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Drittes Capitel.

Die Gräfin Hoym hatte sich nicht getäuscht. Es war Kord Charlestone, der von blinder, heißer Liebe getrieben, der Baronin Mallzow unmittelbar von Berlin nach Schlesien gefolgt war und dem ersten Begegnen der geliebten, schönen Frau so rasend entgegenjagte, daß er mehr einem wilden Jäger der Nacht, als einem Menschen glich.

Die Baronin wußte, daß er kam. Sie hatte fest darauf gerechnet, ihn am vierten Tage nach ihrer Ankunft empfangen zu können und da dies durchaus nicht auf dem legalen Wege des Besuches geschehen konnte, so war sie darauf bedacht gewesen, ein hübsches, heimliches, lauschiges Plätzchen zu besorgen, wo sie den Lord ungestört sprechen zu können hoffen durfte.

Dicht hinter dem Jagdschlosse begann der Wald. Einige Parkwege führten dort hinein, aber diese Wege, von hohen, oben geschlossenen Buchen gebildet, endeten erst bei einer Capelle, hinter welcher die schmaleren Waldpfade anfingen.

Die Capelle war in aller Eile zu einem allerliebsten Damenboudoir umgeschaffen, welches um so leichter war, als sie, schon längst aller religiösen Attribute beraubt, bei großen Jagden zum Logement fremder Gäste benutzt worden war. Ein Divan, einige Bilder, ein Spiegel, Gardinen und Teppiche hatten bewirkt, daß es traulich im halbdunkeln Raume aussah und die schöne, in Weiß gekleidete Gestalt der Baronin, welche eine Guitarre am blauen Bande im Arme hielt und dem Instrumente ziemlich verrätherisch einige stereotype Accorde entlockte, gab dem Dämmerscheine des Gemaches hinreichend Glanz und Licht.

Plötzlich öffnete sich die Thür. Der Lord trat auf die Schwelle und blieb, wie gebannt, eine volle Minute dort stehen.

Es war ein Mann in der Blüthe seiner Jahre, schlank, groß, mit echt englischem Typus. Sein Gesicht wäre schön gewesen, wenn es mehr Leben gezeigt hätte. Aber er hatte gelernt, die Gluth seines innern Lebens zu verschließen.

Starr und stumm stand er vor der himmlischen Minute des Wiedersehens und regte sich nicht, bis die Baronin langsam aufstand, ganz nahe zu ihm trat und ihren schönen, entblößten Arm um seinen Nacken legte.

Er preßte sein Gesicht auf ihre Hand. »O Lotta – ich bin wahnsinnig vor Schmerz und Trauer gewesen,« murmelte er. »Welche Seligkeit, Dich wieder zu sehen!«

»Hast Du mein Versteck gefunden, my dear?« fragte sie, zauberhaft freundlich in seine blaue Augen blickend.

Er stand wieder stumm und sonnte sich in diesem Blicke.

»Ich habe es in der Nacht schon gesucht und gefunden,« erwiederte er nach einer Weile.

»Wo hast Du Dich niedergelassen? Beim Herrn von Morenfeld?«

»Nein. Seine Schwägerin, die Gräfin Hoym vom Stiftsgarten kommt täglich hin und ihr wollte ich nicht begegnen.«

»Warum nicht? Sie ist zu dumm, um Argwohn zu fassen.«

»Traue der nicht! Ich bin überzeugt, daß ich ihr die auffallende, beleidigende Abreise meiner Frau verdanke.«

»Verdanke?« wiederholte Lotta, hell auflachend. »Thut Dir's leid, Edward, daß sie abreiste?«

Er sah sie mit einem glühenden Blicke an und sie schmiegte sich hold und sanft an seine Brust.

Die Dame war an der Seite dieses Mannes eine ganz andere, wie in der Gesellschaft ihres Gatten, aber sie erwies sich in dieser weichen Hingebung eben so hinreißend schön, als dort in der kecken, heitern Stimmung. In beiden Fällen spielte sie nur eine Rolle, darum gelang ihr Beides, da sie Uebung genug darin erlangt hatte.

Lord Charlestone hielt den Ausdruck, womit sie »my dear« flüsterte, für dieselbe Herzensfärbung, wie der Minister ihr süßes »mon chéri.« Daß sie tief im Innern Jemand mit ganz andern Gefühlen, als ihren Theuern, als ihren Geliebtesten, anerkannte, davon ließen sich beide Männer nichts träumen.

Die Baronin hatte, nach eigenem freien Willen, den alternden Minister Mallzow geheirathet, obwohl der Sohn desselben ihr Idol war. Ihre Eitelkeit regierte ihr Thun und Lassen, ihre Herrschsucht suchte sich das Terrain, wo sie zur Geltung kommen konnte, ihre Putzsucht leitete die Entschlüsse ihres Verstandes.

Als Burkhard's Gattin hätte sie schwere Pflichten zu übernehmen gehabt, freilich als seine Gattin hätte ihr Herz Befriedigung gefunden, aber sie würde von einem Opfer zum andern gebracht worden sein. Dazu verspürte sie keine Lust und sie brach mitten im leidenschaftlichen Entstehen ihres Liebesverhältnisses die Fesseln, die sie zu drücken verhießen. Sie wurde mit einer abscheulichen Lüge, mit einer entwürdigenden Heuchelei seines Vaters Gemahlin.

Daß sie gehofft hatte, im Umgange mit dem Sohne eine Erleichterung ihres Opfers zu finden, war ersichtlich, als plötzlich der Baron Burkhard aus der Gegend verschwand und sich nach Posen versetzen ließ. Ihre Bestürzung über diesen Schritt entlockte ihr das Geheimniß der entstehenden Liebe, sie gestand dem Minister, daß Burkhard sie geliebt und daß sie ihn dem Sohne vorgezogen habe.

Seit dem Tage waren mehr als drei Jahre verflossen und sie sah Burkhard erst nach dem beleidigenden Geständnisse wieder, welches er, ihrer Nähe unbewußt, seinem Vater abgelegt hatte.

Ihr Herz zuckte in neuen Flammen hell auf, aber sie zügelte es, sie empfing ihn mit Scherz, mit Lachen und mit affectirter Mutterwürde.

Ob Burkhard ganz kalt dabei blieb? Kein Mensch kann das sagen. Ob er nicht seine Verheirathung mit Evelinen im Antriebe des Gewissens so fest und männlich in eine Bahn brachte, die ihn fesselte? Wir wissen es nicht ganz bestimmt, aber wir glauben es. Evelinen's sanfte Schönheit hätte auch nimmermehr das glühende, vulcanische Element in Lotta's Reizen besiegt, aber eine Erinnerung half ihr den Sieg erringen. Noch ehe er heimkehrte von seinen Besuchen in der Nachbarschaft, die er nach der Visite bei der Gräfin unternommen, stand Evelinen's Bild wie ein Palladium vor seinem Herzen, und wenn es von nun an noch so wild bei Lotta's verführerischen Versuchen gepocht hatte, die Zartheit dieser Erinnerung hätte es geläutert.

Langsam ließ er sein Pferd am Saume des Waldes dahingehen. Er war zu angenehm beschäftigt im Gedanken eines Momentes, der drei Jahre lang tief geschlummert und erst bei der Erwähnung Aderbach's die Flügel langsam gehoben hatte und dann an's Tageslicht getreten war. Es mußte eine gar liebliche, eine bezaubernde Erinnerung sein, einer jener Rückblicke, die von der wohlthuenden Wärme bis zur zärtlichen Sehnsucht sich steigern können, denn Burkhard sah bisweilen mit einem Ausdrucke empor, der an Schwärmerei grenzte, und wenn er in seine Träumerei zurücksank, so umspielte eine weiche Rührung seine Lippen.

In dieser Stimmung näherte er sich dem Jagdschlosse, als ein Reiter aus dem Walde hervorbrach und ihn im wildesten Galopp überholte.

Burkhard hatte Mühe, sein aufgeschrecktes Pferd zu beruhigen. Als ihm dies aber gelungen war, kehrte sein Geist zu dem Zufalle zurück, der die Veranlassung dazu gegeben hatte. Er wendete sein Roß und ritt seelenruhig zurück nach der Stelle, wo, nach seiner Meinung, kein Fremder das Recht hatte hindurchzureiten.

Ein schmaler Pfad, kaum einem Pferde die nöthige Spur gewährend, wurde ihm sichtbar. Wie es kam, daß sich ein schweres Mißtrauen in seine Seele schlich, wußte er selbst nicht. Allein er folgte diesem Mißtrauen, stieg vom Pferde und leitete es vorsichtig durch das Dickicht, immer dem kaum bemerkbaren Pfade nach.

Sehr bald sah er seine Wißbegierde gekrönt. Der Weg lichtete sich und endete bei der Capelle, die er sehr wohl kannte.

Er band sein Pferd fest und schritt rasch auf den Eingang des Hauses zu. Ein Moment und er stand vor seiner Stiefmutter, die beim Geräusch seiner Tritte aus der halb liegenden Stellung aufgefahren war, sich jedoch mit gut gespielter Müdigkeit wieder zurückfallen ließ, als sie Burkhard erkannte.

»Sie haben Besuch gehabt, gnädige Mama,« begann Burkhard ziemlich herben Tones.

»Besuch? Ich – Besuch? Nein, lieber Herr Sohn,« entgegnete die Dame halb ernst, halb scherzend.

Er fixirte sie fest und scharf – sie hielt seelenruhig den Blick aus.

»Ihr Auge lügt, Lotta,« erklärte Burkhard kalt. »Mir begegnete ein Herr zu Pferde.«

»Wer war es?« fragte die Baronin lächelnd.

»Für mich ein Fremder, gnädige Mama – für meinen Papa vielleicht nicht.«

»Ich kenne hier noch Niemand, der mir einen Besuch abstatten möchte.«

»Hier würde sich auch schwerlich Jemand finden, der Sie in diesem verdächtigen Boudoir aufsuchen möchte. Aber der Weg von Berlin trägt die Spur,« spottete er, »der Besuch wird von dort gekommen sein.«

»Sind Sie eifersüchtig, Burkhard?« fragte sie heiter, senkte aber dabei ihren Blick so tief und feurig leidenschaftlich in sein Auge, daß es den jungen Mann bis ins Herz traf und er einige Augenblicke vergeblich nach Fassung und Athem rang.

Männernaturen, wie Burkhard, lassen sich aber nicht leicht bethören. Er bekämpfte die Blutwallung sehr bald und wiederholte schroff:

»Eifersüchtig? Eifersüchtig? Zur Eifersucht gehört meines Erachtens eine ausschließliche Liebe, gnädige Mama, und die kann ich jetzt nicht mehr aufweisen. Es gab einen Tag, wo ich, rasend vor Eifersucht auf meinen eigenen Vater hierher floh, wo ich in der Einsamkeit dieses Waldes mein Schicksal verfluchte – hören Sie es wohl, meine Gnädigste, ›verfluchte‹, aber solche Dinge können mir, Dank sei es Ihrer Belehrung, nie wieder passiren.«

»Sie Thor, Sie schwachmüthiger Thor,« flüsterte Lotta, mit heißer Leidenschaft die schönen Arme über seine Schultern legend. »War Ihnen meine Liebe ein Geheimniß geblieben?«

Burkhard stand, wie ein steinerner Roland, unter der verlockenden Berührung seiner schönen Stiefmutter, er regte sich nicht, er schlug die Augen nicht wieder nieder, wie vorhin, seine Hand bebte nicht, als er beide Hände der Dame leicht ergriff und sie ehrerbietig an seine Lippen führte.

»Ich schätze und ehre das menschliche Herz nach seinem edlen Bestreben, nicht nach seinem innern Leben, meine gnädige Mama. Unser gestriges Wiedersehen war heiter – lassen Sie uns diese Färbung unseres Gemüthes für die kurze Dauer unsers Beisammenlebens beibehalten und nehmen Sie eine Warnung von mir gütig auf.«

»Eine Warnung?« fragte die Baronin, noch immer mit koketten Versuchen seine Sinne bestürmend, indem sie mit mehr als mütterlicher Zärtlichkeit seine Hand leise drückte.

»Ja, eine Warnung, Gnädige! Die Moralität kränkelt an den Gebrechen der Zeit, die das Beispiel unsers vorigen Königs heraufbeschworen hat. Die Habsucht wählt fürchterliche Mittel und scheuet die eigene Erniedrigung nicht; die Frauen verkaufen ihre Gunstbezeugungen zu hohen Preisen und wenn ihre Reize nicht mehr ausreichen, so werden sie die Vermittlerinnen der Verhältnisse, die für sie Vortheile abwerfen. Hüten Sie sich, Madame, hüten Sie sich vor jedem Schritte solcher Art, mir sind Gerüchte zu Ohren gekommen, die Sie in ein schlimmes Licht stellen.«

»Nur Ausflüsse von Neid und Mißgunst,« warf die Baronin stolz lächelnd ein.

»Dafür würde ich es auch halten, wenn ich nicht schon heute durch den Reiter, der gespensterhaft eilig neben mir vorbeisauste, eines Andern belehrt wäre. Warnen Sie den Mann, der Sie in dieser heimlichen Art besucht.«

»Hirngespinnste, lieber Burkhard,« unterbrach sie ihn abermals gütig und heiter.

»Gut! Ich streite nie mit Damen! Aber verlassen Sie sich darauf, daß ich diesem Hirngespinnste bei der nächsten Begegnung eine Kugel nachsende, die die nöthige Aufklärung herbeiführen wird. Meines Vaters Ehre ist meine Ehre, und der Schimpf, der ihn trifft, vererbt sich auf seine Kinder, Gnädigste. Unangetastet, groß und edel stand bis jetzt der Name Mallzow an der Spitze der Regierung. Als mancher Mann beim Eintritte der neuen Regierung aus dem Strahlenkreise seiner Macht heraustrat und dem königlichen Mißfallen weichen mußte, da hielt sich mein Vater mit Ehren auf dem Platze. Wollen Sie diesen Mann nun in den Staub ziehen, so wacht des Sohnes Blick über ihm. Seiner Ehre wegen schließe ich jetzt eine Heirath, der ich im Grunde meines Herzens abhold bin – oder vielmehr gewesen bin – seiner Ehre wegen werde ich mich demüthigen und den Vater meiner zukünftigen Braut benutzen, um die quälenden Sorgen der Schuldenlast, die er nur unter Ihrer Wirtschaft hat kennen lernen, zu verscheuchen. Sie lächeln, Gnädige?« unterbrach er seine schonungslose Rede.

»Ja, weil Sie wie ein Blinder von der Farbe reden!« rief die Baronin hell auflachend. »Was wissen Sie denn von der Schuldenlast Ihres Vaters? Gar nichts!« –

»Vielleicht könnte ich, mit größerem Rechte das von Ihnen sagen!« wendete Burkhard ein.

»Glauben Sie etwa, daß Sie nur des Geldes wegen die kleine, flachsblonde Potern heirathen sollen?« fragte die Dame im übermüthigen Scherze. »Fehlgeschossen! Fehlgeschossen, mein lieber Stiefsohn.«

»Ich weiß aus sicherer Quelle, daß Geldverlegenheiten die Grundlage dieses Projectes bilden.«

»Und ich weiß aus sicherer Quelle, daß das kleine, flachsblonde Fräulein sich bei irgend einer Gelegenheit sträflich in den Rittmeister Baron von Mallzow verliebt hat, daß sie jedem Gedanken an eine andere Verheirathung sich widerwillig zeigt, zum großen Kummer ihres Herrn Papa, der sein flachsblondes Püppchen gar zu gern zur Pairin erhoben hätte. Ich weiß, daß die verstorbene Gemahlin des Herrn von Saint Potern vielfach den Wunsch geäußert hat, Ihnen ihr Kleinod an das Herz legen zu dürfen – ich weiß, daß ein Versprechen existirt, worin sich der Edle von Saint Potern verpflichtet hat, den Versuch einer Allianz, die für Ihr stolzes Gemüth eine Mesalliance ist, zwischen dem Hause Mallzow und Saint Potern zu machen.« –

»Sie erlauben, daß ich Ihre Gründe zu dieser Heirath widerlege. Die junge Dame, die Sie als flachsblond bezeichnen, kann sich niemals in mich verliebt haben, nicht einmal in effigie, denn mein Bild existirt noch nicht in der Welt. Wenn eine Mutter aber den Wunsch gehabt hat, mich als den Gatten ihrer einzigen Tochter zu sehen, so ist dies eine Ehrenerklärung für mich.«

»Nach der Wärme Ihrer Vertheidigung zu schließen, hat Ihnen Ihre Zukünftige sehr gefallen?« warf die Baronin höhnisch ein, indem sie die weißen Arme über der hochwallenden Brust verschränkte.

»Fräulein Eveline muß jedem Manne gefallen, der der wahren Weiblichkeit huldigt;« entgegnete Burkhard fest und mit ernstem Blicke.

»Halten Sie denn das Wesen der blonden Schönen für Wahrheit? O, wie leicht betrügt sich doch ein Mann, wenn er sich in seinem Handeln beschönigen will! Nehmen Sie von der erfahrenen Stiefmama die Lehre an, daß jede Frau eine Kokette ist! Die Eine kokettirt mit Sanftmuth, mit Schüchternheit, mit kindlichen Manieren –«

»Die Andere mit glühenden Blicken, welche aus dem selbstsüchtigsten und kältesten Herzen kommen und eine fürchterliche Lüge sind,« fiel Burkhard schnell ein. »Sie irren, wenn Sie mich in Täuschungen befangen glauben, chère maman – ich halte es nur für leichter, gegen Drachen kämpfen, als gegen Schlangen.«

Er verbeugte sich leicht und ging, sein Pferd wieder zu besteigen.

Die Baronin preßte krampfhaft die Arme gegen das convulsivisch schlagende Herz und sah ihm zu, wie er das edle Thier sorgsam durch das Gestrüpp nach der Buchen-Allee führte. Als er dann aus ihren Blicken verschwunden war, fiel sie, wie erschöpft von der Bewegung ihres Gemüths, auf den Divan nieder und verhüllte ihre Augen, die voll Thränen standen.

»Er verachtet mich!« schrie sie auf nach einer langen, langen drückenden Stille. »O das wäre allenfalls noch zu ertragen, wenn er nur noch einen Funken jener Alles überwältigenden, rasenden Leidenschaft hätte, die er damals in sich trug. Ein Funken ist anzufachen – in die todte Asche bläst man vergebens – der gräßliche ekelhafte Staub des Gewesenseins wirbelt uns daraus entgegen, weiter nichts! Sollte er Evelinen schon lieben? Nein, nein, nein!« rief sie mit gesteigertem Pathos. »So rasch entflammt sein festes, edles Herz nicht! Sein edles Herz?« wiederholte sie, traurig den Kopf senkend. »Ich bin dieses Herzens nicht werth – ich habe mich dem Mammon verkauft. – Dem Mammon – nur dem Mammon?« wiederholte sie noch trauriger. »Nein der Schande – der Schande!«

Sie verhüllte das Gesicht, das bleich wurde. Wieder trat eine drückende Stille ein.

»Ich werde dennoch Siegerin bleiben!« rief sie jubelnd und sprang hastig, belebt, neu beseelt und begeistert auf. »Verbindet uns die Tugend nicht, so umschlinge uns die Fessel der Sünde, Du harter, kalter Mann. Hüte Dich, die blonde Eveline zu lieben – sie ist in meiner Hand! Dieser Edle v. Saint Potern ist mehr der Eva Sohn, als Du! Und die Schlange des verlorenen Paradieses lebt noch immer! Bis jetzt war es mein Vortheil, wenn diese Heirath zu Stande gebracht wurde; von diesem Augenblicke an vereine ich den Vortheil mit der Rache! Er heirathe nur das reiche Mädchen, ich werde schon Sorge tragen, daß er seine Braut eines Tages arm und verlassen finde. Dann glänze sein Edelmuth im vollsten Lichte – er hungere und darbe mit ihr, damit ich Genugthuung finde. Sein zeitliches und ewiges Verderben durch meine Leidenschaft und durch sein großmüthiges Herz sei hiermit beschworen!«

Sie streckte den Arm erst gen Himmel und drückte dann die Schwurfinger fest gegen die Brust. Stolz, wie eine Rachegöttin sein muß, verließ sie ihr heimliches Sündenasyl, nur einen einzigen Blick zurückwerfend und dieser verrieth die allergrößte Zuversicht auf ihre Reize.

»Die Stunde war nicht günstig!« flüsterte sie. »Das Zusammentreffen mit Lord Charlestone hatte ihn durchkältet. Wahre Dich, Du Tugendheld – Du fällst! Ich kenne die Menschen besser als Du, deshalb baue ich darauf, daß das Werkzeug meines Vortheils zugleich ein Werkzeug meiner Rache werden wird. Erst aus dem Staube der Erniedrigung soll meine Liebe Dich emporheben und ich will mehr Gnade üben, als Du in diesen eben verflossenen Momenten mir zeigtest.«

*


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