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Anekdoten für Gelehrte

1. Der berühmte Marburger Dichter und Professor Buschins oder von dem Busche, ging einst im Alltagsrocke bei einigen Bürgern vorbei, deren keiner so höflich war, den Professor auch nur durch Rücken des Hutes zu ehren. Geschwind eilte Buschins nach Haus, zog seinen Sammetpelz an, ging schnurstracks wieder auf den Markt und bei den noch immer mit einander sprechenden Bürgern vorbei, welche sogleich ehrerbietig die Hüte zogen und tiefe Bücklinge machten. Das ärgerte aber noch mehr den berühmten Mann, der im Amte und Gelehrsamkeit, nicht aber im Sammtpelz seine Ehre suchte. Darum eilte er den Augenblick wieder zu Haus, warf den Sammetpelz auf die Erde und zertrat ihn mit den bittern Worten: »bist du Buschins, oder bin ich's?«

Ein ander Mal ging Buschins nach Hofe, seinen Fürsten zu sprechen, ward aber am Schloßthore abgewiesen, weil er kein köstliches Kleid trug. Da ging er nach Hause, zog ein seidenes Kleid mit Sammetkragen und goldenem Besatz an, erschien so am Schloßthore und – ward nicht nur sogleich eingelassen, sondern auch dem Fürsten gemeldet. Sobald er ins Zimmer trat küßte er, ehe er noch eine Silbe sprach, seinen Rock, und als der Fürst, darüber lachend, nach der Ursach des sonderbaren Kusses fragte, erzählte Buschins, wie es ihm mit dem Kleide ergangen und schloß mit der Bemerkung: »Wer mich ehrt, den ehre ich wieder.«

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Impromptu.

2. In einer Gesellschaft wurde einem Schöngeist, mosaischen Glaubens, die Definition des Wortes Liebe aufgegeben, welches er folgendermaßen auslegte:

Langer Irrthum Eines Betrogenen Ehemanns.

Eine Dame derselben Gesellschaft gab dasselbe rückwärts buchstabirt so zurück:

Einfältige Bemerkung Eines Jüdischen Lümmels.

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3. Als Friedrich Menz, Professor der Physik zu Leipzig, im Sommer 1743 das Rectorat der Universität verwaltete, war ein junger Adeliger vor das akademische Gericht gefordert worden, wo bekanntlich jeder Student den Degen ablegen mußte. Als ihn der Pedell höflich daran erinnerte, weigerte er sich, es zu thun, indem er behauptete, der Degen wäre ihm angeboren. Der davon benachrichtigte Rector befahl, ihn nur herein kommen zu lassen. Der Edelmann erscheint also mit dem Degen, dessen Schönheit Menz lobte, und fragte, wo er ihn her habe. »Ich kaufte ihn in **'s Galanterie-Handlung,« war die Antwort. Ganz ernsthaft erwiderte der Rector: »Nun, so müssen Sie vor Ihrer Obrigkeit diesen Degen ablegen; Ihren angebornen können Sie tragen.«

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Bitte und Verweigerung.

4. Mirabeau – wer kennte diesen kühnen Redner, welcher als Hebel der französischen Revolution bezeichnet werden kann, nicht? – war einst in Geldverlegenheit und schrieb deshalb an seinen Vater folgenden komischen Brief:

Ich bin kein Vogel, auch ein Fisch bin ich nicht,
Drum sind Wasser und Luft nicht mein Gericht;
Geld allein, dies macht mich froh,
Drum send' es bald, Vater Mirabeau.

Sein strenger Vater schrieb ihm also zurück:

Sei meinetwegen ein Vogel oder Fisch,
Habe Luft oder Wasser auf Deinem Tisch;
Du kommst in's Loch, ich will es so.
Dein Vater Mirabeau.

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Verschiedenheit.

5. Der Dichter Schubart trat einst auf einem Spaziergange mit dem bekannten Schieferdecker Bauer in eine Dorfkirche, worin der Geistliche mit mächtiger Stimme wenig Geist ausgoß. Beim Heraustreten äußerte sich Schubart:

Vernehmlich tönt des guten Pfarrers Zunge,
Die Brust ist stark, allein der Geist ist schwach.
Nimm ihm, o Herr! ein wenig von der Lunge,
Und hilf dafür dem Geiste nach.

Zu einer andern Zeit besuchte Schubart im Vorübergehen wieder eine Kirche, worin während der Predigt die halbe Gemeinde schlief. Dieser Anblick preßte ihm über den Kanzelredner folgende Worte aus:

Wenn ich am Sterben bin, soll er mein Tröster sein;
Denn, wer ihn hört, schläft sanft und ruhig ein.

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Wolf und Lange.

6. Einst schrieb Dr. Lange, der wegen seiner Fehden mit dem großen Philosophen Wolf in Halle in der gelehrten Welt sehr bekannt geworden ist, Folgendes in ein Stammbuch:

Ich weiß ein dreifach W, so großes Weh gemacht.
Die Weiber, die den Fall in diese Welt gebracht;
Der Wein, so Ursach ist zu vielen bösen Thaten;
Das Dritte nenn' ich nicht, mein Freund, du magst es rathen.
Die Weisheit nehm' ich aus, die bringt Gutes ein,
Doch wird das dritte W in ihr ein Mißbrauch sein.
Ich würde es gar leicht Dir deutlich sagen können!
Doch zu gewisser Zeit darf man den Wolf nicht nennen.

Dem Hofrath Wolf, Dem es zu Gesicht kam und welcher die Deutung leicht finden konnte, schrieb auf die Nebenseite des nämlichen Blattes:

Ich weiß ein dreifach W, das vieles Wohl gebracht,
Die Weisheit, die der Feind selbst als was Gutes acht't,
Die Wahrheit, die von Gott den Ursprung hergenommen,
Und die vom dritten W ein großes Licht bekommen.
Wer ist, der dieses W zu unserer Zeit nicht kennt,
Ob man den Wolf gleich nicht bei seinem Namen nennt?
Doch giebt's ein dreifach L, so diesem W entgegen.
Von diesem will ich Dir nur zwei vor Augen legen.
Das Lästern, das die Welt anjetzt zur Tugend macht,
Die Lügen, die jüngst hie der höllisch (häll'sche) Feind erdacht.
Das Dritte nenn' ich nicht, man kennts an seinen Thaten,
Wer dieses nicht gewußt, der müßte Lange rathen.

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Der Doctor und die Recensenten.

7. »Das wird vielen hundert Menschen das Leben kosten« sagte ein junger Brocontaner, als er sein klinisches Handbuch in der allgemeinen Literaturzeitung so schlecht recensirt fand. »Wie so?« fragte ein kaum eingetretener Bekannter. – »Je nun!« war die Antwort des Arztes, »Sie sehen hier, dieser verfluchte Recensent verdrängt mich mit Gewalt aus dem theoretischenFache? es bleibt mir also nichts übrig, als daß ich mich wieder aufs Praktiziren lege.«

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Rossinis Gedächtniß.

8. In den Pariser Salons, in welchen der große Künstler lange die leuchtende Sonne gewesen, fand er oft Mittel, sein merkwürdiges Gedächtniß zu unschuldigen Scherzen zu gebrauchen«. Eines Tages war er mit dem geistreichen Dichter Alfred de Mussett geladen. Dem allgemeinen Wunsche nachgebend, declamirte Musset einige Verse aus einem seiner größeren Gedichte. Jeder complimentirte den Poeten, Rossini näherte sich ihm kaltblütig:

Von wem sind diese Verse? fragte er, ich habe den Namen des Autors vergessen.

Von mir, erwiderte überrascht Musset.

Ich glaube nicht.

Ich bin dessen gewiß.

Mir ist, als hatte ich sie schon in der Schule gehört, spottete Rossini; lassen Sie sehen, ob ich mich ihrer noch erinnere.

Und sogleich recitirte er, ohne ein Wort zu vergessen, oder zu ändern, das ganze Gedicht des jungen Literaten.

Musset war wie vom Donner gerührt, da nahm Rossini seine Hand.

Beruhigen Sie sich, sagte er lächelnd, diese Verse sind wohl von Ihnen, wenn ich sie schon längst gehört zu haben meinte, so geschah es, weil sie so herrlich sind, und weil schöne Verse, gleich schöner Stimme, immer eine rühmliche Ähnlichkeit mit sich haben.

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