Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Das fünffte Capitel.

Die Hundestage traten gleich selben Tag in Calender ein, als ich und mein Herr Bruder Graf von den Burgemeister zu Amsterdam Abschied nahmen und uns in ein groß Orlog-Schiff setzten.

Wir waren etwan drey Wochen auf der See nach Indien zu fortgeschiffet, so kamen wir an einen Ort, wo so schrecklich viel Wallfische in Wasser gingen. Dieselben lokte ich mit einen stückgen Brote gantz nah an unser Schiff. Der eine Bootsknecht hatte eine Angel bey sich, die muste er mir geben und versuchte es, ob ich einen kunte in Schiff häckeln. Es wär auch der Tebel hohlmer angegangen, wenn die Angel nicht wäre in Stücken gerissen! Denn als der Wallfisch anbiß und ich in besten rücken war, so riß der Dreck entzwey, daß also der Angelhacken den Wallfische in den Rachen stecken blieb, von welchen er unfehlbar wird gestorben seyn. Wie solches die andern Wallfische gewahr wurden und den Schatten nur von der Angelschnure ansichtig wurden, marchireten sie alle auch fort und ließ sich der Tebel hohlmer nit ein eintziger wieder an unsern Schiffe blicken.

Wir schifften von dar weiter fort und bekamen nach etlichen Tagen das gelübberte Meer zu sehen, allwo wir gantz nahe vorbey fahren musten. Sapperment! was stunden dort vor Schiffe in den gelübberten Meere! Es war der Tebel hohlmer nicht anders, als wenn man in einen grossen dürren Wald sehe, da die Bäume verdorret stünden, und war keine Seele auf den Schiffen zu sehen,. Ich fragte den Schiffmann, wie denn das zuginge, weil so viel Schiffe da stünden? Der gab mir zur Antwort, daß dieselben Schiffe bey grossen Ungestümm der Wind dahin gejaget hätte, wenn die Schiffleute nach Indien fahren wollen und den Weg verfehlet, daß also auf alle denen Schiffen die Leute jämmerlich umkommen müssen.

Wie wir nun von den gelübberten Meere vorbey waren, kamen wir unter die Linie. Ey Sapperment! was war da vor Hitze! Die Sonne brante uns alle mit einander bald Kohl-Raben-schwartz. Mein Hr. Br. Graf, der war nun ein corpulenter dicker Herre, der wurde unter der Linie von der grausamen Hitze kranck, legte sich hin und starb der Tebel hohlmer, ehe wir uns solches versahen. Sapperment! wie ging mirs so nahe, daß der Kerl da sterben muste und war mein bester Reise-Gefehrte. Allein was kunte ich thun? Todt war er einmahl, und wenn ich mich auch noch so sehre über ihn gegrämet, ich hätte ihn doch nicht wieder bekommen. Ich war aber her und bund ihn nach Schiffs-Gewonheit sehr artig auf ein Bret, steckte ihn 2 Ducatons in seine schwartz-samtne Hosen und schickte ihn damit auf den Wasser fort. Wo derselbe nun mag begraben liegen, dasselbe kan ich der Tebel hohlmer keinen Menschen sagen.

Drey Wochen nach seinen Tode gelangeten wir bey guten Winde in Indien an, allwo wir an einer schönen Pfingst-Wiese ausstiegen, den Schiffmann das Fähr-Geld richtig machten und einer hernach hier hinaus, der andere dort hinaus seinen Weg zunahmen. Ich erkundigte mich nun gleich, wo der grosse Mogol residirete; erstlich fragte ich einen kleinen Jungen, welcher auf derselben Pfingstwiese, wo wir ausgestiegen waren, in einen grünen Käpgen dort herum lieff und die jungen Gänßgen hütete. Ich redete denselben recht artig an und sagte: Höre, Kleiner, kanst du mir keine Nachricht sagen, wo der grosse Mogol in diesen Lande wohnet? Der Junge aber kunte noch nicht einmahl reden, sondern wieß nur mit den Finger und sagte: a a. Da wuste ich nun der Tebel hohlmer viel, was a a heissen solte! Ich gieng auf der Wiese weiter fort, so kam mir ein Scheerschliep entgegen gefahren, denselben fragte ich nun auch, ob er mir keine Nachricht ertheilen könte, wo der Mogol wohnen müste. Der Scheerschliep gab mir hierauf gleich Bescheid und sagte, daß zwey Mogols in Indien residireten, einem hiessen sie nur den grossen Mogol, den andern aber nur den Kleinen. Wie er nun hörete, daß ich zu den Grossen wolte, so sagte er mir gleich, daß ich etwan noch eine Stunde hin an seine Residenz hätte, und ich solte nur auf der Pfingst-Wiese fortgehen, ich könnt nicht irren. Wenn dieselbe zu Ende, würde ich an eine grosse Ring-Mauer kommen, da solte ich nur hinter weg gehen, dieselbe würde mich bis an das Schloß-Thor führen, worinnen der grosse Mogol residirete, denn seine Residenz hiesse Agra.

Nachdem der Scheerschliep mir nun diese Nachricht ertheilet, ging ich auf der Pfingst-Wiese immer fort und gedachte unter wegens an den kleinen Jungen in den grünen Käpgen, daß er a a sagte. Ich hielte gäntzlich darfür, der kleine Blut-Schelm, ob er gleich nicht viel reden kunte, muste mich doch auch verstanden haben und gewust, wo der grosse Mogol wohnete, weil er Agra noch nicht aussprechen kunte, sondern nur a a lallte.

Des Scheerschlips seine Nachricht traff der Tebel hohlmer auch auf ein Härgen ein, denn sobald als die Pfingst-Wiese ausging, kam ich an eine grosse Ring-Mauer, hinter welchen ich wegmarchirete, und so bald dieselbe zu Ende, kam ich an ein erschröcklich groß Thorweg, vor welchen wohl über 200 Trabanten mit blossen Schwertern stunden, die hatten alle grüne Pumphosen und ein Collet mit Schweinebraten-Ermeln an. Da roch ich nun gleich Lunte, daß darinnen der grosse Mogol residiren würde. Ich war her und fragte die Trabanten, ob ihre Herrschafft zu Hause wäre, worauf die Kerl alle zugleich ja schrien und was mein Verlangen wäre. Da erzehlete ich den Trabanten nun gleich, wie daß ich nemlich ein brav Kerl wäre, der sich was rechts in der Welt versucht hätte u. auch noch versuchen wolte. Sie solten mich doch bey den grossen Mogol anmelden, der und der wär ich und ich wolte ihn auf ein paar Wort zusprechen. – Sapperm., wie lieffen hierauf flugs Ihrer zwölffe nach des grossen Mogols Zimmer zu und meldeten mich bey ihn an. Sie kamen aber bald wiedergelauffen und sagten: Ich solte hinein spatziren, es würde Ihrer Herrschaft sehr angenehme seyn, daß einer aus frembden Landen sie einiges Zuspruchs würdigte. Damit ging ich nun durch die Wache durch. Ich war kaum 6 Schritte gegangen, so schrie der grosse Mogol zu seinen Gemach oben heraus. Sie sollten das Gewehre vor mir praesentiren. Sapperment! als die Trabanten dieses höreten, wie sprungen die Kerl ins Gewehre, und nahmen alle ihre Hüte unter den Arm und sahen mich mit höchster Verwunderung an. Denn ich kunte nun recht artig durch die Wache durch passiren, daß es der Tebel hohlmer groß Aufsehens bey den grossen Mogol erweckte.

Wie ich nun an eine grosse Marmorsteinerne Treppe kam, allwo ich hinauf gehen muste, so kam mir der Tebel hohl mer der grosse Mogol wohl auf halbe Treppe herunter entgegen, empfing mich und führte mich bey dem Arme vollends hinauf. Sapperment! was praesentirete sich da vor ein schöner Saal! Er flimmerte und flammerte der Tebel hohlmer von lauter Golde und Edelgesteinen. Auf denselben Saal hieß er mich nun willkommen und freute sich meiner guten Gesundheit und sagte, daß er in langer Zeit nicht hätte das Glück gehabt, daß ein Teutscher ihn zugesprochen hätte und fragte hernach nach meinen Stande und Herkommens, wer ich wäre? Ich erzehlete ihn hierauf nun sehr artig flugs meine Geburt und die Begebenheit von der Ratte und wie daß ich einer mit von den bravsten Kerlen der Welt wäre, der so viel gesehen u. ausgestanden schon hätte. Sapperment, wie horchte der grosse Mogol, als er mich diese Dinge erzehlen hörete! Er führte mich nach solcher Erzehlung gleich in ein vortrefflich aufgeputztes Zimmer und sagte: daß dasselbe zu meinen Diensten stünde und ich möchte so lange bey ihn bleiben, als Ich wolte, es solte ihn und seiner Gemahlin sehr angenehm seyn. Er ruffte auch gleich Pagen und Laqvaien, die mich bedienen solten. Sapperment! wie die Kerl kamen, was machten sie vor närrische Reverenze vor mir! Erstlich bückten sie sich mit den Kopffe bis zur Erden vor mir, hernach kehreten sie mir den Rücken zu und scharreten mit allen beyden Beinen zugleich weit hinten aus. Der grosse Mogol befahl ihnen, sie solten mich ja recht bedienen, sonsten wo nur die geringste Klage kommen würde, solten sowohl Laqvaien als Pagen in die Küche geführet werden. Hierauf nahm er von mir Abschied und ging wider nach seinen Zimmer zu.

Als Er nun weg war, Sapperment! wie bedienten mich die Bursche so brav. Sie hiessen mich zwar nur Juncker, allein was sie mir nur an den Augen absehen kunten, das thaten sie. Wenn ich nur zu Zeiten einmahl ausspuckte, so lieffen sie der Tebel hohlmer alle zugleich, daß sie es austreten wolten, denn wer es am ersten austrat, was ich ausgespuckt hatte, so schätzte sichs derselbe allemahl vor eine grosse Ehre.


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