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Einkehr in Weikersheim

siehe Bildunterschrift

Weikersheim. Ansicht von Garten, Schloß und Stadt. Wandgemälde im Schloß, Künstler unbekannt, um 1710

Zwischen Creglingen und Mergentheim fordert Weikersheim noch eine kurze Einkehr; denn das Städtchen hat wiederum sein ganz eigenes Gesicht. Auf dem Wege von Queckbronn über den Berg verkünden der ummauerte Wildpark und die schöne alte Lindenallee schon von fernher die fürstliche Residenz des 17. Jahrhunderts.

Man würde bei den Weikersheimern nicht für einen Mann von Bildung gelten, wenn man durch die Stadt gegangen wäre, ohne das hohenlohische Schloß mit seinem Rittersaal und seinem französischen Garten gesehen zu haben. Der Einwand, daß man schon viele andere Rokokoschlösser und Gärten kenne, gilt nicht; denn es gibt doch nur einen Weikersheimer Schloßgarten und einen Weikersheimer Rittersaal. Die Leute haben recht: das Schloß ist das Wahrzeichen ihrer Stadt; es umschließt die Summe der Kunsteindrücke, an welchen sich hier der Kleinbürger von Jugend auf erfreut, die Summe der nächsten Geschichtserinnerungen, an welchen er sich belehrt hat, und nach den Interessen für die Quellen unserer eigenen Bildung bemessen wir so gern die Bildung eines anderen; wer aber zu Fuß kommt, der muß sich als besonders fein gebildet ausweisen, damit man seine staubigen groben Schuhe nicht sieht.

Also gehen wir in das Schloß, dessen einzelne Teile aus einer Burg in einen Renaissancebau und aus diesem in einen Rokokobau sich umgestaltet und erweitert haben. Nach den ernsten Geschichtsbildern des oberen Tales ruht sich der Geist behaglich aus in den Baumgängen des halb verwilderten französischen Gartens mit den Ruinen seiner palastartigen Gewächshäuser, mit seinen steinernen Bänken in der Form von geflochtenen Körben, seinen Statuen von Zwergen und Zwerginnen im mannigfachsten Gewand und seinen Göttinnen und Nymphen mit äußerst wenig Gewand.

Und vollends der Rittersaal des weitläufigen Schlosses! Wir sehen in dem gewaltigen Prunkraum alles mögliche, nur keine Ritter – Eber, Hirsche, Elefanten, Löwen, plastisch gearbeitet und bemalt, trotz dem Creglinger Altar, überlebensgroß, an der Wand und aus der Wand springend, einen wunderschönen Renaissance-Kronleuchter zwischen diesen Ungetümen, echteste alte Prospekte aus Paris, von Trianon, vom echten Versailles und vom hohenlohischen Versailles Karlsberg dazu, die Ahnenbilder der Familie seit 1610 in Hoftracht, ein Riesenpaar über dem Kamin, aus dessen Hüften zwei hohenlohische Stammbäume aufwachsen, eine Uhr mit beweglichen Aposteln, die sich aber nur bewegen, wenn die Herrschaft anwesend ist. Wir ruhen uns aus, wie wenn wir ein Geschichtsbuch beiseite gelegt hätten; und doch ist auch diese Novelle ein Blatt aus der Kulturgeschichte.

Mergentheim, Residenz des Deutschen Ordens Aber indem wir nach Mergentheim weiterziehen, kommen wir wieder zu größeren historischen Fernsichten, zunächst wenigstens auf einem kleinen Umweg über die Ostseeküste und Marienburg.

Man nähert sich Mergentheim, seit 1526 die Residenz der Hoch- und Deutschmeister, gar leicht mit falschen Erwartungen, indem man hier wenigstens einen blassen Abglanz der Romantik von Marienburg sucht. Allein von dem früheren Hochmeistersitz, von Marienburg in Preußen, nach dem späteren, nach Mariental in Franken, ist ein gewaltiger Sprung.

In Marienburg wuchs und wirkte die Manneskraft des Ordens, in Mergentheim setzte er sich in seinen alten Tagen zur Ruhe. Der Titel des Hochmeisters ist hier noch um zwei Silben (Hoch- und Deutschmeister) länger geworden, dafür waren Macht und Besitz des Ordens jetzt um so kürzer beisammen. Die Hochmeister von Marienburg stammten aus allerlei großen und kleinen Familien; nicht wenige waren die Söhne ihrer eigenen Taten, und die drei kraftvollsten unter ihnen kennt die deutsche Geschichte; von den achtzehn Mergentheimer Hoch- und Deutschmeistern waren fast zwei Drittel geborene Prinzen, die Geburt führte sie zu dieser Würde, bei welcher wenig mehr zu tun war; ihre Namen gehören der Ordensgeschichte an, die deutsche Geschichte erzählt nichts von ihnen. Während die älteren Hochmeister großenteils in Marienburg, wo sie lebten und wirkten, begraben liegen, sind seit 1600, also in den letzten zwei Jahrhunderten des Ordens, nur zwei Hoch- und Deutschmeister in Mergentheim gestorben und begraben worden; da sie so wenig dort zu tun hatten, so brauchten sie auch dort nicht zu sterben, und die Särge der übrigen ruhen in den Fürstengrüften von Wien, Innsbruck, Brüssel, Düsseldorf, Köln, ja im Eskorial.

Die Ordensburg an der Nogat, Schloß, Festung und Kirche aus einem Stück, liegt etwas weit hinten in Preußen, ist aber doch weltberühmt; das Schloß an der Tauber, ein fürstlicher Ruhesitz mit einer Rokokokirche, liegt mitten im innersten Deutschland, ist aber wenig gekannt; es ist auch nicht einmal das kunstgeschichtlich bedeutendste Gebäude von Mergentheim. Dennoch war Mergentheim mehr als ein bloßer Landaufenthalt für den altersschwachen Orden. Im 13. und 14. Jahrhundert fanden mehrere tüchtige Deutschmeister den Weg aus der hiesigen Gegend zum Hochmeistersitz in Marienburg, den überhaupt auffallend viele Franken innehatten, und eben jener Siegfried von Feuchtwangen, unter welchem die Glanzzeit des Ordens begann und die Burg an der Nogat zur Hofburg erhoben wurde, stammte aus der Nachbarschaft der Tauber.

siehe Bildunterschrift

Das Entendörfle im Schloßpark zu Mergentheim. Lithographie von F. Mayer, um 1840

Und nun noch einen Blick auf die beiden Schlösser in ihrem gegenwärtigen Zustand. Marienburg ist prachtvoll wiederhergestellt und mit alter und neuer Romantik geschmückt durch einen Romantiker auf dem Thron; wiederhergestellt nicht nur im antiquarischen Interesse, sondern auch im preußisch-patriotischen, als ein Denkstein altpreußischer Geschichte und zugleich als ein Erinnerungsmal für das Wiedererstehen Preußens nach dem tiefen Fall der napoleonischen Zeit; der preußische Landwehrmann von 1813 steht auf den gemalten Fenstern des Remters gegenüber dem Kreuzritter von 1190.


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