Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Das vierdte Capitel.

Padua ist der Tebel hohl mer eine brave Stadt; ob sie gleich nicht gar groß ist, so hat sie doch lauter schöne neue Häuser und liegt eine halbe Stunde von Rom. Sie ist sehr Volckreich von Studenten, weil so eine wackere Universität da ist. Es sind bisweilen über dreißig tausend Studenten in Padua, welche in einem Jahre alle mit einander zu Doctors gemacht werden. Denn da kan der Tebel hohl mer einer leicht Doctor werden, wenn er nur Speck in der Tasche hat und scheuet darbey seinen Mann nicht.

In derselben Stadt kehrete ich mit meinem Pferde und grossen Kober in einen Gast-Hofe (zum rothen Stier genant) ein, allwo eine wackere, ansehnliche Wirthin war. Sobald ich nun mit meinen grossen Kober von dem Pferde abstieg, kam mir die Wirthin gleich entgegen gelauffen, fiel mir um den Halß und küssete mich. Sie meynete aber nicht anders, ich wäre ihr Sohn! Denn sie hatte auch einen Sohn in die Frembde geschickt und weil ich nun unangemeldet flugs in ihren Gast-Hoff hinein geritten kam und sie mich nur von hinten ansichtig wurde, so mochte sie in den Gedancken stehen, ihr Sohn käme geritten. So kam sie Spornstreichs auf mich zu gewackelt und kriegte mich von hinten beym Kopffe und hertzte mich. Nachdem ich ihr aber sagte: daß ich der und der wäre und die Welt auch überall durchstanckert hätte, so bat sie hernach bey mir um Verzeihung, daß sie so kühne gewesen wäre.

Es hatte dieselbe Wirthin auch ein paar Töchter, die führeten sich der Tebel hohl mer galant und propre in Kleidung auff, nur Schade war es umb dieselben Menschen, daß sie so hochmüthig waren und allen Leuten ein Klebe-Fleckchen wusten anzuhängen, da sie doch der Tebel hohl mer von oben biß unten selbst zu tadeln waren. Denn es kunte kein Mensch mit Frieden vor ihren Hause vorbey gehen, dem sie nicht allemahl was auff den Ermel heffteten und kiffen sich einen Tag und alle Tage mit ihrer Mutter. Ja, sie machten auch bisweilen ihre Mutter so herunter, daß es Sünde und Schande war und hatten sich an das heßliche Fluchen und Schweren gewöhnet, daß ich der Tebel hohl mer viel mahl gedachte: Was gilts? die Menscher werden noch auff den Miste sterben müssen, weil sie ihre eigene Mutter so verwünschen. Allein es geschahe der Mutter gar recht, warum hatte sie dieselben in der Jugend nicht besser gezogen!

Einen kleinen Sohn hatte sie auch noch zu Hause, daß war noch der beste. Sie hielt ihn unterschiedene Präceptores, aber derselbe Junge hatte zu dem Studiren keine Lust. Seine eintzige Freude hatte er an den Tauben und auch (wie ich in meiner Jugend) an dem Blase-Rohre. Mit demselben schoß er im Vorbeygehen, wenn es Marckt-Tages war, die Bauren immer auff die Köpffe und versteckte sich hernach hinter die Hauß-Thüre, daß ihn niemand gewahr wurde. Ich war denselben Jungen recht gut, nur des Blase-Rohrs halber, weil ich in meiner Jugend auch so einen grossen Narren daran gefressen hatte.

Nun waren auch viel Studenten da im Hause, mit denenselben stunden der Fr. Wirthin ihre Töchter vortrefflich wohl. Sie lieffen des Morgens immer zu den Studenten auff die Stuben und quälten sie so lange, biß sie musten ein gut Frühstücke hohlen lassen. Wenn das Ding nun gleich ihre Mutter sahe oder wuste, daß ihre Töchter die Studenten-Stuben besuchten, so sagte sie ihnen der Tebel hohl mer nicht das geringste, sondern wenn sie gewahr wurde, daß die Studenten ein gut Glaß Wein hatten hohlen lassen, so machte sie sich auch ein Gewerb zu sie und schnabelirte da so lange mit, biß es alle war. Hernach so ging sie wiederum ihrer Wege und sagte zu den Töchtern: Wenn sie gnung hätten, solten sie bald nachkommen, welches sie auch bisweilen thaten. Ich kunte die Menscher aber niemahls um mich leiden, denn vors erste redeten sie kein klug Wort mit einem und wer mit mir dazumahl reden wolte, der muste der Tebel hohl mer Haare auff den Zähnen haben. Vor das andere, so hatte ich vor denselben Menschern flugs einen Abscheu, wenn sie mir nur etwas zu nahe traten, denn sie hatten einen erbärmlichen übelrüchenden Athem.

Nun kunten die guten Mädgens wohl nichts dafür, denn so viel ich aus dem Geruche abnehmen kunte, hatten sie wohl das Vitium von ihrer Mutter gelernet, denn die Mutter kunte man der Tebel hohl mer flugs rüchen, wenn man sie gleich nicht einmahl sahe. Es hätte auch diese Wirthin so gerne wieder einen Mann gehabt, wenn sie nur einer hätte haben wollen, denn der sappermentsche Huren-Sohn, der Cupido, muste ihr eine abscheuliche grosse Wunde mit seinen Pfeile gemacht haben, daß sie in ihrem 60 Jährigen Alter noch so verliebt umb den Schnabel herum aussahe. Sie hätte – halt ich dafür – wohl noch einen Leg dich her bekommen, (weil sie ihr gutes Auskommen hatte), so aber stunck ihrs so lästerlich aus dem Halse, daß einen, wer sie nur von ferne sahe, flugs aller Appetit vergehen muste. Den gantzen Tag redete sie von nichts anders als von Hochzeitmachen und von ihrem Sohne, welcher in der Frembde wäre und sagte: was derselbe vor ein so stattlicher Kerl wäre.

Ich hatte, halt ich davor, noch nicht drey Wochen bey derselben Wirthin logiret, so stellte sich ihr frembder Sohn zu Hause wieder ein. Er kam der Tebel hohl mer nicht anders als ein Kessel-Flicker auffgezogen und stunck nach Toback und Brantewein wie der ärgste Marode-Bruder. Ey sapperment! was schnitte der Kerl Dinges auff, wo er überall gewesen wäre und waren der Tebel hohl mer lauter Lügen!

Wie ihn nun seine Mutter und Schwestern wie auch sein kleiner Bruder bewillkommet hatten, so wolte er mit seinen Schwestern Frantzöisch an zu reden fangen, allein er kunte der Tebel hohl mer nicht mehr vorbringen als ouy. Dann wenn sie ihn auff teutsch fragten: Ob er auch da und da gewesen wäre, so sagte er allemahl ouy. Der kleine Bruder fieng zu ihn auch an und sagte: Mir ist erzehlet worden, du solst nicht weiter als biß Halle in Sachsen gewesen seyn – ists denn wahr? So gab er ihn gleichfalls zur Antwort: Ouy. Als er nun hierzu auch ouy sprach, muste ich mich der Tebel hohl mer vor Lachen in die Zunge beissen, daß ers nicht merckte, daß ich solche Sachen besser verstünde als er. Denn ich kunte es ihn gleich an Augen absehen, daß er über eine Meile Weges von Padua nicht muste gewesen seyn!

Wie ihm das Frantzöisch-Reden nicht wohl fliessen wolte, so fieng er teutsch an zu reden und wolte gerne frembde schwatzen, allein die liebe Fr. Mutter-Sprache verrieth ihn immer, daß auch das kleinste Kind es hätte mercken können, daß es lauter gezwungen Werck mit seinen Frembde reden war. Ich stellte mich nun dabey gantz einfältig und gedachte von meinen Reisen anfänglich nicht ein Wort. Nun, da hat der Kerl Dinge hergeschnitten, daß einen flugs die Ohren davon hätten weh thun mögen und war nicht ein eintzig Wort wahr. Denn ich wuste es alles besser, weil ich dieselben Länder und Städte, da er wolt gewesen seyn, schon längst an den Schuhen abgerissen hatte.

Die Studenten, so im Hause waren, die hiessen ihn nicht anders als den Frembden, und zwar aus den Ursachen, weil er wolte überall gewesen seyn. Man dencke nur, was der sappermentsche Kerl, der Frembde, vor abscheuliche grosse Lügen vorbrachte; denn als ich ihn fragte, ob er auch was rechts da und da zu Wasser gesehen und ausgestanden hätte, so gab er mir zur Antwort: Wann er mirs gleich lange sagte, so würde ich einen Quarck davon verstehen. O sapperment! wie verdroß mich das Ding von dem nichtswürdigen Bärenhäuter, daß er, mir da von einem Quarge schwatzte! Es fehlete nicht viel, so hätte ich ihn eine Presche gegeben, daß er flugs an der Tisch-Ecke hätte sollen kleben bleiben. So aber dachte ich: Was schmeist du ab – du wilst ihn nur aufschneiden lassen und hören, was er weiter vorbringen wird. Ferner so fieng der Frembde nun an, von Schiff-Fahrten zu schwatzen. Nun kan ichs der Tebel hol mer nicht sagen, was der Kerl vor Wesens von den Schiffen machte und absonderlich von solchen Schiffen, die man nur Dreck-Schüten nennet. Denn er erzehlete seinen Schwestern mit grosser Verwunderung, wie er bey abscheulichen Ungestüm und Wetterleuchten auff einer Dreck-Schüte mit 2000 Personen von Holland nach Engelland in einem Tage gefahren wären und hätte keiner keinen Schuch naß gemacht. Worüber sich des Frembden seine Schwestern sehr verwunderten. Ich aber sagte hierzu nicht ein Wort, sondern muste innerlich bey mir recht hertzlich lachen, weil der Frembde so ein grosses Wesen von der lumpichten Dreck-Schüte da erzehlete. Ich mochte ihn nur nicht beschimpften und auff seine Auffschneidereyen antworten. Denn wenn der Kerl hätte hören sollen, wie daß ich mit meinen verstorbenen Bruder Graffen über hundert Meilen aufs einen Brete schwimmen müssen, ehe wir einmahl Land gerochen hätten und wie daß auch einsmahls ein eintziges Bret unser 50 das Leben errettet. O sapperment! wie der Frembde die Ohren auffsperren sollen und mich ansehen! So aber dachte ich, du wilst ihn immer auffschneiden lassen – warum seyn die Menscher solche Narren und verwundern sich flugs so sehre über solchen Quarck! Weiter erzehlete der Frembde auch, wie er wäre in Londen gewesen und bey den Frauenzimmer in solchen Ansehen gestanden, daß sich auch eine sehr vornehme Dame so in ihn hätte verliebt gehabt, daß sie keinen Tag ohne ihn leben können, denn wenn er nicht alle Tage wäre zu sie gekommen, so hätte sie gleich einen Cammer-Juncker zu ihn geschickt, der hätte ihn müssen auf einer Schese Rolande mit 11 gelben Rappen bespannet allemahl holen müssen; und wann er nun zu derselben vornehmen Dame gekommen wäre, so hätte sie ihn allezeit erstlich einen guten Rausch in Mastix-Wasser zugesoffen, ehe sie mit ihm von verliebten Sachen zu schwatzen angefangen.

Er häte es auch bey derselben Dame so weit gebracht, daß sie ihn täglich funfftzig tausend Pfund Sterlings in Commißion gegeben, damit er nun anfangen mögen, was er nur selbsten gewolt. O sapperment! was waren das wieder vor Lügen von dem Frembden! und seine Schwestern, die gläubten ihn nun der Tebel hohl mer alles mit einander. Die eine fragte ihn, wie viel denn ein Pfund Sterlings an teutscher Müntze wäre? So gab er zur Antwort: Ein Pfund Sterlings wäre nach teutscher Müntze 6 Pfennge! Ey sapperment! wie verdroß mich das Ding von dem Kerl, daß er ein Pfund Sterlings nur vor 6 Pfennge schätzte, da doch der Tebel hohl mer nach teutscher Müntze ein Pfund Sterlings ein Schreckenberger macht, welches in Padua ein halber Patzenn ist.

Über nichts kunte ich mich innerlich so hertzlich zu lachen, als daß des Fremden sein kleiner Bruder sich immer so mit drein mengte, wann der Frembde Lügen erzehlete! Denn derselbe wolte ihn gar kein Wort nicht gläuben, sondern sagte allemahl: Wie er sich doch die Mühe nehmen könte, von diesen und jenen Ländern zu schwatzen, da er doch über eine Meile Weges von Padua nicht gekommen wäre. Den Frembden verschnupffte das Ding, er wolte aber nicht viel sagen, weils der Bruder war, doch gab er ihn dieses zur Antwort: Du Junge verstehest viel von den Tauben-Handel! Den kleinen Bruder verdroß das Ding auch, daß der Frembde ihn einen Jungen hiesse und von den Tauben-Handel schwatzte, denn die Wetter-Kröte bildete sich auch ein, er wäre schon ein grosser Kerl, weil er von dem 6ten Jahr an biß in das funffzehende schon den Degen getragen hatte. Er lieff geschwind zur Mutter und klagte ihrs, daß ihn sein frembder Bruder einen Jungen geheissen hätte. Die Mutter verdroß solches auch und war hierauff her und gab ihn Geld, schickte ihn hin auff die Universität in Padua, daß er sich da muste inscribiren lassen und ein Studente werden.

Wie er nun wieder kam, so fing er zu seinen frembden Bruder an und sagte: Nun bin ich doch auch ein rechtschaffener Kerl geworden und trotz sey dem geboten, der mich nicht dafür ansieht. Der Frembde sahe den kleinen Bruder von unten biß oben, von hinten und von forne mit einer hönischen Mine an und nachdem er ihn überall betrachtet hatte, sagte er: Du siehest noch Jungenhafftig gnug aus! Dem kleinen Bruder verdroß das Ding erschröcklich, daß ihn der Frembde vor allen Leuten so beschimpffte. Er war her und zog sein Fuchtelgen da heraus und sagte zu dem Frembden: Hast du was an mir zu tadeln oder meynest, daß ich noch kein rechtschaffener Kerl bin, so schier dich her vor die Klinge, ich wil dir weisen, was Bursch-Manier ist! Der Frembde hatte nun blut wenig Hertze in seinem Leibe, als er des kleinen Bruders blossen Degen sahe. Er fing an zu zittern und zu beben und kunte vor grosser Angst nicht ein Wort sagen, daß auch endlich der kleine Bruder den Degen wieder einsteckte und sich mit den Fremden in Güte vertrug. Wie sehr aber der neue Academicus von den Hauß-Burschen und andern Studenten gevexiret wurde, daß kan ich der Tebel hohl mer nicht sagen. Sie hiessen ihn nur den unreiffen Studenten. Ich fragte auch, warum sie solches thäten, so wurde mir zur Antwort gegeben: Deßwegen würde er nur der unreif Studente geheissen, weil er noch nicht tüchtig auff die Universität wäre und darzu so hielte ihn seine Mutter noch täglich einen Moderator, welcher ihn den Donat und Grammatica lernen müste. Damit aber der unreiffe Studente die Schande nicht haben wolte, als wenn er noch unter der Schuhl-Rute erzogen würde, so machte er den andern Studenten weiß, der Moderator wäre sein Stuben-Geselle.


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