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Der Marsch nach Colon

Die toten Gegner. – Der Feind vor den Toren. – Der Aufbruch von Panama. – Das Ende des Verräters.

 

Trüb dämmerte der folgende Tag heran. Die ersten Wolken der beginnenden Regenzeit hatte auch das Gewitter vom Vortag nicht verscheucht, und der langsam gleich unzähligen Tränen rieselnde Regen wusch die Blutlachen von den Steinen des Platzes.

In aller Frühe hatte Justus mit einem Gefährt die Stadt verlassen, um des Oheims noch immer unbeerdigt aus dem Kampfplatz liegende Leiche zu bergen. Auch in der Stadt begrub man, weil die Schwüle unter dem bedeckten Himmel unerträglich wurde, so rasch als möglich die Toten. De Graffs Leichnam wurde von dem alten getreuen Kellermann, der dem Kampf am Tage vorher nur aus der Ferne zugesehen hatte, einbalsamiert. »Wir werden ihm eine Freistatt in dieser Domgruft hier gewähren«, sagte der Priester; »hat er doch so vielen aus dieser Stadt das Leben retten helfen, daß alle sein Andenken ehren werden, ob er gleich unser Feind war.«

Am Mittag kam Justus zurück. Prunksärge für die beiden Toten waren nicht zur Stelle. So wurde im Boden der Gruft ein Grab für Freund und Feind ausgehoben. Im Dom hatten derweilen Zimmerleute vom »Egmont« einen Katafalk für ihren Herrn und seinen gefallenen Gegner aufgeschlagen.

Da ruhten sie nun, und ihre im Tode gelösten Züge wußten nichts mehr von Feindschaft und von blutigem Hader.

Um drei Uhr nachmittags hallten dumpfe Trommelwirbel über den Platz. Die Feldmusik der Flibustier rief die Mannschaft zur letzten Ehrung für ihren toten Herrn. Von den Wällen draußen donnerten die Geschütze den Trauergruß. In der dämmrigen Kirche aber zogen die Leute Mann für Mann noch einmal vorbei an den beiden Toten, die, nun gebettet in Immergrün und Eukalyptuszweigen, nebeneinander lagen. Der Priester sprach die Sterbegebete. Eingehüllt in ihre Flaggen, in die spanische und das schwarze Banner der Flibustier, wurden die Toten versenkt. Über zwei ritterlichen Gegnern schloß sich der Stein der Gruft.

Am Nachmittag ließ Lussan sich die Gefangenen von Morgans Schiffen vorführen. Er schalt nicht und drohte nicht. Er machte es ihnen klar, daß sie es ihrem einstigen Befehlshaber, der sie nun schmählich im Stich gelassen und beraubt habe, daß sie es Morgan allein zu verdanken hätten, wenn der Bund der Flibustier einen tödlichen Schlag erhalten habe. Er eröffnete ihnen ferner, daß de Graff noch vor ihrem Aufbruch von Tortuga zwei Linienschiffe nach der Ostküste des Festlandes an verabredete Plätze gesandt habe für den Fall, daß der große Zug mißglückte, die Flotte verloren gehen sollte und ihnen, wie jetzt, der Rückzug zu Wasser abgeschnitten wäre. Eines dieser Schiffe warte vor der Amazonasmündung, das andere aber bei Colon, nur zwei Tagemärsche von hier entfernt. In Panama länger zu bleiben, sei höchst gefährlich, weil jeden Augenblick die Spanier neue Truppen hierher führe« könnten. Sie seien jetzt, nach dem Verlust der Schiffe und ohne Artillerie, leicht zu überwinden. »Es ist das beste«, schloß er, »wenn wir das bei Colon liegende Schiff zu erreichen suchen. Auch dort mögen die Spanier schon Truppen zusammengezogen haben, und vielleicht hat auch dieser Plan seine Fährnisse. Wollt ihr meinem Befehl gehorchen, mich als euren Führer in jedweder Gefahr anerkennen, nachdem Morgan euch verlassen hat?«

Gebrochen war der wilde Trotz der Meuterer von gestern. Beteuerungen, Flüche gegen den verschwundenen Morgan wurden laut. Ohne jeden Vorbehalt wollten sich die Leute dem jungen Wallonen unterordnen.

»Gut denn«, sagte Lussan, »so gebe ich euch die Freiheit wieder! Wißt aber, daß ich den ersten von euch, der sich mir widersetzt, ohne Gnade und ohne besonderen Urteilsspruch niederschießen lasse. Ans Werk jetzt! Es gibt genug zu tun.«

Während die Leute ihre Waffen wieder instandsetzten, Maulesel zum Schleppen der Lasten aus der Stadt herbeischafften und die letzten Pulvervorräte des zerschossenen Forts bargen, begab sich Lussan nach dem Hafen, um die noch immer glimmenden Wracks der Schiffe zu untersuchen. Ach, es war ein trauriger Anblick; nicht ein einziges Fahrzeug ließ den Gedanken an eine Wiederherstellung aufkommen. Bis aus die Wasserlinie waren die meisten ausgebrannt. Nur die Back des »Egmont« überragte, durch einen Zufall vor völliger Zerstörung bewahrt, das Wrack, die Riesenrohre der Geschütze wunderlich über die verkohlten Balken der Reling ausstreckend. Als die drei hinüberfuhren und an den Ankerketten das ausgebrannte Schiff erkletterten, fanden sie auch noch die letzten Zeugen dieser Zerstörung vor. Die Waffen noch immer in der starren Hand, lagen da die wenigen Leute, die mau zur Bewachung zurückgelassen, als verkohlte Leichen auf Deck; Morgan hatte sie überrumpeln und den Flammen preisgeben lassen. Auf den Resten seiner eigenen Schiffe fand man niemanden; offenbar hatte Morgan sie von Leuten bewachen lassen, die mit ihm unter einer Decke gesteckt hatten und nach der Brandstiftung mit ihm geflohen waren. »De Graff«, so erklärte jetzt Lussan, »hat sich in der Tat eine Weile durch den Gefechtslärm täuschen lassen, den Morgan noch nach der Erstürmung des Forts in Sarmiento unterhalten ließ. Erst die Rauchwolke über der Stadt sagte uns, was in Panama vor sich ging.«

»Und Ihr glaubt, daß Morgan Tortuga nicht mehr aufsuchen wird?« fragte Georg.

»Ich glaube nicht, daß er es beabsichtigt«, sagte Lussan nachdenklich. »Ich bin gleichwohl überzeugt, daß wir ihm noch einmal begegnen werden. Ich weiß nicht, weswegen ich dieses Gefühl habe. Aber mir sagt nun einmal eine Ahnung, daß er seiner Strafe nicht entgehen wird.«

Sie nahmen schweigend Abschied von dem zerstörten Kommodoreschiff und gingen in tiefem Sinnen der Stadt zu. Es war Abend, als sie den Platz vor der Kirche erreichten. Ursprünglich hatte Lussan, weil ein neues Unwetter am Himmel stand, die Absicht, erst am folgenden Morgen aufzubrechen. Eben aber, als sie am großen Lagerfeuer in der Mitte des Platzes sich niedergelassen hatten, trat ein Spanier, allem Anschein nach ein Knecht des verbrannten Klosters, auf Lussan zu. »Man wünscht Euch zu sprechen«, sagte der Mann geheimnisvoll und zog ihn aus dem hellen Schein des Feuers fort in den dunklen Schatten, den der Chor der Kirche über den Platz warf. Lussan steckte den Degen, den er sofort gezogen hatte, sehr bald wieder ein. Der ihn dort, vermummt in einen schwarzen Mantel, erwartete, war kein anderer als der Priester, der am Tage zuvor durch de Graff aus Morgans Händen befreit worden war. »Ihr, heiliger Vater?« sagte Lussan erstaunt. »Was wollt Ihr mir noch mitteilen?«

»Sprecht leise, um Gottes willen!« antwortete der Priester mit gedämpfter Stimme. »Sähe man mich, wie ich hier mit Euch verhandle, man würde mich nach Eurem Abzug töten!«

»Ihr überrascht mich einigermaßen! Was gibt es denn?«

»Ihr müßt unter allen Umständen noch heute aufbrechen, in dieser Stunde! Ich habe soeben erfahren, daß ein Bote des Statthalters von San Miguel eingetroffen ist. Er steht mit dreitausend Mann wohlbewaffneter Truppen und fast ebensoviel aufgebotenen Eingeborenen in den Weinbergen im Süden. Horcht!«

Wirklich, dort drüben, wo mit rasender Geschwindigkeit die Wetterwolke aufstieg, knatterten in den ersten Donner die Schüsse der Vorposten, die Lussan vorsorglich noch am Morgen ausgestellt hatte. »Eilt um Gottes willen!« sagte der freundliche Warner. »Es wäre mir leid um Euch, der Ihr so menschlich mit uns umgegangen seid. Gehabt Euch wohl, mein Herr, und seid meines Dankes sicher!«

Er schlug den Mantel über sein Gesicht und verschwand rasch in dem dunkeln Torbogen des hinter der Kirche gelegenen Handelspalastes der hier ansässigen italienischen Kaufleute. Mit rasender Geschwindigkeit zog inzwischen das Unwetter herauf, und der niederstürzende Platzregen legte alsbald seinen dichten Schleier über die Stadt. Es dauerte nicht lange, – Lussan hatte seine Leute bereits antreten lassen – da kamen in größter Hast die Vorposten aus den Bergen zurück. Überall wimmelte es nach ihrem Bericht von Spaniern, und nur der Umstand, daß ihre Geschütze sich in einem Hohlweg während des Regens verfahren hatten, habe sie aufgehalten. Sofort gab Lussan das Zeichen zum Abmarsch. Nur zwei leichte Geschütze, die man aus Sarmiento geholt hatte, und die nun von Mauleseln fortgeschafft wurden, bildeten die Artillerie des Zuges. Die Leute Morgans marschierten an der Spitze, Lussan, bei dem sich auch die beiden Brüder befanden, bildete mit den erlesenen Leuten vom »Egmont« und seinem eigenen Schiff die Nachhut. Sorgenvoll war des jungen Wallonen Gesicht, als er den Zug an sich vorbeirücken ließ. Fast zweitausendfünfhundert Mann hatte de Graff, Morgans Leute mit eingerechnet, aus Tortuga herbeigeführt, kaum vierhundert verließen nach dem schrecklichen Gemetzel des vorangegangenen Tages die geplünderte Stadt. Der Rest lag, hingemäht von den spanischen Geschützen, in den Sümpfen, vor Sarmiento und auf dem Calvarienberge, wo man die Opfer des gestrigen Straßenkampfes in einem riesigen Massengrab verscharrt hatte. Der Kerntrupp, die beste Mannschaft der Flibustierrepublik, war vernichtet. Es ging zu Ende mit dem stolzen Bunde, der noch vor kurzem die Meere um die Neue Welt beherrscht hatte.

Grollende Donner und grelle Blitze begleiteten den Auszug. Gesenkten Hauptes und düsterer Ahnungen voll ritten die Offiziere hinter der letzten Abteilung der Nachhut durch die Gassen. Die Spanier ließen sich bislang nicht blicken. Die Einwohner aber, die gestern noch so jämmerlich um ihr Leben gebettelt hatten, begannen bereits, – ein Zeichen des nahen Entsatzes – den Abziehenden laute Verwünschungen nachzusenden; und als sie an der Stelle vorüberkamen, wo die glimmenden Trümmer des gestern eingeäscherten Franziskanerklosters im niederstürzenden Regen zischten, krachten sogar, freilich ohne jemand zu treffen, Schüsse aus den halbverschütteten Kellern. Dumpf hallten zwischen den Donnerschlägen die Tritte der Abziehenden an den Häusern wider. Hier und da funkelte es im Schein der Blitze auf; es waren Stücke der riesenhaften Goldbeute, die in der Wirrnis der gestrigen Nacht von den Flüchtenden achtlos fortgeworfen worden waren. Niemand hob sie auf an diesem Abend.

Unmittelbar vor den Toren Panamas setzte das Unwetter mit furchtbarer Gewalt ein. Es war eines jener Tropengewitter, wie sie in ihrer unerhörten Heftigkeit in Europa unbekannt sind. Wildbäche stürzten über die Straße, so daß mehr als einmal der Trupp in völlige Verwirrung geriet. Blitze schmetterten in den Wald zu beiden Seiten, und Bäume wurden entwurzelt. In einem Hohlweg, durch den sie kamen, brauste ein donnernder Sturzbach, so daß sie sich mühsam den Weg seitwärts bahnen mußten. Gleichwohl setzte Lussan mit aller Tatkraft den Marsch fort. Er ließ immer wieder die Abteilungen aufschließen, er bat, er ermahnte und drohte und stellte den Leuten immer wieder vor, daß sie nur auf diese Weise einen genügenden Vorsprung vor der erdrückenden Übermacht der Spanier erlangen könnten, die sich durch das Unwetter offenbar von der Verfolgung hatten abhalten lassen. Er gönnte den Leuten während der ganzen Nacht keine Rast und erreichte es denn auch wirklich, daß sie immerhin zehn Seemeilen von Panama entfernt sein mochten, als der Morgen graute und das Unwetter nachließ. Übrigens war Lussan sehr bald nach Verlassen der Stadt von der großen, nach Colon über den Isthmus führenden Straße abgewichen, um die Spanier zu täuschen. Er marschierte noch die ersten Morgenstunden die Küste des Stillen Ozeans entlang und schickte sich erst zwei Stunden vor Mittag an, rechts abzubiegen und die sanften Berge zu überqueren, die die Südsee von der atlantischen Küste trennen.

Die Sonne hatte sich ein wenig vorgewagt, und die durchnäßten Kleider der Leute begannen wieder ein wenig zu trocknen. Justus, der einen geschützten Lagerplatz für eine kurze Rast suchen sollte und seinen kleinen Maulesel den andern voraus über die bewaldeten Höhen klettern ließ, hatte eben eine Stelle erreicht, die einen freien Blick auf das Ufer unten und die offene, noch immer wild wogende See gewährte. Plötzlich riß er erschrocken das Tier zurück. Ein großes Schiff mit vollen Segeln schwamm dort drüben, eine Seemeile nur vom Ufer entfernt, auf dem Wasser der Bucht vor ihm.

Lussan, den er herbeirief, hatte noch nicht das Glas zum Auge geführt, als ihn sein Hund, der ihn als sein unzertrennlicher Begleiter auch jetzt nicht verlassen hatte, mit lautem Heulen aufschreckte. »Er muß etwas Besonderes haben«, sagte Lussan. »Riecht Ihr nicht auch den Qualm eines Feuers?« Wirklich: aus dem Talkessel da vor ihnen, der zwischen der Höhe und dem Ufer lag, erhob sich eine feine Rauchsäule, langsam sich durch das nasse Laub der Bäume stehlend. »Sehen wir selbst nach!« sagte Lussan und ließ den Zug der Leute warten, der ihnen inzwischen gefolgt war.

Sie ließen die Maultiere den steilen Hang hinabklettern. Als sie den Grund des Trichters erreicht hatten, sahen sie denn auch wirklich die Reste eines Lagerfeuers, das schon tief herabgebrannt war und vor geraumer Zeit verlassen worden sein mochte.

»Merkwürdig«, sagte Lussan, der mit dem Glase die Lichtung absuchte, »ich kann niemand dort entdecken! Wartet, ich will vorausschleichen.«

Es dauerte eine Weile, bis der junge Offizier zurückkam, und sofort sahen die beiden Brüder ihm an, daß er auf etwas Furchtbares gestoßen sein mußte. Graubleich war sein Gesicht, und die Glieder des sonst so beherzten Mannes zitterten in unsäglichem Grauen. »Kommt selbst und seht!« sagte er. »Ihr könnt übrigens getrost laut sprechen; dort unten haust nur noch der Tod!«

Sie bogen die dichten Äste auseinander und traten auf die Lichtung hinaus. Mit klopfendem Herzen legten sie die fünfhundert Schritt zurück, die sie noch von dem verglimmenden Feuer trennten. Hinter einem Felsblock, der ihnen vorher den freien Überblick unmöglich gemacht hatte, erhob sich eine riesige, wohl einhundertundfünfzig Fuß hohe Palme. Und an diesem Baum hingen in den Fesseln, die sie mit dem Stamm verbanden, zwei Menschen in der Tracht der Flibustier – Morgan und sein Erster Offizier, der ihm bei dem Diebstahl der Goldbeute zur Hand gegangen war, beide tot und schon kalt und starr.

Der Herzschlag stockte den beiden Brüdern, als sie die beiden Leichname betrachteten. Brandwunden hatten die Gesichter der Toten schrecklich entstellt, und an den gelben, in der Frühsonne blitzenden, erstarrten Tropfen verschütteten, flüssig gemachten Metalles auf den Schuhen der Ermordeten erkannten die beiden sehr bald, worauf diese Wunden zurückzuführen waren. In dem fortgeworfenen Tiegel da zu den Füßen des Toten hatte man Gold flüssig gemacht und es den beiden Gefesselten in die Kehle gegossen. Geschichtliche Begebenheit.

Die zahlreichen Fußspuren ringsum im hohen Grase, das enteilende Schiff am Horizont, in dem Lussan jetzt mit dem Glase den »Güldenen Eber« erkannte, das alles sagte genug. In dieser Bucht hatten sie Schutz vor dem Unwetter gesucht, an dieser Stelle gerastet und die Beute teilen wollen. Entweder mußte nun Morgan einen ungebührlich großen Teil für sich allein beansprucht haben, oder seine wilden Spießgesellen hatten eben entdeckt, daß ihr Befehlshaber ihnen einen beträchtlichen Teil vorenthalten hatte; in jedem Falle waren er und sein Erster Offizier von seinen eigenen Leuten an diesem Platz so grausam getötet worden. Den Mörder de Graffs, ihn, dem keine Marter für seine Gefangenen grausam genug gewesen war, hatte eine fürchterliche Strafe ereilt. Der Goldgierige, der den Zweck des Flibustierbundes nicht wie de Graff in den hohen Zielen der Staatskunst, sondern in gemeiner Seeräuberei erblickt hatte, er hatte sich nun selbst satt trinken müssen am Gold.

Erstarrt vor Grauen sahen die Flibustier, die jetzt den Gang heraufkamen, auf das furchtbare Bild. Lussan trat dicht an die beiden Toten heran und betrachtete sie genauer. »Vor zwei Stunden muß es geschehen sein. Die da drüben« – er wies nach dem enteilenden Schiffe – »halten Südkurs und werden die Galapagos oder sonst eine Südseeinsel ansteuern. Sie haben ihren Raub und wollen ihn nicht mit den andern auf Tortuga teilen. Mögen sie ihn denn behalten!«

Er ließ unter der Palme ein Grab ausheben und die Fesseln der Toten lösen. Über Morgan und seinen Raubgesellen schloß sich alsbald die kühle Erde. –

Nur wenige Bewohner des heutigen Panama kennen heute noch den Platz und wissen von den grausigen Ereignissen, die sich hier abspielten. Aber noch heute heißt diese kleine Waldlichtung mit den Steinhaufen, unter denen die beiden Verbrecher schlafen, »der Platz der armen Seelen«, und schaurige Sagen von klagenden Stimmen und ruhelos durch den nächtlichen Wald irrenden Feuersäulen erzählen die kreolischen Fischer an der Küste von diesem Ort, wenn sie auch alle nichts mehr von denen wissen, an deren Schicksal diese Sagen anknüpfen.

Von dem »Güldenen Eber« aber und seiner Mannschaft hat kein Mensch mehr etwas gesehen. Nur in den Akten des Archivs zu Lima findet sich ein alter Brief des Statthalters von Guayaquil an den Oberpräsidenten von Peru, und dieser Brief läßt vielleicht noch diesen und jenen Schluß auf das Schicksal des verschollenen Schiffes zu. Es wird dort berichtet, daß am 10. Februar 1671, gerade zwei Wochen nach der Plünderung von Panama, der damals herrschende Sturm die Trümmer eines unbekannten Schiffes und viele nackte, schrecklich in der Brandung verstümmelte Leichen auf der Insel Puna angetrieben habe. Er, der Statthalter, habe die Unbekannten christlich begraben.

Es ist immerhin möglich, daß es der »Güldene Eber« gewesen ist, der damals in den Stürmen der Regenzeit an der peruanischen Küste zerschellte. Es ist möglich; gesehen worden ist seine Mannschaft, wie gesagt, von keines Menschen Auge mehr nach jenem Tag. Es ist sicher, daß auch er versunken ist nebst dem verruchten Gold, das aller menschlichen Leiden Anfang ist.


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