Johann Kaspar Riesbeck
Neue Briefe, für und wider das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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V. Brief.

Antwort auf den vorhergehenden.

Theurer Freund, Sie freuen sich gewiß mit mir, wenn ich Ihnen berichte, daß sich das Ungewitter in meinem Haus gnädig niedergelassen habe. Es ist alles wieder ganz ruhig; und ich weiß nicht, ob ich Gott dafür danken soll, daß er mir diese Prüfung, wenn ichs anders so nennen darf, zugeschickt hat. Wenigstens kann ich nicht froh genug über ihren Ausgang seyn. Meine Frau, die durch die Erklärung ihres Xavers aufmerksam geworden war, wollte diese Bücher durchaus auch lesen. Sie ihr in die Hände zu geben, hielt ich nicht für rathsam. Ich las ihr also daraus vor; natürlich suchte ich die unverfänglichsten Stellen aus. Vieles leuchtete ihr ein; manches, das ihr nicht behagen wollte, wußte ich ihr auf eine gute Art zu erläutern, und in einem solchen Lichte vorzustellen, daß es nicht mehr so fürchterlich herauskam. Die Briefe aus dem Noviziat fielen ihr allein dergestalt aufs Herz, daß sie in Absicht auf die Bestimmung unsers Kindes zum Kloster zwischen Thür und Angel war. Die mütterliche Zärtlichkeit protestirte endlich ein für allemal wider die Kutte. Soll ich mit meinem Kind von seiner Empfängnis an bis hieher so viel ausgestanden haben, und es nun der strengen Klosterzucht, dem Cilicium, preiß geben, sagte sie; die Stunde müßte ich verwünschen, in der ich seine Mutter worden bin, wenn ich gleichgültig dabey seyn könnte, ihn so mißhandeln zu lassen. Die Martern der ersten Christen unter den heidnischen Kaisern sind Bagatellen gegen dem, was ein junges Blut in den Klöstern ausstehen muß. Nein, da sey Gott für, daß Xaver auch so ein Schlachtschaaf wird. Und, Schatz, sprach sie zu mir, ich gebe dirs auf dein Gewissen, wenn ich heute sterbe; ins Kloster soll er nicht. Sie küßte mich noch gar dafür, daß ich die Bücher ins Haus gebracht hätte, und verlangte nun, daß der Junge solche erst recht mit Fleiß lesen sollte, damit ihm ja der Appetit, ein Mönch zu werden, auf ewig vergehen möchte. Xaver sah diesen Auftritten von ferne mit innigster Wonne seines Herzens zu; die Haut schauerte ihm nicht mehr vor dem Cilicium und der Kutte; sein Herz erweiterte sich, weil er wußte, daß die bereits veranstaltete Reise nach R – – – n wieder auf weiß nicht wie lang, verschoben worden war. Ein Weltgeistlicher zu werden, we[i]gerte er sich nicht. Er versprach mir, nun gedoppelten Eifer aufs Studieren zu wenden, um seinem Stand,wenn er einst eine Pfarre bekäme, Ehre zu machen, und die unwissenden Mönche, wenn sie ihn zu Hof rufen würden, nachdrücklich zu beschämen. Damit war seine Mutter auch zufrieden; und mir ist es nun seit dem so leicht ums Herz, daß ich wie neu gebohren bin. Doch, ich halte Sie zu lang mit meinen häuslichen Angelegenheiten und Vorfällen auf. Ich mußte sie aber erzählen, um Ihnen zu sagen, daß ich Ihnen erst jetzt recht dankbar für die Mittheilung der Schriften über unsere Geistlichkeit seye, weil ich nunmehr seit dem erzählten Vorgang in meiner Familie auf Einmal der heimlichen Sorge, die mich schon lange quälte, wie es mit meinem Sohn im Kloster gehen würde, loß worden bin. Und nun näher zur Sache. Ich will Ihnen meine Bemerkungen über alle mir übersandte Schriften, so wie sie mir in die Feder kommen, ohne allen Rückhalt mittheilen. Ich weiß, Sie machen keinen andern, als freundschaftlichen Gebrauch davon. Machen Sie es, wie ich. Von dem, was ich hier schreibe, soll weder Frau, noch Xaver, eine Sylbe erfahren. Wenn die 4 Bände der Briefe über das Mönchswesen einen Katholiken zum Verfasser haben, wie man versichern will, und ich selbst unläugbare Beweise davon in verschiedenen Stellen angetroffen zu haben glaube, so kann ich mich, aufrichtig zu gestehen, in diesen Schriftsteller nicht finden. Wäre der Autor ein Protestant, nun so legte ich das Buch auf die Seite, und es sollte mich kein Buchstabe darinn irren, weil man es an den Unkatholischen schon lange gewohnt ist, daß sie nie beredter sind, als wenn es auf Lungenhiebe wider die Rechtglaubigen ankommt. Passionen regieren ihre Federn, und was in ihrer Kirche noch so verehrungswürdig und löblich ist, das muß in unserer Kirche tadelns= und verabscheuungswürdig seyn. Und was wissen sie denn, wenn mans beym Licht besieht, von dem Mönchsstand? Nichts, als was sie vom Hörensagen, von undankbaren, lügenhaften Ueberläufern von uns zu ihnen, wissen – Aber daß ein Römischkatholischer Christ so treulos an seinen Glaubensgenossen handeln solle, das ist mir ein Räthsel. Gesetzt, es hätte alles, was in diesen 4 Bändchen steht, seine unwidersprechliche Richtigkeit; Sie kennen meine unparteyische Gedenkungsart, es kann wirklich vieles, und noch mehr, als da geschrieben steht, wahr seyn; muß mans den ausposaunen? Muß man den Feinden unserer Kirche, deren alle Tage mehr wird, auf unsere Unkosten etwas zu lachen und zu spotten geben? Muß man so manchen Irrglaubigen, die vielleicht gerade auf dem Sprung sind, in den Schooß der wahren Kirche zurückzukehren, den Weg auf diese Weise versperren, und sie davon abhalten? Die Convertiten nehmen ohnehin zusehens ab; woher kommts unter anderm, als daher, daß sie sehen und hören, unsere Welt= und Ordensgeistliche sind unsern Leuten selbst zum Gelächter. Solche Schriftsteller gehören so gut unter die wilden Säue, die den Weinberg Gottes verwüsten, als die Abtrünnige. Ja diese sind noch entschuldbarer in meinen Augen, weil sie im Finstern tappen, da die Unsern erleuchtet seyn könnten und sollten. Wäre der Verfasser ein Weltgeistlicher, so wunderte ich mich eben nicht ausserordentlich. Die Antipathie zwischen diesen und den Mönchen, ist ein altes Herkommen, und sie wird wohl bis ans Ende der Welt fortdauern. Aber auch einem Weltgeistlichen wäre es nicht zu verzeihen, wenn er sich den observanzmäßigen Haß zu solchen unverantwortlichen Ausfällen hätte verleiten lassen. Beede Theile sollten vielmehr die Hände zum Frieden und zur Aussöhnung bieten, und alsdann mit vereinten Kräften den heimlichen und offenbaren Feinden der Kirche auf den Leib gehen. Aber bey solchen Umständen nimmt die Hofnung der Erscheinung dieses glücklichen Zeitpunktes, dem ich mit andern Gutgesinnten schon längst mit Sehnsucht entgegen gesehen habe, eher ab als zu, und geben Sie acht, wir sind unsern Aufpassern zum Raub worden, ehe wir glaubten, daß es möglich wäre. Wenn ich erst noch an das gedenke, daß das Schriften sind, die an den Höfen recht werden verschlungen werden, wo man, anstatt, wie es ehmal Mode war, Helden im Trinken am meisten zu verehren, und in die Wette zu saufen, über Wissenschaften zu diskuriren und nebenher auch Projekte zur Vermehrung der Kammereinkünfte aufs Tapet zu bringen: wie willkommen müssen nicht diesen dergleichen Bücher seyn, worinnen den Politikern, die vorher wenig nach der Kirche und ihren Dienern fragen, so schön in die Hände gearbeitet wird! Man sollte den Fürsten nicht noch mehr sagen, als sie schon wissen, und lieber den Vorhang vor manche Scene ziehen, als solche Blössen geben. Ich hätte noch mehr auf dem Herzen, das ich aber für einen andern Brief aufheben will, wenn Sie anders Geduld haben, meine fernere Gedanken über diesen Gegenstand zu lesen.

Ich bin etc.


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