von ihnen für einen Freygeist gehalten zu werden. Aber Mönche und Religion sind zweyerley. Davon werde ich länger je mehr überzeugt, in so genauer Verbindung sie mit einander stehen oder zu stehen scheinen. Und die Rede ist ja meistens nur von Bettelmönchen. Sollten denn gar keine Mönche mehr in der Welt seyn? Und was wäre es denn? Es giebt ja noch Weltgeistliche, die Gelehrsamkeit und Frömmigkeit in hohem Grade besizen, durch die also die Welt erleuchtet und gebessert werden kann. Würklich läßt sich der Domprediger H. von B. bey mir anmelden. Ich freue mich auf die Unterhaltung mit diesem würdigen Mann. Vielleicht gebe ich Ihnen Nachricht von unserm Gespräch, wenn es anders nicht allzu antimönchisch gesinnt ist. Leben Sie wohl.


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