Christian Reuter
Schelmuffsky
Christian Reuter

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Wie meine Gesundheit nun über der Taffel herum war, so ließ ich mir den Hochzeit-Bitter eine grosse Wasser-Kanne geben, in welche wohl 24 Kannen nach hiesigen Maaße gienge, die muste mir ein Aufwärter voll Wein schencken und über die Tafel geben. Da dieses der Bräutigam wie auch die Braut und die andern Hochzeit-Gäste sahen, sperreten sie der Tebel hohlmer alle Maul und Nasen drüber auf und wusten nicht, was ich mit der Wasser-Kanne auf der Taffel da machen wolte. Ich war aber her und stund mit einer artigen Manier auf, nahm die Kanne mit den Weine in die Hand und sagte: Es lebe die Braut Traute! Sapperment! wie bückten sich die andern Standes-Personen alle gegen mich! Damit so satzte ich an und soff der Tebel hohlmer die Wasser-Kanne mit den 24 Maaß Wein auf einen Zug reine aus und schmiß sie wieder den Kachel-Ofen, daß die Stücken herum flogen. O Sapperment! wie sahe mich das Volck an! Hatten sie sich nicht zuvor über mich verwundert, als sie meine Hochzeit-Verse gelesen, so verwunderten sie sich allererst hernach, da sie sahen, wie ich die Wasser-Kanne voll Wein so artig aussauffen kunte. Flugs hierauf ließ ich mir den Aufwärter noch eine solche Kanne voll Wein einschencken und über den Tisch geben, die soff ich nun eben wie die vorige auf des Bräutigams (Toffel hieß er) Gesundheit hinein. Ey Sapperment! wie reckten die Staadens-Töchter, welche über der andern Tafel sassen, alle die Hälse nach mir in die Höh! Die Menscher verwunderten sich der Tebel hohlmer auch schrecklich über mich, als sie sahen, daß ich so artig trincken kunte.

Kurtz darauf kam mir so ein unverhoffter und geschwinder Schlaff an, daß ichs auch unmöglich lassen kunte, ich muste mich mit den Kopffe auf den Tisch legen und ein Bißgen lauschen. Da solches die Braut sahe, so bath sie mich, daß ich mich doch ein wenig auf ihren Schoß legen solte, denn der Tisch wäre gar zu hart; welches ich auch ohne Bedencken that. Ich kunte aber auf ihren Schosse nicht lange liegen, denn es war mir zu niedrig. Der Kopff fing mir gantz an davon wehe zu thun und war her und legte mich wieder auf den Tisch. Hierauf fing der Bräutigam Toffel zu einen Aufwärter an, er solte mir doch ein Küßgen droben aus der Braut Kammer hohlen, daß ich nicht so hart da läge. Der Aufwärter lieff geschwinde und brachte das Küssen, das that die Braut im Winckel und sagte, ich solte mich drauf legen und ein halb Stündgen schlummern. Ich war her und legte mich die Länge lang hinter die Taffel auf die Banck. Es saß zwar eine vornehme Standes-Person flugs neben mir, dieselbe muste weit hinunter rücken, damit ich Ihr mit den Beinen das seidene Kleid nicht dreckicht machte.

Indem ich nun so eine halbe vierthel Stunde etwan lag, Sapperm., wie wurde mir übel u. fing an zu kruncken. Die Braut, welche mir vor andern sehr gewogen war, will nach mir sehen und fragen was mir ist. Sie versieht sichs aber nicht und ich versehe michs auch nicht, daß mir das speyen so nahe ist und fange da an zu speyen und speye der Tebel hohlmer der Braut den Busen gantz voll, daß es immer unten wieder durchlieff. Sapperment! was war da vor ein Gestanck, daß sie davon alle aufsahen und weggehen musten. Die Braut ging gleich zur Stube hinaus und war willens, sich anders anzukleiden. Mir hatte nun der Wein den Kopff gantz dumm gemacht, daß ich also da liegen blieb und kunte mich der Tebel hohlmer kaum besinnen, wo ich war. Als solches die andern Standes-Personen mercken mögen, daß ich voll bin, lassen sie mich ins Qvartier schaffen, daß ich den Rausch ausschlaffen muß.

Auf den morgenden Tag wie ich wieder erwachte, wuste ich der Tebel hohlmer nicht, was ich vorigen Abend gethan hatte, so voll war ich gewesen. Das hörete ich wohl, daß auf der Gasse die Rede ging, wie daß der vornehme frembde Herr gestern Abend hätte so brav sauffen können u. so schrecklich gespyen, woraus ich muthmassete, daß ich wohl müste zuviel gesoffen haben. Wie es nun Zeit wieder zur Mittags-Mahlzeit war, kam der Hochzeit-Bitter und bath mich, daß ich doch fein bald ins Hochzeit-Hauß kommen möchte, denn sie warteten alle mit der Braut-Suppe auf mich. Ich war her, machte mich gleich wieder zu rechte und ließ durch den Hochzeit-Bitter sagen, sie solten nur noch ein halb Stündgen mit den Essen verziehen, ich wolte gleich kommen. Es verzog sich aber nicht lange, so kam die Braut-Kutsche mit 4 Pferden und hohlte mich aus des Burgemeisters Hause ab.

So bald ich nun vor das Hochzeit-Hauß gefahren kam, stund Toffel der Bräutigam mit der Braut schon in der Thüre, daß sie mich empfangen wolten: Sie machten die Kutsche auch auf, daß ich hinaus steigen solte, welches ich auch that und sprung flugs mit gleichen Beinen heraus und über Toffeln den Bräutigam weg, daß es recht artig zu sehen war. Damit führeten sie mich hinein in die Stube. Sapperment! was machten die Standes-Personen alle vor grosse Reverenze vor mir! Ich muste mich flugs wieder zur Braut hinsetzen, und neben mir zur Lincken saß eine Staadens-Tochter, das war der Tebel hohlmer auch ein artig Mädgen, denn sie hatten denselben Tag eine bunte Reihe gemacht. Nun wuste ich nicht, daß ich vorigen Tag der Braut in den Busen gespyen hatte, so aber sagte mirs Toffel, ihr Bräutigam, und fragte, ob mir nach den gestrigen speyen heute besser wäre. Sapperm., wie erschrack ich, daß vorigen Tag ich so ein Pfui dich an über der Taffel eingeleget hatte! Ich antwortete Toffeln aber, als nemlich den Bräutigam, hierauf sehr artig wieder und sagte: Wie daß ich ein brav Kerl wäre, deßgleichen man wenig finden würde, und daß ichs versehen hätte und der Braut den Busen voll gespyen. Es wäre in Trunckenheit geschehen und ich hoffte, sie würde sich ihre Sachen wohl schon wieder haben abwaschen lassen. Daß auch hierauf einer ein Wort gesagt hätte? Der Herr Burgemeister wuste nun schon, was an mir zu thun war und daß sich leichtlich keiner an mir mit Worten vergreiffen würde; der lachte nun immer wieder, daß ihn hätte der Bauch zerspringen mögen.

Endlich dachte ich, du must doch wieder Wunderdinge erzehlen, daß sie Maul und Nasen brav aufsperren und dich wacker ansehen. War hierauf her und fing von meiner wunderlichen Geburth an und die Begebenheit von der Ratte zu erzehlen. O Sapperment! wie sahen mich die Leute über der Taffel alle an und absonderlich Toffel, der Bräutigam. Dieselbe Staadens Tochter, welche neben mir saß, die kam mir der Tebel hohlmer nicht eine Haare anders vor als meine ersoffene Charmante; sie plisperte mir wohl 10 mal über Tische ins Ohr und sagte: Ich solte doch das von der Ratte noch einmal erzehlen, und ob das Loch auch groß gewesen wäre, wo sie hineingelauffen, als sie das seidne Kleid zerfressen gehabt? Sie gab auch Heyrathens bey mir vor und fragte, ob ich sie nehmen wolte. Ihr Vater solte ihr gleich 20 000 Ducatons mitgeben ohne die Gerade, welche sie vor sich noch hätte und von ihrer Mutter geerbet. Ich antwortete ihr hierauf auch sehr artig und sagte: wie daß ich ein brav Kerl wäre, der sich schon was rechts in der Welt versucht hätte und auch noch versuchen wolte. Könte also mich nicht flugs resolviren, sondern müste mich ein wenig bedencken.

Indem als ich mit der Staadens Tochter so von heyrathen redete, fing Herr Toffel, der Bräutigam, an und sagte: Warum ich denn den Herrn Grafen nicht mitgebracht hätte? Weil ich aber sehr artig anfing und sagte, wie daß er das alltägige Fieber hätte und nicht aufbleiben könte, müsten sie ihn verzeihen, daß er vor dieses mahl keinen Hochzeit-Gast mit abgeben könte.

Hierauf ging die Mittags-Malzeit nun zu Ende und das Tantzen an. Ey Sapperment! wie tantzten die Mädgens in Holland auch galand, sie setzten der Tebel hohlmer die Beine so artig, daß es ein Geschicke hat. Da muste ich nun auch mit tantzen, und zwar mit der Staadens Tochter, welche mir über der Tafel zur lincken Hand gesessen und bey mir Freyens vorgegeben. Erstlich tantzten sie nun lauter gemeine Täntze, als Sarabanden, Chiqven, Ballette und dergleichen. Solch Zeug tantzte ich nun alles mit weg. Sapperment! wie sahen sie mir alle auf die Beine, weil ich sie so artig setzen kunte!

Nachdem wir nun so eine gute Weile herum gesprungen, wurde ein überaus artiger Creiß-Tantz von denen Cavalliren und Frauenzimmer angestellet, welchen ich auch mit tantzen muste. Die invention war also: Die Cavallier oder Junggesellen musten einen Creiß schliessen und einen iedweden, so viel ihrer um den Creiß herum stunden, muste ein Frauenzimmer auf die Achseln treten und mit ihren Rocke des Junggesellen sein Gesichte bedecken; daß er nicht sehen kunte, wie solches geschehen, wurde der Todten-Tantz auf gespielet und musten die Junggesellen nun darnach tantzen. Ey Sapperment! wie ließ der Tantz so propre!

Ich hatte nun die Staadens-Tochter, welche sich in mich verliebt hatte, auf meiner Achsel stehen und tantzte sehr artig mit ihr in den Creise herum. Sapperment! wie war das Mensche so schwer, daß ich auch der Tebel hohlmer gantz müde davon wurde, und durffte nun kein Cavallier mit tantzen aufhören, bis daß sein Frauenzimmer herunter gefallen war.

Wie derselbe Creißtantz nun zu Ende, so bathen sie alle, ich solte mich doch in tantzen alleine sehen lassen! Nun kunte ich ihnen leicht den Gefallen erweisen u. eins alleine tantzen. Ich war her und gab den Spielleuten 2 Ducatons und sagte: Allons, ihr Herren, streicht eins einmal den Leipziger Gassenhauer auf! Sapperment! wie fingen die Kerl das Ding an zu streichen! Damit so fing ich nun mit lauter Creutz-Capriolen an und that der Tebel hohlmer Sprünge etliche Clafftern hoch in die Höhe, daß die Leute nicht anders dachten, es müste sonst was aus mir springen. Ey Sapperment! was kamen vor Leute von der Gasse ins Hochzeit-Haus gelauffen, die mir da mit grosser Verwunderung zusahen.

Nachdem ich den Leipz. Gassenhauer nun auch weggetantzt hatte, muste ich mit desselben Staadens Tochter, welche meine Liebste werden wolte, in der Stadt Amsterdam ein wenig spatziren herum gehen, daß ich mich nur ein wenig abkühlen könte. Ich ließ mir solches auch gefallen und gieng mit denselben Menschen ein wenig in der Stadt herum, weil ich selbige noch nit groß besehen hatte. Da führete sie mich nun überal herum, wo es was zu sehen gab. Ich muste mit ihr auch auf die Amsterdamsche Börse gehen, welche der Tebel hohlmer propre gebauet ist. Sie wiese mir auch auf derselben des gewesenen Schiff-Admirals Reyters seinen Leichen-Stein, welcher zum ewigen Gedächtnis da aufgehoben wird, weil derselbe Reyter so ein vortrefflicher Held sol zu Wasser gewesen seyn und noch alle Tage in Amsterdam sehr beklaget wird.

Als die Staad. Tochter mir nun dieses und jenes gezeiget, fing sie zu mir an und sagte, ich solte sie doch immer nehmen und wenn ich ja keine Lust mit ihr in Amsterdam zu bleiben hätte, so wolte sie ihr Lümpgen zusammen packen und mit mir fortwandern, wo ich hinwolte, wenn gleich ihr Vater nichts davon wüste. Worauf ich ihr zur Antwort gab, wie daß ich der bravste Kerl von der Welt wäre und es könte schon angehen, aber es liesse sichs so nicht flugs thun. Ich wolte es zwar überlegen, wie es anzufangen wäre und ihr ehister Tage Wind davon geben. Nach diesen ging ich wieder auf den Tantz-Platz u. wolte sehen, wo meine zukünfftige Liebste wäre, welche von mir auf der Gasse so geschwinde weglieff. Ich sahe mir bald die Augen aus den Kopffe nach ihr um, ich kunte sie aber nicht zu sehen bekommen. Endlich fing eine alte Frau an und sagte zu mir: Ihr Gnaden, nach wem sehen sie sich so um? Wie ich nun der Frau zur Antwort gab: Ob sie nicht das Mensche gesehen hätt, welche über Tische neben mir zur lincken Hand gesessen? Ja, Ihr Gnaden, fing die alte Frau wieder an, ich habe sie gesehen, allein ihr Herr Vater hat sie heissen nach Hausse gehen und erschrecklich ausgefenstert, daß sie sich so eine grosse Kühnheit unterfangen und hätte sich von so einen vornehmen Herrn lassen da in der Stadt herum schleppen, daß die Leute nun davon was würden zu reden wissen und Ih. Gnad. würden sie doch nicht nehmen. Als solches die alte Mutter mir zur Nachricht gesaget hatte, fragte ich weiter, ob sie denn nicht bald wiederkommen würde? Sie gab mir hierauf wieder zur Antwort: daß sie an ihrer Anherokunfft sehr zweiffelte, denn ihr Hr. Vater (wie sie vernommen) hätte zu ihr gesagt: Trotz, daß du dich vor den vornehmen Herrn wieder sehen läst.

Sapperm., wie verdroß mich solch Ding, daß ich das Mensche nicht solte zu sehen bekommen! Und als sie auch nicht wiederkam, überreichte ich Hr. Toffeln, den Bräutigam, wie auch der Braut Trauten mein Hochzeit-Geschencke und nahm von sie wie auch von den andern Standes-Personen und Dames überaus artig Abschied und ging immer nach des Burgemeisters Hause zu. Ob sie wohl nun 20 biß 30 mahl die Braut-Kutsche mit 4 Pferden selben Tag wieder hinschickten und mich bathen, ich möchte doch meine vornehme Person nur noch diesen Abend auf der Hochzeit praesentiren, wenn ich ja die übrigen Tage nicht wieder kommen wolte. Allein ich kam der Tebel hohlmer nicht wieder hin, sondern schickte die Braut-Kutsche allemahl leer wieder ins Hochzeit-Hauß. Herr Toffel, der Bräutigam, ließ mir durch den Herrn Bürgemeister sagen, er wolte nicht hoffen, daß mich iemand von den Herren Hochzeit-Gästen –würde touchiret haben; ich solte ihn doch nur sagen, was mir wäre. Er wolte für alles stehen. Allein es erfuhrs der Tebel hohl mer kein Mensche, was mir war, ausgenommen die alte Frau wuste es, daß ich wegen der Staadens-Tochter so böse war, daß ich sie nicht solte wieder zu sehen bekommen.

Ich war auch gleich willens, mich selben Tag gleich wieder zu Schiffe zu setzen, wenn mein Herr Bruder Graff mich nicht so sehre gebethen hätte, daß ich ihn doch bey seiner Unpäßlichkeit nicht verlassen möchte, sondern so lange verziehen, biß daß er sein Fieber wieder loß wäre – hernach wollte er mit mir hin reisen, wohin ich wolte! Blieb also meinen Hn. Bruder Grafen zu gefallen in Amsterdam noch 2 gantzer Jahr und brachte meine Zeit meistentheils zu in den Spielhäussern, allwo alle Tage vortreffliche Compagnie immer war von vornehmen Dames und Cavalliren. Nachdem nun das elementische Fieber meinen Herrn Bruder Grafen völlig verlassen, ging ich mit ihn in Banco, liessen uns frische Wechsel zahlen, satzten uns auf ein Schiff und waren in Willens, Indien, in welchen Lande der Grosse Mogol residiret, zu besehen.


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