Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Das dritte Capitel.

Es war gleich denselben Tag, als die Nacht zuvor meiner Fr. Mutter die Trüthüner waren gestohlen worden, da ich die ehrliche Geburts-Stadt verließ und meine sehr gefährliche Reise zum andern mahl zu Wasser und Lande wieder antrat.

Kaum waren wir einen Mußqueten-Schuß von der Stadt gefahren, so schmiß uns der Postilion um, das flugs alle 4 Räder an der Post-Calesse in Stücken brachen! Die Personen, so er geladen hatte, die lagen der Tebel hohl mer im Drecke biß über die Ohren, denn es war in einem greulichen Morast-Loche, da er uns umschmiß. Ich hatte noch von grossen Glück damahls zu sagen, daß ich hinten in der Schoß-Kelle saß, denn wie ich sahe, daß der Wagen fallen wolte, so sprang ich mit meinen Kober herunter, denn wenn ich wäre sitzen blieben, ey sapperment! wie würde ich mit meiner Nase in Dreck auch gelegen seyn! Da war nun Lachen zu verbeissen, wie sich die Passagirer so im Kothe herum weltzten! Der Postilion wuste nun seinem Leibe keinen Rath, wie er fortkommen wolte, weil die Räder alle viere am Wagen zerbrochen waren!

Nachdem ich nun sahe, daß gantz keine Hülffe fortzukommen vorhanden war und ich mich nicht lange zu versäumen hatte, sondern wolte eiligst die Stadt Venedig besehen, so war ich her – ich nahm meinen grossen Kober und bedanckte mich gegen meine Reise-Gefehrten, welche noch in Drecke da lagen, vor geleistete Compagnie und gieng immer per pedes nach Italien und Welschland zu.

Denselben Tag wanderte ich noch zu Fuße 22 Meilen und gelangete des Abends bey zu rüste gehender Sonne in einem Kloster an, worinnen die barmhertzigen Brüder waren. Der Tebel hohl mer – gute Kerls! Sie tractirten mich mit essender Waare recht fürstlich, aber kein gut Bier hatten sie in demselben Kloster. Ich fragte sie auch, wie es denn käme, daß sie keinen guten Tisch-Trunck hätten? So gaben sie mir zur Antwort: Es hätte bey ihnen die Art so, nicht gut Bier zu brauen, dieweil sie mit lauter sauren Wasser versehen wären. Damit so lernte ich ihnen ein Kunst-Stück, wie sie könten gut Klebe-Bier brauen, welches auch so gut schmecken würde, daß sie es gar mit Fingern austitschen würden, und wie sie darnach würden lernen brav predigen können. O sapperment! wie danckten mir die barmhertzigen Brüder vor mein Kunst-Stück, welches ich ihnen gelernet hatte! Sie stellten auch noch selben Abend eine Probe an, den Morgen früh darauff hatten sie der Tebel hohl mer das schönste Klebebier im Bottge, welches wie lauter Zucker schmackte. Ey sapperment! wie zu soffen sich die barmhertzigen Brüder in den Klebe-Biere und kunten nicht einmahl satt werden, so gut schmackte es ihnen. Sie musten bald immer das Maul mit Fingern zuhalten, so begierig soffen sie es hinein und wurdens nicht einmahl inne, wenn es ihnen gleich in die Köpffe kam!

Wie mir auch die Kerl deßwegen so gut waren und viel Ehre erzeugten, werde ich der Tebel hohl mer mein Lebtage nicht vergessen. Sie baten mich auch, daß ich eine Welle bey ihnen bleiben sollte, allein ich hatte keine Lust dazu. Da ich von denselben nun wieder Abschied nahm, gaben sie mir ein Hauffen Victualien mit auff den Weg, daß ich nicht verhungern solte, denn die barmhertzigen Brüder hatten gleich den Tag zuvor (welches der Freytag war im Kloster) 6 Ecker-Schweine geschlachtet, davon kriegte ich eine grosse lange Wurst und ein abscheulich Stücke dicke Speck mit auff meine gefährliche Reise. Nun kan ichs der Tebel hohlmer wohl sagen, daß ich dergleichen Speck mein Lebetage noch nicht in der Welt gesehen hatte, als wie ich bey den barmhertzigen Brüdern da antraff, und wenn er nicht sechs Ellen dicke war, so will ich der Tebel hol mer kein brav Kerl seyn!

Nachdem ich nun von den Barmhertzigen Brüdern Abschied genommen hatte und mein grosser Kober ziemlich mit Proviant gespickt war, so nahm ich meinen Weg immer nach Venedig zu. Unterwegens abholete ich eine geschwinde Post, welche auch willens war, nach Venedig zu fahren und weil der Postilion nicht viel Personen geladen hatte, so dingete ich mich auff dieselbe, doch trauete ich mich nicht unter die Compagnie mit zu setzen aus Furcht, der Post-Knecht möchte etwan auch umwerffen wie der vorige und man könte nicht wissen, wie das Umwerffen allemahl gelückte. So satzte ich mich wieder hinter mit meinem grossen Kober in die Schoßkelle und hieß den Postilion per postae nach Italien und Welschlande fortfahren.

Wir fuhren etliche Tage sehr glücklich und wie wir etwan noch einen Büchsenschoß von Venedig hatten, allwo man zwischen grossen hängigten Bergen fahren muß, so schmiß der Postilion, ehe wir es uns versahen, den Post-Wagen um, daß er wohl den einen Berg hinunter über 1000 mahl sich mit uns überkepelte und nahm der Tebel hohl mer keiner nicht den geringsten Schaden. Ausgenommen zwey Räder, die gingen an der Post-Calesse vor die Hunde. Aber die wir auff den Post-Wagen sassen, wurden alle mit einander wichtig von dem Sande bestoben, denn es glebt um Venedig herumb nichts als lauter sandigte Berge. Es war auch ein Hauffen Staub und Sand in meinen grossen Kober gekommen, daß an den Specke, welchen mir die barmhertzigen Brüder mit gegeben, wohl Ellen dicke Sand und Staub sich dran geleget hatte. Nachdem ich nun sahe, daß der Postilion in Ermangelung 2 Räder an seiner Post-Calesse sich lange da auffhalten wolte, so ging ich zu Fusse vollends nach der Stadt Venedig zu. Wie mir aber unterwegens der Wind die Augen so voller Sand und Staub wehete, ist der Tebel hohl mer unbeschreiblich, denn es war dasselbe mahl ein unerhörter grosser Wind. Doch muß ich gestehen, daß sich die Stadt Venedig von ferne der Tebel hohl mer recht propre praesentiret, denn sie liegt auff einen grossen hohen Stein-Felsen und ist mit einen vortrefflichen Wall umgeben.

Als ich nun die Stadt Venedig zu Fusse mit meinen großen Kober erreichet, so kehrete ich im Weissen Bocke ein, allwo ich sehr gute Bequemligkeit und Bedienung hatte. Die Wirthin, welches eine Wittfrau war, die empfieng mich sehr freundlich und führete mich gleich in eine wunder schöne Kammer, worinnen über 200 die gemachten Betten stunden. Dieselbe Kammer gab sie mir zu Verwahrung meiner Sachen ein und nahm mit einer höfflichen Complimente wiederum Abschied.

Wie ich nun allein in der wunderschönen Kammer war, nahm ich meinen Kober vom Halse ab, machte ihn auff und langete mir aus demselben ein weiß Hembde, denn das Hembde, welches ich sehr lange auff dem Leibe getragen, in demselben war es nun eben nicht gar zu sicher, indem ich bey den barmhertzigen Brüdern mit etlichen Regimentern Kostgängern war beschencket worden! So bald als ich mir nun selwge vom Leibe geschafft und ein weiß Hembde angezogen hatte, versteckte ich meinen grossen Kober mit den Sachen unter ein gemacht schön Bette, damit ihn niemand finden solte und gieng aus der Kammer wieder heraus, schloß sie zu und fragte die Wirthin: Was denn guts Neues in der Stadt Venedig paßirete? Die Wirthin, die gab mir zur Antwort und sagte: Es wäre ietzo allerhand (indem es Jahrmarckt wäre) auff den Sanct Marx-Platze zu sehen. O Sapperment! wie nahm ich meinen March nach den Sanct Marx-Platze zu, als die Wirthin vom Jahrmarckte schwatzte. Ich war her und hohlte meinen grossen Kober mit meinen Sachen geschwinde wieder aus die Kammer und hing denselben an, damit mir derselbe, weil es Jahrmarckt war, nicht irgend weg kommen solte.

Wie ich nun auff dem St. Marx-Platze kam, ey Sapperment! was stunden da vor wunderschöne Häuser, desgleichen ich in Holland und Engelland, wie auch in Schweden und gantz Indien an keinen Orte niemahls noch nicht gesehen hatte. Sie waren der Tebel hol mer mit den kostbarsten Marmorsteinen ausgemauret und war ein Hauß wohl über funfftzig Geschoß hoch, und vor einen iedweden Hause ringst um den Marckt herum stund eine grosse Plumpe aus Ursachen, weil das Wasser da so seltzam ist. Mitten auff dem St. Marx-Platze nun stund eine grosse Glücks-Bude, da griff nun hinein wer wolte. Es muste aber die Person vor einen iedweden Griff einen Ducaten geben. Es waren aber auch Gewinste darinnen zu 60 bis 70 tausend Thalern und gab auch sehr geringe Gewinste, denn der geringste Gewinst wurde nur auff einen Patzend werth geschätzet, welches in Teutschland 6 Pfennige macht.

Wie ich nun sahe, daß manche Leute brav gewannen, so war ich her und wagte auch einen Ducaten dran und wolte mein Glück versuchen. Als ich nun in den Glücks-Topff hinein griff, O sapperment! was waren da vor Zeddel – ich will wetten, daß wohl über tausend Schock Millionen Zeddel in dem Glücks-Topffe da vorhanden waren! Indem ich nun in den Glücks-Topff mit beyden Händen hinein fühlte, so that ich auch einen solchen Griff, daß ich die Zeddel bald alle auff einmahl mit beyden Fäusten heraus griffe. Da dieses der Glücks-Töpffer sahe, O sapperment! wie klopffte er mich auff die Finger, daß ich so viel Zeddel heraus geschlept brachte, welche ich aber mit einander flugs wieder hinein schmeissen muste und hernach vor meinen Ducaten nur einen eintzigen hinaus nehmen, welches ich auch that. Wie ich nun vor meinen Ducaten einen Zeddel aus dem Glücks-Topffe heraus genommen hatte und ihn auff machte, so war es eine gute Nummer und zwar Nummer 11. Dieselbe muste ich nun dem Glücksbüdner zeigen. Nun meynten damahls alle Leute, ich würde was rechts davon tragen, weil ich eine ungleiche Nummer ergattert hätte, aber wie darnach gesehen wurde, was Nummer 11 mit sich brachte, so war es ein Bart-Bürstgen vor 6 Pfeng. O sapperment! wie lachten mich die um die Glücks-Bude herumstehenden Leute alle mit einander mit meinen Bart-Bürstgen aus! Ich kehrte mich aber an nichts, sondern war her und griff noch einmal in den Glücks-Topff hinein und langete noch einen Zeddel heraus. Derselbe hatte nun wiederum eine gute Nummer, denn es war Nummer 098372641509. Sapperment! wie sperreten die Leute alle mit einander in und an der Glücks-Bude die Mäuler auff, daß ich so eine vortreffliche Nummer ergriffen hatte! Dem Glücksbüdner muste es nun wohl flugs sein Hertze gesagt haben, daß ich was rechts aus seiner Bude ergriffen hätte, denn sobald als er den Zeddel nur ansichtig wurde, so fing er erschrecklich an zu schwitzen und roch um ihn, als wenn er seine Hosen inclusive und exclusive starck balsamiret hätte.

Wie nun in der Glücks-Bude nachgesehen wurde, was meine vortreffliche Nummer vor einen Gewinst hatte, so war es ein Pferd vor 500 Rthlr. und des Glücksbudners seine Frau, welche auff 1000 Ducaten stund! O mor pleu! was war vor ein Zulauff, wie es kundbar wurde: Signor Schelmuffsky hätte sich in der Glücks-Bude so wohl gehalten! Ich muste mich nun gleich auff das gewonnene Pferd setzen und die 1000 Ducaten an statt des Glücks-Töpffers seiner gewonnenen Frau wurden alle an ein Pater noster gereihet. Dieselben muste ich über meinen grossen Kober hängen und in der gantzen Stadt herum reiten, damit die Leute meinen Gewinnst sahen. Es musten auch vor meinem Pferde hergehen 99 Trommelschläger, 98 Schallmey-Pfeiffer und ihrer drey mit Lauten und einer Zitter. Die 2 Lauten und die eintzige Zitter klungen auch so anmuthig unter die Trommeten und Schallmeyen, daß man der Tebel hohl mer sein eigen Wort nicht hören kunte. Ich aber saß darbey sehr artig zu Pferde und das Pferd muste wohl seyn auff der Reut-Schule und auff den Tantz-Boden gewesen, denn wie die Music ging, so tantzte es auch und trottirete der Tebel hohl mer unvergleichlich. Wie mich auch das Frauenzimmer zu Venedig, als ich auff den St. Marx-Platz kam, in einem ansahe, kan ich der Tebel hohl mer nicht gnungsam beschreiben, denn es lachte alles an meinem gantzen Leibe und kunte ein ieder flugs sich an den Fingern abzehlen, daß meines gleichen wohl schwerlich würde in der Welt zu finden seyn.

Unter währenden Herumreuten liessen mir wohl über dreißig Nobels-Personen auf der Gasse nachschicken, und liessen mich unterthänigst grüssen und schöne bitten: Ich möchte ihnen doch berichten, wer und wes Standes ich wäre, damit sie ihre schuldigste Auffwartung bey mir abstatten könten. Ich ließ aber denen Nobels-Personen allen sehr artig wieder zur Antwort sagen, wie daß ich mich zwar was rechts in der Welt schon versucht hätte und wäre in Schweden, in Holland und Engelland, wie auch bey dem grossen Mogul in Indien gantzer 14 Tage lang gewesen und wäre mir auff seinem vortrefflichen Schlosse Agra viel Ehre wiederfahren; wer ich nun seyn müste, das könten sie leichtlich rüchen.


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