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Anekdoten von Friedrich dem Großen

Friedrichs des Großen Leibkutscher.

1. Friedrich der Große, König von Preußen, wurde auf einer Reise mit seinem Wagen umgeworfen. Er nahm zwar keinen Schaden, war aber gegen den Kutscher sehr aufgebracht, daß er mit emporgehobenem Stock auf ihn zueilte und ihn durchzuhauen drohte. Gefaßt ruft der Kutscher dem erzürnten Könige zu: »Mein Gott, Ihro Majestät! Sie sind der beste General, den die Welt sah, und doch verloren Sie schon manche Schlacht. Ich habe jetzt auch eine verloren, und seit dreißig Jahren ist es die erste. Glauben Sie nur, daß ich zehnmal ärgerlicher bin, als Sie.« Der König lachte über den komischen Vergleich und setzte sich wieder in den Wagen, der indeß aufgehoben worden war, und fuhr weiter.

*

Die gewährte Bitte.

2. Ein junger Rechtsgelehrter war nach manchem vergeblichen Gange bei Friedrich dem Großen vorgelassen. »Was will Er?« fragte der König. »Ew. Majestät untertänigst um eine Anstellung bitten.« – »»Was ist Er für ein Landsmann?«« – »Ein Berliner,« antwortete der Gefragte. »»So kann ich Ihm nicht helfen,«« replicirte der König, »die Berliner taugen nicht viel.« –

»»Ew. Majestät mögen wohl recht haben, aber zwei Ausnahmen davon giebt es doch, darauf lebe und sterbe ich.«« »Und diese sind?« fragte der König, auf den jungen Mann aufmerksam werdend, »Ew. Majestät und ich,« war die Antwort. – »So, na, da muß wohl eine Ausnahme der andern aus der Noth helfen, das ist nicht anders, gehe Er nur zu Hause, Er wird versorgt.«

*

Einträgliche Dichtungsgabe.

3. In den jährlichen Rapporten, welche Friedrich dem Großen zugestellt werden mußten, las dieser bei einem gewissen Lieutenant Lilienborn immer: Guter Dichter, schlechter Soldat.– Bei der Revue reitet der König auf ihn zu und sagt: Mache Er sogleich einen Vers. Voll Geistesgegenwart begann der Lieutenant:

Gott sprach im Zorn:
Du, Herr von Lilienborn,
Sollst als Soldat auf Erden,
Nie mehr, als Lieutenant werden.

Gott hat in meinem Regimente nichts zu befehlen, ich kann meine Offiziere avanciren lassen, wie ich will. Er ist Hauptmann; aber mache Er sogleich noch einen Vers. Der neugebackene Hauptmann fängt an:

Der Zorn hat sich gewandt,
Hauptmann werd' ich genannt;
Doch hätt' ich Equipage,
So hätt' ich mehr Courage.

»Die soll Er auch haben; aber mache Er keine Verse mehr, sonst möchte Er König und ich Lieutenant werden.«

*

4. Ein preußischer Soldat war zum Tode verurtheilt worden, weil er eine der heiligen Jungfrau gewidmete Kapelle bestohlen hatte. Der Beschluß, so wie die Bittschrift des Soldaten, wurde Friedrich, dem Einzigen, vorgelegt. Der Soldat behauptete in seinem Memorial, die heilige Jungfrau sei von seinem Elende gerührt gewesen und habe ihm gesagt: Du hast sechs Kinder, welche Du nicht erhalten kannst, nimm diesen Schmuck, der meine Kapelle ziert, mir ist er unnütz, ich schenke ihn Dir. – Der König ließ vier katholische Geistliche rufen. – »Glaubt ihr, daß die heilige Jungfrau Wunder thun könne?« – »Ohne Zweifel.« – »Unterzeichnet diese Erklärung!« – Hieraus erließ Friedrich folgenden Ausspruch: »Hinsichtlich der Erklärung der vier untengenannten Geistlichen, welche behaupten, daß die heilige Jungfrau Wunder zu thun im Stande sei, wird das Todesurtheil jenes Soldaten kassirt. Allein wir verbieten ihm, bei Todesstrafe, je wieder irgend ein Geschenk von der heiligen Jungfrau anzunehmen.«

*

5. König Friedrich II. schrieb an einen seiner Generale: »Ich sende Sie mit 60,000 Mann dem Feinde entgegen.« Das Verzeichniß der Regimenter lautete aber nur auf 50,000. Als der General deßhalb fragte, antwortete der König: »Ich zähle Sie selbst für 10,000 Mann.«

*

Absichtlicher Irrthum.

6 Friedrich II. bemerkte einst bei dem Vorüberdefiliren eines Regiments der Berliner Garnison, daß ein Offizier eine lange Uhrkette mit einer Menge Berloques trug, welche damals Mode waren. »Herr, was hat Er da? fragte ihn der König, auf die Uhrkette zeigend. Es ist meine Uhrkette, Ew. Majestät, war die Antwort, »so? Ich glaubte, Er zöge mit einem Glockenspiel herum. Laß Er doch künftig das dumme Zeug weg.«

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Bemerkung über einen Tiefverschuldeten.

7. Friedrich II. begegnete einst, als er eines Morgens einen Spazierritt machte, vor Potsdam einer Extrapost. In dem Wagen saß der General v. B., der tief verschuldet war. Ihn gleich erkennend, ritt er an den Wagen und befahl dem Postillon zu halten. »Guten Morgen, lieber General von B., Er hat sich schon früh auf die Beine gemacht!« – Ich muß wohl, Ew. Majestät. – »Weßhalb?« – Ich will mich heute mit meinen Gläubigern setzen. – Der König erwiderte hierauf: »Kehr Er ja sogleich wieder um, und fahr er nach Berlin zurück, in Potsdam sind dazu nicht Stühle genug.«

*

8. Ein Offizier wurde bei Friedrich dem Großen wegen Jagdbeeinträchtigungen angeklagt. Er versprach dafür zu sorgen, daß derselbe zurechtgewiesen würde, und dies geschah, da eben die Specialrevue einfiel, welche er über das Regiment hielt, wobei der angeklagte Offizier stand. Als der Zug vor dem Könige vorbeimaschirte, den der gedachte Offizier anführte, ritt der König aus denselben zu und sagte zu ihm: »Mein Gott! marschire Er doch ordentlich; es ist ja gerade eben so, als wenn Er hinter einem Hasen herliefe. Er verlernt ja den Dienst auf der Jagd ganz und gar.« Die Züchtigung fruchtete mehr, als gesetzliche Strafe.

*

Scherz und Ernst.

9. Während eines Gebirgsmarsches im siebenjährigen Kriege, ging Friedrich der Große einmal, ungeduldig über das langsame Vorrücken des Geschützes, durch den Engweg zu Fuße bergan; mit ihm der Generallieutenant Graf Schmettau. Während dieses verdrießlichen Ganges wandelte dem König, um sich die Langeweile zu vertreiben, die Lust an, den Grafen, einen sehr religiösen Mann, ein wenig zu necken. Er erkundigte sich nach dessen Beichtvater in Berlin, ob sich derselbe noch wohl befinde, und ließ einem Strom von Scherzreden und Spöttereien freien Lauf.

»Ew. Majestät sind viel witziger, als ich, und auch sehr viel gelehrter,« erwiderte Schmettau, als er endlich einmal zu Worte kommen konnte. »Ueberdies,« fügte er hinzu, »sind Sie auch mein König! Der geistige Kampf ist also zwischen Ihnen und mir in jeder Rücksicht ungleich. Dennoch können Sie mir meinen Glauben nicht nehmen. Und gelänge es Ihnen auch – nun! so hätten Sie mir zwar unermeßlich geschadet, aber zugleich doch auch sich selber nicht unbedeutend mit.«

Der König blieb stehen und machte Front gegen Schmettau, das Blitzen des Unwillens in den mächtigen Augen. – »Was soll das heißen Monsieur Schmettau?« sagte er. »Ich sollte mir schaden, wenn ich Ihm seinen Glauben nähme? Wie meint Er das?«

Mit unerschütterlicher Ruhe entgegnete der General: »Ew. Majestät glauben jetzt einen guten Offizier an mir zu haben, und ich hoffe, Sie irren nicht. Könnten Sie mir aber meinen Glauben nehmen, da hätten Sie ein erbärmlich Ding an mir – ein Rohr im Winde, darauf nicht der mindeste Verlaß wäre, weder bei Beratschlagungen, noch in der Schlacht.«

Der König schwieg und ging eine Zeitlang im stillen Nachdenken weiter. Dann fragte er mit freundlicher Stimme: »Sage Er mir doch, Schmettau, was ist eigentlich Sein Glaube?«

»Ich glaube,« sagte Schmettau freudig, »an göttliche Vorsehung, die jedes Haar aus meinem Haupte zählt; an die göttliche Erlösung von allen meinen Sünden, und an ein ewig seliges Leben nach dem Tode.«

»Das glaubt ihr wirklich?« sagte der König, »das glaubt Er so recht mit voller Zuversicht?«

»Ja, wahrhaftig, Ew. Majestät.«

Der König faßte bewegt Schmettau's Hand, drückte sie ihm stark und sagte: »Er ist ein sehr glücklicher Mensch!« Dann ging er nachdenkend weiter, und nie, seit jener Stunde, hat er Schmettau's religiöse Ansichten verspottet.

*

Bild einer Monarchie.

10. La Mettrie war Arzt von Profession, hatte viel Witz und Laune; aber seine Lebensweise war nicht sehr ordentlich. – Er machte an der Tafel des Königs den Possenreißer. Der König hänselte ihn oft, zuweilen auf nicht ganz feine Art, um ihn zum Schwatzen zu bewegen, damit es etwas zu lachen gäbe; da sagte er gemeiniglich viel Drolliges, und erlaubte sich dann auch oft Vieles, was ein Anderer nie würde gewagt haben, und es ging ihm durch. Wir wollen ein Beispiel anführen.

Zu Ende einer Abendtafel, als der König besonders aufgeräumt war, schrob er La Mettrie auf mancherlei Art, und dieser antwortete allerlei, was dem Könige vielleicht weniger gefiel, als er sich's merken ließ. – Das Gespräch ward zwischen Beiden immer lebhafter. La Mettrie hatte etwas über Staat und Politik des Königs fallen lassen; der König wandte sich an ihn mit dem Ausrufe: »Hört, La Mettrie, Ihr seid ein Arzt und ein gewaltig gelehrter Mann dazu, aber bleibt weg von der Politik, das ist nicht Eure Sache, bleibt bei dem, was Euer Fach ist. – »Seht,« sagte er halb laut und neigte sich vertraulich zu La Mettrie, »wir haben jetzt eben von so vielen feinen Ragouts und schönen Fricasséen gegessen; Ihr wißt ja, als ein erfahrener Arzt, was aus allen den Ragouts in wenigen Stunden wird. Nun sagt uns einmal, wie sich das Alles so sehr verwandeln kann, und welchen Theil jedes Ragout an der Masse haben wird. Nun sagt hurtig her, Doctor.«

Gut sagte La Mettrie mit angenommener ernster Miene, weil es Ew. Majestät befehlen, so sage ich denn, unsere ganze Maschine ist ein Staat, wohl geordnet und übel geordnet, nachdem es kommt. – Zuerst der Magen ist der König.

Der König unterbrach ihn: »Da seht nun mal den Narren an! Warum soll der Magen der König sein?«

Ich bitte um Verzeihung, dennoch ist es so. – Nämlich, weil er, als ein guter König, das Wenigste für sich gebraucht, sondern das Meiste weiter ausspendet, und wenn er nun dies gehörig thut und sonst ist, wie er sein soll, so befindet sich der ganze Staat vortrefflich. – Die Arme und die Füße sind der Militairstand, die vertheidigen den Staat, indem sie entweder auf den Feind schlagen oder sich zurückziehen. – Im Gehirn sitzen die Gelehrten und die Philosophen. – Im Gekröse sitzen die Handwerker und Manufakturisten, da wird der Nahrungssaft bereitet, wovon alle Glieder leben.

»Nun«, unterbrach ihn der König, »und die Därmen? Kommt doch zur Sache, Doktor, was ist jene Sache?«

Das ist der Schatz des Königs, sagte La Mettrie, indem er seine Blicke so ernsthaft wie möglich zu machen suchte.

»Nun,« rief der König, »sieht man da nicht den Unsinn Eures Geschwätzes?«

Ew. Majestät, rief La Mettrie, und dennoch ein sehr richtiger Sinn. Der Schatz ist der Ueberfluß dessen, wovon sich alle Bürger genährt haben. – Ist die Verdauung nicht gut geschehen, so cirkuliren die Säfte nicht so, wie sie sollen, so wird kein Theil gehörig ernährt; alsdann kommt entweder nicht genug in den Schatz, oder es kommt zu viel in denselben, was die arbeitende Klasse hätte haben sollen. – Endlich wird der Schatz angewendet, um die fruchttragenden Felder zu düngen, damit eine wohlthätige Ernte entstehen möge, von welcher der Magen und der ganze Staat wieder leben können.

*

Der Fürst und die Maske.

11. Eines Tages fragte Friedrich der Große bei der Mittagstafel den bekannten Freiherrn von Pölnitz, ob er des Abends auf die Redoute gehen würde, und als es dieser bejahete, setzte der König hinzu:

»Das ist mir lieb; so bin ich doch gewiß, Einen zu erkennen.«

Pölnitz. Das kommt noch darauf an, Ew. Majestät.

König. O gewiß! – Ihn will ich unter Tausenden und unter jeder Gestalt wieder erkennen.

Pölnitz. Ich unterstehe mich nicht, zu widersprechen; aber die Zeit wird es lehren.

König. Gut. Ich bin meiner Sache so gewiß, daß ich – wahrhaftig, 1000 Louisd'or schenke ich Ihm, wenn ich Ihn nicht erkennen werde!

Pölnitz. Ich danke Ew. Majestät im Voraus unterthänigst. – Wahrlich, ich hatte nicht geglaubt, daß heute mein Glücksstern regiert.

König. Triumphire Er nicht zu früh, mein lieber Baron. Kurz, es bleibt dabei, ich halte Wort.

Nach aufgehobener Tafel und nachdem er seinen Plan völlig durchdacht, säumte Pölnitz nicht, sich nach Hause zu begeben und sogleich einen der vornehmsten und reichsten Juden Berlins zu sich rufen zu lassen. Er erzählte diesem den Vorfall mit dem Könige und versprach 1000 Thaler Belohnung, wenn er ihm zur Erreichung seines Zweckes die nöthige Hülfe leisten würde. Diese aber bestand darin, daß er sogleich eine möglichst große Menge Juwelen herbeischaffen sollte, mittelst welcher der Baron sich Abends schmücken und so dem Könige sich unkenntlich machen wollte; wohl berechnend, Friedrich werde bei dem Anblick so vieler Juwelen eher an Diesen oder Jenen, als an seinen (tief verschuldeten) Kammerherrn denken.

Der Abend kam, die Redoute begann, und schon lange hatte der Fürst seinen Kammerherrn vergebens gesucht, als nun der König plötzlich einen äußerst prachtvoll gekleideten Armenier erblickte. Turban, Gürtel und Kleid strotzten von ächten Juwelen – die Maske erregte allgemeines Aufsehen. Alles umringte sie, Jeder suchte zu erforschen, wer dahinter verborgen sein möchte. Man betrachtete sie von allen Seiten, man redete sie an; die Maske war nicht stumm, aber Niemand konnte sie erkennen. Besonders war der König neugierig, zu erfahren, wer wohl in seinem Lande Besitzer eines so beträchtlichen Schatzes an Edelsteinen und Perlen sei? Er schickte deßhalb Mehrere ab; Alle aber kamen mit der Nachricht zurück: es sei ein Holländer, der große Besitzungen in den Colonien habe und nach Berlin gekommen sei, um dem Könige mehrere wichtige Projecte vorzulegen; falls diese angenommen würden, sei er gesonnen, seine Besitzungen zu verkaufen und sich im Preußischen niederzulassen.

Lieblich tönte diese Nachricht in Friedrichs Ohren, und jetzt nun noch mehr neugierig, zu erfahren, worin die Projecte eigentlich bestanden, schickte er wieder einige Vertraute ab, danach zu forschen. Vergeblich waren alle ihre Bemühungen; der Armenier erwiderte ihnen stolz: den Gegenstand seiner Projecte könne und werde er nur dem Könige selbst offenbaren.

Durch dieses geheimnißvolle Wesen immer neugieriger gemacht, redete der König die Maske selbst an und bot seine ganze Ueberredungskraft auf, ihr den Mund zu öffnen; aber vergebens. Sobald das Gespräch aus die angeblichen Projecte sich hinlenkte, blieb der Holländer stets einsylbig und versicherte beharrlich: deßhalb könne und werde er nur dem Könige sich selbst entdecken.

Seiner Ungeduld nicht länger mehr Meister, nahm endlich Friedrich die Maske ab und sagte:

»Nun zum Henker, ich bin ja der König!«

»Und ich bin Pölnitz,« erwiderte schnell der Holländer, indem er ebenfalls die Maske abzog und sich ehrfurchtsvoll verneigte. – Der König stutzte einen Augenblick, verzog dann den Mund zum Lächeln und wandte sich kurz um.

Des andern Morgens schickte er seinem Kammerherrn die versprochenen 1000 Louisd'or, und würde ihm gern mehr gegeben haben, hätte er den Verdruß nicht gehabt, überlistet zu sein.

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Friedrich der Große und Dr. Gall.

12 Es war Hofball in Potsdam; der ganze preußische Hof hatte sich hier versammelt und paradirte vor Friedrich dem Großen. Aber unter allen diesen gestickten Kragen und Epauletts zog ein einziger Mann des Königs Blicke auf sich und fesselte seine ganze Aufmerksamkeit; es war ein schlanker Mann mit originellem Kopfe. Friedrich kannte ihn nicht und ließ den Palastmarschall rufen.

»Herr Herzog, wer ist jener Mann im schwarzen Fracke, welcher sich in jener Fenstervertiefung mit unserm gelehrten Kanzler unterhält?«

»Es ist ein berühmter Arzt, Sire, Dr. Gall.«

»Gall? – So will ich selbst eine Probe machen, ob es keine Übertreibung ist, was man von ihm rühmt. Ueberbringen Sie ihm in meinem Namen die Einladung, morgen an unserer Tafel zu speisen.«

Den folgenden Tag saß der Doktor, in Gesellschaft von einem Dutzend mit Orden und Ehrenzeichen geschmückten Personen, aber von verdächtigem Aussehen, an des Königs glänzenden Tafel.

»Doktor,« begann Friedrich am Schlusse des Mahles, »haben Sie die Güte, und sagen Sie mir die Neigungen aller dieser Herren nach dem Systeme Ihrer Schädellehre.«

Gall erhob sich; denn die Bitte eines Königs ist ihm Befehl, und fing an, seinen Nachbar, einen hochgewachsenen, sonnverbrannten Krieger, den man als General titulirte, zu befühlen.

Der Doktor schien verlegen.

»Sprechen Sie offen,« fügte der König hinzu.

»Se. Excellenz müssen ein Jagdliebhaber und ein Freund von geräuschvollen Vergnügungen sein. Hauptsächlich müssen Sie ein Schlachtfeld lieben. Ihre Neigungen zeigen sich als ungemein kriegerisch an. Das Temperament ist sehr sanguinisch.«

Der König lächelte.

Der Doktor befühlte einen Andern von der Gesellschaft, einen jungen Menschen mit lebhaftem Auge und von verwegenem Aussehen.

»Mein Herr,« fuhr Gall, ein wenig außer Fassung, fort: »Sie müssen sich in gymnastischen Uebungen auszeichnen, Sie müssen ein großer Schnellläufer sein, überhaupt verrathen Sie in allen Uebungen des Körpers die größte Gewandtheit.«

»Genug, Herr Doktor,« fiel der König ein, »ich sehe, daß man die Trefflichkeit Ihres Systems nicht übertrieben hat, und will nun offen sagen, was Sie aus Höflichkeit nur errathen ließen. Der Herr General ist ein zu den Ketten verurtheilter Mörder, und Ihr Nachbar zur Rechten ist der erste Gauner von ganz Preußen.«

Nach dieser Erklärung schlug Friedrich dreimal auf den Tisch, und auf dieses Signal drangen von allen Seiten Garden in den Saal.

»Bringet diese Herren in ihre Kerker zurück!«

Dann, indem er sich zu dem erstaunten Doktor wandte, sagte er:

»Es war eine Probe. Sie haben in Gesellschaft der ersten Banditen meines Königreichs gespeist. Durchsuchen Sie Ihre Taschen!«

Gall gehorchte, man hatte ihm sein Taschentuch, seine Börse und seine Tabatière entwendet.

Den folgenden Tag erhielt er die Gegenstände wieder zurück und der König hatte eine mit Diamanten gezierte Tabatière vom höchsten Werthe hinzugefügt.

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Der neugierige Malerbursche.

13. Der König Friedrich II. ließ den Maler ... zu sich rufen, und zeigte demselben ein gemaltes Zimmer, worin Verschiedenes verdorben war, was er verbessern sollte. Eines Morgens, da dieser Maler ganz früh in dem Zimmer arbeitete, und auf die Leiter steigen mußte, um oben etwas auszubessern, kam der König ganz leise aus dem Nebenzimmer und stellte sich an die Leiter, um dem Künstler zuzusehen. Da nun dieser oben mehrentheils fertig war, stieg er Stufe für Stufe herab, und betrachtete nachdenkend, ohne sich umzusehen, das, was er gemacht hatte. Da er von der letzten Stufe der Leiter gestiegen war, immer rückwärts ging, seine Arbeit zu untersuchen, trat auch der König zurück, um ihn nicht zu stören.

Als der Monarch nun bis an das Fenster getrieben war und nicht mehr weiter konnte, trat ihn der Maler auf den Fuß. Dieser glaubte, sein Bursche stehe hinter ihm, war böse und sagte: »Du neugieriger Schlingel, wieder hier?« Der König antwortete sogleich »Ja!« Der Maler, der eine fremde Stimme hörte, ward äußerst bestürzt, und bat fußfällig um Verzeihung. Der König lächelte, erkundigte sich nach diesem neugierigen Burschen, und ließ ihn auf seine Kosten reisen. Er wurde ein berühmter Maler.

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Nur kein Posthorn.

14. Ein Oberster hatte sich einen Postzug angeschafft, und seinem Kutscher ein Posthorn gegeben, das er umhängen mußte, wenn er über Land fuhr. Das Postamt beschwerte sich beim Könige darüber, und der Monarch schrieb an den Obersten:

»Mein lieber Oberst von ... Es ist Euch vergönnt, soviel Hörner zu tragen, als Euch gefällig sind. Nur kein Posthorn, das ist wider die Verordnung.

Friedrich

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Das Incognito.

15. Ein junger Offizier trug, ohngeachtet des scharfen Verbotes, einen bürgerlichen Rock, und ging mit einem Frauenzimmer in Sanssouci spazieren weil er glaubte, der König sei in Potsdam. Mit einem Male, als er aus einer Allee kam, stand der König vor ihm und fragte: »Wer ist Er?« Was ihn noch kenntlicher machte, war, daß er aus Unbedachtsamkeit seinen Offizierdegen angesteckt hatte. Der Offizier erschrak, hatte aber doch so viel Gegenwart des Geistes, das er antwortete: »Ich bin ein Offizier, allein ich bin incognito hier.« Dieser Einfall gefiel dem Könige, und er sagte: »So mache Er, daß der König Ihn nicht siehet!« und ging dann weiter.

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Die neuen Stiefeln.

16. Friedrich II. war gewohnt, seine Stiefeln jederzeit einem einer Kammerlakaien zum Austreten zu geben, und legte die alten nicht eher ab, als bis sie gänzlich unbrauchbar geworden waren.

Während des siebenjährigen Krieges ließ sich einst der König in Breslau ein Paar neue Stiefeln machen und übergab sie dem gewöhnlichen Kammerlakaien, vergaß aber solche wieder zurück zu fordern. Da er nun aus Breslau ausbrach, forderte er die neuen Stiefeln. Der Kammerlakai hatte sie bereits über zwei Monate getragen, so daß die Sohlen nicht allein abgetrennt, sondern auch zerrissen waren. Sie wurden also in dieser Beschaffenheit von dem Lakaien dem Könige gereicht. Da er sie noch schlechter, als die alten fand, so fragte er: »Sind das meine neuen Stiefeln?«

Lakai. Ja, Ihro Majestät!

König. Sie sind ja zerrissen! und Du solltest sie nur austreten.

Lakai. Das habe ich auch gethan, Ihro Majestät.

Der König erwiderte mit der größten Gelassenheit: »Das seh' ich! gieb mir nur meine alten wieder her, und schaffe mir in 14 Tagen ein Paar andere; diese kannst Du behalten, aber tritt mir die andern nicht wieder so aus, als diese, sonst mußt Du sie bezahlen.

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Keine Bergschotten.

17. Ein sonst tüchtiger Kapitain hatte den Fehler, bei einer unerwarteten Anrede gleich verlegen zu werden und in dieser Verlegenheit oft Sachen zu sagen, die er bei ruhiger Ueberlegung nie gesagt haben, wenigstens nie so gesagt haben würde. Seine Kompagnie war übrigens eine der schönsten im Regimente, weil er besonders auf einen netten Anzug und auf eine gute Haftung der Soldaten hielt.

Einst hielt Friedrich eine Specialrevue, die Kompagnien standen aufmarschirt und der Kapitain hielt so eben eine kurze Anrede über den Anzug an seine Soldaten. Eben sagte er: »Und nun muß ich Euch noch Eins sagen,« – als Friedrich, den er nicht bemerkt hatte, neben ihn trat und ihn fragte: Und was wäre dies, Herr Hauptmann? Ganz verlegen und mit blutrothem Gesicht sagt der Kapitain: »Ich wollte meinen Leuten nur sagen, daß sie ja die Hosen herüberziehen und die Westen heraufziehen sollen.« »Das wollen wir doch verbitten,« erwiderte Friedrich lachend, »ich habe ja keine Bergschotten in der Armee.«

Der Kapitain hatte in seiner Verlegenheit gar nicht bemerkt, daß seine Verwechselung eine sonderbare Nebenidee veranlaßt. Seine Verlegenheit stieg aufs höchste, als nach dem Weggehen des Monarchen der Lieutenant ihm erzählte, was er gesagt habe.

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Königliches Zutrauen.

18. Der Generalmajor Beaurray hatte zu einem gewissen Geschäfte die Summe von 10,000 Rthlr. aus der Königlichen Kasse empfangen. Als die Ausgabe bereits geschehen war, forderte man von diesem treuen Diener des Königs, der übrigens mit der Landesverfassung nicht sonderlich bekannt sein mochte, Rechnung über die Anwendung der gedachten Summe ab. Beaurray nahm ein Blatt Papier und schrieb darauf: »10,000 Rthlr. empfangen, 10,000 Rthlr. ausgegeben.« Man war hiermit, wie natürlich, nicht zufrieden, und berichtete es an den König. Dieser antwortete: »Laßt mir den ehrlichen Mann in Frieden, ich dechargire ihm hiermit.«

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Dienst-Gesuch.

19. Um eine reiche Heirath desto sicherer zu thun, war der Baron von Pölnitz zum zweiten oder dritten Male katholisch. Diese Verbindung kam aber dennoch nicht zu Stande, und der Baron saß ohne Geld und ganz entblößt da. Nun schrieb er aus Nürnberg an den König und bat, ihn wieder in seinen vorigen Posten einzusetzen, den er der Heirath wegen verlassen; er wolle auch alsdann die reformirte Religion wieder annehmen. Friedrich antwortete aber: »Ob Ihr reformirt, katholisch oder lutherisch seid, dies ist mir gleich lieb. Wenn Ihr Euch aber wollt beschneiden lassen, dann will ich Euch wieder in meinen Dienst an nehmen.«

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Der gewaltige Pauker.

20. Die beiden preußischen Husaren-Regimenter Ziethen und Ruesch hatten sich in dem Scharmützel bei Hennersdorf (23. November 1745) so außerordentlich ausgezeichnet, daß sie in diesem Dorfe nicht nur das sächsische Infanterie-Regiment Sachsen-Gotha, sondern auch die drei Kavallerie-Regimenter Dalwitz, Obyrn und Vitzthum gänzlich ruinirten und ihnen alle Fahnen und die ganze Bagage abnahmen. Mit der größten Freude blickte König Friedrich II. auf seine kühnen Husaren, die hier fast das Unmögliche möglich gemacht hatten, als der General Ziethen sich für sein Regiment zum ewigen Andenken ein Paar der eroberten Pauken erbat. Eine gleiche Bitte that der General Ruesch für seine schwarzen Husaren. Beiden bewilligte Friedrich die Bitte. »Aber, lieber Ziethen.« fragte Friedrich, »hat Er denn auch einen Pauker in seinem Regimente?«

Noch ehe der General diese Frage beantworten konnte, trat ein Unteroffizier aus der Reihe und sagte dreist: »Ew. Majestät, ich melde mich als Pauker des Ziethenschen Regiments.«

»Gut, mein Sohn,« erwiderte der große König, »aber Sein Pferd wird zu dem Dienste zu schwach sein.«

»Das behalte ich auch nicht. – Der Sachse soll mir seins geben.«

Dies geschah. An der Spitze des Regiments ritt der Monarch neben Ziethen und Ruesch her; hinter ihnen folgten die Trompeter und nach diesem ritt der Pauker, der nun zu der Feldmusik so sehr accompagnirte, daß die Vorreitenden, der König und die Generäle, ihr eigenes Wort kaum verstehen konnten. Friedrich sah sich um. »Hör Er, Pauker,« sagte er, »Er macht ja einen Teufelslärm. Man hört ihn ja in ganz Sachsen!

»Ei was! Ew. Majestät, noch weiter muß man es hören! Rücken wir in Berlin ein, da muß keine Fensterscheibe ganz bleiben!«

Friedrich sah lächelnd auf Ziethen und sagte: »Sein Pauker hat heute das große Wort; da müssen wir schon nachgeben.«

*

König Friedrich der Große dictirt einen Liebesbrief.

21. Der König wählte, wie bekannt, seine meisten Leibbedienten aus seiner Garde. Ein schöner Wuchs, Größe, schöne Gesichtsbildung und Jugend bestimmten seine Wahl. Er erlaubte nicht, daß sie heirathen durften, und so war es natürlich, daß diese jungen Leute bei einem bessern Auskommen sich heimlich Liebste anschafften, welches ihnen auch um so leichter wurde, da bereits viele Bürgermädchen, bei nachmaliger ansehnlicher Versorgung, ihr Glück gemacht hatten. Einer von den vier Kammerhusaren, Namens Deesen, hatte die kleine Kasse, und mußte jede Minute des Tages gewärtig sein, gerufen zu werden. Weil nun diese Leute auf einander eifersüchtig waren und sich beim Könige verriethen, so durfte Niemand sein Mädchen auf das Schloß oder nach Sanssouci kommen lassen, und sie schlichen daher, wenn der König zu Bette gegangen war oder Concert hatte, in die Stadt. Der König, dem Nichts verborgen blieb, entdeckte auch von Deesen, daß er ein Bürgermädchen in der Stadt unterhielt, und wegen des weiten Weges von Sanssouci nach der Stadt, zu ganzen Stunden wegblieb. Eines Tages befahl er ihm, er solle sich an den Schreibtisch setzen, weil er ihm einen Brief zu dictiren habe. Der König ging im Zimmer auf und nieder und dictirte Folgendes:

» Mein Schatz

Deesen stutzte und glaubte unrecht gehört zu haben. Der König sah ihn starr an und wiederholte:

» Mein Schatz! Der alte Brummbär, der König, zählt mir jede Stunde nach, die ich bei Dir so reizend zubringe. Damit nun meine künftige Abwesenheit desto kürzer und von dem alten Zänker desto weniger bemerkt und beneidet wird, so miethe Dir in der Brandenburger Vorstadt, nahe bei uns, ein Stübchen, wo wir uns mit mehr Bequemlichkeit, als in der Stadt, sehen und herzen können. Ich verbleibe bis in den Tod Dein herzlich treuer

Deesen

Hierauf mußte er den Brief in des Königs Gegenwart versiegeln, und damit er um so mehr sähe, daß der König alles wisse, dictirte der König auch Namen und Wohnung, und rief zur Bestellung gleich einen seiner Läufer herein.

*

Friedrich der Große als Ehestifter.

22. »Obrist Billerbeck!« so rief Friedrich der Große nach einer Parade in Potsdam. Der Gerufene kam und der König sagte: »Warum heirathet Er nicht? Ich höre, Er soll nichts übrig haben, nehm Er sich eine reiche Frau!«

»Ja, Ew. Majestät, es nimmt sich nur so!« erwiderte jener, »eben weil ich kein Vermögen habe, fehlt mir die Zuversicht, anzufragen!«

»Weiß Er was, ich werde Ihm eine Frau schaffen, ganz wie Er sie braucht. Die Uniform steht ihm gut, mit ihm wird's schon gehen! Mag Er sich reisefertig und komm Er morgen früh zu mir.« Damit wandte sich der König und ging.

Obrist Billerbeck wußte nicht recht, wie ihm war; aber es ließ sich nur gehorchen, und so stand er mit klopfendem Herzen am nächsten Morgen vor dem Könige.

»Seh' Er einmal,« so begann jetzt der Monarch, »unser Land hat die reichen Leute nicht überflüssig, da ist nun der Geheimrath von Stecher – der sich jetzt im Sächsischen angekauft, und der doch sein großes Vermögen sich in meinem Staate geschafft hat – der will nun seine beiden Töchter außer Landes verheirathen, und zwar an zwei Brüder von Wizleben in Sachsen. Das kann ich nicht zugeben; eine muß er wenigstens im Lande lassen, da hat er einen Brief an den von Stecher; und nun reis' Er hin, und heirathe Er eine von den Töchtern, die, wie ich höre, ganz charmant sein sollen!«

Im Kopfe des armen Billerbeck trieben sich viele Gedanken umher, aber in Worte bringen konnte er nicht einen, ihm summte das Gehirn, als ob er Glocken darin hätte und eine stumme Verbeugung war endlich Alles, wozu er seine Lebensgeister vermochte.

»Es freuet mich, daß Er mit meinem Vortrage zufrieden ist,« sagte der König, »Er macht da eine sehr gute Parthie, sorg' Er nur, daß er bald wegkömmt.«

Der Obrist stand darauf im Garten von Sanssouci, ohne daß er eigentlich recht wußte, wie er aus dem Schlosse gekommen war, das Schreiben an den Geheimrath von Stecher hatte er aber richtig in der Hand. Er setzte sich auf eine Bank, legte den verhängnißvollen Brief neben sich, sah ihn eine Weile starr an, endlich brummte er vor sich hin: »Ei, so wollte ich doch, daß ich lieber gegen ein feindliches Kreuzfeuer kommandirt wäre, als gegen die beiden Frauenzimmer!« aber – gehorchen mußte er. »Wohl mir, daß wenigstens mein Herz noch auf meiner Seite ist!« Mit diesem Rufe erhob er sich, allen Muth zusammenraffend, und am Mittag des nächsten Tages stand seine Extrapost vor dem Schlosse zu Beuchlitz, wo der Geheimrath von Stecher wohnte. – Dieser machte nicht kleine Augen, als er das königliche Handschreiben gelesen hatte.

»Ein schlimmer Handel!« stotterte er endlich verlegen heraus, »wie soll das werden, Herr Obrist?«

»Wie Gott will,« sagte dieser, »ich folge königlichem Befehle.«

»Wenn aber nun keine von meinen Töchtern Sie mag?«

»Herr Geheimrath, ich verbitte mir alle Beleidigungen!« erwiderte hierauf der Obrist, der natürlich seit dem Auftrage des Königs im steten gereizten Zustande blieb. Der Geheimrath bat den Angekommenen zum Mittagsessen, verhehlte ihm aber nicht, daß die beiden Herren von Witzleben, der eine sächsischer Obrist-Lieutenant, der andere Gutsbesitzer, eben in seinem Hause wohnten.

»Desto besser!« meinte Billerbeck; »dann so wird sich ja die ganze Sache bald abthun lassen!«

Bei Tische ging es still her und der Bräutigam auf königlichen Befehl mochte die Brust so hoch heben, wie er wollte, der Athem war ihm immer zu kurz. Endlich konnte er's nicht mehr aushalten, und da ihm die Töchter gefielen, besonders Henriette, die jüngste, so begann er:

»Ich bin ein geborner Pommer und hier nun obenein in einer Lage, wo ich nicht viel Umstände machen kann!« und in diesem Tone erzählte er ohne Weiteres seinen Auftrag, den alle mit verschiedenen Empfindungen vernahmen. Der Obrist-Lieutenant von Witzleben, Henriettens Bräutigam, sprang wüthend auf und war nur sehr schwer zu beruhigen; Billerbeck hatte indessen nur auf den Gesichtern der Töchter des Hauses zu lesen gesucht, aber nichts herausgebracht, als daß Caroline, die älteste der Fräuleins, am ruhigsten blieb, was ihm noch mehr Unruhe machte, indem ihm bei Henrietten diese Wahrnehmung lieber gewesen wäre. – So gerieth also unglücklicher Weise sein Herz auch etwas in das Spiel; als er nach einigen Tagen merken ließ, daß er Henrietten wählen möchte, bot ihm der Obrist-Lieutenant sogleich einen Gang auf Tod und Leben an.

»Den müßte ich nun freilich unter allen Umständen annehmen!« entgegnete Billerbeck; aber unverkennbar war Henriette ihm abgeneigt und liebte ihren Bräutigam mit ganzer Innigkeit der Seele. Völlig ohne Mittel, sich hier zu helfen, schrieb Billerbeck, nach langem Kampfe, an den König und erhielt wenige Tage darauf folgende Antwort:

»Auf Sein Schreiben vom 4. August kann ich Ihm nur rathen: nehm' er die Andre, wenn die Henriette nicht zu kriegen ist. Das Geld des von Stecher darf mir nicht alles außer Landes und hoffentlich sieht Er ein, daß ich Ihn auch nicht wie einen Narren dahin schicken konnte; das würde mich und Ihn compromittiren. Präsentir Er mir also recht bald Seine Braut. Uebrigens bin ich Sein wohlaffectionierter König.

Potsdam, den 8. August 1764.
Friedrich

Dieses Antwortsschreiben kam auch unter veränderten Umständen auf Beuchlitz an; bei Fräulein Caroline hatte der martialische Obrist lebhaften Eindruck gemacht, um so eher, da sie nur aus Zwang sich mit dem Herrn von Witzleben vermählen sollte. Kaum hatte Billerbeck darüber einige Gewißheit, so bot er nun dem Bräutigam Carolinens mit eisernen Kugeln ein Loosen um die Braut an, und endlich gab es zwei Hochzeiten ohne Duelle. – Als aber bald nachher der Obrist mit seiner jungen Gattin sich in Potsdam präsentirte, da sagte der König zu ihm:

»Nun lebe er glücklich, damit es nicht am Ende heißt: wir hätten beide einen dummen Streich gemacht!«

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