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Eisenarm und Kreuzträger.

Die Sonne war seit etwa einer Stunde aufgegangen; um die Hacienda del Cerro war alles einsam und still, nur das Wiehern der Rosse, das Brüllen der Stiere und das Blöken der Kälber in den äußeren Corrals unterbrach die tiefe Ruhe.

Von den Indianern ließ sich nichts hören und sehen. Zuweilen erhob sich über die Mauern des Hofes der Hut und Kopf eines Vaquero oder eines der Abenteurer, die Gegend durchspähend, ob sich etwas Verdächtiges zeige; aber die ganze Nacht war vergangen, ohne daß die Apachen den Versuch gemacht hätten, die kleine Feste zu beunruhigen, und selbst die gefährlichste Stunde, welche die Wilden gewöhnlich zu ihren Überfällen wählen, die Zeit vor Tagesanbruch, hatte nicht das geringste Zeichen ihrer Nähe gebracht.

Desto unruhiger war der Besitzer dieses reichen Gutes. Stunde auf Stunde war vergangen, ohne daß seine beiden Späher zurückkehrten und ihm Nachricht von dem Schicksal seiner Tochter brachten. Abwechselnd war er fortwährend beschäftigt, die Anstalten zu einer kräftigen Verteidigung der Hacienda zu vervollständigen, oder von der Höhe des Mittelbaues nach der Gegend hinaus zu spähen, von welcher der Reiterzug der Señora kommen mußte.

Nur mit Mühe konnte der alte Mayordomo ihn abhalten, sich selbst hinauszuwagen, und er beruhigte seinen Gebieter endlich nur dadurch, daß er ihm vorstellte, Kreuzträger und Diaz hätten offenbar ihre Wanderung, nachdem sie keine Spur der Señora getroffen, über die Fähre Josés hinaus ausgedehnt, um der Haciendera entgegen zu gehen und sie zur Umkehr zu veranlassen.

Gleiche Ruhe, wie um die Hacienda selbst, herrschte auch in den nächsten Bergen und Thälern der Sierra. Diese Ruhe war namentlich auf einem der letzteren verbreitet, das sich zwischen dichtbewachsenen Hügeln und Felsen schmal in die Bergkette hineinzog und in seiner Mitte von einem kleinen silberklaren Gebirgsbach bewässert wurde. Die Nebel des Morgens begannen sich selbst auf der tiefen Sohle des Thales zu zerstreuen, die Kuppen der Felsen erglänzten im Sonnenschein, der die üppigen Guirlanden der Lianen und die langen Behänge der Moose an den Zweigen der Bäume vergoldete und versilberte, die Drossel und der Spottvogel sangen ihr Lied, und die Tiere der Nacht hatten längst ihre Schlupfwinkel wieder aufgesucht.

Die Stille dieses Gebirgswinkels wurde durch den vorsichtigen und leichten Tritt einer jungen Indianerin unterbrochen, die, häufig stehen bleibend und scheu sich umschauend, von der östlichen Seite des Thales ziemlich eilig herkam.

Comeo – sie war es – schien bereits einen weiten und anstrengenden Weg gemacht zu haben, denn als sie etwa in die Mitte des Thales gelangt war, wo der kleine Bach einen großen Felsblock umspülte, blieb sie tief Atem holend stehen, sah prüfend umher und setzte sich dann auf einen Stein am Wasser, Füße, Gesicht und Arme in der frischen Flut kühlend.

Während sie noch damit beschäftigt war, ließ das Geräusch eines brechenden Zweiges oder knirschenden Kiesels sie emporschrecken, und als sie aufsprang und sich umschaute, sah sie wenige Schritte von sich einen jungen Mann stehen, dessen Farbe und Kleidung einen Europäer verkündete. Der Fremde trug ein Jagdhemd von grünem Tuch, Büchse und Hirschfänger.

» Ave Maria!« sagte er freundlich mit dem gewöhnlichen Gruß und in gebrochenem Spanisch: »Fürchte Dich nicht, Kind! Niemand thut Dir etwas zu Leide!«

Das Mädchen hatte offenbar zuerst entfliehen wollen, doch schien ihr jetzt ein anderer Gedanke gekommen. Sie zog ihre Füße aus dem Wasser, strich ihr langes, jetzt fessellos um ihren Kopf fließendes Haar aus der Stirn zurück und blieb dann regungslos stehen, während tiefe Röte ihr Gesicht überflog, als sie dem musternden Blick des Fremden begegnete.

»Verstehst Du Spanisch?« fragte der Jäger.

»Comeos Ohren sind offen. Ihre Zunge ist nicht gebunden,« sagte schüchtern das Mädchen. »Aber sie versteht nur wenig von der Sprache der Bleichgesichter.«

Der Mann lächelte. »Dann geht es Dir wie mir. Mein Spanisch ist noch herzlich schlecht! Also Comeo heißest Du, wenn ich recht verstanden?«

Die Indianerin nickte.

»Und woher kommst Du?«

Die Indianerin beantwortete die Frage mit jener Taktik, die allen Töchtern Evas, ob weiß oder farbig, angeboren scheint, durch eine andere Frage.

»Bist Du von der Hacienda del Cerro?«

»Nein, Comeo, ich bin ein Fremder in diesem Lande und durch einen Zufall oder vielmehr ein trauriges Ereignis in diese Einöde geraten. Aber sage mir vor allen Dingen, Mädchen, ob Du allein bist, oder Deine Freunde in der Nähe sind. Du hast ein gutmütiges Gesicht, und ich gestehe, daß es mir gerade jetzt nicht sehr lieb wäre, mit Deinem Volke zusammenzutreffen.«

»Hellauge kann um sich schauen.«

Der junge Mann hatte sich trotz der Gefahr seiner Lage auf einen Stein gesetzt.

»Bist Du von den Indianos bravos,« fragte er, »oder den Manos?«

»Comeo ist die Tochter der Comanchen,« sagte das Mädchen stolz.

»Die gehören, so viel ich weiß, zu unsern Feinden. So willst Du mich an Deine Brüder verraten, damit sie meinen Skalp nehmen?«

»Comeo verrät niemand, am wenigsten den Fremdling, der ihr vertraut. Aber Comeo ist selbst in Gefahr, die Apachen würden sie töten, wenn man sie ergriffe!«

»So bist Du auf der Flucht? Dein scheues Aussehen verriet es fast.«

»Windenblüte will zu starken Freunden. Sie ist allein zu schwach, den Jaguar und die Feuerblume zu retten. Sie will nach dem steinernen Hause.«

Der junge Mann dachte einige Augenblicke nach; obschon er die Bezeichnung der Indianerin nicht verstand, schien ihre Erklärung ihm doch mit dem Zweck seiner Anwesenheit in irgend einem Zusammenhang zu stehen.

»Kannst Du mir sagen,« fragte er endlich, »wen Du unter dem Namen Feuerblume verstehst?«

»Es ist die Tochter des reichen Mannes, der in dem steinernen Hause wohnt, das die Bleichgesichter die Hacienda del Cerro nennen.«

»Señora Dolores?«

»Ich weiß es nicht, wie ihre Nation sie nennt. Die ›Feuerblume‹ ist in die Hände der Apachen gefallen, der ›Graue Bär‹ hat mehr als ein Weib in seinem Wigwam. Sie wird verwelken, wenn ihre Freunde sie nicht retten.«

Der Leutnant von Kleist – er war der Fremde – wurde durch diese Nachricht sehr erregt. Nachdem Kreuzträger und der Vaquero übereingekommen waren, zunächst der Spur der Apachen zu folgen, um das Schicksal der Señora zu erkunden, ehe sie Nachricht nach der Hacienda brachten, hatten sie sich in Begleitung des Offiziers, den ein paar Stunden Schlaf gestärkt, vor Tagesanbruch auf den Weg gemacht und waren bis in die Nähe des Lagers der Indianer gelangt. Hier aber hielt es Kreuzträger für zweckmäßig, den einem solchen Geschäft nicht gewachsenen Europäer in einem sichern Versteck unterzubringen und seine weitere Forschung mit dem Vaquero allein fortzusetzen. Eine von Buschwerk bedeckte Felsspalte in dem kleinen Thal hatte dem Leutnant zum Aufenthalt gedient und er hatte auch den Verhaltungsregeln des Wegweisers strenge Folge geleistet, bis der Anblick der jungen Indianerin ihn reizte, sein Versteck zu verlassen.

Die Nachrichten, die er soeben gehört, ließen ihn diesen Schritt nicht bereuen.

Um möglichst genaues zu erfahren, setzte er sein Examen fort.

»Wenn Du eine Freundin der Señora bist,« sagte er – »wie kommt es, daß Du Dich überhaupt in dem Lager unserer Feinde befandest? Warst Du auch eine Gefangene, und bist Du entflohen?«

»Ist es bei den Bleichgesichtern Sitte, daß die Schwester den Bruder verläßt, wenn der Tod ihn bedroht?«

»Ich verstehe Deine Worte nicht.«

»Der große Jaguar der Comanchen ist ein Häuptling, wenn die Zahl seiner Sommer auch noch gering ist. Der große Geist hat gewollt, daß er in die Hände der Apachen fiel. Soll Comeo fern sein, wenn sie ihren Bruder an den Marterpfahl stellen?«

»Der Häuptling, den Du den großen Jaguar nennst, ist also Dein Bruder?«

Sie machte eine Zeichen der Bejahung.

»Und er ist ein Feind der Apachen?«

Die Augen des Mädchens, sonst so sanft und kindlich, blitzten in wildem Haß. »Die Schwarze Schlange und der Graue Bär haben uns Vater und Mutter erschlagen. Wir sind die letzten der Toyahs!«

»Kannst Du mir sagen, Kind, ob außer der Señora noch andere Gefangene von den Indianern in ihr Lager gebracht sind?«

»Zwei Männer! sie sollen die Qualen des Marterpfahls erdulden, aber es sind Weiber, die schreien und klagen werden, während ein Comanche die Thaten seines Volkes singt! Ein Bleichgesicht, in dessen Augen der Schmerz wohnt, und ein Mann, dessen Hände seine Füße sind, kamen mit den Apachen. Aber es scheinen ihre Freunde, und sie werden mit ihnen jagen und fechten in den Gebirgen. Sie haben Pulver und Flinten gebracht, rote Decken und blitzende Perlen für die Weiber.«

Der Offizier biß finster die Zähne zusammen. »Die Schufte!« murmelte er. »Es ist der Lord und sein Diener, und sie vergessen sich so weit, gegen die Männer ihrer eigenen Farbe und ihres Glaubens mit indianischem Raubgesindel sich zu verbünden! Aber Du hast mir noch immer nicht gesagt, wie Du hierher kommst?«

»Der junge Häuptling hat über das Leben der Seinen zu gebieten. Comeo folgt dem Befehl ihres Bruders. Sie ist aus dem Lager der Apachen entwichen, um Nachricht zu bringen nach dem steinernen Hause.«

»Höre, mein Kind,« sagte der junge Mann und ergriff freundlich ihre Hand – »der Wille Gottes, oder des Großen Geistes, wie Du das allmächtige Wesen nennst, hat Dich offenbar nicht ohne Absicht hierher geführt. Ich sehe, daß ich Dir vollkommen trauen kann, und so will ich Dir sagen, daß auch ich und ein paar wackere Männer darauf aus sind, der Spur der geraubten Dame zu folgen und sie wo möglich aus den Händen der Apachen zu befreien. Kreuzträger ist mit seinem Begleiter auf Kundschaft, und Du mußt sie jedenfalls hier erwarten.«

Das Mädchen sah ihn aufmerksam und mit einer gewissen Furcht an.

»Hellauge redet von Kreuzträger. Ist dies der berühmte Krieger, welcher den roten Männern den Tod bringt?«

»Er ist allerdings ein erbitterter Feind der Apachen, aber ein Mann von vortrefflichen Eigenschaften. Kennst Du ihn?«

»Ich habe seinen Namen gehört, wenn der Jaguar und Eisenarm von ihm redeten. Eisenarm wird sich freuen, mit ihm auf derselben Fährte zu sein!«

» Parbleu! das ist eine Neuigkeit, die mir sehr willkommen ist,« erklang eine fremde, kräftige Stimme. »Wen zum Henker, Leutnant, haben Sie denn da einstweilen zu Ihrer Kurzweil aufgegabelt? Sie hören ja der braunen Dirne so eifrig zu, daß die Apachen Ihnen hätten den ganzen Schopf nehmen können, eh' Sie nur eine Ahnung davon gehabt!«

Es war Kreuzträger, der mit seinem Begleiter von der Felswand niederstieg, über die er in den Rücken des plaudernden Paares gekommen war. Der Offizier erhob sich und versuchte eine Entschuldigung seiner Unvorsichtigkeit. Der Wegführer winkte ihm jedoch lächelnd. »Jugend ist Jugend,« sagte er, mit seiner Kürbisflasche einen Trunk kühlen Wassers aus dem Bach schöpfend und sich damit erfrischend. »Und, mort de ma vie! Sie haben sich wahrhaftig keine häßliche Gesellschaft ausgesucht. Ich hätte in meinem Leben nicht geglaubt, daß es ein so liebliches Geschöpf unter den indianischen Squaws geben könnte. Aber wer ist sie und woher kommt sie? und was weißt Du von Bras-de-fer?«

Das Mädchen mußte jetzt aufs neue erzählen und der Kreuzträger hörte mit größter Spannung den Bericht, der ihm nicht allein die Gewißheit gab, daß die Señora mit ihrer Zofe ohne augenblickliche Gefahr für ihr Leben und ihre Ehre sich im Lager der Wilden befand, sondern auch, daß zwei Männer in der Nähe waren, von denen er schon so vieles gehört, der eine freilich als Gefangener, aber der andere der beste Kampfgenosse, den er sich wünschen mochte. Freilich wußte auch Comeo nicht, wo sich Eisenarm versteckt hielt, und war nur überzeugt, daß er sicher die Umgebung des Lagers und seinen jungen Freund nicht verlassen hätte.

Es galt nun einen Entschluß zu fassen. Die Mitteilung der jungen Indianerin, daß außer dem Engländer und seinem verkrüppelten Diener zwei andere Weiße als Gefangene in das Lager gebracht worden, über deren Person der Offizier genügende Auskunft gab, war eine Ursache großer Unruhe für den Wegweiser. Die beiden Strolche zögerten gewiß nicht, den Indianern, wenn sie damit auch nur eine Stunde ihres Lebens erkaufen konnten, alles, was sie von der Expedition des Grafen wußten, zu verraten.

»Wir hatten uns ziemlich nahe bis an den Ort geschlichen,« sagte der Wegweiser, »wo nach der Beschreibung dieses Mädchens das Lager des Grauen Bären sich befinden muß. Zum Glück bemerkte Diaz noch zeitig genug eine der indianischen Schildwachen, bevor der Halunke uns bemerken konnte, und wir konnten uns vor seinen Teufelsaugen verbergen, bis wir den Rückweg antraten. Aber wir haben dabei eine Entdeckung gemacht, die mehr wert ist, als ein gewonnenes Gefecht. Diese Schufte sind schlimme Gegner in der Ebene, und wo sie sich auf die Schnelligkeit ihrer Pferde oder ihre Teufeleien verlassen können, aber sie sind schlechte Kletterer in den Felsen. An dem Ort, den wir durch einen Zufall ausgespürt, können wir der ganzen Bande Trotz bieten. Die Frage ist jetzt nur, ob wir nochmals versuchen sollen, uns in die Nähe ihres Lagers zu schleichen, um ihr Treiben zu bewachen.«

Es folgte eine kurze Beratung darüber, in der die beiden jungen Männer sich lebhaft für den Versuch aussprachen. Selbst Comeo zeigte deutlich den Wunsch, sie zu begleiten und ihre Gefahren zu teilen, um über ihren Bruder zu wachen.

Nach einiger Überlegung stimmte auch Kreuzträger dem Plane bei, denn es wäre gefährlich gewesen, das Mädchen seine Wanderung fortsetzen zu lassen. Da Comeo die Vorsicht gebraucht hatte, längere Zeit in der Rinne des Baches fortzuschreiten, ehe sie wieder das Ufer betreten, die Spuren der beiden Kundschafter auch nur thalaufwärts führten und sie auf einem andern Wege über die Felsen zurückgekehrt waren, durften sie hoffen, daß die Apachen, auch wenn das Verschwinden Comeos ihre Nachforschung veranlaßt haben sollte, diese nicht bis hierher fortsetzen würden. Übrigens lächelte die junge Indianerin, als Kreuzträger diese Besorgnis erörterte, in eigentümlicher Weise dazu und meinte, sie wisse gewiß, daß ihr Fortgang aus dem Lager keine besondere Aufmerksamkeit erregt haben werde. Näher wollte sie darauf nicht eingehen.

Der Wegweiser erklärte jetzt, daß die geeignetste Zeit zum Aufbruch die Mittagsstunde wäre, wo die Hitze am stärksten sei und die Indianer nach ihrer Gewohnheit im Lager dem Schlaf fröhnen, auch ihre Wachen am unaufmerksamsten sein würden. Bis dahin sollten sie sich in dem Versteck der Felsen zum Schlafen niederlegen; er wollte abwechselnd mit Comeo die Wache halten.

Der Vormittag verging, ohne daß sich irgend etwas Besonderes ereignet hätte. Etwa eine halbe Stunde, ehe die Sonne im Zenit stand, weckte die Indianerin die Schläfer, und sie machten sich sogleich fertig, ihre gefährliche Expedition zu beginnen.

Der Offizier, der so glücklich gewesen war, seinen Revolver am Ufer wiederzufinden, wo er ihn bei dem Ringen mit dem Wilden hatte fallen lassen, und der aus seinem Mantelsack genügende frische Munition mit sich genommen, zeigte der jungen Indianerin den Mechanismus der Waffe und gab sie ihr zu ihrer Verteidigung, da sie am leichtesten zu verbergen und zu handhaben war. Nachdem Kreuzträger und der Vaquero die Spuren ihres Aufenthaltes möglichst vertilgt, stieg die kleine Gesellschaft über die Steinblöcke empor und nahm ihren Weg auf dem umbuschten nördlichen Rande des Thals nach dem Lager der Apachen zu.

Der Kreuzträger ging voran, Comeo und der Offizier folgten, und der junge Vaquero bildete den Schluß. Nach den Andeutungen des Mädchens hatte dieser, der in der Sierra wohl bewandert war, den Ort leicht erkannt, wo das Lager der Indianer war, und konnte demgemäß dem Alten die Richtung angeben. Bei ihrer vorhergegangenen Rekognoscierung hatte sich der Wegweiser, der infolge seines Gewerbes ein sehr scharfes Auge für alle Merkmale einer Gegend hatte, überdies genügend orientiert, um mit seiner größeren Erfahrung den Führer zu machen.

Da sie wußten, daß die Mimbrenos und Mescaleros zusammen, die anderen Stämme aber sämtlich südlicher lagerten, glaubten sie mit einem Bogen nach Norden sich am unbemerktesten dem Lagerplatz nähern zu können und täuschten sich darin auch nicht. Sie waren in der angegebenen Weise etwa zwei Stunden marschiert, wobei der Wegweiser sorgfältig alle Eigentümlichkeiten der immer rauher werdenden Gegend, namentlich auch die kleinen Gebirgsströme prüfte, als sie nach ihrer Berechnung sich in der gleichen Linie mit dem Lagerplatz finden mußten. Der Alte empfahl jetzt die größte Vorsicht, denn es galt nun, in den Rücken des Lagers nach dem Kamm der Sierra hin zu gelangen; man konnte annehmen, daß diese Seite von den Wilden weniger aufmerksam bewacht werden würde, da sie dort keine Feinde zurückgelassen hatten. Darauf baute auch der Wegweiser die Hoffnung, bis in die unmittelbare Nähe des Felsenkessels zu gelangen, in dem sich das Lager befand. Dagegen kannte er viel zu genau die Umsicht der indianischen Krieger, und namentlich der beiden Häuptlinge, um nicht zu wissen, daß in den Richtungen, von denen her eine Gefahr oder Überraschung drohen konnte, gewiß keine Vorsichtsmaßregel versäumt worden war.

Der Weg war immer rauher und beschwerlicher geworden, und die einzige Möglichkeit, die Höhe zu gewinnen, lag in den jetzt zum Teil trockenen Rinnen der Gebirgsbäche. Der Alte hieß seine Begleiter jetzt Halt machen und schlich allein vor, sorgfältig sich hütend, einen Stein zu verschieben oder einen Zweig zu zerbrechen. Nach etwa zehn Minuten schon kam er zurück.

» Caramba!« flüsterte er ärgerlich, »es ist, wie ich mir dachte. Dort oben haben sie einen von den roten Schuften hingestellt, und es ist an ihn nicht heranzukommen, ohne auf hundert Schritt schon bemerkt zu werden, denn das Bett dieses Baches läuft frei durch das Gerölle. Und doch ist es der einzige Weg, auf dem wir vorwärts kommen können, denn überall sind Felsen, und unter einem solchen steht auch wohlgeschützt der rote Halunke und spioniert hier herüber.«

»Ich sollte meinen, Ihre Büchse gliche doch leicht die Entfernung aus, Señor Kreuzträger,« meinte der Offizier, »und wenn Sie Ihres Schusses nicht ganz sicher sind, so lassen Sie mich den Versuch machen. Ich bin ein ziemlich guter Schütze.«

Der Alte lächelte. »Für einen Soldaten, Monsieur, das will ich gern glauben. Aber einen Hirsch zu beschleichen, ist ein leichter Ding, als einen Indianer! Wenn ich von meiner Büchse Gebrauch machen wollte, wette ich hundert gegen eins, daß ich dem Burschen hinter jenem Steinblock her eine Kugel durch die Augenhöhle jagen würde, aber der Knall und das Echo in diesen Bergen würde uns sofort die ganze Bande auf den Hals ziehen. Wir müssen auf ein anderes Mittel denken, seine Aufmerksamkeit abzulenken.«

»Ich will zu ihm gehen und sagen, ich hätte mich von dem Lager verirrt,« erbot sich die junge Comanchin. »Ich werde ihn bitten, mich dahin zurückzuführen.«

»Nein, mein Kind, das wäre zu viel gewagt für einen solchen Zweck. Das ist ein Mittel, das man vielleicht in einem wichtigeren Augenblick gebrauchen kann, wenn Du wirklich so viel Mut hast, um Deinen hübschen Kopf dem Tomahawkhieb eines Apachen auszusetzen, bis Du ihm eine passende Lüge in die Augen gestreut hast.«

»Es darf unter keinen Umständen geschehen,« erklärte der Offizier eifrig, »das Mädchen würde sicher ermordet werden. Suchen Sie ein anderes Mittel, Kreuzträger.«

Der Alte sann kopfschüttelnd nach. »Es war eine Dummheit von mir,« meinte er endlich, »daß wir die Lassos zurückgelassen haben. Eine gute Schlinge in der geschickten Hand dieses Burschen hier könnte uns jetzt vortreffliche Dienste leisten. Ich bin gewiß, daß seine Hand sie sehr gut zu gebrauchen versteht.«

Der junge Vaquero zeigte lachend die Zähne, während er die wollene Schärpe, die um seine schlanken Hüften gewunden war, zu lösen begann. » Caramba,« sagte er, »ich habe mehr als einmal eine Krähe im Aufflug gefangen! Wenn es sich nur um einen Lasso handelt, Señor Crucero, Kreuzträger. hier ist einer. Ein ordentlicher Vaquero wird nie ohne seine Riemen ausgehen, auch wenn es ihm verboten ist!«

Der junge Mexikaner brachte bei diesen Worten einen langen dünnen Strick, aus feinen Riemen von Hirschhaut geflochten, zum Vorschein, den er unter seiner Jacke um den Leib gewickelt getragen hatte.

» Parbleu!« fluchte der Wegweiser, »ich sagte es ja, der Bursche war klüger als ich! Nun höre, mein Junge, schleiche wie ein Wiesel ohne Geräusch bis zu jener Felsecke und sieh Dir genau die Stelle an, wo der tote Teufel Wache hält.«

Der Vaquero warf sich, ohne ein Wort zu erwidern, auf den Boden und glitt mit der Behendigkeit einer Schlange in der bezeichneten Richtung fort. Mit großer Spannung, ängstlich auf jedes Geräusch lauschend, erwarteten seine Begleiter seine Rückkehr. Aber das Lob des alten Mayordomo der Hacienda bestätigte sich in vollem Maße. Es waren noch nicht zehn Minuten verflossen, als der junge Mann wieder neben dem Wegweiser stand.

»Ich habe ihn gesehen,« sagte er, »was soll ich thun?«

»Der Felsen, an den er sich lehnt,« erklärte der Kreuzträger, »ist etwa 20 Fuß hoch und fällt glatt ab. Getraust Du Dich, ohne Geräusch auf seine Höhe zu gelangen?«

»Man kann es versuchen!«

»Gut, es muß gewagt werden! Ich gebe Dir eine Viertelstunde Zeit – ich weiß, Du bist ein guter Kletterer. Wenn Du glücklich oben angekommen bist, dann laß den Schrei des Steinadlers hören, wenn er sich auf seinen Horst senkt. In diesem Augenblick werden wir die Aufmerksamkeit des schuftigen Apachen auf uns lenken, Du hast Deinen Lasso, das Weitere ist Deine Sache!«

Der junge Mann zog, ohne um nähere Instruktionen zu fragen, das Ende des ledernen Strickes durch den eisernen Ring, rollte die Gewinde um seinen rechten Arm und begann dann mit leichtem, unhörbarem Tritt die Felsenwand zur Linken zu ersteigen. Der Alte sah ihm mit großem Interesse und oft seiner Gewandtheit Beifall nickend zu, bis Diaz den Augen der Zurückgebliebenen entschwunden war.

»Es ist ein wackerer Bursche,« sagte er, »und ich fange an, zu glauben, daß wir bald sein Zeichen hören werden. Indes müssen wir uns bereit halten, ihm nötigenfalls und auf alle Gefahr hin mit einem guten Schuß zu Hilfe zu kommen. Lassen Sie uns unterdes nahe schleichen, und wenn es dazu kommt, Señor Teniente, so lassen Sie mich meine Büchse gebrauchen.«

Dem Rat folgte sofort die Ausführung. Der Preuße entledigte sich auf die Anweisung des Alten seiner Schuhe, und alle drei wanden sich nun geräuschlos bis zu dem Felsblock, der die Aussicht nach dem Posten der Apachen versperrte.

Kreuzträger hielt seine Büchse schußfertig im Arm und die junge Comanchin an der Hand. Alle Gehörsnerven schienen angespannt und an dem besorgten Ausdruck seines Gesichts konnte man erkennen, welches große Interesse er an dem Ausgang des gewagten Versuches nahm.

Es mochte etwa eine Viertelstunde vergangen sein, als sich aus einiger Entfernung der Schrei des Steinadlers hören ließ.

»Gott sei Dank!« flüsterte der Alte. »Jetzt, Mädchen, gehe unbesorgt vorwärts, wir folgen Dir!«

Er stieß die junge Indianerin fast um den Felsblock, und diese, seine Absicht erratend, that, als setze sie unbefangen und arglos ihren Weg fort. Sie konnte höchstens fünf Schritte gethan haben, als der Kreuzträger dem Offizier winkte.

»Jetzt ist die Reihe an uns! Vorwärts!«

Er sprang um den Felsblock, und ein halblauter Triumphruf brach von seinen Lippen.

»Bravo, Junge! Gut gemacht!« Er sprang in langen elastischen Sätzen vorwärts, ohne sich um den Offizier zu kümmern, der mit Erstaunen an der gegenüberliegenden, etwa 120 Schritt entfernten Felswand einen dunklen Körper halb in der Luft zappeln und mit Armen und Beinen um sich schlagen sah.

Dem jungen Vaquero war es in der That gelungen, sich unbemerkt bis auf das Plateau des Felsens zu arbeiten, unter dem der Apache stand. Hier gab er, nachdem er seine kurzen Vorbereitungen getroffen, das besprochene Signal.

Der Apache, ein kräftiger und erfahrener Krieger, denn nur einem solchen hatte die »Schwarze Schlange« diesen wichtigen Posten anvertraut, richtete den Kopf aufhorchend empor und sah sich um, den Vogel zu suchen, von dem er doch nichts in dem blauen Äther bemerkte. In diesem Augenblick drang von der anderen Seite her das Geräusch der nahenden Tritte Comeos zu ihm. Er richtete sich auf und griff nach seiner Waffe.

Dies war der Moment, auf den der Kreuzträger und der Vaquero gerechnet hatten. Die Schlinge flog aus der Hand des jungen Mannes und legte sich um den Hals des nichts ahnenden Wilden. In demselben Augenblick stemmte Diaz seinen rechten Fuß gegen einen vorspringenden Stein und zog den Strick mit allen Kräften an, so daß der Apache halb erdrosselt vom Erdboden empor gezogen wurde und, aller Kraft und alles Haltes beraubt, an der Felswand vergeblich mit Händen und Füßen um sich schlug.

Aber diese Situation hätte nicht lange so bleiben können, denn die Anstrengung, bis zu seiner völligen Erdrosselung den schweren Körper in dieser Lage halten zu können, ging über die Kraft des Jünglings. Dies begriff der Kreuzträger mit einem Blick, und mit langen Sprüngen über den Raum eilend, der ihn von dem Wachtposten trennte, stieß er dem Apachen sein Messer ins Herz, gerade als der Vaquero ihn wieder zu Boden fallen lassen mußte.

Dieser ganze Kampf war ohne weiter Laut geschehen. Als der Leutnant und das Mädchen herbeikamen, rührte sich der Wilde bereits nicht mehr, und Kreuzträger wischte achselzuckend auf den fragenden, gewissermaßen vorwurfsvollen Blick des Preußen, sein Messer an dem dürren Grase ab. » Mort dieu!« sagte er, »es ging nicht anders! Wenn der Halunke auch nur so viel Luft wieder gewonnen, um einen einzigen Schrei ausstoßen oder sein Gewehr in die Luft abschießen zu können, wären wir verloren gewesen. Sie können von der Hand eines Knaben nicht die Kraft eines Mannes verlangen! Aber da ich ihn nicht allein zu Boden gebracht, zählt der Bursche natürlich mit, und ich kann anständigerweise das Zeichen meiner Hand nicht auf seinem Leichnam zurücklassen. Komm' herunter, Diaz! Wir wollen den Körper im Gebüsch verstecken und dann unsern Weg fortsetzen, der nun, hoffe ich, frei ist.«

»Es wird besser sein,« antwortete der Vaquero, »wenn Ihr den Toten an den Lasso bindet und ich ihn hier herauf ziehe. Sie werden ihn dann vergeblich suchen!«

»Das ist wahr, der Junge hat Verstand wie einer!« meinte der Wegführer, indem er sogleich ans Werk ging. »Holen Sie unterdes mit dem Mädchen etwas Wasser aus dem Bach, und versuchen sie die Spuren so gut wie möglich zu tilgen.«

Mit Hilfe Comeos, die darin erfahrener war, als der Offizier, gelang dies. Diaz, der den toten Körper jetzt leichter in die Höhe winden konnte, ließ sich darauf an dem Lasso herunter und sammelte die Waffen des Getöteten. Comeo erhielt seine schlechte Flinte mit dem Kugelbeutel, und die kleine Gesellschaft machte sich nunmehr wieder eilig auf den Weg, im Gerinn des kleinen Waldbachs ihren Marsch fortsetzend.

Bald waren sie bis zu der Quelle gekommen, wo er aus dem Gestein hervorbrach, und da dies auf der Höhe der Bergwand war, wußten sie, daß sie sich jetzt bereits im Rücken des Lagers befanden, und änderten nunmehr mit großer Vorsicht ihre Richtung.

Der Kreuzträger hatte in der That richtig geurteilt, als er annahm, die Apachen würden nach dieser Seite weiter keine Schildwachen ausgestellt haben. Sie konnten unbehindert vordringen, und bald zeigte dem erfahrenen Wegweiser der über die Felsen und Wipfel der hohen Korkbäume und Eichen emporsteigende Rauch, daß sie sich in der unmittelbaren Nähe des Lagers im Grunde befanden. Während sie sich vorsichtig näherten, hörten sie das Wiehern der Pferde und das Gekreisch der Weiber, die den Zug begleiteten.

Die Sonne senkte sich bereits gegen Abend, und es war etwa um die vierte Nachmittagsstunde, als sie auf der sehr ungleichförmigen Höhe der Felswände anlangten, welche die breite und dicht bewachsene Schlucht nach drei Seiten umgaben, in der der Kriegszug des »Grauen Bären« und der »Schwarzen Schlange« ihr Lager aufgeschlagen hatten. Der Platz bot einen ebenso sichern Ort gegen einen Angriff, wie ein gutes Versteck für eine Anzahl von drei- bis vierhundert Personen und war mit Wasser und Schatten genügend versehen. Vorsichtig rekognoscierten Kreuzträger und der Vaquero jetzt die Höhe, und es gelang dem ersteren, in einem dichten Buschwerk, das hier die breite, schroff einschneidende Felsspalte mit der Quelle umkränzte, ein Versteck zu finden. Die Höhe der Felsen betrug hier etwa 70 bis 80 Fuß, während sie auf der entgegengesetzten Seite, also über dem Zelt, das bisher dem gefangenen und verwundeten Comanchen zum Aufenthalt gedient, bedeutend geringer war. Doch waren dort die Felswände überhängender und schroffer.

Aus diesem Versteck, in das der Kreuzträger seine Begleiter vorsichtig führte, nachdem auch Diaz von seiner Untersuchung zurückgekehrt war, vermochten sie den Grund der Schlucht vollkommen zu übersehen. Die kleine Kaskade des Bachs fiel etwa in der Mitte, ein wenig mehr nach Norden zu, herunter, sammelte sich auf dem Boden in einem natürlichen Steinbecken und floß dann nach dem breiten Ausgang der Schlucht zu, an dessen südlicher Seite sich ein Teil der Pferde der beiden Stämme mit den einfachen langen Lederstricken an die eingestoßenen Lanzen gebunden befand oder frei umherlief. Denn da das Lager zum Aufenthalt für ein paar Tage bestimmt war, hatten die Indianer sich die Mühe gemacht, eine Art Einzäunung aus jungen Baumstämmen oder durch die Verbindung anderer mittels ihrer Lassos herzustellen.

Auf dieser Seite war, wie gesagt, die Felswand der Schlucht niedriger, aber auch unzugänglicher als auf der nördlichen, wo sich die Gesellschaft des Kreuzträgers befand.

Wie am Abend vorher brannten auf dem Grunde der Schlucht mehrere Feuer, denn die Zeit der Hauptmahlzeit der Indianer kam heran, und die Apachen vertrauten genügend auf ihre Zahl und die Schwäche ihrer Feinde, um sich unbesorgt ihren Bedürfnissen zu überlassen.

Überdies hatten die Feuer noch eine andere schreckliche Bestimmung!

Die Krieger der beiden Stämme waren mit Ausnahme der ausgestellten Wachen vollzählig in dem Lager versammelt und bildeten verschiedene Gruppen. Die Häuptlinge saßen rauchend um das Beratungsfeuer, der Springende Wolf und der Fliegende Pfeil aber fehlten, überhaupt waren eben nur Meskaleros und Gilenos anwesend. Im Kreise der Häuptlinge befanden sich auch Lord Drysdale, der Kurier Volaros und der Malaye. Alle drei schienen von den Wilden mit großer Achtung behandelt zu werden. Comeos scharfes Auge, das sofort den Bruder suchte, fand diesen ebenso noch auf dem Stein in der Nähe des kleinen Zeltes sitzen, wie sie ihn in der Morgendämmerung zugleich mit dem Aufbruch des Fliegenden Pfeils, ihres rohen Anbeters, verlassen hatte.

Das Zelt war geschlossen; da die Señorita und ihre Zofe nirgends zu sehen war, schloß sie, daß diese nunmehr die Stelle ihres Bruders in seinem bisherigen Gefängnis eingenommen hätten.

Die Beute, die der Streifzug des Grauen Bären an der Fähre gemacht hatte, war jetzt offenbar verteilt worden, denn mehrere der wilden Krieger hatten sich auf das Seltsamste mit den Kleidungsstücken ihrer dort erschlagenen Opfer geschmückt und bewegten sich in ihnen auf das Unbeholfenste. Einen besonders lächerlichen und grotesken Anblick aber boten die Weiber, die von ihren Männern die geraubte Garderobe der reichen Haciendera erschmeichelt oder ertrotzt und sich nun mit ihr in der abgeschmacktesten Weise herausgeputzt hatten zu gegenseitigem großen Neid und Stolz, wie das unablässige Geschnatter ihrer Zungen bewies, deren Beweglichkeit keineswegs der einer europäischen Marktdame etwas nachzugeben pflegt. –

In der Mitte des Platzes hinter einem Feuer, das seinen Rauch und seine Hitze dem Kreuzträger entgegentrieb, waren aus jungen Baumstämmen zwei Pfähle in die Erde getrieben und an diesen standen, mit Leder- und Bastriemen gefesselt, die aller Kleidung beraubten Gestalten des Methodisten Slong und des Kentuckiers Meredith.

Der erfahrene Blick des alten Wegweisers erkannte im Moment, daß die beiden Weißen bestimmt waren, die indianischen Martern und den Tod am Pfahle zu erleiden.

Einige Stunden vorher, als die zurückgekehrten Häuptlinge mit dem Lord und den beiden gefangenen Mitgliedern der Expedition des Grafen Boulbon zu dem Comanchen getreten waren, hatte der Graue Bär diesen so angeredet:

»Mein Bruder ist ein junger Häuptling, aber er hat die Augen eines Adlers. Die Bleichgesichter von jenseits des großen Salzwassers wollen den Schwarzhaarigen zu Hilfe ziehen, aber ihr Weg ist weit, und sie werden zu spät kommen. Wenn die Sonne wieder aufgeht, wird das steinerne Haus des Vaters der Feuerblume in der Hand der Apachen sein.«

Der junge Mann würdigte seinen Feind weder einer Antwort, noch eines Blickes. Er schaute stumm in den dunklen Nachthimmel.

»Die Apachen,« fuhr der Häuptling fort, »haben einen Freund unter den Bleichgesichtern gefunden, der ihnen das Kalumet bringt von der großen Mutter im Aufgang. Er hat die Rede des Toyah bestätigt, die Apachen wissen jetzt, daß er keine gespaltene Zunge führt. Sie kommen noch einmal, um ihm Vergessen der Schädelhäute zu bieten, die er genommen hat. Wenn der Jaguar sein Volk verlassen und in die Nation der Gilenos treten will, soll er nicht sterben. Er wird teil nehmen an den Martern dieser beiden elenden Schwarzhaarigen.«

Er wies auf Slong und Meredith, die vergeblich, der eine wimmernde Bitten, der andere wilde Flüche ausstoßend, sich in ihren Fesseln wanden.

»Ein Toyah ist keine Aaskrähe,« sagte der Comanche ruhig. »Was wird der Häuptling der Gilenos mit der Feuerblume machen?«

»Es ist Raum in seiner Hütte für eine junge Squaw. Sie wird die Mutter roter Kinder sein. Mein Sohn soll eine seiner Frauen haben, er hat ihrer drei.«

Wonodongah lachte verächtlich. »Geh!« sagte er, »das Haupt des Grauen Bären hat der Sommer genug gesehen, um zu wissen, daß die Hirschkuh sich nicht mit dem Coyoten paart. Es ist unwürdig eines Kriegers, ein Weib zu zwingen! Müssen die Mimbrenos das Blut der Bleichgesichter in den Adern haben, um zu Männern zu werden?«

»So verwirfst Du meinen Vorschlag?«

»Ein Toyah findet seine Feinde allein! Er wird auch den Weg in die grünen Gefilde des großen Geistes finden!«

Der Graue Bär, der aus einer gewissen rohen Sympathie die wiederholten Versuche gemacht, das Leben des jungen Mannes zu retten, dessen Vater er erschlagen, und den er nächst sich für den tapfersten Krieger in den Prairieen hielt, wandte sich unwillig von ihm. Es folgte jetzt der Befehl, die beiden weißen Frauen in das Zelt zu führen, Slong und der Kentuckier aber wurden auf den Rat des Mestizen herbeigeholt, um sie genau über die Expedition der Weißen zu befragen.

Volaros machte den Dolmetscher. Der Methodist in der erbärmlichsten Todesangst erzählte willig alles, was er wußte, und gestand, daß die Expedition nicht vor dem Abend des nächsten Tages eintreffen könne. Was der Mestize über den Zustand des Grafen Boulbon den Indianern verdolmetschte, verfehlte übrigens nicht, einen mystischen Eindruck auf ihre ungebildeten Gemüter zu machen. Die Person des Führers der Expedition erhielt in ihren Augen dadurch eine große Bedeutung, und sie nahmen an, daß er unter einem Zauber leiden müsse oder selbst leide.

Die beiden Gefangenen wußten überdies selbst nur Unbestimmtes über die Krankheit, da natürlich nur die Offiziere in die Nähe des Kranken gelassen worden waren.

Es wurde demnach der Beschluß gefaßt, daß die Häuptlinge der Lipanesen und Mimbrenos sofort zu ihren Lagern zurückkehren und in der nächsten Nacht sich der Hacienda von Süden und Westen her nähern sollten. In der dritten Morgenstunde mit dem ersten Grauen des Tages sollte dann nach der gewöhnlichen Weise der Indianer gemeinsam der Angriff auf die Villa erfolgen. Da dies nur von Westen her mit Benutzung der Pferde geschehen konnte, mußten noch verschiedene andere Vorbereitungen getroffen werden. Man hoffte, die schwache Besatzung der Hacienda durch die fortwährende Aufmerksamkeit der letzten Tage ermüdet zu finden und sie so desto leichter zu überraschen.

Der Eifer der Indianer, die Hacienda zu erobern, war übrigens um so größer, als sie zwei ihrer Todfeinde hinter deren Mauern vermuteten: Eisenarm und den Kreuzträger. Die Anwesenheit des ersteren in der Prairie war ihnen durch das Gefecht an dem Hügel des Moosbaumes bekannt, und die furchtbare und verderbliche Nähe des Wegweisers aus dem blutigen Zeichen seiner Hand kund geworden, das man auf der Brust des erschossenen Wilden am vergangenen Nachmittag gefunden, und wovon ein Krieger der Lipanesen ihrem Häuptling Nachricht in das Lager der Meskaleros gebracht hatte.

Der Fliegende Pfeil und der Springende Wolf nahmen daher jetzt Abschied von ihren Bundesgenossen und kehrten zu ihren Stämmen zurück. Diese Gelegenheit benutzte Comeo, um unter dem Vorwand, den Worten ihres wilden Verehrers zu lauschen, ihn in der Dämmerung eine Strecke Weges zu begleiten und sich von ihm zu trennen und zu verschwinden.

Dies war auch die Ursache, weshalb ihre Abwesenheit nicht mehr den Verdacht ihrer bisherigen Gastfreunde erregt und eine Verfolgung veranlaßt hatte. Selbst der mißtrauische Häuptling der Meskaleros glaubte, daß sein verliebter Kamerad das Mädchen mit sich genommen habe.

Den Tag verbrachten die Indianer bis zur Mittagszeit mit allerlei Vorbereitungen zu dem beabsichtigten Angriff, indem sie ihre Pfeile mit trockenem Moos umwanden, um damit Feuer in die Hacienda zu schleudern, einige unvollkommene Leitern oder vielmehr Kletterstangen zimmerten, und ihre Beile und Lanzen schärften. Die Weiber errichteten unterdes die Pfähle, an welche die beiden unglücklichen Gefangenen gebunden wurden.

Der Methodist gebärdete sich zur großen Freude und unter der Verhöhnung der Indianer überaus feig und jämmerlich. Er hatte gehofft, durch seinen willigen Verrat sein erbärmliches Leben zu erhalten und sah sich durch die drohenden Anstalten bitter getäuscht. Bald rief er den Lord und den Kurier und flehte sie kläglich an, sich für ihn zu verwenden, bald sang er in der Angst Bruchstücke geistlicher Lieder, bald brach er in gotteslästerliche Verwünschungen seiner Thorheit aus, die ihn in diese Not verlockt. Er versprach dem Engländer mit hundert Eiden, ihm den Piraten Hawthorn in die Hände zu liefern, wenn er ihn nur befreien wolle, dem Mestizen goldene Berge, ohne sie beide im geringsten zu rühren, denn der Lord, dem sein Zusammenhalten mit dem verbrecherischen Seeräuber nicht unbemerkt geblieben war, achtete nicht auf ihn und hatte auf den Rat des Mestizen beschlossen, sich in keiner Weise in das Verfahren der Indianer zu mischen, und Volaros lachte seine Todesangst aus, indem er wohl wußte, daß der ausgeplünderte Methodist nichts zu bieten hatte.

Nur der arme Krüppel nahm Anteil an seinem Schicksal. Er rutschte zu den Füßen des Gefangenen, holte die Bibel aus seinem Gewand, die er nach seiner Taufe mit großer Mühe während der Irrfahrten mit seinem Gebieter lesen gelernt, und las ihm verschiedene Kapitel vor, ihn zur christlichen Ergebung und zur Vorbereitung für den Tod ermahnend, bis der darüber erboste Heuchler ihn mit einem Fußtritt und den lästerlichsten Schimpfreden von sich stieß.

Der Kentuckier schien sich williger in sein Schicksal zu fügen. Er jammerte nicht feig um sein Leben oder den Schmerz, den ihm die festgeschnürten Fesseln verursachten, und grollte mit seinem alten Kameraden nur darüber, daß dieser ihn bei dem Kampf an der Fähre verhindert hatte, von seinen Kräften vollen Gebrauch zu machen und wenigstens ein paar der Feinde umzubringen, ehe er selbst ihnen zum Opfer fiel.

So war die sechste Abendstunde herangekommen, die Zeit, welche die Häuptlinge oder vielmehr Wiscontah bestimmt hatten. Der Medizinmann oder Zauberer des Stammes, eines seiner Geschöpfe, hatte verkünden müssen, es sei nötig, daß die beiden weißen Gefangenen stürben, damit der böse Geist durch ihr Blut bewogen werde, den roten Männern in dem bevorstehenden Kampfe den Sieg zu geben.

Es gehörte ferner zu der Politik des boshaften und grausamen Einäugigen, daß sowohl der Toyah, wie die schöne Tochter des Haciendero und der Lord die Martern mit ansehen: der Jaguar, um seine Standhaftigkeit zu beugen, die Dame, um sie zu erschrecken und ihrem Schicksal gefügig zu machen. Was den Engländer betraf, so sollte das blutige Schauspiel eine jener schrecklichen Prahlereien abgeben, welche die Indianer lieben.

Es wurden daher zwei der Frauen abgeschickt, die Señorita und ihre Dienerin zu holen. Sie erhielten beide ihren Platz in der Nähe des Comanchen, der noch immer ruhig und unbeweglich auf seinem Felsblock saß.

Die schöne Dolores war sehr blaß, aber ihr Gesicht hatte nichts destoweniger den stolzen und entschlossenen Ausdruck behalten, der es auszeichnete. Da sie schon in Guaymas gehört, daß die Nation der Comanchen diesmal mit den Stämmen der Apachen sich zu dem Einfall in die Sonora verbunden hatte, konnte sie, als sie am Morgen Wonodongah zum erstenmal in dem Lager der Indianer erblickt hatte, nicht anders glauben, als daß auch er jetzt auf der Seite ihrer Feinde stehe und vielleicht gar den Zug zu ihrer Entführung veranlaßt habe. Ein Blick tiefer und bitterer Verachtung aus ihren Augen traf daher den ehemaligen Tigrero, als sie an ihm vorüberging.

Die beiden Gefangenen waren, um ihre Marter oder ihre Todesangst zu vermehren, in der Weise an die Pfähle gebunden, daß zwar ihre Handgelenke auf dem Rücken fest und in das Fleisch einschneidend zusammengeschnürt, ihre Beine aber freigelassen waren. Eine kurze Schlinge hielt ihre gefesselten Arme an dem starken Pfahl so lose, daß sie sich in der Weite eines Schrittes etwa rings um diesen her bewegen konnten.

Nachdem sich jetzt die verschiedenen Gruppen der Krieger auf einen gellenden Ruf des Medizinmannes zu einem großen Kreis um die Unglücklichen versammelt hatten, gab der einäugige Häuptling der Meskaleros das Zeichen zum Beginn des grausamen Schauspiels.

Alsbald trat der Zauberer, begleitet von sämtlichen anwesenden Weibern der beiden Stämme, deren Zahl einige zwanzig betragen mochte, in den Kreis. Der Medizinmann war ein alter Bursche von groteskem Aussehen, seine lange hagere Gestalt mit Schlangenhäuten, getrockneten Kröten und Tierschwänzen seltsam behangen und aufgeputzt und er hatte an seinem Skalpzopf die Klapper einer großen Klapperschlange hängen. Er schlug eine kleine Trommel und führte mit allerlei wilden Sprüngen und Grimassen zum großen Entsetzen Slongs den Zug der Weiber, deren jedes einen Feuerbrand und ein Messer in den Händen trug, dreimal um die Gefesselten, denen die Häuptlinge mit ihrem Bundesgenossen, dem Lord, gegenüber saßen.

Als der Zauberer den dritten Rundgang vollendet, blieb er vor den Gefangenen stehen und hielt eine Anrede an sie, in der er sie glücklich pries, dem bösen Geist als Opfer für die vielen Verbrechen der Bleichgesichter gegen die roten Männer zu fallen, und ihren Seelen befahl, als Boten nach den ewigen Jagdgefilden zu wandern und den Geistern der großen Krieger der Apachen zu verkünden, daß ihre Söhne im Begriff wären, sie an der Treulosigkeit der weißen Männer zu rächen und diese wieder über das Wasser zurückzutreiben.

Die Rede blieb zwar sowohl dem Methodisten als seinem Unglückskameraden in ihrem Wortlaut unverständlich, aber sie war genugsam von der lebhaften und drastischen Zeichensprache der Indianer begleitet, um sie begreifen zu lassen, was ihnen bevorstand. Der würdige Methodist, der sich in seinem wechselnden Leben nicht selten in Gefahr befunden, aber in seiner Schlauheit stets Mittel erhalten, sich wieder herauszuwickeln, und dem es sonst an einem gewissen Mut nicht fehlte, fand sich hier von allen seinen auskunftsreichen Eigenschaften verlassen und hatte diesen unbarmherzigen Teufeln in Menschengestalt gegenüber alle seine Kraft verloren. Er war nahe daran, vor Schrecken wahnsinnig zu werden und weinte und zitterte wie Espenlaub. John Meredith antwortete dem Medizinmann mit einer grimmigen Verwünschung.

Jetzt gab der letztere, indem er sich zurückzog, mit der Trommel ein Zeichen und gleich Furien stürzten die Weiber, ihre Feuerbrände und Messer schwingend, auf die beiden Opfer zu. Der Schreckensruf, der den Lippen der Haciendera und ihrer Zofe unwillkürlich entfloh, wurde durch das Angstgeschrei des Methodisten übertäubt, der glaubte, sein letzter Augenblick sei bereits gekommen und sich vergeblich bemühte, den Megären zu entkommen, indem er in der Schlinge um den Pfahl rannte.

Aber so fürchterlich und drohend auch der erste Anschein war, so erwies sich das Ganze doch nur als eine vorläufige Komödie, welche die beiden Gefangenen in Schrecken setzen sollte. Die Weiber begnügten sich, mit den Messern und Bränden vor den Augen der Gefesselten umher zu fahren und ihre Haare zu versengen, und nur der Kentuckier, der zwei der Weiber mit kräftigen Fußtritten weit von sich geschleudert hatte, wurde aus Bosheit dafür an empfindlichen Stellen seines Körpers mit den Bränden geschlagen und verletzt und brüllte vor Schmerz und Wut wie ein Stier.

Der Lord hielt seine Augen fest auf den Boden gerichtet, um das traurige Schauspiel nicht anzusehen, das er nicht zu hindern vermochte. Wenn er auch trotz seines natürlichen Widerwillens gegen die Verbündeten seines Todfeindes Hawthorn Menschenfreundlichkeit genug hatte, um den Versuch zu machen, ihnen, wenn auch nicht den Tod, so doch die schrecklichen Martern zu ersparen, zu denen sie bestimmt waren, so hatte ihm doch die sehr philosophische Erklärung seines Begleiters: daß sie vor allem nötig hätten, ihre eigenen Schädel zu wahren und sich deshalb auf keine Weise in das Treiben der Indianer mischen dürften, die Notwendigkeit gezeigt, alle diese Regungen zu unterdrücken und sich in das Unabweisbare zu fügen, wollte er seine Zwecke erreichen und sich nicht selbst der größten Gefahr aussetzen.

Anders war es bei der jungen Haciendera. Der Anblick der vorstürzenden Furien hatte ihre Nerven erbeben lassen, sie dachte mit Schrecken daran, daß ihr möglicherweise unter den Händen dieser Megären ein ähnliches Schicksal bevorstehen könne, und ihre Augen wendeten sich unwillkürlich wie Hilfe suchend auf den Mann, der sie schon einmal aus den Händen seiner wilden Landsleute befreit hatte.

Ihr Blick begegnete dem dunklen Auge des jungen Indianers, das fest und ernst auf sie gerichtet war.

Eine helle Röte überflog ihr Gesicht bei der Erinnerung an die Art und Weise, wie sie jenen wichtigen Dienst durch seine Entlassung aus der Haciendera, durch den Schuß auf ihn in San Francisco und noch vorhin durch den unwürdigen Verdacht gelohnt hatte.

Es war, als ob der junge Häuptling ihre innersten Gedanken zu lesen verstanden hätte.

Ohne seine Stellung zu verändern, neigte er sein Haupt und sagte in dem leichten, aber ihr deutlich verständlichen Ton seiner Redeweise und in spanischer Sprache:

»Die Feuerblume hat nichts zu fürchten. Die Hände jener Weiber werden sie nicht berühren, denn sie wird ihre Königin sein.«

»Was willst Du damit sagen?« fragte die Donna, unwillkürlich erschauernd.

»Der Graue Bär hat sie zu seinem Weibe bestimmt. Sie wird den Wigwam eines Indianers teilen!«

»Nimmermehr – eher sterben!«

Der Toyah senkte das Haupt. »Die Feuerblume haßt die roten Männer.«

»Nicht alle, Wonodongah, es giebt auch brave und gute Herzen unter den Indianern,« sagte das Mädchen hastig. »Du hast ein solches; um so schlimmer ist es, daß ich Dich jetzt unter unsern Feinden und mit ihnen verbündet sehen muß!«

Der junge Mann sah rasch empor und warf einen Blick der Überraschung auf sie. »Der Pfad der Apachen ist nicht der eines Toyah,« sagte er gekränkt. »Die Feuerblume sollte Wonodongah besser kennen. Er ist ein Gefangener des Grauen Bären, wie sie.«

Die Señora schaute ihn betroffen an. »Ich hörte, daß die Comanchen diesmal mit ihren alten Gegnern, den Apachen im Bunde seien?«

»Sie bekämpfen den gemeinsamen Feind, aber nicht Seite an Seite. Der Jaguar wird niemals auf dem Weg eines Mescalero gehen, es sei denn, er folgte der Spur, um seinen Skalp zu nehmen.«

»Aber wie kommst Du dann hierher?«

»Wie kommt die Feuerblume in das Lager des Grauen Bären? Ich wurde gefangen, als ich verwundet war vor acht Sonnen, weil ich den Rat Eisenarms nicht hörte!«

Die Spanierin atmete hoch auf; sie kannte ihre Macht über diesen Sohn der Wildnis.

»Ich vertraue Dir ganz, Jaguar, Du wirst mich nicht verlassen. Lieber den Tod, als das furchtbare Schicksal, das Du mir vorhin angedeutet hast!«

Der junge Häuptling sah sie mit einem funkelnden Blick an. »Wird die Feuerblume wirklich zu ihrem großen Geiste gehen, ehe sie die Squaw des Grauen Bären wird?«

»Ich stieße mir lieber zehnmal ein Messer ins Herz. Aber ich bin ein schwaches Weib und ohne Waffe!«

Der Indianer sah sich vorsichtig um, dann zog er das Messer, das er am Abend von seinem verborgenen Freunde erhalten, aus dem Gürtel, wickelte es geschickt aus der Schnur und warf es in ihren Schoß.

»Die Feuerblume wird niemals die Mutter apachischer Hunde sein! Sie darf dies Messer erst gegen ihr Herz wenden, wenn ihre letzte Hoffnung geschwunden. Es ist die Gabe eines Freundes!«

Dolores fühlte, welch großes Opfer ihr der Gefangene brachte, denn diese Waffe bildete offenbar seine einzige Wehr. Sie sah ihn, vielleicht zum erstenmal, mit einem Blick an, in dessen Ausdruck all jener Rassenstolz vor einem höhern Gefühl schmolz, das nichts von dem Unterschied des Standes und der Farbe weiß, und sagte unwillkürlich mit tiefer Bewegung: »Nimm meinen Dank – Du rettest mir mehr als das Leben. Aber sprich, was wird Dein Schicksal sein?«

»Wenn die Hacienda del Cerro morgen in den Händen der Apachen ist, wird der Graue Bär hören, wie ein Toyah sein Todeslied singt!«

»Die Hacienda in der Gewalt dieser Teufel! Man will Dich töten? Barmherziger Gott! und mein Vater« – –

»Der Mann mit den hundert Häusern ist gewarnt. Die Schwester Wonodongahs ist heute morgen nach der Hacienda entflohen. Die Feuerblume möge hoffen, das Auge eines Freundes wacht über ihr, und Eisenarm …«

Ein entsetzlicheres Geschrei als das bisherige, unter dessen Schutz die Worte zwischen Wonodongah und der Tochter des reichen Haciendero gewechselt worden, unterbrach die fernere Mitteilung. Das gellende Hohngelächter und der Jubelruf der Apachen mischten sich in diese Laute des Schmerzes und verkündeten den Triumph der Indianer, mit dem sie die Schwäche und Furcht ihrer gehaßten Gegner begrüßten.

Die Marterung des Methodisten und des Kentuckiers hatte während der kurzen Unterredung ihren Fortgang genommen. Die Weiber hatten zunächst ihre Feuerbrände nach den Füßen der Gefesselten geschleudert, und die Sprünge und Kapriolen, mit welchen diese der gefährlichen Nähe zu entkommen suchten, erregte das Hohngelächter der Wilden.

Dann, auf einen Schlag des Medizinmannes auf seine Trommel, wurden die Weiber aus dem Kreise gejagt, die jüngsten Krieger traten vor und schossen mit ihren Pfeilen und warfen mit ihren Tomahawks nach den beiden Gefangenen.

Das grausame Spiel war zwar nur die Einleitung der wirklichen Todesmartern, aber es ist so gefährlich, daß es bei Ungeschicklichkeit oder Bosheit oft den Tod herbeizieht. Die Aufgabe der jüngeren Krieger war, die Pfeile so geschickt zu schießen oder das Beil so sicher zu schleudern, daß sie zwischen den sich windenden und ausweichenden Gliedern des Opfers hindurchflogen, ohne sie ernstlich zu verletzen.

Nach wenigen Minuten bluteten übrigens beide aus verschiedenen leichten Wunden, und als die Spitze eines Pfeils durch das Dickfleisch seines linken Oberarms drang, stieß der Methodist ein jämmerliches Geheul aus.

Dies war das Geschrei, das die Unterredung des Toyah mit der jungen Haciendera unterbrochen hatte. Es dauerte unter dem Hohngelächter der Wilden noch fort, als sich der Medizinmann mit einem brennenden Fichtensplitter aus dem Feuer bewaffnete, mit allerlei Beschwörungen und Zaubersprüchen den Brand um den Kopf schwang und, auf den Kentuckier zustürzend, ihm die scharfen Spitzen in das Fleisch seines Schenkels bohrte.

John Meredith brüllte wie ein angeschossener Stier und wand sich vor Wut und Schmerz in den Banden, ohne den tückisch lachenden Gegner erreichen zu können, der seinen Beschwörungstanz um ihn hielt und sich zur Wiederholung der schändlichen Marter anschickte.

In diesem Augenblick geschah etwas Eigentümliches.

Der Malaye, der bisher neben seinem Gebieter dem empörenden Schauspiel beigewohnt, schob sich in seiner gewöhnlichen Gangweise, in der er durch die Gewohnheit ein große Übung und Schnelligkeit erlangt hatte, über den Raum, der die Schützen von ihren Opfern trennte, und warf sich an die Seite des Kentuckiers zwischen diesen und den Zauberer, den er zurückstieß. Dann erhob er sich, so weit er es vermochte, und indem er mit lauter Stimme den Namen Gottes und des Erlösers anrief und den 117. Psalm:

»Lobet den Herrn alle Heiden! preiset ihn alle Völker!« intonierte, zerschnitt er mit seinem Messer und einem einzigen Schnitt die Bande von den Handgelenken des Gefangenen und die sie an den Pfahl fesselnde Schlinge.

Selbst, wenn die Indianer vermocht hätten, diese rasche That zu hindern, sie würden es kaum gewagt haben, denn sie hatten von Anfang an die seltsame Gestalt des Krüppels mit einer Art abergläubischer Scheu betrachtet und ihn jenen Wesen zugesellt, denen sie keine Zurechnungsfähigkeit zutrauen und die daher ungestraft alles thun dürfen.

John jedoch schien sich wenig um die Lehren christlicher Liebe und Barmherzigkeit zu kümmern, mit denen ihm der Malaye zu Hilfe gekommen war. Er fühlte sich kaum frei von seinen Fesseln, als er trotz seiner Erschöpfung und seiner Schmerzen wie ein Tiger über den Medizinmann herfiel, ihn an der Gurgel packte und zu Boden warf.

In demselben Augenblick, in dem der Kentuckier den indianischen Beschwörer zur Erde schleuderte und mit Fäusten und Zähnen seine Wut an ihm ausließ, riß in der Verzweiflung vor dem Schicksal, das auch ihn bedrohte, der Methodist mit aller Kraft an seinen Fesseln und fühlte plötzlich, daß sie sich lösten. Die Schneide eines der geschleuderten Tomahawks hatte die Schlinge, die seine Arme mit dem Pfahl verband, halb durchschnitten, ein kräftiger Ruck, und der ehrliche Slong fühlte sich frei, wenn man das Freiheit nennen kann, daß er zwar Herr seiner langen Beine war, aber seine Handgelenke noch immer auf dem Rücken zusammengeschnürt blieben. Dennoch machte er sofort Gebrauch von der Freiheit der ersteren, krümmte ferne hagere Gestalt zusammen, schoß, ohne sich um das Schicksal seines Leidensgefährten zu bekümmern, wie ein Pfeil durch den Kreis der Apachen und stürzte sich nach der Felswand im Norden, die ihm am nächsten und zugleich am leichtesten zu ersteigen war.

Wenn eine Bombe plötzlich in den Kreis der Indianer eingeschlagen wäre und nach allen Seiten hin ihre todsprühenden Splitter geworfen hätte, das Erstaunen und die erste Betroffenheit der ganzen Bande hätte nicht größer sein können.

Diese Erstarrung dauerte aber nur wenige Augenblicke. Schon in dem nächsten stürzte alles wirr durch einander, die einen suchten dem Zauberer zu Hilfe zu eilen, die anderen jagte der befehlende Ruf des Grauen Bären hinter dem flüchtigen Methodisten drein.

Beides aber hatte seine Schwierigkeit.

Der Kentuckier hatte seinen Mann fest gefaßt. Obschon durch die lange Knebelung steif in den Gelenken, war er seinem Gegner an Muskelkraft doch um mehr als das Doppelte überlegen, preßte ihm den Hals zu, daß ihm der Atem verging und die Augen sich aus ihren Höhlen drängten, und war ganz unbekümmert um das eigene Leben, wenn es ihm nur gelang, sich vorher an dem Feinde zu rächen, der ihm die boshafte Marter angethan. Da sich beide fest umschlungen hielten und fortwährend auf dem Boden über einander wirbelten, war es überdies schwer, dem Beschwörer mit einem Hieb oder Stich zu Hilfe zu kommen, ohne vielleicht ihn selbst zu treffen.

Ein Kreis von schreienden und heulenden Indianern hatte sich um sie gebildet, als endlich der erfahrene Häuptling der Mescaleros dem Ringen ein Ende machte. Auf seinen Wink warfen sich zwei der Krieger zu gleicher Zeit mit ihren Körpern auf das verschlungene Paar und hielten es unter sich fest. Dann war es ein leichtes, den Medizinmann aus den Fäusten des Kentuckiers zu befreien, was freilich ohne einige derbe Schläge auf dessen Schädel nicht abging, und während die Glieder Johns fest zusammengeschnürt wurden, setzten einige Krieger den Zauberer ein Paar Schritte entfernt auf den Boden, und die Weiber brachten Wasser herbei, um den noch immer halb erstickt nach Luft Schnappenden wieder zu sich zu bringen.

Als dies endlich geschehen und seine Augen voll Gift und Wut auf den unglücklichen Gefangenen gerichtet waren, reichte ihm die »Schwarze Schlange« sein Messer, deutete auf jenen und sprach ein einziges Wort.

Der Beschwörer stürzte sich mit fanatischer Freude auf den Gefesselten, er setzte ein Knie auf feine Brust, faßte mit der Linken den vollen dicken Schopf seines Kopfes und zerrte ihn empor.

Dann hörte man einen furchtbaren, entsetzlichen Schrei – einen Schrei, der die Señorita, die sich bei dem Lärm unwillkürlich dicht an den Comanchen gedrängt hatte, fast ohnmächtig machte, obschon sie durch den dichten Kreis, der sich um den Henker und sein Opfer drängte, glücklicherweise nicht sehen konnte, was vorging. Während der Schrei sich gräßlich wiederholte und der Kreis der Krieger und Weiber in einen höllischen Jubel ausbrach, erfaßte Wonodongah die Haciendera und trug sie mehr, als er sie führte, nach dem Zelt, indem er der vor Entsetzen zitternden und weinenden Zofe winkte, ihnen zu folgen. Er schob beide Frauen hinein und stellte sich, gleichsam als Schutz, obschon er unbewaffnet war, vor den Eingang, denn er wußte, wie leicht der bloße Anblick der weißen Gefangenen in einem solchen Augenblick die entfesselte Blutgier der Indianer zu einer neuen Gewaltthat reizen konnte.

Die Wiederholung des gräßlichen Geschreies, das allmählich in ein Wimmern des Schmerzes überging, und der Jubel der Wilden wurde von der andern Seite her durch den Knall einer Büchse unterbrochen, dem gleich darauf ein zweiter folgte. Dann hörte man die mächtige Stimme Makotöhs, der die verfolgenden Krieger zurück und den ganzen Stamm zu den Waffen rief.

Am Fuß der nördlichen Felsen, von diesen herab gestürzt, lag die Leiche eines der Krieger, die sich auf die Verfolgung Slongs gemacht hatten. Ein zweiter, durch die Brust geschossen, wand sich, krampfhaft an die Wurzeln einer Ceder sich anklammernd, auf einem Abhang, den er bereits erstiegen.

Dann sahen die Apachen, die noch auf dem Grunde der Schlucht standen oder eben erst die Bergwand zu ersteigen begonnen hatten, die nackte Gestalt Slongs hoch über sich. Die Todesangst, das drohende Geschrei der ihn verfolgenden Wilden schien ihm Flügel gegeben zu haben, und wie von einem Instinkt geleitet, hatte er die einzigen Stetten gefunden, auf denen die Bergwand von dieser Seite her zu erklimmen möglich war, und mit blutenden, von dem scharfen Gestein und Dornen zerrissenen Füßen war er, obschon seine Hände noch immer gebunden waren und ihm keine Hilfe leisten konnten, wirklich bis auf drei Vierteile der Wand seinen Verfolgern voraus emporgelangt. Die unerwartete Hilfe, die ihm durch die zwei Büchsenschüsse von oben her wurde, und die seine Verfolger aufhielt und zurückscheuchte, stärkte seinen Mut; jetzt aber sah er sich plötzlich, den Augen der Apachen unten im Grunde ausgesetzt, vor einer steilen, etwa sechs bis sieben Fuß hohen glatten Felswand stehen, die er ohne Anwendung der Hände unmöglich erklimmen konnte.

Der Methodist, von neuer Todesangst ergriffen, rannte, um Hilfe schreiend, an der Wand hin und her, während ein Hagel von Kugeln und Pfeilen um ihn niederfiel oder sich an dem Gestein abplattete.

Die Pfeile erreichten meist die Höhe nicht, und mit den Feuergewehren gingen die Apachen nur sehr ungeschickt um. Dennoch war die Menge der Schützen immerhin gefährlich, und nur die stets veränderte Stellung sicherte den Flüchtling noch vor einer wahrscheinlich tätlichen Verwundung.

In dieser furchtbaren Lage, wo der Methodist außerstande, seine Flucht fortzusetzen und zur Zielscheibe seiner Feinde geworden war, fiel die Schlinge eines Lasso, von unsichtbarer Hand geworfen, über seinen Kopf und seinen Hals.

»Laß sie bis auf die Hüften hinabgleiten,« sagte eine Stimme halblaut aber verständlich, »dann versuche heraufzuklimmen.«

Der Methodist, schon mehr tot als lebendig, befolgte diesen Rat und ließ die Schlinge durch Schütteln über seine Schultern fallen; sogleich fühlte er sie angezogen und sich emporgehoben.

Die Indianer im Grunde, die diese Hilfe nur undeutlich oder gar nicht bemerken konnten, verdoppelten ihr Wutgeschrei und ihre Schüsse, als sie ihr Opfer in einer unerklärbaren Weise an der steilen Wand emporsteigen sahen.

Plötzlich verlor der Methodist, durch einen Pfeil in das Fleisch jenes Teils getroffen, den er den erstaunten Apachen bot, den Halt und schrie aufs neue um Hilfe. Da streckte sich ein Arm oben aus dem Gebüsch, die kräftige Faust daran faßte ihn bei den langen Haaren, die eine so gewaltige Zierde in dem Wigwam eines Häuptlings abgegeben haben würden, und zog ihn, während der unbekannte Helfer sich in den Knieen und dann in ganzer Gestalt aufrichtete, auf die Höhe der Felswand.

Eine Minute lang stand der Methodist prustend, zitternd und halb erstickt neben seinem Retter, dann stieß ihn dieser in das Gebüsch zurück, während er selbst noch kurze Zeit stehen blieb und mit finsterem drohenden Blick den unter ihm tobenden Haufen betrachtete, wobei er die Hand auf das Kreuz an seiner Brust legte und es seinen Feinden entgegen hielt.

Das wütende und von Schrecken durchbebte Geschrei: » el crucifero!« belehrte ihn, daß man ihn erkannt. Alsbald machte sich fast die Hälfte der Krieger, ohne erst auf den Befehl ihrer Häuptlinge zu warten, auf die Verfolgung des furchtbaren Feindes ihrer Nation und begann die Bergwand aufs neue zu erklimmen.

Der Wegweiser verschwand in dem Schutz des Gesteins und der Büsche.


Die kleine Gesellschaft des Kreuzträgers hatte, nachdem die Schildwache der Apachen so glücklich aufgehoben worden war, ungehindert die Höhe der Bergwand erreicht, welche die Schlucht umgab, und zwar nördlich von dem Felsspalt, durch den der Gebirgsbach sich in die Tiefe drängte. Aus dem Versteck, das der Wegweiser aufgefunden, vermochten sie den ganzen Grund und die Vorgänge in demselben, so weit es das Laub der Bäume gestattete, ziemlich genau zu übersehen.

Die größte Vorsicht und Regungslosigkeit war natürlich ihr bester Schutz, und der Kreuzträger empfahl daher seinen Begleitern wiederholt, sich nicht zu rühren.

Sie hatten sich bald überzeugt, daß Señora Dolores und ihre Dienerin unverletzt als Gefangene sich in den Händen der Wilden befanden. Mit großem Interesse betrachtete der alte Wegweiser den jungen Comanchen, dessen Gestalt zwischen der wilden Umgebung in der Nähe der Señorita ihm seine Schwester bezeichnete, und von dem der Ruf ihm schon so manche tapfere und edelherzige That berichtet hatte, ohne daß sich bisher Gelegenheit gefunden, mit ihm oder seinem noch berühmteren Freunde zusammenzutreffen. Mit ziemlicher Gleichgültigkeit aber sah er die Vorbereitungen, die zur Marterung des Methodisten und des Kentuckiers getroffen wurden. Seine Lebensweise und die fast täglichen Gefahren hatten sein Gefühl für dergleichen abgestumpft, und weder Slongh noch John Meredith hatten von Anfang besonders hoch in seiner Achtung und Freundschaft gestanden. Er hätte also höchst wahrscheinlich zu ihrer Rettung oder Rächung schwerlich eine Ladung Pulver verschwendet und sich der Gefahr, selbst gefangen zu werden, ausgesetzt, wenn nicht der Offizier eingeschritten wäre.

Schon bei dem Beginn der Marter wollte der junge Mann auf jede Gefahr hin den Unglücklichen zu Hilfe eilen und konnte nur mit Mühe von dem Wegweiser zurückgehalten werden. Als aber das schreckliche Drama sich entwickelte, Meredith mit dem Beschwörer rang und es Slongh gelungen war, die Flucht zu ergreifen, erklärte der Offizier fest, daß seine Ehre fordere, einem Christen und Weißen auf jede Gefahr hin beizustehen, und ehe es der Kreuzträger verhindern konnte, schoß er aus dem Versteck den ersten der verfolgenden Wilden nieder.

Der zweite Schuß, der gleich darauf und mit ebenso sicherer Hand abgefeuert wurde, kam von dem Vaquero. Als der Wegweiser nun sah, daß ihre Anwesenheit nicht mehr zu verbergen war, zeigte er sich auch geneigt, dem Flüchtling beizustehen.

Kaum war Kreuzträger von seinem exponierten Platz zurückgesprungen, als er auch sofort seine Büchse aufraffte, Windenblüte Gewehr und Kugelbeutel des erstochenen Wachtpostens an den Methodisten geben hieß, und schleunigste Flucht befahl. »Wir haben kaum zehn Minuten Vorsprung, Señor Teniente,« sagte er, »und der Graue Bär ist kein Bursche, der sich von dem Unerwarteten lange in Schrecken setzen läßt. Jetzt gilt es, unsere Beine zu rühren, obschon ich, wenn der liebe Herrgott kein Wunder an uns thut, keinen Dollar für unsere Kopfhäute geben möchte.«

»Wir verlassen uns ganz auf Ihre Umsicht und Treue,« erwiderte der Offizier, etwas beschämt durch das Gefühl der Unvorsichtigkeit seiner freilich edelherzigen Handlung. »Wir werden Ihren Bestimmungen folgen, und wenn es sein muß, als Männer sterben. Nur versuchen Sie, das Mädchen zu retten!«

Die Worte waren schon während des eiligen Vordringens der kleinen Gesellschaft gesprochen und versöhnten sofort den Unwillen des Wegweisers, der nur immerfort zur höchsten Eile mahnte und Diaz befahl, den Schluß des kleinen Zuges zu bilden.

Ihre Flucht ging so eilig vorwärts, daß weder der Offizier noch der Vaquero Zeit fanden, ihre Gewehre wieder zu laden. Instinktmäßig hatte der Wegweiser die Richtung um den Rand der Schlucht her in einiger Entfernung von diesem nach deren anderer Seite gewählt, indem er allen empfahl, bei ihrem Lauf die gewöhnliche indianische Reihe zu bilden und möglichst in die Fußspuren des Vordermanns zu treten, um so die Indianer wenigstens für die ersten Augenblicke über ihre Anzahl zu täuschen. Die Steinblöcke und dichten Schlingpflanzen machten zwar ihren Weg sehr schwierig und hinderten die schnellen Bewegungen, indes mußten ihre Verfolger, deren Geschrei von unten und der verlassenen Bergwand her man deutlich hörte, unter denselben Übelständen leiden.

Sie waren so ungefähr zehn Minuten vorwärts gedrungen und konnten aus dem Rufen ihrer Verfolger entnehmen, daß diese jetzt gleichfalls sich auf der Höhe der Bergwand befanden, als der Wegweiser an der Spitze des kleinen Zuges plötzlich stehen blieb.

»Es ist zu Ende Kinder,« sagte er finster – »eine andere Richtung einzuschlagen ist zu spät – vorwärts können wir nicht mehr, und so bleibt uns denn nur noch übrig, unser Leben so teuer zu verkaufen wie möglich!«

»Was ist geschehen, Monsieur Kreuzträger?« fragte der Offizier hastig. »Warum geben Sie auf einmal alle Hoffnung auf?«

»Sehen Sie selbst!«

Er wies vor sich hin auf den Boden.

Von dem niedern Buschwerk bisher verdeckt, gähnte dort die tiefe Felsspalte, auf deren Grund der kleine, aber wilde Gebirgsbach zur Schlucht hinab schäumte. Der Rand der Spalte, auf dem sie sich befanden, war zwar höher als der gegenüberliegende, die Breite jedoch eine zu bedeutende, als daß selbst der beste Springer sie im Anlauf hätte überspringen können. Eine Umgehung des Hindernisses war gleichfalls nicht möglich, denn die Zerklüftung zog sich weit hinein in die Berge, und an der ohnehin schroff abfallenden Felswand hinabzuklimmen, um an der andern Seite wieder den zweifelhaften Versuch zu machen, emporzusteigen, hätte geradezu geheißen, sich in eine Falle werfen, in der ihre Verfolger sie mit aller Bequemlichkeit niederschießen konnten. Mit dem ersten Blick hatten alle so gut wie der Wegweiser selbst diese Umstände begriffen.

Kreuzträger blickte umher nach den besten Verstecken, die sie zu dem bevorstehenden Kampfe wählen könnten, aber der Platz war auch dazu sehr ungünstig. Nur einzelnes niedriges Gebüsch bedeckte hier den Boden, die wenigen Rottannen, die am Rande der Schlucht emporgewachsen, hatten die Orkane oder der Zahn der Zeit niedergebrochen; nur auf der andern Wand standen noch einige kräftige junge Stämme, aber unerreichbar für sie und selbst für einen Lassowurf, der hier überdies nichts helfen konnte, da die Schlinge kein Ziel gefunden hätte. Einzelnes dünnes Gesträng einer kleinen Eichenart mit zähem Holz, die auf den Bergen zu wachsen pflegt, bildete ihren einzigen Schutz.

»Die Büchsen, Kinder, ladet Eure Büchsen,« sagte der Wegweiser, »und nehme jeder ein Versteck so gut wie er es findet, – Du, Mädchen, kauere Dich hinter diesen Stein! in wenigen Minuten werden sie hier sein!«

Der Offizier und der Vaquero hatten in der That noch nicht Zeit gehabt oder hatten versäumt, auf der Flucht ihre Gewehre wieder zu laden, die sie zum Schutz des Methodisten auf die Apachen abgeschossen hatten. Diaz begann sofort dies nachzuholen, auch der Preuße that dasselbe und trat dabei näher zu seinem alten Begleiter.

»Sind Sie imstande, uns die Teufel fünf Minuten noch vom Leibe zu halten, Kamerad?«

»Gewiß – auch zehn! Die Vordersten werden sich hüten, ohne genügende Deckung in den Bereich meiner Büchse zu kommen!«

»Das genügt! Nehmen Sie mein Gewehr noch; es sind drei Schüsse, wenn Diaz Ihnen hilft. Ich werde unterdes die Felsspalte überspringen und die Schlinge des Lassos an jener Tanne befestigen!«

»Das wäre ein unsinniger Versuch, junger Mann, und Sie würden dabei nur Hals und Beine brechen. Die Spalte ist hier mindestens zwanzig Fuß breit und kein menschlicher Fuß kann im Sprung jenes Ufer erreichen.«

»Ich bin schon weiter gesprungen,« sagte lächelnd der Offizier, »das Turnen hat doch sein Gutes! Aber tauschen Sie Ihr Messer mit mir – das Ihre ist schwerer – und hier meine Büchse!«

»Ich weiß nicht, was Sie beabsichtigen,« erwiderte der Alte, »aber wenn es auch nur zu Ihrer und des Mädchens Rettung genügt, die roten Schurken noch einige Minuten zurückzuhalten, die wir dort schon heulen hören, soll es geschehen. Hier ist das Messer und nun her zu mir, Diaz!«

»Wenn Sie mich rufen hören, so ist es gelungen, und dann folgen Sie mir!« sagte hastig der Offizier noch, und dann stürzte er mit dem schweren Messer nach den jungen Stämmchen, deren Anblick ihm den rettenden Gedanken eingegeben hatte.

Er hatte im Nu den längsten und kräftigsten sich ausgesucht, und während er mit der schweren Klinge ihn an der Wurzel abhieb und von den Zweigen befreite, knallte bereits die Büchse des Kreuzträgers, der eilig wohl zweihundert Schritt weit auf dem Weg, den sie gekommen, den verfolgenden Apachen entgegen gegangen war, und der Todesschrei, der dem Schuß folgte, bewies, daß der Alte sein Ziel nicht verfehlt hatte.

Der Leutnant sprang jetzt mit dem etwa 9 oder 10 Fuß langen festen und zähen Stock nach der Stelle, wo er das Mädchen und den zitternden Slongh verlassen hatte und wenige Worte genügten, wenigstens die erstere über sein Vorhaben und die Hilfe, die sie dabei leisten sollte, zu verständigen. Sie hob wie bittend die Hände zu ihm und bedeckte dann die Augen, um nicht den gefährlichen Versuch zu sehen, der junge Offizier aber wußte, daß hier jeder Augenblick kostbar war, denn schon krachte ein zweiter Schuß, und nochmals an den Rand der Felsspalte tretend, gerade an der Stelle, wo sie von Gebüsch frei war und etwa fünf Fuß unter dem Rand ein Felsblock aus der Felsmauer hervorsprang, maß er mit raschem Blick die Entfernung und die Bildung der gegenüberliegenden Wand, nahm zurücktretend einen kurzen Anlauf und sprang, die Spitze seines Springstocks auf den vorragenden Stein setzend, mit gewaltigem Schwung hinaus in die Luft.

Die Entfernung war jedoch größer, als er gedacht. Trotz seiner Geübtheit und des gewaltigen Schwunges, den er sich gegeben, erreichte er nur mit dem halben Fuß die gegenüberliegende Wand, und nur die rasche, instinktartige Entschlossenheit, daß er den Springstock fallen ließ und mit beiden Händen die Zweige der an der Wand emporwachsenden Tannen erfaßte, rettete sein Leben. Seiner Turnergeübtheit gelang es, sich an den erfaßten Zweigen und Äster fort zu helfen und festen Boden zu erreichen. Hier klomm er zu der nächsten Tanne, die einer Stelle gegenüberlag, an der auf dem andern Rande der Schlucht sich der Stumpf eines vom Sturm abgebrochenen und in die Tiefe gestürzten Baumes befand, riß die lange seidene Chinaschärpe ab, die seinen Gürtel bildete, und rief Comeo zu, ihm den Lasso zuzuwerfen. Eine aufrichtige, herzliche Freude zeigte sich trotz der gefährlichen Lage, in der sie sich befanden, auf dem Gesicht des Mädchens, als sie den Offizier gesichert auf der andern Seite der Schlucht erblickte, und gewandt warf sie, bis an den äußersten Rand ihrer Seite tretend, ihm die Schlinge des Lassos zu. Der junge Mann hatte indes seinen Gürtel um einen der schlanken, aber festen Stämme geschlungen, knotete ihn in dem Ringe des Lassos fest und verlängerte dadurch den Strick so bedeutend, daß Comeo vermochte, das andere Ende um den Baumstumpf zu knüpfen.

Es war, so schnell auch alle diese Vorgänge ausgeführt worden, doch die höchste Zeit, denn der dritte Schuß des Wegweisers, dem der Knall mehrerer Gewehre der Apachen antwortete, kam bereits aus größerer Nähe und bewies, daß die Verteidiger der fliegenden Brücke bereits zum Rückzuge gezwungen waren.

Zu einer solchen wurde in der That der Lederstrick. Der Offizier rief der jungen Indianerin zu, an ihm sich nach dein andern Ufer gleiten zu lassen, aber die Furcht Master Slonghs, der sich noch immer in seinem adamitischen Kostüm befand, überwog jede Rücksicht; der Methodist stieß das Mädchen zur Seite, hängte sich an den Strick und legte den gefährlichen Weg zurück, worauf er alsbald an der Wand emporklomm und sich in das nächste Dickicht warf, ohne sich um das Schicksal seiner Retter und Gefährten zu bekümmern.

So aufgebracht Ewald von Kleist auch über diese selbstsüchtige Handlungsweise war, so hatte sie doch das Gute, ihn zu überzeugen, daß der Strick fest hielt. Im nächsten Augenblick war auch Comeo bei ihm, und er ließ den Ruf erschallen, den er als Signal dem Kreuzträger versprochen hatte.

Der Wegweiser und Diaz kamen sofort über die kurze Fläche gesprungen, die ihren Kampfplatz von dem Rande der Schlucht trennte. Diaz blutete aus einer Pfeilwunde an der Wange. Beide hielten ihre Büchsen, Kreuzträger deren zwei, aber sie waren sämtlich entladen und es war keine Zeit, die Kugeln hineinzustoßen. Der Kreuzträger sah sich um, da er im ersten Augenblick nicht entdecken konnte, wohin seine Freunde verschwunden waren.

»Hier! hier!« rief der Offizier, um ihm den Weg zu zeigen.

Mit einem Blick hatte der Wegweiser die Weise des Übergangs erkannt. »Brav gemacht, mein Junge,« rief er, »aber nun fort in die Gebüsche, denn dort kommen sie! Hinüber, Diaz! Du nützest dort drüben mehr! Fort! ich befehle es!«

Der junge Mann, der anfangs gezögert, warf sich auf diese Worte an den Strick und ließ sich hinüber gleiten, während Ewald von Kleist bereits das Mädchen auf den Rand der Schlucht hob und sie drängte, sich in das Buschwerk zu flüchten.

Der Kreuzträger versuchte nicht erst, sein Entkommen auf gleiche Weise zu bewerkstelligen, denn die Verfolger waren ihm zu nahe. Er wandte sich um, ließ seine Büchse fallen und faßte das Gewehr des Offiziers, das er in der Hand getragen, bei dem Lauf. Ein Sprung zur Seite rettete ihn vor dem Tomahawk, den der vorderste Apache – es waren drei Krieger, die in wenigen Schritten Entfernung von einander infolge ihrer größeren Gewandtheit oder Schnelligkeit dem Haufen ihrer Kameraden vorangekommen waren, der sich auf die Verfolgung gemacht – gegen ihn schleuderte.

In dem Augenblick, wo er zur Seite sprang, hob er auch die Büchse und schmetterte den Kolben in gewaltigem Schwung auf den Schädel des Apachen nieder, der den Tomahawk geworfen.

Der Indianer stürzte ohne Laut tot zu Boden, das Gehirn bespritzte den Wegweiser, der jedoch nur den Lauf der Waffe in der Hand behielt, denn der Kolben war unter dem furchtbaren Schlage gebrochen. Er hatte nicht einmal Zeit, die verstümmelte Waffe fortzuwerfen, denn bereits war der zweite seiner Gegner an ihm, und er konnte dessen Hieb nur dadurch parieren, daß er den Lauf vorhielt. Der Indianer hatte im Sprung zugeschlagen; Kreuzträger stieß ihm den zerbrochenen Schaft ins Gesicht, ließ ihn fallen und griff nach seinem Messer. Aber ehe er dies gebrauchen konnte, sah er sich bereits von seinem gefährlichen Feinde befreit. Der Wilde, durch den Stoß, der ihm die Augen blendete, ins Taumeln gebracht, war über den Körper seines erschlagenen Kameraden gestrauchelt und fiel. Der Wegweiser sah ihn über den Rand der Schlucht stürzen, an deren Gestein er sich vergebens anzuklammern suchte, und der Fall des schweren Körpers dröhnte aus der Tiefe herauf.

Dennoch begriff der tapfere Alte mit einem Blick, daß er verloren sei, wenn ihm nicht eine unerwartete Hilfe käme. Der dritte Apache, ein Krieger von athletischen Formen, war kaum noch zehn Schritt von ihm entfernt und kam – wenn auch laufend, doch durch das Schicksal seiner Gefährten belehrt, offenbar mit größerer Vorsicht herbei. Der Trupp der Apachen, der mit triumphierendem Geheul, als sie ihren verhaßten und gefürchteten Feind allein ihrer Übermacht preisgegeben sahen, herankam, war etwa 50 oder 60 Schritt noch hinter dem Krieger.

Dieser, ein untergeordneter, aber als tapfer und stark bekannter Häuptling, wollte sich offenbar nicht den Ruhm nehmen lassen, den Todfeind seiner Nation erschlagen oder gefangen zu haben, und strengte deshalb die ganze Kraft seiner Sehnen an, ihn zuerst zu erreichen. Er schwang in seiner Rechten den Tomahawk, seine Linke hielt ein scharfes großes Messer, während das des Wegweisers nur schwach und kurz war, da er sein schweres Jagdmesser dem Offizier geliehen.

Er hatte nicht Zeit, die eigene Büchse, die vor ihm am Boden lag, aufzuheben; es wäre sein Verderben gewesen.

Kreuzträger befahl seine Seele Gott; er stemmte den linken Fuß zurück, um fest dem Anlauf zu begegnen, und streckte die Faust mit der ungenügenden Wehr zu feiner Verteidigung vor.

Der Apachen-Häuptling blieb etwa drei Schritt vor ihm stehen, er wechselte gedankenschnell die Waffen in seinen Händen und hob die rechte Hand über die Schulter, um mit tödlicher Sicherheit sein Messer gegen die Brust des Gegners zu schleudern, eine Gewandtheit, in der die mexikanischen Wilden Meister sind. Eine teuflische Freude zuckte über sein Gesicht, der Wegweiser glaubte, daß seine Stunde gekommen, denn er konnte kaum hoffen, den Wurf zu parieren, und auch dann war sein Gegner mit dem Tomahawk ihm immer noch überlegen.

In dem Augenblick, wo der Apache über die flache Hand hinweg den tödlichen Wurf thun wollte, fuhren plötzlich seine Arme in die Höhe, er drehte sich um sich selbst und fiel schwer zu Boden.

In demselben Moment krachte vom jenseitigen Ufer her eine Büchse, und ein lichter Rauch wirbelte aus dem Dickicht.

Der Haufe der Apachen, der dem erschossenen Häuptling gefolgt war, machte erschrocken Halt und zerstob links umher, jene Deckung zu suchen, welche die Indianer bei ihren Kämpfen zunächst lieben.

Der Wegweiser begriff, daß von der Benutzung dieses Augenblicks seine Rettung abhing.

Er raffte seine Büchse vom Boden auf, sprang zu dein Lederriemen und glitt an ihm hinunter nach der anderen Seite der Schlucht. Sein Fuß hatte kaum den Boden berührt, als er, noch ehe er sich nach seinen Feinden umgesehen, den Lasso am haltenden Baum durchschnitt und so die Verfolgung auf demselben Wege unmöglich machte.

Dann schwang er sich auf die Höhe des Ufers und stürzte unter einem Hagel von Kugeln und Pfeilen, selbst von geschleuderten Tomahawks, nach dem bergenden Gebüsch; denn die Apachen, als sie ihre so sicher gehoffte Beute plötzlich vor ihren Augen verschwinden sahen, waren, der Gefahr trotzend, jetzt bis an den Rand der Schlucht vorgeeilt, auf deren Grund sich ihr Kamerad mit zerschmetterten Gliedern in Todespein wand.

Ein Zuruf des Offiziers und des Vaqueros begrüßte den Geretteten. Ohne darauf zu achten, lud der Wegweiser seine Büchse, erhob sich mit halbem Leibe aus dem Buschwerk, das ihren Versteck bildete, und schoß einen der heulenden Verfolger nieder.

Eine zweite Kugel aus einiger Entfernung zur Seite streckte einen anderen tot zu Boden. Kreuzträger sah sich erstaunt um, denn der Zuruf hatte ihm bewiesen, daß die beiden jungen Männer hinter ihm versteckt liegen mußten. Er verwunderte sich noch mehr, als er sah und bemerkte, daß Diaz eben zum Schuß im Anschlag lag und der Offizier kein Gewehr hatte.

»Ich hätte dem psalmplärrenden Halunken wirklich nicht die Courage zugetraut!« murmelte er. »Herunter mit der Büchse, Diaz, mein Junge! wir müssen unser Pulver sparen, und Du siehst, daß die roten Schufte bereits das Feld geräumt haben. Es ist aber gut und giebt uns einen Vorsprung, wenn sie uns hier im Versteck liegen glauben, bereit, dem ersten, der seine Nase zeigt, eine Kugel ins Hirn zu jagen. Kriecht vorsichtig am Boden hin und vermeidet es, die Büsche zu bewegen, bis wir außer Sicht sind, denn sie sind schlaue Teufel und würden unseren Rückzug gleich merken. Wo ist das Mädchen?«

»Sie ist in Sicherheit und wird wahrscheinlich bei Slong sein.«

» Caramba!« lachte der Alte, indem er sich in der angegebenen Manier vorsichtig fortbewegte, »ich hoffe, sie wird sich an seinem Kostüm nicht stoßen, nachdem er mir das Leben gerettet hat. Ich hätte wirklich nicht geglaubt, daß er eine so sichere Hand hat, denn die Kugel pfiff keine zwei Zoll weit an meinem Kopf vorbei. Das war ein haarscharfes Entrinnen, Leutnant, aber wir sind noch nicht in Sicherheit und müssen uns tummeln! – So, jetzt sind wir dem Gewürm durch die Steinblöcke verdeckt und können uns erheben!«

Die beiden Schüsse hatten in der That genügt, die Apachen wieder zurückzutreiben. Als sich der Preuße jetzt erhob, trat er zu dem Führer und reichte ihm die Hand. »Glauben Sie mir, Kamerad,« sagte er, »ich hätte meine linke Hand darum gegeben, hätte ich in jenem Augenblick der höchsten Gefahr an Ihrer Seite stehen oder Sie wenigstens mit einer Kugel verteidigen können. Aber Sie wissen, ich hatte kein Gewehr und Diaz' Büchse war nicht geladen!«

»Ich weiß es, ich weiß es!« antwortete der Wegweiser, »Sie bedürfen wahrhaftig keiner Entschuldigung, Señor Teniente, denn Ihre Entschlossenheit und Ihr keckes Wagstück allein haben uns alle gerettet; ich hätte Ihnen wahrhaftig selbst in jungen Jahren den Sprung nicht nachgemacht! Aber da ist unser Freund, freilich noch im alten Zustand, doch es wachsen hier keine Feigenblätter! Hört, Mann, ich habe Euch eigentlich bis jetzt herzlich wenig zugetraut, weil Ihr mit dem verdammten Seeräuber so viel verkehrtet, aber wenn ich vorhin etwas beigetragen habe, Euren Schopf zu retten, so habt Ihr's mir tüchtig wett gemacht. Ihr führt eine sichere Hand, und Eure beiden Kugeln haben gut getroffen!«

Der Methodist, der, erschöpft von den Anstrengungen seiner Flucht, hinter einem Steinblock, der sein wertes Ich vor jeder abirrenden Kugel sicherte, niedergesunken war, starrte die drei Männer mit wirrem Blick an und fuhr sich mit der Hand in seine langen Haare, als wolle er sich überzeugen, daß sie noch an der alten Stelle säßen. »O die Teufel, die Teufel!« murmelte er. »Der Herr that mir, wie Zedikia und Ahab, die der König zu Babel auf Feuer braten ließ, darum, daß ich die Thorheit begangen, dem güldenen Kalb zu folgen! O, was war ich für ein Narr, daß ich in dieses Land der höllischen Geister gekommen bin!«

»Nun Mann,« sagte halb unzufrieden der Wegweiser, »wenn man eine Büchse, wie Ihr, führt, ist es so schlimm nicht in der Prairie! Euer Kamerad ist sicherlich schlimmer weggekommen und jedenfalls habt Ihr Euch mit Eurem Schuß einen Freund erworben, der Euch nicht im Stich lassen wird.«

Slong blickte noch immer halb verstört in das offene Gesicht des Wegweisers, der die kurze Pause benutzte, um die drei von ihm getöteten Apachen in sein Register einzukerben.

»Was meinen Sie, Señor?«

»Nun, was zum Henker soll ich anders meinen, als die Kugel, die Ihr so zu rechter Zeit dem großen Kerl, der mir ans Leder wollte, durch das Herz gejagt habt. Da nehmt Eure Büchse, die Ihr so trefflich zu brauchen versteht, und rührt nochmals Eure langen Beine! Aber wo ist Windenblüte?«

Der Methodist schaute, ohne auf die Frage zu antworten, mit einem gewissen Zweifel auf die Büchse, die neben ihm lag, als wolle er sich überzeugen, ob sie wirklich zwei so merkwürdige Schüsse gethan. Dann, sich der Gefahr erinnernd, erhob er sich eilig.

»Wo ist das Mädchen?« wiederholte der Offizier dringend.

»Ja – wo ist Comeo?«

»Hier!« antwortete eine helle Stimme, »Windenblüte ist an der Seite eines alten Freundes.«

Um den Felsblock, hinter dem der Methodist Schutz gesucht, trat die junge Comanchin, indem sie an ihrer Hand einen Mann von riesigem kräftigem Wuchs nach sich zog.

Der Fremde trug das gewöhnliche Kostüm der Trapper, in seiner Hand eine Büchse.

»Der Tod der Apachen,« sagte das Mädchen mit naiver Ironie, »hat seine Augen im Lager der Bleichgesichter gelassen. Er hat einen Maulwurf für einen Hirsch angesehen.«

Trotz der Gefahr ihrer Lage waren der Kreuzträger und mit ihm seine Begleiter betroffen bei dem Anblick des Fremden stehen geblieben.

»Gott sei Dank, Kind,« sagte er endlich freundlich, »daß wir Dich unverletzt Wiedersehen. Aber wen bringst Du uns da?«

Der ›Tod der Apachen‹ ist durch seine Büchse gerettet worden. Glaubt das Weißhaar, daß ein Feigling den Schuß gefeuert, der einen Häuptling der Mimbrenos in das Land seiner Väter sandte?«

»Wie? versteh' ich Dich recht?«

»Dieser Mann ist der Vater der Windenblüte von ihrer Kindheit an. Eisenarm grüßt den Kreuzträger

Der alte Wegweiser richtete sich erfreut auf. »Ist es wirklich, Kind? ich sehe den besten und berühmtesten Trapper der Einöde endlich einmal von Angesicht zu Angesicht?«

Bras-de-fer streckte seine breite Faust dem Wegweiser entgegen.

»Das Kind hegt ein zu gutes Vorurteil für einen unnützen Gesellen, wie ich einer bin!« sagte er. »Aber es sollte mir Freude machen, einem Mann einen kleinen Dienst erwiesen zu haben, welcher der geschworene Feind dieser rothäutigen Schurken, und dessen Ruf weitverbreitet zwischen dem Golf von Florida und dem Rio Colorado ist.«

»Man nennt mich den Kreuzträger, Kamerad,« erwiderte der alte Wegweiser mit tiefer Rührung über diese Anerkennung seines Charakters. »Ein Herzeleid, wie es vielleicht keinem Menschen auf Erden geworden, hat mich zu dem Feinde der verräterischen Apachen gemacht. Wenn Sie, wie ich nach den Worten dieses jungen Mädchens schließen darf, der berühmte Krieger und Freund der Comanchen sind, den diese ›Eisenarm‹ nennen, so soll es mir doppelt lieb sein. Ihnen mein Leben zu verdanken, statt diesem plärrenden Narren!«

Der kanadische Riese hatte freundlich die dargebotene Hand ergriffen. »Ich denke,« sagte er, »wenn unsere beiden Büchsen vereinigt sind in einem guten Hinterhalt, können wir der ganzen Nation der Apachen die Stirn bieten! Aber ich fürchte, wir haben hier nicht viel Zeit zu Erklärungen, denn die Roten, die ich ebenso hasse, wie Sie, würden bald einen andern Weg zu Ihrer Verfolgung einschlagen, und der Graue Bär ist kein Bursche, der so leicht eine Fährte aufgiebt, auf der seine Krieger sind, namentlich, wenn es sich um ein Wild handelt, wie Meister Kreuzträger!«

»Wenn Sie bereits Bescheid hier wissen,« antwortete der Wegweiser, indem sie rasch vorwärts schritten, »so unterstützen Sie uns mit Ihrem Rat, so gut wie sie uns mit der That geholfen haben. Ich habe zwar heute morgen auf unserer Rekognoscierung eine Stelle entdeckt, die sich vortrefflich eignen würde, den schuftigen Mimbrenos und ihren Bundesgenossen die Spitze zu bieten, aber sie ist zu weit von hier entfernt, um sie, ohne vorher von der Übermacht angegriffen zu werden, zu erreichen.«

»Ihre Festung ist gewiß nicht besser als die meine, kaum hundert Schritt von hier, in der ich bereits zwei Tage und eine Nacht mit einem Burschen zugebracht habe, der die Ladung Pulver nicht wert ist, welche die Apachen an ihn verschwenden könnten, den ich aber doch nicht im Stich lassen darf. Aber ich glaube, es wird besser sein, wenn jene sich überzeugen, daß wir alle nach der Hacienda entkommen sind. Denn wenn sie hier unsere Spur verlieren, werden sie nicht ruhen, bis sie unser Versteck ermittelt haben und uns dann umstellen wie den Bau eines Fuchses.«

Der Wegweiser nickte zustimmend. »Das ist richtig! Aber was können wir thun?«

Der Trapper hatte seine Decke, die er zusammengerollt über der Schulter getragen, dem Methodisten zugeworfen, der sie jetzt ponchoartig, mit einem Lianenzweig um den Leib gebunden trug und trotz seiner Erschöpfung nicht verfehlte, mit der Gesellschaft gleichen Schritt zu halten. Eisenarm wies mit der Hand in der Richtung des Ausgangs der Schlucht, aus der herauf die Flüchtlinge das entfernte Heulen und Schreien der Wilden hörten.

»Sie werden von Comeo bereits wissen,« sagte er, »daß ich eines braven jungen Comanchen wegen, den ich wie einen Sohn oder Bruder liebe, mich hier herumtrieb. Ich hätte ihn auf keine Gefahr hin verlassen, aber wie mir das Mädchen mitteilt, haben ihm die Häuptlinge seinen Tod erst auf morgen verkündet und wollen ihn als Sühne dafür, daß er den Grauen Bären dort besiegte, erst in der eroberten Hacienda der Marter übergeben. Wie wir beide die Gewohnheiten der Indianer kennen, werden sie von diesem Beschluß nicht abweichen. Es ist also unnötig, daß ich jetzt hier über ihn wache. In höchstens einer Viertelstunde werden hundert der roten Halunken hier jeden Stein und jeden Spalt durchspähen, um nach uns zu suchen. Sie würden sicher auch mich und meinen Begleiter entdecken. Nun weiß ich, daß sie einen Teil ihrer Pferde in geringer Entfernung in einem Seitenthal angepfählt haben. Gelingt es uns, den Ort zu erreichen, so werfen wir uns auf die Rosse und jagen davon. Dann wissen sie, daß wir nach der Hacienda entkommen sind, und werden hier nicht unnütz weiter suchen. Wir aber können noch immer thun und lassen, was wir wollen.«

»Der Plan ist gut,« meinte der Kreuzträger. »Jedenfalls weiß dieser junge Mann hier Bescheid und kann unsere Flucht leiten.«

Diaz erinnerte sich in der That der Stelle, wo die Pferde der Indianer weideten, und erbot sich, von dort ab die kleine Reiterschar zu führen. Er zweifelte nicht an dem Erfolg. Eisenarm entfernte sich, nachdem er genau dem Wegweiser die Richtung bezeichnet, in der sie vorwärtseilen und hinabsteigen sollten, nach der Seite der Schlucht, um den Yankee aus dem Versteck in einer von dichtem Gestrüpp verdeckten kleinen Höhle zu holen, in welcher sie fast unmittelbar über der Schlucht sich bis jetzt verborgen gehalten hatten.

Es dauerte kaum fünf Minuten, bis er die kleine Gesellschaft mit Master Brown wieder einholte, der sehr mürrisch und ungehalten war über all die Gefahren und Verzögerungen, die ihn der Kanadier eines in seinen Augen sehr unbedeutenden Wilden wegen aushalten ließ, statt ihn seinem glühenden Wunsch nach direkt an den Ort der geheimnisvollen Schätze zu führen. Da sich gleichgestimmte Seelen leicht finden, dauerte es auch nicht lange, bis er sich zu Slong gesellte und sie beide sich aneinander anschlossen. Eisenarm hatte zugleich einen Blick in die Schlucht geworfen und berichtete, daß das ganze Lager noch immer in Aufruhr und Bewegung war und der Graue Bär, der jetzt Nachricht von dem Resultat der Verfolgung erhalten hatte, einen zweiten Trupp durch die Höhlung des Baches gesandt habe, um von daher aus die Felswand zu erklimmen, während ein dritter im Begriff stand, am Ausgang der Schlucht die hier unersteiglichen Felsen zu umgehen und von dem Seitenthal aus den Flüchtigen oder Versteckten in den Rücken zu fallen.

Es galt also höchste Eile, und jeder strengte seine Kräfte aufs beste an.

Sie hatten so auf dem Bergrücken etwa noch tausend Schritt zurückgelegt, als Eisenarm ihnen einen Wink gab, Halt zu machen und sich um ihn zu versammeln.

»Es ist nötig,« sagte er, »daß wir übereinstimmend handeln. Bei den Pferden werden sich höchstens zwei oder drei Apachen befinden. Wir müssen uns so rasch wie möglich unbemerkt ihnen nähern und uns dann sofort auf sie werfen. Da wir sieben bewaffnete Männer sind, werden sie nicht wagen, Widerstand zu leisten, sondern die Flucht ergreifen. Dann möge jeder sich eines Pferdes bemächtigen, sich aufschwingen und dem Vaquero folgen, der uns den Weg zeigen wird, den wir zu nehmen haben.«

»Und wenn die Abteilung der roten Landstreicher, die Sie das Lager verlassen sahen, uns zuvorgekommen ist, oder mit uns zugleich den Platz erreicht?« fragte der vorsichtige Wegweiser.

»Dann gilt es eine Salve unserer Büchsen auf sie!«

»Noch einen Augenblick!« Er winkte Comeo zur Seite und sagte ihr einige Worte. Dann zog er das alte Jagdhemd aus, das er trug, und reichte es mit seiner rauhhaarigen Mütze dem Mädchen. Diese, ohne eine Minute sich zu weigern oder zu zögern, zog das Jagdhemd über ihre Kleidung und bedeckte ihr Haupt tief in die Stirn hinein mit der zottigen Mütze.

»Señor Ayudante«, Adjutant. sagte der Alte, »da Sie noch keine Büchse tragen, so übernehmen Sie gefälligst die Sorge für das Mädchen – und nun vorwärts.«

Die obige Vorsicht war nötig, damit die Apachen nicht so leicht die ihnen bisher verborgen gebliebene Anwesenheit Windenblütes bei ihren Gegnern bemerken sollten.

Eisenarm gab das Zeichen, den Weg abwärts fortzusetzen, und deutlich vermochten sie bereits das Schnauben der Pferde zu hören, die von dem Schießen unruhig geworden waren.

Eine letzte Reihe niederen Buschwerks trennte sie jetzt noch von dem offnen Grund. Der Trapper bog die Zweige zurück.

»Noch haben sie uns nicht bemerkt; ihre Aufmerksamkeit ist nach jener Seite gerichtet! Es sind nur zwei Wächter bei den Pferden; aber bei Gott, da kommen die roten Schurken! Jetzt vorwärts, Vaquero, und zeige, daß Du Dein Handwerk verstehst!«

Er sprang mit einem mächtigen Satz den kleinen Abhang hinunter und eilte nach der nächsten Gruppe der Pferde. Er hatte diese noch nicht erreicht, als der junge Vaquero bereits auf dem Rücken eines Tieres saß, das sein Blick im Fluge als tüchtig und schnell erkannt hatte. Slong und Yankee waren ihnen gefolgt und die Behendigkeit, mit welcher der Methodist seine langen Beine über den Rücken eines Pferdes warf, während Master Brown sich noch mit dem wilden Hengst abquälte, den er erwischt, glich fast der Gewandtheit des Vaquero.

Kreuzträger, das Mädchen und der Offizier waren die letzten, der junge Mann hielt sich neben der Indianerin, um ihr jeden Beistand zu leisten, während der Wegweiser auf die Vorgänge achtete und sich nach den Pferden für sie umsah.

Deren beide Wächter, zwei noch junge Männer, hatten so wenig auf ihren Dienst geachtet und ihre ganze Aufmerksamkeit so sehr nach dem Lärm in der Schlucht gerichtet, in deren Richtung sie sich auf etwa fünfzig Schritt entfernt hatten, daß erst das Geschrei ihrer Kameraden, deren Trupp sich in der That von jener Seite her näherte, um den Verfolgten in den Rücken zu fallen, sie auf das plötzliche Erscheinen derselben und den bereits halb gelungenen Fluchtversuch aufmerksam machte.

Beschämt über ihre Fahrlässigkeit stürzten sie sich auf die ihnen nächste Gruppe, den Kreuzträger und seine Begleiter.

Der Wegweiser hatte bereits die Mähne eines Pferdes gefaßt, das der Vaquero ihm zugetrieben, während der Preuße bemüht war, Comeo auf ein anderes zu heben und Eisenarm den Yankee sehr unceremoniell am Kragen faßte und auf den schlagenden Hengst hob. Kreuzträger warf den Gaul zwischen sich und den Pfeil des Wilden, ließ das verwundete, schlagende Thier dann los und sprang gegen den jungen Apachen, der bei dem Anblick des gefürchteten Kreuzes Bogen und Tomahawk von sich warf und eilig entfloh.

Der andere Wächter, von der Scham über die Vernachlässigung seiner Pflicht getrieben und wohl wissend, daß sich unauslöschliche Schande damit in seinem Stamm verknüpfen werde, war entschlossen, diese durch die Vernichtung wenigstens eines Feindes zu tilgen. Er sah den Offizier mit dem Rücken gegen sich gekehrt beschäftigt, Comeo auf ein Pferd zu heben, sprang auf ihn zu, faßte sein Haar und riß ihn zurück, die Rechte mit dem Tomahawk erhoben, der im nächsten Augenblick die Stirn des Bedrohten zerschmettern mußte.

Windenblüte hatte die Gefahr gesehen, aber sie war anfangs zu sehr erschreckt, um durch einen Zuruf den Offizier warnen zu können. Aber im letzten Moment fehlte ihr auch die Entschlossenheit nicht. Sich erinnernd, daß sie noch den Revolver des Offiziers trug, in dessen Gebrauch er sie unterrichtet, und die Sekunde der Zögerung benutzend, wo der junge Apache sie wiedererkennend ihr ins Gesicht sah, riß sie die Waffe hervor, streckte die Hand fast bis zu seinem Gesicht aus und schoß ihn durch die Stirn.

Sein Blut bespritzte die beiden, und ohne Laut stürzte der Getroffene zu Boden.

»Fort! Schnell, oder die Schurken sind hier, bevor wir ihnen den Vorsprung abgewinnen!« schrie der Kreuzträger, der sich bereits auf ein anderes Pferd geschwungen und ein zweites an dem Baststrick, das seine Halfter bildete, herbeiführte. »Aufgesprungen, Señor, und fort, was die Hufe halten. Ich decke Ihnen den Rücken!«

Der Offizier fühlte, daß hier kein Augenblick zu zögern war; er faßte die Halfter, schwang sich mit einem alten Kunststück aus der Reitschule auf das Pferd, drängte an die Seite von Comeo und jagte mit ihr im Carriere hinter den andern drein.

Kreuzträger, seines wilden Rosses vollkommen Herr, blieb noch ein paar Minuten zurück und hielt mit seiner Büchse die herbeistürzenden Apachen im Schach, die sich der nächsten Pferde zu bemächtigen suchten, bis die Flüchtigen einen Vorsprung gewonnen; dann warf er sein Pferd herum, setzte über die leichte Einhegung hinweg und ließ es hinter den Freunden her weit ausgreifen.

Die Wut der Apachen, als sie ihre Feinde, die ihnen bereits so empfindliche Verluste zugefügt hatten und von deren geringer Anzahl sie sich jetzt überzeugen konnten, auf diese Weise entkommen sahen, war unbeschreiblich. Die nächsten warfen sich auf die Pferde, sobald sie die von den Schüssen wild gewordenen erreichen konnten, und begannen eine wütende Verfolgung. Aber die kleine Schar hatte bereits einen bedeutenden Vorsprung, Diaz kannte jetzt genau den Weg, den er nehmen mußte, und Kreuzträger mit seiner gefürchteten Büchse, dem sich jetzt auch der Trapper angeschlossen hatte, hielten im Nachtrab die Verfolger in gehöriger Schußweite. Die Richtung der Flucht ging natürlich thalabwärts der Hacienda zu, und als die Apachen eine halbe Stunde erfolglos die Jagd fortgesetzt hatten, hielten sie an und kehrten zu ihrem Lager zurück.

Die Sonne hatte sich während dieser Zeit immer tiefer zum Untergang geneigt, und als jetzt die Flüchtlinge in der Nähe des Punktes Halt machten, wo am Morgen der Offizier die junge Indianerin getroffen hatte, trat die Dunkelheit der Nacht ein.

Die vorderen Reiter waren durch den Zuruf Kreuzträgers zum Anhalten veranlaßt worden und hielten jetzt mit ihren keuchenden Pferden um den Alten.

» Caramba!« meinte dieser, »das war ein Ritt, den ich gelten lasse, und Du hast uns trefflich dabei geholfen, mein Junge, den roten Halunken eine Nase zu drehen. Ich kann mir denken, wie der Graue Bär toben wird. Wenn sie nur Ihren Ärger und ihre Bosheit nicht an dem jungen Comanchen auslassen!«

Ein leiser Ruf des Schreckens aus dem Munde des jungen Mädchens antwortete dieser Befürchtung.

»Es war unvorsichtig, Kamerad,« sagte Eisenarm, die Hand Comeos fassend und freundlich drückend, »das arme Kind hier damit zu ängstigen. Aber da es einmal ausgesprochen ist, so müssen wir die Sache näher ins Auge fassen, und ich muß sagen, daß mir ein ähnlicher Gedanke schon auf dem Ritt gekommen ist. Ich bin freilich nur ein armer Trapper und komme mit den Männern meiner Farbe oft mondenlang nicht in Berührung, aber keiner, sei er weiß oder rot, soll von Eisenarm sagen, daß er einen Freund in der Not im Stich gelassen hat! Ich kehre zu dem Lager der Apachen zurück!«

Die Indianerin preßte die Hand des Braven dankend an ihre Brust.

»Ich habe nichts gegen den Gedanken einzuwenden,« meinte der Wegweiser »und halte ihn sogar für gut. Wenn er ein Vorschlag sein soll, Kamerad Eisenarm, so ist der Kreuzträger dabei.«

»Ich protestiere dagegen!« schrie der Yankee. »Wir können Gott danken, daß wir mit heiler Haut den Indianern entwischt sind, es wäre geradezu wahnsinnig, uns noch einmal zurückzuwagen, und Sie müssen für meine Sicherheit stehen, Master Eisenarm, Ihr Leben gehört mir, ich verbiete es Ihnen, zurückzukehren!«

»Hört, Fremder,« sagte der Kreuzträger, »ich weiß nicht, was dieser Mann Euch für Verpflichtungen schuldig ist, aber ich weiß, daß man in der Einöde stets von Eisenarm und dem Jaguar als zwei unzertrennlichen Gefährten gesprochen hat, und ich wollte doch den sehen, der mich hindern sollte, meine alte Haut für einen Freund einzusetzen. Schneidet Eure Pfeifen etwas kürzer, Mann, und laßt uns unser Gewerbe nach unserer Art ausfechten! Es bleibt dabei, Meister Eisenarm, ich begleite Sie und wir wollen gemeinsam nach dem Comanchen und der Señorita sehen, die ich in das Haus ihres Vater zu bringen versprochen habe. Überdies ist weniger Gefahr bei der Sache, als es den Anschein hat. Die Apachen werden sich nichts weniger träumen lassen, als daß wir wieder zu ihrem Schlupfwinkel zurückkehren, statt hinter den festen Mauern der Hacienda ihren Angriff zu erwarten. Wir wissen jetzt, wann dieser stattfinden soll und können Don Estevan die nötige Warnung senden, während wir selbst versuchen, den Halunken einen Streich zu spielen.«

»Das ist auch meine Meinung,« fügte der Trapper hinzu. »Unser Kontrakt, Meister Schielauge, verpflichtet mich, Euch mit dem Jaguar zu begleiten und mein Leben für Euere Sicherheit einzusetzen, aber er verbietet mir nicht, einem Freunde in der Not beizustehen, ohne den Euer Unternehmen überhaupt unausführbar ist. Das beste also, was Ihr thun könnt, ist, daß Ihr selbst Euren Skalp in der Hacienda in Sicherheit bringt und den Leuten dort die nötige Kunde von den Absichten dieser roten Teufel gebt, und es mir überlaßt, dem Jaguar beizustehen oder wenigstens seinen Tod zu rächen, nachdem Eure schuftige Feigheit mich früher daran verhindert hat!«

Der Ton, mit dem der Trapper diese Erklärung abgab, war so bestimmt, daß der Yankee seinen Widerstand aufgab. Es wurde nun verabredet, daß man Brown und den Methodisten bis in die Nähe der Hacienda bringen und sie dann den Weg dahin allein fortsetzen lassen sollte, während Eisenarm und Kreuzträger mit dem Leutnant, Diaz und dem Mädchen, die alle drei auf das bestimmteste verlangten, sie wiederum begleiten zu dürfen, sich wieder dem Lager der Apachen nähern und in dessen unmittelbarer Nähe den Abzug der Krieger zu dem Angriff gegen die kleine Veste des Senators abwarten wollten.

Eisenarm, der in seinem Versteck Gelegenheit gehabt hatte, die Beschlüsse der Häuptlinge teils mit anzuhören, teils zu erraten, instruierte die beiden Männer auf das genaueste über alles, was sie dem Haciendero sagen sollten, und Kreuzträger und der Offizier empfahlen ihnen, den unglücklichen Vater wenigstens durch die Versicherung zu beruhigen, daß sie bereit wären, ihr Leben für die Befreiung der Señorita einzusetzen, und daß, wenn es ihm gelänge, nur vierundzwanzig Stunden die Hacienda gegen die Apachen zu verteidigen, die Schar des Grafen Boulbon unter der Führung seiner Offiziere sicher eintreffen und ihn entsetzen werde.

Obschon weder Brown noch Slong anfangs davon hören wollten, daß sie einen Teil des Weges allein machen sollten und einen Begleiter bis zu den Thoren der Hacienda verlangten, mußten sie sich doch schließlich in die getroffenen Anordnungen fügen. Kreuzträger beschrieb dem Methodisten auf das genaueste den Zugang der Hacienda und gab ihm das Signal an, auf das er sicher Einlaß finden würde. Im übrigen brauchten sie sich den Wachen nur als Christen und Weiße zu erkennen zu geben. Nur riet ihnen der alte Wegweiser, dies bei Zeiten zu thun, damit die Posten sie nicht etwa für spionierende Indianer hielten und mit einigen Kugeln begrüßten.

Die Aussicht war allerdings nicht sehr verlockend, aber immer noch besser, als die Gefahren, die jedenfalls die kühnen Abenteurer bei ihrem neuen kecken Versuch erwarteten. Als daher alles nötige verabredet war, brach man, von dem jungen Vaquero geführt, wieder auf. Nach einem der Dunkelheit wegen langsameren Ritt kam man in jenem thalartigen Paß, der den Weg aus der Sierra nach dem Innern des Landes bildet und sich an dem steilen Hügel, auf dem die Hacienda steht, in zwei Richtungen spaltet, und dort trennten sich der Wegweiser und seine Gefährten von den beiden Boten, die den Weg nun nicht mehr verfehlen konnten, indem sie ihre beiden Pferde mit sich nahmen und ihnen die Zurücklegung der kurzen Strecke zu Fuß überließen.

Es fand nun nochmals eine kurze Beratung zwischen Eisenarm und dem Wegweiser statt, die zu dem Beschluß führte, trotz der Dunkelheit zunächst jenes Versteck aufzusuchen, das der Kreuzträger bei seiner Rekognoscierung am Morgen mit Diaz entdeckt hatte, und dort die Pferde unterzubringen, da man nicht wissen konnte, ob man ihrer nicht vielleicht sehr bedürftig sein würde.

Dieses Versteck lag etwa auf der Hälfte des Weges von der Hacienda nach der Schlucht, in der die Apachen ihr Lager aufgeschlagen hatten, und bestand in einer Art Kessel, der von einer einzigen leicht zu verteidigenden Stelle her zugänglich war. Hierhin brachte man die Pferde, und nachdem man sie so gut als möglich angepflöckt, setzte man den Marsch zu Fuß weiter fort.

Kreuzträger wählte fast denselben Weg, den sie am Mittag gemacht, und obschon jetzt das Licht der Sonne fehlte, hatte die große Erfahrung seines Handwerks sein Auge doch so für alle Kennzeichen geschärft, daß er kaum ein oder zweimal stehen zu bleiben brauchte, um sich zu orientieren.

So lange und so oft es das Terrain gestattete, ging Windenblüte an der Seite Eisenarms. Das junge Mädchen schien sich mit Absicht dem Dank des Offiziers entziehen zu wollen, und unterhielt sich sehr eifrig mit ihrem alten Freund und Beschützer in der Sprache der Comanchen. Sie schien wegen irgend eines Wunsches in ihn zu dringen, den der Trapper ihr wiederholt verweigerte, bis es endlich schien, als ob ihn die Gründe des jungen Mädchens überzeugt hätten.

Ewald von Kleist hätte für sein Leben gern gewußt, worauf sich die Unterhaltung bezog, aber er mußte dem Beispiel seiner Gefährten folgen, die sich um die beiden nicht kümmerten, sondern eifrig ihren Weg fortsetzten.

Die erste Annäherung des kleinen Trupps an das Lager der Apachen war, wie bemerkt, auf einem ziemlich weiten Umwege erfolgt, um ungesehen auf die Höhe und die Rückseite der Schlucht zu gelangen. Sehr richtig hatten übrigens Eisenarm und der Wegweiser geschlossen, daß die Apachen jetzt, nachdem die Weißen entkommen waren, die früheren Vorsichtsmaßregeln nicht mehr für nötig gehalten und deshalb auf dieser Seite keine Wachen mehr ausgestellt haben würden. Die Häuptlinge glaubten ihren gefürchteten Feind, den Kreuzträger, mit seinen Gefährten nach der Hacienda zurückgekehrt, verließen sich aber zu einer Überrumpelung dieser auf ihre große Übermacht und konnten nicht im entferntesten ahnen, daß die kühnen Abenteurer noch einen gegen ihr eigenes Lager gerichteten Versuch machen würden. Man hatte zwar den toten Körper der Schildwache gefunden, wußte aber, von welcher Hand er gefallen, und hatte deshalb auch nicht nötig gefunden, einen neuen Posten in dieser Richtung aufzustellen.

Dieser Umstand erleichterte die Annäherung des kleinen Trupps sehr, und etwa eine Stunde, nachdem sie ihre Gefährten verlassen hatten, befanden sich der Wegweiser und seine Begleiter wieder auf der nämlichen Stelle, auf der sie zur Rettung des Methodisten den Apachen das erste Gefecht geliefert hatten.

Sie schlichen sämtlich an den Rand der Schlucht, von wo sie, durch die Büsche verborgen, einen Ausblick auf den Grund hatten, soweit es der Schein der zahlreichen Feuer gestattete, der bis hinauf zur Höhe leuchtete.

Es herrschte tiefe Stille in der Schlucht, die wilden Krieger lagen lang hingestreckt, aber offenbar bereit, sich auf den ersten Ruf gerüstet zu erheben, an den Feuern, die von den wenigen Wachen unterhalten wurden. Nur die Frauen, diese Dulderinnen unter den uncivilisierten Nationen, waren beschäftigt, den Kriegern noch eine Mahlzeit zu bereiten, ehe sie auszogen; aber gegen ihre gewöhnliche Manier geschah dies schweigend und geräuschlos.

Comeo hätte beinahe mit einem Aufschrei der Freude die Stille unterbrochen und sie alle in Gefahr gebracht, als ihr scharfes Auge, das selbst die Nacht durchdrang, um den geliebten Bruder zu suchen, dessen dunkle Gestalt anscheinend in gleich ruhigem und tiefem Schlaf an den Baum gelehnt sah, an dem er während des ganzen Tages gesessen. Seine Ruhe gab den besten Beweis, daß auch der Señorita bisher nichts Außergewöhnliches widerfahren war.

Es war wieder uni die Zeit, als der Kreuzträger und Diaz gestern von der Hacienda del Cerro ausbrachen, um so viele Abenteuer und Gefahren zu bestehen, also etwa um elf Uhr. In drei Viertelstunden mußte der Mond aufgehen, und die erfahrenen Jäger wußten, daß damit auch das Lager in Bewegung kommen und der ganze Haufen sich zum Auszuge bereit machen würde. Bis dahin konnte nichts geschehen und auf den Vorschlag des Trappers zog sich die Gesellschaft eine Strecke weit von dem Rande der Schlucht auf das Bergplateau zurück, wo sie ohne Gefahr, von einem absichtlich oder zufällig spähenden Ohr gehört zu werden, sich besprechen konnten.

Es war jetzt zum erstenmal, daß Kreuzträger und der Trapper einander ruhig gegenübersaßen.

Kreuzträger, der von Natur aus und durch sein höheres Alter – er zählte an 60 Jahre, während Eisenarm höchstens vierzig alt war – redseliger war, als sein Gefährte, gab die Anregung zur Unterhaltung, indem er sich noch ausführlicher erzählen ließ, als es bereits Comeo gethan, wie die drei Wanderer sich auf dem Hügel am östlichen Abhang der Sierra gegen die Indianer verteidigt hatten, wie sie entkommen und der junge Häuptling in die Hände seiner erbitterten Feinde gefallen war.

Eisenarm gab mit aller Bescheidenheit, die kaum seinen eigenen Thaten ein Wort widmete, Auskunft darüber.

» Par dios, Compañero!« meinte der Wegweiser, »ich hätte mögen dabei sein, als Ihr sie unter dem Moosbaum her pfeffertet. Aber man kann in der Welt nicht alles haben! Dafür nehme ich jetzt wirklich das größte Interesse an dem armen Burschen, dem Jaguar, den die Schufte da unten gefangen halten, und wenn sie nicht etwa auf den Einfall geraten, ihn zu dem Angriff auf die Hacienda mitzuschleppen, hoffe ich noch seine Bekanntschaft zu machen. A propos! der Kerl, den Ihr da mit Euch schlepptet, und den ich, wenn mir recht ist, schon irgend wo gesehen haben muß, ist doch nicht Meister Goldauge, Euer steter Gefährte, von dem man in der Einöde erzählt, daß er das schärfste Auge und Ohr für das edle Metall besitzt?«

»José, unser Freund und langjähriger Gefährte, wie er der des Vaters des Jaguar war, ist tot,« sagte finster der Trapper.

»Nun,« erwiderte der Kreuzträger, »ich sollte meinen, es sei noch nicht so lange her, daß ich von Euch dreien als Blutbrüdern in der Prairie sprechen hörte?«

»Es ist länger, als ein Jahr, daß Oyo d'Oro seinen Freund verlassen hat und zu den Mördern jenseits des Meeres gegangen ist.«

»Wie, Meister Eisenarm? Der Gambusino ist nicht bei Ihnen gestorben in einem Gefecht mit den Apachen?«

»José, unser Blutsbruder, ist in Paris, der Stadt des großen Kaisers, das Opfer eines schändlichen Verrates geworden, und wir sind hier, um ihn an seinem Mörder zu rächen.«

»Aber Sie reden irre, Eisenarm! Wie können Sie hier Ihren Freund rächen, wenn er in Paris, von dem ich gehört habe, daß es eine sehr große und sehr verderbte Stadt sein soll, erschlagen worden ist?«

»Weil Gott und ihre Habsucht seine Mörder über das Meer und in diese Einöden getrieben und somit in unsere Hand gegeben hat.«

»Franzosen und hier?« fragte der Kreuzträger, »wie, befänden sie sich vielleicht gar bei unserer Expedition? ich muß gestehen, es giebt einige schlechte Kerle darunter, man hätte eine schärfere Auswahl treffen sollen.«

»Sie befinden sich bei der sogenannten Sonora-Expedition!«

»Und darf man ihren Namen wissen?«

»Der eine ist der Mann, in dessen Dienst Sie getreten sind, wie Sie mir selbst gesagt, und der sich Graf Raousset Boulbon nennt, der andere ist sein alter Diener: das Haupt und die Hand bei dem Morde unsers Freundes!«

»Das ist Lüge und Verleumdung!« rief der junge Offizier heftig und ohne Rücksicht auf ihre Lage. »Graf Boulbon ist einer solchen That nicht fähig!«

»Junger Mann,« sagte der Trapper ernst, »André Laporte, den die Indianer und seine Freunde ›Eisenarm'‹ zu nennen pflegen, hat noch niemals gelogen und ist auch nicht der Mann, eine solche Beschuldigung zu dulden. Ich verdächtige niemand einer That, von der ich nicht die Beweise geben kann.«

»Sprechen Sie leise,« sagte der Kreuzträger. »Jedes laute Wort kann uns hier Verderben bringen. Wie kommen Sie dazu, Compañero, den Grafen, den wir bisher nur als Mann von Ehre und Mut kennen gelernt haben, eines feigen Mordes zu beschuldigen?«

»Ich habe allerdings in San Francisko manches von ihm gehört, was bewies, daß er ein Mann von Mut, ja von großen Eigenschaften ist. Aber leider ist dies nicht immer auch das Kennzeichen eines rechtschaffenen Charakters. Ich habe Männer in der Prairie getroffen, die es mit dem Teufel selbst aufgenommen hätten und ihren Skalp zehnmal des Tages in Gefahr brachten, und dennoch waren sie die größten Schurken vom Rio Grande bis zu dem Ufer des Meeres. Nein, nein, ich bin zu alt geworden, um mich durch ein Vorurteil bestechen zu lassen!«

»Aber welche Beweise haben Sie gegen den Grafen?«

»Sie müssen wissen,« fuhr der Kanadier fort, »daß es sich um ein Geheimnis handelte, zu dessen Verkauf unser Freund, der Gambusino, über das Meer geschifft war, weil ich es unfern Landsleuten lieber gönnte, als diesen gierigen Wölfen, den Engländern und Amerikanern Unter Amerikaner sind immer die Bewohner der Vereinigten Staaten zu verstehen. Dieser Mann, der sich einen Abkömmling der alten Könige von Frankreich nennt, hat unsern Freund ermorden lassen, um ihm sein Geheimnis zu stehlen! Er ist herübergekommen über das Meer, um mit einer Schar Genossen, zu der leider auch Sie verlockt worden sind, sich jener Schätze zu bemächtigen, obschon er ein blinder Thor ist, wenn er dies hofft! Der Mann, der das ›Goldauge‹ nach Paris begleitete, hat uns die untrüglichen Beweise seiner Ermordung, er hat seine noch blutbefleckten Kleider, das Wahrzeichen, das er mit auf den Weg genommen, und die Aufforderung ihn zu rächen gebracht! Und wir haben geschworen, es zu thun!«

Der Kreuzträger schüttelte trübe sein Haupt, »Ich muß gestehen, Kamerad,« sagte er endlich, »der Anschein spricht allerdings für Sie. Die Expedition ist von Don Boulbon in San Francisko zum zweitenmal, nachdem die erste durch den großen Brand gesprengt worden ist, angeworben worden, um die Schätze der alten Beherrscher dieses Landes aufzusuchen. Ich denke. Sie werden mir glauben, daß mich nicht dieser Zweck, sondern die Gelegenheit anreizte, mit den Apachen meine Rechnung im großen abzumachen, denn ich muß gestehen, ich sehne mich endlich nach Ruhe! Aber es fällt mir ein, daß in San Francisko der Graf eifrig nach Ihnen und nach dem jungen Comanchen forschen ließ, gleich am Tage, nachdem ich in die Expedition eingetreten war.«

»Sie sehen daraus, daß meine Worte Wahrheit sind, wie die des Boten, den uns der sterbende Blutfreund von jenseits des Meeres gesandt hat. Der stolze Mann in all seiner Macht und Stärke ahnt vielleicht nicht, daß das Messer des Rächers bereits, während er sich in voller Sicherheit wähnte, kaum eine Spanne weit über seinem Herzen schwebte und nur ein Zufall und diese Hand ihm das Leben rettete.«

»Wie, so waren Sie es, die den geheimnisvollen Überfall in des Grafen Wohnung machten? Ich habe nur unklar davon erzählen hören.«

»Wir standen in jener Nacht an seinem Lager, ich, der Jaguar und der Bote, den uns Oyo d'Oro vor seinem Tode gesandt hat. Aber Gott ist langmütig mit den Sündern, warum sollten es nicht die Menschen sein? Die Comanchen töten Männer, aber sie ermorden keine Weiber!«

Die letzten Worte des Trappers wurden von den beiden nicht verstanden.

»Ich glaube, daß Sie ein ehrlicher Mann sind,« sagte der Offizier, »denn Ihr ganzes Benehmen hat es erwiesen, und es thut mir daher leid, daß ich Sie der Lüge zieh'. Dennoch kann ich an Ihre Beschuldigung des Grafen nicht glauben, wenn auch die Umstände gegen ihn sprechen. Auch Sie können getäuscht sein, und wenn Ihr Zeuge gegen ihn jener Mensch ist, den wir mit einem der Unseren nach der Hacienda sandten, so gestehe ich offen, daß das Wenige, was ich von ihm gesehen, mich nicht zu seinen Gunsten stimmt.«

Bei der Anwerbung des Offiziers und des Wegweisers in San Francisco war, wie erzählt worden, Master Brown nicht zugegen gewesen, sondern schon früher auf den Befehl des Grafen zurückgewiesen worden, und er hatte sich seitdem sorgfältig verborgen gehalten, um dessen Wege auszuspionieren.

» Par Dieu! es ist wahr,« meinte der Trapper, »die Natur hat dem Meister Schielauge, oder der ›Schielenden Ratte,‹ wie ihn das Kind hier zu seinem großen Verdrusse genannt hat, gerade kein besonders vertrauenerweckendes Äußere gegeben, und auch seine sonstigen Eigenschaften sind nicht sehr lobenswert, aber seine Anwesenheit in der Minute und am Ort unseres Rendezvous, wie die Zeichen, die er uns gebracht, und die wir genau wieder erkannt haben, beweisen uns, daß unser Freund ihm Vertrauen geschenkt hat und wir seiner Botschaft glauben müssen. Der Jaguar und ich haben uns ihm verpflichtet und Sie sich jenem Franzosen. Wenn unsere Wege sich kreuzen sollten, so wollen wir wenigstens als ehrliche Feinde handeln und keiner den andern um seines Entschlusses willen verdächtigen. Vor der Hand haben wir einen gemeinsamen Gegner, der uns genugsam zu schaffen machen wird, die Apachen, und können an ihnen unsern Groll auslassen!«

»Möge das Gewürm von der Erde vertilgt werden,« sagte der Kreuzträger. »Sie haben mich zum einsamen Mann in den Prairien gemacht und alles, woran mein Herz hing, mir grausam entrissen!«

Er stützte den Kopf auf die Hand und versank in finsteres Schweigen.

»Hört, Kamerad,« unterbrach endlich der Trapper die Stille, »der Jaguar und ich hegen zwar auch schweren Groll gegen die Schurken, aber was uns geschehen, ist wenigstens in langjähriger Fehde geschehen, und man kann von einem Indianer nicht verlangen, daß er seinen Krieg ohne Tücke führen soll, wie ein weißer Mann und Christ. Es muß etwas Schlimmes sein, das Euch zu dem Gelübde geführt hat, von dem ich gehört. Ich habe zwar vernommen, daß man Euch übel mitgespielt hat, aber nie etwas näheres. Der Mond geht erst in einer halben Stunde auf, und so lange werden die roten Halunken da unten ihrer Ruhe pflegen. Wie wär's, falls die Erinnerung Euch nicht zu schmerzlich ist, wenn Ihr uns bis dahin Eure Geschichte erzähltet?«

Der alte Mann dachte einige Augenblicke nach, dann reichte er dem Trapper die Hand.

»Es sei, Kamerad,« sagte er, »ich habe lange niemandem mein Herz aufgeschlossen, und wenn es auch nur das eines armen Mannes ist, der sein Brot unter hundert Gefahren verdiente, indem er die Reisenden durch die Wüste geleitete, so thut ihm wahre Teilnahme doch so wohl, als wäre er der Herr von zehn Silberminen. Sie sollen erfahren, wer mich zum blutigen und mitleidslosen Vergelter gemacht hat, und diese jungen Männer hier mögen daraus lernen, was das Herz des Menschen zu ertragen vermag, ehe es bricht.«

Es war tiefe Stille rings umher, nur die Heuschrecken und Grillen zirpten in den Büschen und Felsspalten, und die Fledermäuse, die in diesen ihre Nester haben, durchschnitten die Luft.

Dann begann der Kreuzträger.



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