Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Hierauff so ritte ich mit meiner Music nun wieder fort und als ich vor dem Rath-Hause vorbey trottiren wolte, so fielen mir unvermutheter Weise 26 Häscher meinem Pferde in Zaum und schrien alle zugleich: Halt! Wie ich nun stille halten muste, so kamen die grossen Raths-Personen, welche in vierzehen hundert Nobels bestunden, die becomplimentireten mich und schätzten sich glücklich, daß sie die hohe Ehre haben solten, meine vornehme Gegenwart zu genüssen. Als sie solch Compliment gegen mich nun abgeleget hatten, so antwortete ich zu Pferde überaus artig auch wieder, in halb Engeländischer, Holländischer wie auch bisweilen teutscher Sprache.

Sobald als nun meine Antworts-Rede aus war, hiessen mich die sämtl. Raths-Herren absteigen und baten mich, daß ich ihr vornehmer Gast seyn solte. Worauff ich mit meinen grossen Kober alsobald abstieg und gab Ordre, mein Pferd so lange ins Häscherloch zu ziehen, biß daß ich gegessen hätte. Welches auch geschahe.

Damit so führeten mich drey Präsidenten in der Mitten auff das Rathhauß hinauff, hinter mir her giengen nun die sämtl. Mit-Glieder des Raths, alle zu zwölffen in einer Reihe. Wie wir nun 11 Treppen hoch auff das Rath-Hauß gestiegen waren, ey sapperment! was präsentirete sich da vor ein schöner Sahl! Er war mit lauter geschliffenen Werckstücken von Glase gepflastert und an stat des Taffelwercks waren die Wände mit lauter Marmorsteinern Gipse ausgemahlet, welches einen fast gantz die Augen verblendete. Mitten auff dem Saale nicht weit von der Treppe stund eine lange von Venedischen Glase geschnittene Taffel gedeckt, auff welcher die raresten und delicatesten Speisen stunden.

Ich muste mich nun mit meinen grossen Kober gantz zu oberst an die Taffel setzen und neben mir sassen die drey Präsidenten, welche mich die 11 Treppen hinauff geführet hatten. Weiter an der Taffel hinunter sassen die übrigen Mitglieder des Raths und sahen mich alle mit höchster Verwunderung an, daß ich solchen Appetit zu essen hatte! Unterwärender Mahlzeit wurde nun von allerhand discuriret, ich aber saß anfänglich gantz stille und stellte mich, als wenn ich nicht drey zehlen könte. Da ich mich aber satt gefressen hatte, so that ich hernach mein Maul auch auff und fing an zu erzehlen, wie daß ich in Indien einsmahl von den grossen Mogul so vortrefflich wäre beschencket worden und wie daß ich denselben den Calculum wegen seiner Einkünffte hätte führen müssen und wie ich noch halb so viel Überschuß heraus gebracht, als er jährlich hätte einzunehmen gehabt; und wie daß der grosse Mogul mich deßwegen zu seinen Reichs-Cantzler machen wollen, weil ich Adam Riesens Rechen-Buch so wohl verstanden. O Sapperment! wie horchten die Herren des Raths zu Venedig, da ich von dem Reichs-Cantzler und Adam Riesens Rechen-Buche schwatzte! Sie titulirten mich hernach nicht anders als Ihr. Hochwürden und fingen alle mit einander gleich an, meine Gesundheit zu trincken. Bald sagte Einer: Es lebe derjenige, welcher in Indien hat sollen des grossen Moguls Reichs-Cantzler werden und hats nicht annehmen wollen! Bald fieng ein anderer an und sagte: Es lebe derjenige, welcher noch halb so viel Überschuß über des grossen Moguls Einkünffte heraus bringen kan, ob ers gleich nicht einzunehmen hat. Welche und dergleichen Gesundheiten wurden nun von allen über der gläsern Taffel mir zu Liebe getruncken!

Wie nun meine Gesundheit herum war, so fieng der eine Präsident, welcher flugs neben mir saß, zu mir an und sagte: Ich solte doch meine hohe Geburt nicht länger verborgen halten, denn er hätte schon aus meinen Discursen vernommen, daß ich nicht eines schlechten Herkommens seyn müste, sondern es leuchtete mir was ungemeines aus meinen Augen heraus. Hierauf besann ich mich, ob ich mich wolte zu erkennen geben oder nicht. Endlich so dachte ich: Schiß dir auch drauff, du wilst ihnen doch nur die Begebenheit von der Ratte erzehlen, damit sie Maul und Ohren brav aufsperren müssen, weil sie es nicht besser wollen gehabt haben. Und war her und fing an, von der Ratte zu schwatzen und in was vor ein Loch sie gelauffen wäre. O Sapperment! was erweckte das Ding bey den vierzehen hundert Rathsherren vor groß Auffsehens, als ich von der Ratte anfieng zu schwatzen! Sie stackten der Tebel hohl mer an der Tafel die Köpfe alle mit einander zusammen und redeten wohl drey gantzer Seiger-Stunden heimlich von mir. Was sie aber durch einander plißperten, das kunte ich gar nicht verstehen. Doch so viel ich von meinen Herren Nachbar zur rechten Hand vernehmen kunte, sagte er zu den einen Präsidenten, wann ichs annehmen wolte, so könte ich Überauffseher des Raths zu Venedig werden, weil sie indem niemand hätten, der sich darzu schickte. Nachdem sie sich nun alle so durch einander heimlich beredet hatten, so fingen sie alle zugleich an zu reden und sagten: Wir wollen Ihr. Hochwürden zu unsern Raths-Inspector machen – wollen Sie es wohl annehmen? Auff dieses gute Anerbieten gab ich den sämptlichen Raths-Collegio flugs sehr artig wieder zur Antwort und sagte:

Vielgeehrte Herren und respective werthe Hertzens-Freunde! Daß ich ein brav Kerl bin, dasselbe ist nun nicht Fragens werth und daß ich mich in der Welt, so wohl zu Wasser als Lande was rechts versuchet habe, solches wird der bekante See-Räuber Hanß Barth, welchen ich auff der Spanischen See mit meinen vortrefflichen Rücken-Streicher einen grossen Flatzschen von seiner krummen Habichts-Nase gesebelt, selbst gestehen müssen, daß meines gleichen in der Welt wohl schwerlich von Conduite wird gefunden werden. O Sapperment! wie sahen mich die 14 hundert Raths-Herren alle nach einander an, daß sie von meinen Rücken-Streicher und von meiner Conduite höreten!

Worauff auch der eine Präsidente zu mir gleich sagte: Das sämptliche Collegium hätte nun schon aus meiner Antwort vernommen, daß ich solche angetragene Charge wohl schwerlich acceptiren würde, indem mein Gemüthe nur an dem Reisen seine Lust hätte. Hierzu schwieg ich nun stock mause stille und machte gegen die drey Präsidenten ein über allemassen artig Compliment und stund, ehe sie sichs versahen, wie ein Blitz von der Taffel auff. Da solches dieselben nun sahen, daß ich auffstund, fiengen sie gleich auch an, alle mit einander auffzustehen.

Da sie nun merckten, daß meines Bleibens nicht länger bey sie seyn wolte, so beschenckte mich der gantze Rath mit einen künstlich geschnittenen Venedischen Glase, welches auff zwantzig tausend Thaler geschätzet wurde. Dasselbe solte ich ihnen zum ewigen Andencken auffheben und zu Zeiten ihre Gesundheit daraus trincken. Es wäre auch geschehen, wenn ich nicht – wie man ferner hören wird – solches unverhoffter weise zerbrochen hätte.

Nachdem ich nun von den sämptlichen Rathe zu Venedig wieder Abschied genommen und mich vor so grosse erzeugte Ehre bedancket hatte, stackte ich das geschenckte schöne kostbare Glaß in meinen grossen Kober und ließ mir von etlichen Claudittgen mein in der Glücks-Bude gewonnenes Pferdt aus dem Häscher-Loche wieder heraus ziehen und auff den Sahl oben hinauff bringen. Daselbst satzte ich mich nun mit meinen grossen Kober wieder zu Pferde und ritte mit so einer artigen Manier im vollen Courier die Treppe hinunter, daß sich auch die Raths-Herren alle mit einander über mein reuten höchst verwunderten und meyneten nicht anders, ich würde Halß und Beine brechen müssen, weil es so glatt auff der Treppen wäre, indem die Stuffen von den schönsten geschnittenen Venedischen Glase gemacht waren. Allein mein Pferdt, das war gewand, es trottirete wie ein Blitz mit mir die gläsernen Treppen hinunter, daß es auch nicht einmahl ausglatterte. Unten vor dem Häscherloche, da paßten nun meine Musicanten wieder auff und so bald sie mich sahen von dem Rath-Hause herunter geritten kommen, so fiengen die mit den Trommeten gleich an, eine Sarabande zu schlagen. Die Schalmey-Pfeiffer aber pfiffen den Todten-Tantz drein und die zwey mit den Lauten spielten das Lied darzu: »Ich bin so lange nicht bey dir gewesen«, und der mit der Zitter klimperte den Altenburgischen Bauren-Tantz hinten nach.

Nun kan ichs der Tebel hohl mer nicht sagen, wie die Music so vortrefflich zusammen klang und mein Pferdt machte immer ein Hophegen nach einander darzu. Damit so wolte ich nun noch einmahl umb den St. Marx-Platz herum reuten und zwar nur deßwegen, die Leute dadurch an die Fenster zu locken und daß sie sich wacker über mein vortrefflich Reuten verwundern solten. Welches auch geschahe. Denn als ich mit meinem grossen Kober über den St. Marx-Platz wieder geritten kam, so stackten wohl auf dreißig tausend Menschen die Köpffe zun Fenstern heraus, die sahen sich bald zum Narren über mich, weil ich mit meinem grossen Kober so galant zu Pferde saß. Wiewohl mir auch das Ding von denen Leuten gefiel, daß sie die Augen so brav über mein vortrefflich zu Pferde Sitzen auffsperreten – dasselbe werde ich der Tebel hohl mer Zeit Lebens nicht vergessen! Aber was ich auch dabey vor einen Pfui dich an mit einlegte, davon werden noch biß dato die kleinen Jungen zu Venedig auff der Gasse davon zu schwatzen wissen.

Man höre nur, wie mirs gieng. Indem ich nun mit meinem grossen Kober überaus artig umb den St. Marx-Platz herumb ritte, und alle Leute Maul und Nasen über mich aufsperreten, so zog ich ein Pistoll aus der einen Halffter und gab damit Feuer! Der Glücks-Töpffer hatte mir aber zuvor (als ich das Pferdt bey ihm gewonnen) nicht gesaget, daß es Schoß-Scheu wäre und kein Pulver rüchen könte. Wie ich nun so in aller Herrligkeit das Pistoll loß schoß, so that das Pferdt – ehe ichs mich versahe – einen Ruck und schmiß mich der Tebel hohl mer mit meinen grossen Kober flugs aus den Sattel heraus, daß ich die Länge lang auff dem St. Marx-Platz dorthin fiel und das wunderschöne Glaß, welches so kostbar seyn solte, in hundert tausend Stücken zerbrach. O sapperment! wie fiengen die Leute an, alle mit einander mich auszulachen! Ich war aber her und stund mit meinen grossen Kober geschwinde wieder auff und lieff immer hinter dem Pferde her und wolte es wieder haschen. Wenn ich denn nun bald an es war und wolte das Raben-Aaß hinten beym Schwantze ergreiffen, so fing die Schind-Mehre allemahl geschwinde an zu trottiren und carbetirete eine Gasse hinauff, die andere wieder nieder! Ich jagte mich wohl drey gantzer Stunden mit dem Schind-Luder in der Stadt Venedig herumb und kunte es doch nicht kriegen. Endlich so lieff es gar zum Thore hinaus und in ein Stück Hafer, welcher flugs vorm Thore auff einen Stein-Felsen gesäet stunde, hinein. Da dachte ich nun, ich wolte es ergattern und lieff ihn immer in Hafer nach, allein ich kunte es der Tebel hohl mer nicht habhafftig werden, denn ie mehr ich dem Aaße nachlieff, ie weiter trottirete es ins Feld hinein und lockte mich mit den Narrens-Possen biß vor die Stadt Padua, ehe ich solches wieder bekommen kunte. Ich hätte, halt ich dafür, dasselbe wohl noch nicht gekriegt, wenn nicht ein Bauer aus der Stadt Padua mit einen Mist-Wagen wäre heraus gefahren kommen, welcher eine Stute mit vor seinen Wagen gespannet hatte. Bey derselben blieb mein gewonnenes Pferd (weil es ein Hengst war) stille stehen.

Wie ich dasselbe nun wieder hatte, so satzte ich mich mit meinen grossen Kober gleich wieder drauff und berathschlagte mich da mit meinen Gedancken, ob ich wieder nach Venedig oder in die Stadt Padua flugs Spornstreichs hinein reuten wolte und selbige auch besehen. Bald gedachte ich in meinen Sinn, was werden doch immer und ewig die Musicanten dencken, wo Signor Schelmuffsky muß mit seinen grossen Kober geblieben seyn, daß er nicht wieder kommt? Bald gedachte ich auch, reutest du wieder nach Venedig zu und kömmst auff den St. Marx-Platz, so werden die Leute den von Schelmuffßky wacker wieder ansehen und die kleinen Jungen einander in die Ohren plißpern: Du siehe doch, da kommt der vornehme Herr mit seinen grossen Kober wieder geritten, welchen vor vier Stunden das Pferdt herunter warff, daß er die Länge lang in die Gasse dahin fiel. Wir wollen ihn doch brav auslachen! Endlich dachte ich auch, kommst du nach Venedig wieder hinein und der Rath erfähret es, daß du das wunder schöne Glaß schon zerbrochen hast, so werden sie dir ein andermahl einen Quarck wieder schencken! Fassete derowegen eine kurtze Resolution und dachte: Gute Nacht, Venedig! Signor Schelmuffsky muß sehen, wie es in Padua aussiehet; und rannte hierauff in vollen Schritte immer in die Stadt Padua hinein.


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