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Der Graf von Palikao.

(Fortsetzung.)

Die Korvette lag mit der Lee-Verschanzung im Wasser – zwei der Boote waren fortgerissen, die Sturzseen brachen sich über dem Deck und schwemmten alles fort, was nicht aufs beste befestigt war. Die Mannschaft hatte sich nach hinten geflüchtet und sich mit Tauen festgebunden, der vom Winde gepeitschte Wasserdampf hüllte das Schiff in so dichten Nebel, daß man nicht zwanzig Schritt weit sehen konnte.

Dazu brüllte der Ozean, brauste die See, heulte und zischte es wie eine Legion entfesselter Dämonen in den Lüften. Jeder glaubte seine letzte Stunde gekommen, niemand hoffte auf Rettung mehr, denn keiner noch hatte Ähnliches erlebt, und dennoch waren erfahrene wettergebräunte Männer genug in der Bemannung des Schiffes, die in allen Zonen der Erde mutig dem Tode ins Auge gesehen.

Aber die Gnade Gottes ist auf den tobenden Wässern wie auf den lachenden Fluren des Landes.

Plötzlich, als die furchtbarsten Kräfte der Natur zur unbedingten Vernichtung entfesselt schienen, wurde es still – nicht lautlos ruhig, aber still im Vergleich zu dem Toben vorher – der Wirbel des Taifuns stand über uns, seine rotfahlen Wolken fast das Schiff berührend, das wie in einem Kessel zwischen Mauern von Wasser lag und wie ein Fangball umhergeschleudert wurde, daß die Masten jeden Augenblick aus dem Schiff zu fliegen drohten.

Beinahe zehn Minuten dauerte der furchtbare Zustand, dann brach der Orkan aufs neue los, aber er wurde fast mit Freuden begrüßt, denn er machte diesem entsetzlichen Zustande ein Ende und bewies, daß der Wirbel des Taifuns über uns hinweggegangen, ohne uns zu versenken, und daß er seine Richtung geändert hatte gegen die Lage des Schiffes. Wenn auch Wind und Wasser noch gleich heftig tobten, – das Schwerste war überstanden, ein Strahl der Hoffnung wenigstens da. Das Steigen des mit angstvollen Blicken beobachteten Barometers bestätigte es, und wie ein Lauffeuer ging es von Mund zu Mund: »Das Barometer steigt!«

Wahrlich – wer nie eine ähnliche Gefahr bestanden, der kennt nicht das Himmelsgefühl der Hoffnung!

Und dennoch war sie im Begriff, uns wieder zu schwinden. Selbst der Orkan hatte nicht vermocht, die Luwanten des großen Mastes zu zerreißen, so fest hatten unsere wackeren Danziger Refschläger den Hanf gedreht, aber durch den furchtbaren Druck begannen sie sich allmählich unten an den Jungfern Die Holzblöcke, welche Wanten und Schiff verbinden. aus den Bändseln zu ziehen. Schon hatten sie sich um einige Zoll gereckt, und der Mast bog sich gefährlich nach dem Lee über – noch ein paar Zoll, und er hatte seinen Halt verloren und riß die anderen mit sich über Bord, das Schiff war ein Wrack und in diesem Toben rettungslos verloren.

In solchen Augenblicken bekundet sich die Energie und der Scharfblick eines tüchtigen Kommandanten. An Segelsetzen war nicht zu denken, sie wären in Fetzen hinausgeflogen, wie das Großmarssegel vorhin. Der Kapitän beorderte die Matrosen, in die Luvfockwant hinauszusteigen – die Körper der unerschrockenen Männer sollten dem Winde eine Fangwand bilden für den Druck auf das Vorderteil des Schiffes, um es herumzubringen.

Es galt das Leben – mit eisernem Griff hielt jeder fest, während ihnen die Kleider in Streifen vom Leibe geweht wurden; – vergebens; – das Schiff blieb in seiner verhängnisvollen Lage.

Schon standen die Zimmerleute bereit mit ihren Äxten zum letzten verzweifelten Mittel; – da – »Der Dampf! der Dampf!« Der Kapitän befahl den Versuch.

Die zurückgeschobenen Feuer wurden aufgefrischt. Der schwarze Kohlendampf mischte sich mit den schwarzen Wolken des Himmels. »In fünf Minuten ist Dampf auf!« läßt der Maschinist rapportieren – aber fünf Minuten sind in dieser Lage eine Ewigkeit, und in fünf Minuten kann von dem stolzen Schiff mit seinen vierhundert Lebenden nicht eine Spur mehr auf den Wogen sein!

Und mit jedem Windstoß recken weiter und weiter die Wanten!

Da – »Hurra!« – »Das Schiff fällt!« jubelt es von aller Lippen und das wiedergewonnene Leben leuchtet aus aller Augen! – Es ist wirklich so – das Schiff fällt ab und der Schnabel dreht sich langsam leewärts. Der Maschinist hat Öl und Terpentin auf die Flammen gießen lassen, um sie anzufachen – noch ehe die fünf Minuten um sind, ist die Schraube in Bewegung, die Korvette bekommt Fahrt und gehorcht dem Ruder.

Wie eine Zentnerlast fällt es jedem vom Herzen – das Schiff ist auf den anderen Bug gelegt, der Mast und mit ihm die Korvette gerettet. Auch der Wind nimmt ab – das Schiff lag zwar mit dem Kopfe dem Lande zu, aber das schlimmste ist überstanden. Der Wirbel des Taifun ist passiert, das Barometer steigt und der Wind dreht sich allmählich südlich, so daß das Schiff vom Lande ablegen kann.

Allmählich wird der Wasserdampf weniger dicht – die starke schwarze Wolkenmasse zerreißt und das Licht bricht in einzelnen Strahlen hindurch – der Gesichtskreis erweitert sich und die See geht nicht mehr so hoch.

Aller Augen forschen am Horizont umher – aber leeralles leer – von dem Schoner keine Spur! Um fünf Uhr hatten wir ihn zuletzt gesehen, jetzt war es zehn! War es denkbar, daß das kleine Fahrzeug fünf Stunden lang diesen Kampf aushalten konnte? – Der Verstand sagte: »Nein!« aber das Herz wollte nicht daran glauben und jedes Auge strengte sich an, eine Spur des armen Schiffes, der geliebten Freunde und Kameraden zu sehen.

»Vergebens! – Der Taifun hatte seine Opfer gefordert!«

Der Erzähler deckte die Hand über die Augen – das tiefe Schweigen aller ehrte den Schmerz des jungen Mannes.

Erst nach einer Weile fuhr er fort:

»Sechsundfünfzig frische fröhliche Kameraden waren mit dem unglücklichen Schiff in die unergründliche Tiefe gesunken – mir der liebste Freund unter ihnen. Um Mittag legte sich des Himmels Blau über die sich beruhigende See. Stundenlang, während alle Mann beschäftigt waren, Havarie zu bessern, kreuzten wir umher, um eine Spur des Schoners aufzufinden – erst am Abend steuerte die ›Arcona‹ unter schwellenden Segeln ihrem Ziele zu.

Am 4. September lief sie in die Bucht von Jeddo ein. Die japanische Behörde schickte sofort einen Dampfer aus, nach dem verlorenen Fahrzeug zu forschen, aber er kehrte zurück, ohne die geringste Kunde gewonnen zu haben.

Mit dem preußischen ›Frauenlob‹ war auch die englische Kriegsbrigg ›Camilla‹ mit 120 Mann Besatzung ein Opfer des Taifun geworden. An der Küste von China, die er am 3. September erreichte, wurden über hundert chinesische Dschonken an den Klippen zerschmettert.« – –

Selbst der kleine Professor hatte keine Bemerkungen zu machen über die Natur des Taifun oder andere meteorologischen Beobachtungen, obschon er etwas von Entdeckungen seines berühmten Landsmanns, des Professor Dove, murmelte. Endlich nahm der Lord das Wort und fragte mit sichtlicher Teilnahme, ob sich denn auch später keine Spur von dem Schicksal des Schiffes gefunden habe, wenigstens von Trümmern desselben an der Küste.

Der junge Seeoffizier antwortete:

»Eurer Herrlichkeit habe ich bereits die Stellung unseres Schiffes angedeutet,« sagte er. »Wir standen östlich der japanischen Inseln Kiusiu und Sikok, auf deren ersterer, in Nagasaki, Ihr russischer Dampfer ja angelegt hat. Die Van-Diemens- und die Suwo-Nada-Straße sind durch den atlantischen Ozean mit dem chinesischen Meer verbunden. Vor ungefähr drei Wochen kam uns in Jeddo das Gerücht zu Ohren, auf den Geschwister-Inseln, also südwestlich von dem Punkt, an welchem der Taifun uns erreichte, und in der Richtung, die er genommen, sei in jener Zeit ein entmastetes europäisches Schiff gestrandet, und der Kommandeur unseres kleinen Geschwaders sandte mich auf den dringenden Wunsch des Gesandten auf einem amerikanischen Schiff ab, um möglichst an den Küsten – so weit diese uns Europäern offen sind, – Nachforschungen anzustellen, indem man von der Ansicht ausging, daß die sonst so verschlossenen Küsten einem einzelnen Manne eher zugänglich sein würden, als einem europäischen Schiff. Ich hatte die Order, meine Nachforschungen bis an die chinesische Küste auszudehnen, und namentlich auch auf der englisch-französischen Flotte Erkundigungen anzustellen, welche seit drei Monaten sich in diesen Gewässern befindet. Aber all meine Mühe ist umsonst gewesen – das unglückliche Schiff ist spurlos verschwunden und liegt sicher mit all den braven Männern in der Tiefe des Meeres.«

»Verzeihe einem unwissenden Mädchen, Herr,« sagte eine befangene, leise Stimme in stockendem Französisch, – »wenn sie eine Frage an dich richtet.«

Alle sahen erstaunt auf die junge Chinesin, denn sie war es, welche geredet.

»Sprechen Sie, Mademoiselle,« sagte eifrig der junge Seemann, »was wünschen Sie zu wissen?«

»Ich kenne die Zeitrechnung der Christen nicht, – wie lange ist es her in Tagen, daß jenes Schiff verloren gegangen ist?«

»Es war am 3. September – wir zählen heute den 14. Oktober – also vor 42 Tagen.«

Die Chinesin rechnete an den Fingern nach, da sie das gewöhnliche Zahlenbrett nicht hatte. »Das ist richtig,« sagte sie dann etwas mutiger. »Gibt es nicht im Osten, am Huang-Hai Das gelbe Meer. eine Küste, die Korea heißt?«

»Gewiß! Aber warum fragen Sie das alles?«

»Weil ich meinen armen Vater davon sprechen hörte, daß ungefähr in jener Zeit, wie chinesische Seefahrer erzählt haben, an der Küste von Korea ein Schiff der Christen in elendem Zustand gescheitert sein soll, ohne Masten und Steuer, auf dem noch einige Männer sich befanden.«

Der junge Seemann war aufgesprungen. »Um Himmels willen, Mademoiselle, erinnern Sie sich aller Umstände genau? Was ist aus dem Schiff, aus den Männern geworden?«

»Es sollen böse Menschen in jenem Lande wohnen,« sagte das Mädchen. »Sie stehen nicht unter der milden Herrschaft des Lichts des Weltalls – sie berauben und töten alle Unglücklichen, die an ihre Küsten kommen, oder machen sie zu Sklaven. Ich weiß nicht, was mit dem Schiff geschehen, von dem ich sprach, aber der alte Seemann hat meinem Vater schlimmes erzählt. Er hat ihm ein Messer geschenkt, das er den Barbaren an jener Küste abgekauft, und das den Unglücklichen gehört haben soll.«

»Ein Messer?«

»Ja – aber es ist nicht so breit, wie die unseren, spitz und schmal, – es gleicht dem, welches Sie an der silbernen Kette an Ihrem Gürtel tragen.«

Alle Anwesenden hatten sich unwillkürlich voll Teilnahme genähert.

»Und besitzt Herr Tsin-Yang, Ihr Vater, dieses Messer noch?«

Sie zog einen der bekannten Midshipman-Dolche aus ihren weiten Gewändern und reichte ihn hin.

Der junge See-Offizier ergriff ihn hastig und eilte damit zum Licht. Sein Gesicht war von aufregender Erwartung gerötet – aber es wurde totenbleich, als er die Waffe untersucht hatte. Er ließ die Hand, die sie hielt, sinken.

»Es ist kein Zweifel mehr,« sagte er – »hier ist der preußische Adler – und hier – die zwei Buchstaben – ich habe diesen Dolch mehr als einmal in der Hand gehabt.«

Alle schwiegen – zwei schwere Tränen rollten über die Wangen des jungen Mannes.

»Und Sie sagen, daß alle, die noch lebend mit dem Wrack die Küste erreichten, ermordet wurden?«

»Ich glaube es, aber ich weiß es nicht. Diese Menschen sollen sehr wild und grausam sein.«

»Kennen Sie den chinesischen Schiffer, der es erzählte, der Ihrem Vater dies Messer brachte? Wie heißt er – wo finde ich ihn?«

»Ich weiß es nicht, Herr – ich glaube, er ist auf See. Sie müssen meinen armen Vater fragen.«

»Ja, das will ich – sogleich …«

Er wandte sich nach der Tür der Kajüte, – aber man kam ihm zuvor, – sie wurde eben von außen aufgestoßen.

Der Trapper Eisenarm stand in ihr – über ihn hinweg hörte man in der Ferne Lärm, – dazwischen militärische Signale.

Der Lord wandte sich rasch gegen den Mexikaner. »Was gibt es, Monsieur? Einen Angriff der Chinesen? Einen Ausfall aus der Stadt?«

»Nein, Senor – kommen Sie heraus und sehen Sie selbst. Ich fürchte, der Palast brennt!«

Ein Ruf des Erstaunens, des Schreckens. Dann drängte sich alles aus der mit der Tür nach der entgegengesetzten Seite gerichteten Kajüte, um einen freien Blick nach dem etwa eine englische Meile entfernt liegenden Palast zu haben.

Glühende Rauchwolken wälzten sich dort empor, die Entfernung war so gering, daß man deutlich die Flammen sehen konnte – – es war kein Zweifel, Jung-min-jun, – die Perle des Reiches – der prächtige Sommerpalast des Kaisers, stand in vollen Flammen.

An dem Ufer des Flusses war jetzt alles in voller Bewegung, – die Bevölkerung der zahlreichen Dschonken und anderen Fahrzeuge füllte alle Plätze der Decks und der Kajütenbedachungen, oder rannte ans Ufer, – von dem Biwak der Franzosen klangen die Horn-Signale, – ein Strom von Menschen, Soldaten, Neugierige, Schiffsleute, Händler – alles ergoß sich nach der Seite des brennenden Gebäudes. Die Verwirrung war unbeschreiblich.

Während die in der Gesellschaft anwesenden Offiziere alsbald ans Land eilten, um sich zu ihren Truppenteilen zu begeben, traf Lord Walpole die nötigen Anstalten, sein Fahrzeug gegen jedes Betreten Unberechtigter zu sichern, da bei solchen Unglücksfällen diebische Augen und Hände nur allzugern beschäftigt sind. Erst als dies geschehen und die Frauen unter genügenden Schutz gestellt waren, verließ er mit Eisenarm die Dschonke und folgte dem Menschenstrom zu dem brennenden Palast.

Bei der leichten Bauart desselben war, trotz der Nähe des Wassers und der Öffnung der unterirdischen Kanäle, an Löschen kaum zu denken – am wenigsten hatten auch die Soldaten Lust dazu, die Franzosen nicht, weil sie kein Interesse mehr daran hatten, die Engländer nicht, weil sie größtenteils betrunken waren und es doch nur wenig zu plündern gab. Wie Lord Walpole vernahm, sollte das Feuer durch die Unvorsichtigkeit irischer Soldaten entstanden sein, – andere behaupteten, daß es von chinesischen Gefangenen angelegt sei. Nur soviel war gewiß, daß – als man es bemerkte – die Dämpfung bereits unmöglich war, und daß es sich mit rasender Schnelligkeit verbreitet hatte. –

Volle vierundzwanzig Stunden brannte der weitläufige Palast. Händeringend standen die Mandarinen und das zahllose Hofpersonal und Volk auf den Mauern von Peking und sahen den Stolz des Landes, den prächtigen Bau des Sommerpalastes, in Asche sinken. Übrigens ging es nicht ohne Nachteil für die Sieger ab, mehr als dreißig englische Soldaten fanden in den Flammen ihren Tod.

Als es am zweiten Tage dem preußischen See-Offizier gelang, sich nach dem gefangenen Ober-Aufseher des Palastes zu erkundigen, hörte er zu seinem großen Leidwesen, daß der Mandarin auf Befehl des Generals Montauban den chinesischen Friedens-Unterhändlern ausgeliefert worden sei, die es ausdrücklich gefordert hätten, und es konnte kaum ein Zweifel obwalten, welches Schicksal ihn in Peking erwartet hatte, da er einerseits in Verdacht stand, das Feuer selbst angelegt zu haben, um sich zu rächen oder in dem Tumult zu entspringen, – andererseits es aber nicht an Zeugen fehlte, welche bekunden konnten, daß er selbst das verborgene Schatzgewölbe den Franzosen entdeckt hatte.

In der Tat steckte bei dem späteren Einzug der Sieger der langbezopfte Kopf des betrogenen Verräters auf den Zinken des nächsten Tores und die Nachricht davon warf die arme Tank-ki, der sie mit großer Gleichgültigkeit von einem der chinesischen Faktors, welche das feindliche Lager füllten, überbracht worden, in schwere Ohnmacht.

Am Tage nach dem Brande ergab sich Peking. Der Kaiser war geflohen und die noch immer sehr ansehnlichen Reste des Heeres hatten sich nach der Tatarei zurückgezogen; die verhandelnden Mandarinen aber erklärten, volle Vollmacht zum Friedensschluß zu haben, der später am 25. Oktober in Peking selbst auf die von General Montauban in der Unterredung mit dem indischen Fürsten angedeuteten Bedingungen abgeschlossen wurde.

Schon lange vorher, bald nach dem Brand des Palastes, war Lord Walpole mit seinen Begleitern nach Thianthsin zurückgekehrt, um sich auf dem französischen Dampfer dort einzuschiffen, der die Depeschen des Sieges mit einem Teil der Beute nach Europa führen sollte. Er wartete nur noch auf die Ankunft des zur Überbringung der Depeschen kommandierten Offiziers.

Diese erfolgte am Tage nach dem Einzug des französischen und englischen Kommissärs, des Lord Elgin und Baron Gros in Peking. Tausend Mann Truppen von jeder der beiden verbündeten Armeen begleiteten sie, und man hatte das eigentümliche Schauspiel, daß zweitausend europäische Soldaten – nicht einmal sämtlich Europäer, denn unter den englischen Soldaten befanden sich einige hundert indische Sikhs, – sich furchtlos und ohne von der Überzahl zerrissen zu werden – in eine Stadt von fast einer Million erbitterter Bewohner wagten und diese fast 24 Tage besetzt hielten, denn erst am 8. November verließen sie wieder Peking.

Kapitän Boulbon kam nicht allein – General Montauban hatte ihm einen zweiten Offizier zur Begleitung gegeben und den munteren Husaren-Leutnant dazu ausersehen. Mit ihnen kamen drei Fremde in europäischer Tracht, zwei von ihnen ältere Männer von rauhem Wesen und etwas verwittertem Ansehen, anscheinend die Diener des dritten, der für den Besitzer einer der französischen Faktoreien an der Küste im Süden galt. Leutnant de Thérouvigne fand die arme Tank-ki bei seiner schönen Verwandtin, das Chinesenmädchen hatte eine solche Anhänglichkeit an seine Beschützerin, daß es sie als Dienerin nach Europa begleiten wollte.

Als der französische Dampfer in Thianthsin die Anker lichtete, stand am Ufer die mächtige Gestalt Eisenarms, die Ottermütze schwenkend zum letzten Gruß hinüber nach den Scheidenden. Der französische Kommissär im Hafen hatte Anweisung, seine Überfahrt mit dem ersten amerikanischen Schiff nach San Franzisko zu vermitteln.

Das Lebewohl, das der ehrliche Trapper winkte, wurde nicht allein von seinem Mündel und Meister Bonifaz, von dem Lord und seinen Gefährten, sondern auch von den beiden rauhen Männern, den Dienern des französischen Kaufherrn, lebhaft erwidert und in drei Sprachen erklang der Ruf: Auf Wiedersehen!

Nur der kleine Professor war unglücklich, daß er von seinem verehrten Freunde, dem mexikanischen Trapper, nicht genügendere Nachrichten über die Ruinen der Stadt aus der Vorperiode der Tolteken zu erpressen vermocht hatte.


Es ist aus den Verhandlungen der französischen Kammer bekannt, daß der General Cousin de Montauban bei der Rückkehr der Expedition nach Frankreich durch eine Kriegsbeute von 60 Millionen Franken die Indulgenz für seine Taten in China erkaufte.

Die Kaiserin Eugenie besitzt seitdem ein prachtvolles Perlenhalsband.

Als jedoch in der gesetzgebenden Kammer von der Regierung auch für General Montauban eine Dotation beantragt wurde, ermannte sich die bekanntlich in Frankreich sehr laxe öffentliche Moral doch zur unbedingten Verweigerung einer solchen mit der Erklärung, der General habe in China genug gestohlen, um der Dotation nicht zu bedürfen.

General Cousin de Montauban ist zur Entschädigung für diese Undankbarkeit vom Kaiser zum Grafen von Palikao und zum Chef-Kommandanten des IV. Armeekorps (Lyon) ernannt!



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