Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Der grosse Mogol hatte mich kaum eine halbe Stunde verlassen, so kam er mit seiner Gemahlin, mit seinen Cavalliren und Dames in mein Zimmer wieder hinein getreten. Da hieß mich nun seine Gemahlin wie auch die Cavalliers und Dames alle willkommen und sahen mich mit grosser Verwunderung an. Ich muste auf Bitten des grossen Mogols die Begebenheit von der Ratte noch einmahl erzehlen, denn seine Gemahlin wolte dieselbe Historie so gerne hören. Ey Sapperment! wie hat das Mensche drüber gelacht: Die Cavalliers und Dames aber sahen mich alle mit grosser Verwundrung an und sagte immer eines heimlich zu den andern: Ich müste wohl was rechts in Teutschland seyn, weil ich von solchen Dingen erzehlen könnte? Nun war es gleich Zeit zur Abendmahlzeit, daß der grosse Mogol zur Tafel blasen ließ. Ey Sapperment! was hörete man da vor ein Geschmittere und Geschmattere von den Trompeten und Heerpaucken! Es stunden 200 Trompeter und 99 Heerpaucker in seinen Schloß-Hoffe auf einen grossen breiten Steine, die musten mir zu Ehren sich da hören lassen. Die Kerl bliesen der Tebel hohlmer unvergleichlich! Wie sie nun ausgeblasen hatten, so muste ich die grosse Mogoln bey der Hand nehmen u. sie zur Tafel führen. Es ließ sich der Tebel hohlmer recht artig an, wie ich so neben ihr her ging. Sobald als wir nun in das Taffelgemach kommen, so nöthigte mich der grosse Mogol, daß ich mich setzen solte und die Oberstelle an der Tafel einnehmen; ich hätte solches auch ohne Bedencken gethan, wenn ich nicht Lust gehabt, mich neben seiner Gemahlin zu setzen, denn es war so ein wunderschön Mensche. Also muste sich erstlich der grosse Mogol setzen, neben ihn setzte ich mich und neben mir zur lincken Hand satzte sich nun seine Liebste. Ich saß da recht artig mitten inne.

Über Tische so wurde nun von allerhand discuriret. Die grosse Mogoln fragte mich: Ob denn auch in Teutschland gut Bier gebrauet würde und welch Bier man denn vor das beste da hielte? Ich antwortete ihr hierauf sehr artig wieder, wie daß es nemlich in Teutschland überaus gut Bier gebrauet würde und absonderlich an den Orte, wo ich zu Hause wäre, da braueten die Leute Bier, welches sie nur Klebe-Bier nenneten, und zwar aus der Ursachen, weil es so Maltzreich wäre, daß es einen gantz zwischen die Finger klebete und schmeckte auch wie lauter Zucker so süsse, daß wer von demselben Biere nur ein Nössel getruncken hätte, derselbe hernachmahls flugs darnach predigen könte. Sapperm. wie verwunderten sie sich alle, daß es solch gut Bier in Teutschland gäbe, welches solche Krafft in sich hätte.

Indem wir nun so von diesen und jenen über der Taffel discurirten und ich gleich in Willens hatte, die Historie von meinen Blase-Rohre zu erzehlen, so kam des grossen Mogols seine Leib-Sängerin in das Taffel-Gemach hinein gegangen, welche eine Indianische Leyer an der Seite hängen hatte. Sapperm. wie kunte das Mensche schöne singen und mit der Leyer den General-Bass so künstlich darzu spielen, daß ich der Tebel hohlmer die Zeit meines Lebens nichts schöners auf der Welt gehöret hatte. Kans nicht sagen, was das Mensche vor eine schöne Stimme zu singen hatte! Sie kunte der Tebel hol mer biß in das neunzehende gestrichene C hinauff singen und schlug ein trillo aus der Qvinte biß in die Octave in einen Athem auf 200 Tacte weg und wurde ihr nicht einmahl sauer. Sie sung vor der Taffel eine Arie von den rothen Augen und den schwartzen Backen, daß es der Tebel hohlmer überaus artig zu hören war.

Nachdem nun die Abendmahlzeit zu Ende war, muste ich wieder die grosse Mogoln bey der Hand nehmen und mit ihr nach meinen Zimmer zugehen, alwo sie, wie auch der grosse Mogol, Cavalliers und Dames von mir Abschied nahmen und eine gute Nacht wündscheten, worauf ich mich sehr artig bedanckte u. sagte: Daß sie alle mit einander fein wohl schlaffen sollten und sich was angenehmes träumen lassen. Hiermit verliessen sie alle mit einander meine Stube und gingen auch, sich ins Bette zu legen.

Da sie nun von mir weg waren, kamen 4 Laqvaien und 3 Pagen in mein Gemach hinein, die fragten nun, ob sich der Juncker wolte ausziehen lassen? Wie ich nun ihnen zur Antwort gab, daß ich freylich etwas schläffrich wäre und nicht lange mehr offen bleiben würde – Sapperm. wie waren die Kerl geschäfftig! Der eine lieff und hohlte mir ein paar gantz göldne Pantoffeln, der andere eine schöne, mit Gold gestickte Schlaff-Haube, der dritte einen unvergleichlichen schönen Schlaff-Peltz, der vierdte schnalte mir die Schue auf, der fünffte zog mir die Strümpffe aus, der sechste brachte mir einen gantz göldnen Nacht-Topff, und der siebende machte mir die Schlaffkammer auf. O Sapperment! was stund da vor ein schön Bette, in welches ich mich legen muste! Es war der Tebel hohlmer auch so propre, daß ichs nicht genug beschreiben kan, u. schlieff sichs auch so weich darinnen, daß ich auch die gantze Nacht nicht einmahl aufwachte.

Einen artigen Traum hatte ich selbe Nacht. Denn mich träumete, wie daß ich nach den Abtritte meines Bier-Weges gehen wolte und kunte denselben nicht finden, und fand ihn auch nicht. Weil ich nun über der Tafel vorigen Abend ein Bißgen starck getruncken und Schertz und Ernst beysammen war, so kam mirs in Traume nicht anders für, als wenn einer von Laqvaien ein groß silbern Faß getragen brächte und sagte: Juncker, hier haben sie was. Damit so griff ich zu und meinte nun der Tebel hohlmer nicht anders, das Faß würde mir aus der Noth helffen und halff mir auch im Traume aus der Noth. Aber wie ich des Morgens früh aufwachte, ey Sapperment! was hatte ich in Traum vor Händel gemacht! Ich schwamm der Tebel hohlmer bald in Bette, so naß war es unter mir. Doch wars endlich noch gut, daß ich nicht gar mit der gantzen Schule im Traume gegangen war, sonst würde ich nicht gewust haben, auf was für Art solcher Fehler im Traume hätte können bemäntelt werden. So aber blieb ich in Bette brav lange liegen und trocknete es so artig unter mir wieder, daß es auch niemand gewahr wurde, was ich gemacht hatte.

Hierauf stund ich auf und ließ mich wieder ankleiden. Wie ich nun fertig war, schickte der grosse Mogol zu mir, ließ mir einen guten Morgen vermelden und wenn mir was angenehmes geträumt hätte, solte es ihn lieb zu hören seyn, auch dabey sagen: Ob ich mich nicht ein wenig in sein geheime Cabinet bemühen wolte. Er wolte mich um etwas consuliren. Ich war hierauf geschwinde mit einer Antwort wieder fertig und ließ ihn sehr artig wieder sagen: Wie daß ich nemlich sehr wohl geschlaffen, aber was das Träumen anbelangete, so hätte ich keinen guten Traum gehabt, denn der Angst-Schweiß wäre mir im Traume so ausgefahren; und daß ich solte zu ihn kommen in sein Cabinet, dasselbe solte gleich geschehen. Solches ließ ich ihn durch seinen Cammer-Pagen nun wieder sagen und ging hernach gleich zu ihn und hörete, was sein Anbringen war. Da ich nun zu ihn hinkam und meine Complimente sehr artig bey ihn abgeleget, so schloß er einen grossen Bücher-Schranck auf und langete ein groß Buch heraus, welches in Schweins-Leder eingebunden war; dasselbe zeigte er mir und sagte: Daß er in dasselbe täglich sein Einkommens schriebe und wenn das Jahr um wäre und er die Summa zusammen rechnete, wolte es keinmahl eintreffen und fehlte allemahl der dritte Theil seiner Einkünffte; und fragte hierauf, ob ich rechnen könte? Worauf ich ihn denn wieder zur Antwort gab, wie daß ich ein brav Kerl wäre und Adam Riesen sein Rechen-Buch sehr wohl kante. Er solte mir das grosse Buch geben, ich wolte schon sehen, wie die Summa herauszubringen wäre. Hierauf so gab er mir das Buch, worinnen seine Einkünffte stunden und ließ mich allein.

Wie ich nun das Buch so durchblätterte, ey Sapperment! was stunde da vor Lehnen und Zinsen! Ich war her, setzte mich hin, nahm Feder und Dinte und fing an, Eins, zehne, hundert, tausend zu zehlen. Und wie ich nun sahe, daß der grosse Mogol in den Einmahl eins gefehlet hatte und solches nicht richtig im Kopffe gehabt, so hatte es freylich nicht anders seyn können, daß die Summa von den 3ten Theil weniger bey ihm heraus gekommen war, als er täglich aufgeschrieben. Denn an statt, da er hätte zehlen sollen: Zehen mahl hundert ist tausend, so hatte er gezehlet, zehn mahl tausend ist hundert; und wo er hätte subtrahiren sollen, als zum Exempel Eins von hunderten bleibet 99, so hatte er aber subtrahiret: Eins von hunderten kan ich nicht, eins von zehen bleibt neune und 9 von 9 geht auf. Das geht ja der Tebel hohlmer unmöglich an, daß es eintreffen kan. Als ich nun solche Fehler sahe, merckte ich nun gleich, wo der Hund begraben lag. Ich war her und satzte mich drüber u. rechnete kaum 2 Stunden, so hatte ich alles mit einander in die richtige Summa gebracht und behielt noch halb so viel übrig über die gantze Masse als er einzunehmen und von Tage zu Tage aufgeschrieben hatte. Als ich nun den Calculum von Adam Riesens Rechen-Buche sehr artig und richtig gezogen, ruffte ich ihn wieder zu mir und wieß ihn nun, wie und wo er in den Einmal eins gefehlet hätte und wie ich alles so artig und richtig heraus gebracht hätte und noch halb so viel Überschuß behalten. Ey Sapperm. als ich ihn von den Überschusse schwatzte, sprung er vor Freuden hoch in die Höhe, klopffte mich auf meine Achseln und sagte, wenn ich gesonnen wäre, bey ihn zu bleiben, er wolte mich zu seinen geheimbden Reichs-Cantzlar machen! Ich antwortete ihn hierauf wieder und sagte, wie daß freylich was rechts hinter mir steckte und daß ich der bravste Kerl mit von der Welt wäre, und weil ich mein Hertze nur daran gehänget hätte, fremde Länder und Städte zu besehen, als wolte ich mich vor das gute Anerbiethen hiermit bedanckt haben. Weil er nun sahe, daß ich zu solcher Charge keine Lust hatte, so erwieß er mir die 14 Tage über, als ich bey ihn war, auch solche Ehre, daß ichs der Tebel hohlmer mein Lebetage nicht vergessen werde. Denn es ist ein erschrecklicher reicher Herr, der grosse Mogol, er wird als Keyser nur dort tituliret und hat so viel Schätze als Tage im Jahre seyn. Die habe ich auch alle mit einander gesehen, denn er zeigte mir alle Tage einen. Vortreffliche schöne Bücher hat er auch und ist ein sonderlicher Liebhaber von denselben. Ich muste ihn auch mit Hand u. Munde zusagen, daß ich ihn eins aus Teutschland in seinen Bücherschranck schicken wolte vor Geld und gute Wort.

Als er nun sahe, daß ich mich wieder reisefertig machte, so verehrete er mir sein Bildniß mit der Kette, und seine Gemahlin schenckte mir 1000 species Ducaten eines Schlags, worauf des grossen Mogols Bildniß gepräget war. Damit hang ich die Kette mit des grossen Mogols Bildniß an mich, welches von den schönsten Indianischen Golde war und nahm von ihn sehr artig, wie auch von seiner Gemahlin, Cavalliern und Dames wieder Abschied und ging von dar zu Schiffe nach Engelland zu.


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