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Anekdoten von Betrügern

1. Ein Gläubiger begegnete seinem Schuldner auf der Straße, hielt ihn an, und bat recht demüthig, ihm doch endlich einmal zu bezahlen. Der Schuldner aber fuhr zornig auf und schrie: »Lassen Sie mich in Ruhe, Sie impertinenter Mensch, glauben Sie denn, ich bin Ihnen allein schuldig?« – Verblüfft zog sich der Gläubiger zurück.

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2. Ein Pfifficus kam zu einem Goldschmied und feilschte um eine goldene Dose. Der Goldschmied zeigte ihm zwei – eine für 100, die andere für 200 Gulden. Er nahm die für 100 Gulden und bezahlte sie baar. – Am andern Tage kam er wieder und sagte, er habe sich eines Bessern besonnen und wolle lieber jene für 200 Gulden nehmen. – Als ihm der Goldschmied diese übergab, leistete er die Zahlung folgendermaßen: »Gestern,« sagte er, »habe ich Ihnen 100 Gulden gegeben, und hier gebe ich Ihnen die Dose wieder, welche 100 Gulden werth ist, wofür Sie mir für 200 Gulden quittieren werden.« Und der Goldschmied meinte, es wäre somit Alles in Richtigkeit, und quittirte wirklich.

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Der verstorbene Schuldner und die Gläubiger.

3. Ein Bürger, welcher große Schulden hatte, starb. Als seine Gläubiger dies hörten, sagte einer nach dem andern: Nun, fahre wohl, du hast von dem Meinigen auch so und so viel mitgenommen. Einer, welcher dies hörte, sagte: Nun sehe ich doch, daß der Mensch, ob er gleich nichts auf die Welt bringet, doch anderer Leute Vermögen mit aus derselben nehmen kann.

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Eine kolossale Betrügerei.

4. Die kostbaren Auslagen in den Verkaufsläden zu Paris und London regen oft zum Diebstahle. So wußte vor kurzer Zeit eine junge, schöne Dame, die in Equipage in dem glänzenden Verkaufs-Lokale der Herren Holmes und Lobelrand ankam, einen Caschemir-Shawl von nahe an 3000 Thalern an Werth zu escomotiren. Da jedoch das ganze Lokal mit Spiegelglas belegt ist, so hatte man den Diebstahl bemerkt. Die Dame gestand ohne Zögern. Da es ihr vor der Hand unmöglich gewesen sei, den Gegenstand ihrer Sehnsucht zu kaufen, so habe sie der Versuchung nicht widerstehen können, sich denselben durch Diebstahl zu verschaffen. Herr Lobelrand war so edelmüthig, die Dame ungehindert gehen zu lassen, bereuete es aber bald. Vierzehn Tage darauf erschien in dem Laden ein Fremder, der mehrere Orden an sich trug und bat, ihm in seine Wohnung einen Shawl zu senden, den er bezeichnete und den er sogleich bezahlen würde, wenn er der Frau Marquise v ... gefalle. Man schickte einen Commis in das bezeichnete Haus; ein Kammermädchen erklärte, die Dame sei eben im Bade, man solle ihr aber den Shawl, den sie mit Sehnsucht erwarte, zeigen. – Einige Minuten darauf kam das Mädchen mit dem Packete zurück und sagte, der Frau Marquise gefalle die Farbe nicht, sie würde sich im Laufe des Tages einen andern Shawl aussuchen. Im Laden machte man das Packet auf und statt des 3000 Thaler Shawls befand sich darin ein alter, schlechter, nebst dem Briefchen: »Sie sind der galanteste Mann und haben meine Wünsche erfüllt, indem Sie mir den herrlichen Shawl sandten, nach dessen Besitze ich mich so lange gesehnt habe. Ich war entschlossen, alles zu unternehmen, um ihn zu erlangen, im Nothfalle Sie zu ermorden. Genehmigen Sie u. s. w. Klingt dies nicht schauerlich? Und die ganze Sache ist ein – englischer Puff, den die Herren Holmes und Lobelrand angewandt haben, um das Publikum auf ihr vorzügliches Shawllager aufmerksam zu machen, den alle Zeitungen für baare Münze gehalten haben.

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Der Manteldieb.

5. Ein Dieb kam in ein Haus, wo viele junge Leute wohnten. Er fand in einer Stube drei Mäntel liegen, und nahm sie weg. Als er die Treppe geschwind hinunterging, begegnete ihm ein Advokat, der von einer Reise zu Hause kam und ebenfalls im Hause wohnte. Dieser hatte einen schönen Mantel mit sammetnen Aufschlägen um, und fragte den Dieb, wo er mit den Mänteln hin wolle? Dieser antwortete: »Sie gehören dreien Herren in diesem Hause, welche Sie mir gegeben haben, um die Fettflecke auszumachen.«

»So nehmt meinen auch,« sagte der Advokat, »und macht die Flecke aus; bringt ihn aber in drei Stunden wieder.«

»Ganz wohl, mein Herr,« antwortete der Dieb, welcher des Advokaten Mantel nahm, und ihn so wenig, wie die drei andern wiederbrachte.

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