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Militairische Anekdoten

Fünfzig Stockstreiche auf's bloße Hemd.

1. »Was? Du willst Dir Widersetzlichkeiten erlauben?« so donnerte der Hauptmann einen Rekruten an. »Corporal, die Bank herein und dem Kerl funfzig Stockstreiche auf's bloße Hemd gegeben.«

Der Soldat warf sogleich seinen Rock ab und das Hemd vom Leibe mit den Worten hin: »Hier, gestrenger Herr Unteroffizier, erfüllen Sie Ihre Pflicht.«

Der Offizier, über diesen lakonischen Einfall zum Lachen gebracht, verzieh ihm.

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2. Der bekannte Major von Schill hatte in dem Feldzuge 1806-1807 mit seinem Freikorps vier schöne Pferde erbeutet, welche für Napoleon bestimmt waren. Da dieser den Verlust seiner Pferde erfuhr, schrieb er an Schill und bat sich seine Pferde wieder aus, mit der Versicherung, daß ihm für jedes Pferd 1000 Thaler in Golde ausgezahlt werden sollten. Allein dieser Brief enthielt die Aufschrift: An den Räuberhauptmann Schill. In Erwiderung desselben, antwortete Schill folgendermaßen: »Mein Herr Bruder! daß ich Ihnen vier Pferde genommen habe, freut mich um so mehr, da ich aus Ihrem Schreiben ersehe, daß Sie einen großen Werth auf dieselben setzen. Jedoch kann ich sie nicht für die angebotenen 1000 Thaler für jedes Pferd zurückgeben, da es mich nicht nach Ihrem Gelde gelüstet, denn ich habe dessen so viel, als ich bedarf; überdies begehre ich keines Fremden Eigenthum. Wollen Sie indeß gegen diese jene vier von dem Brandenburger Thore in Berlin geraubten Pferde wieder an ihre Stelle setzen, so stehen Ihnen die vier Pferde, welche ich Ihnen genommen habe, ohne weitere Bezahlung, wieder zu Dienste.«

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3. Der Marschall Graf Moritz von Sachsen war bekanntlich ein natürlicher Sohn Friedrich August I., König von Polen und Churfürsten von Sachsen, von der schönen schwedischen Gräfin Aurora von Königsmark, welche nachher zur Aebtissin von Quedlinburg erwählt wurde. – Moritz war das vollkommenste Ebenbild seines königlichen Vaters. Seine Gestalt, Stärke, Liebenswürdigkeit hatte er von ihm geerbt. Er ging unter Ludwig XV. in königlich französische Dienste, und seine Thaten, die den Franzosen ihren vorigen Glanz wiedergaben, erwarben ihm den Marschallstab, ungeachtet er dem lutherischen Glauben zugethan blieb, und diese Würde sonst nur Katholiken zu Theil ward. Wie sehr ihn die Franzosen liebten und ehrten, mag folgende Anekdote beweisen:

Als er einst außerhalb Paris spazieren fuhr, ließ er bei seiner Ankunft im Thore halten. Der Visitator machte den Wagen auf; sobald er aber den Marschall erblickte, sagte er: »Entschuldigen Ew. Excellenz, Lorbeeren geben keine Accise.«

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4. König Robert Bruce, der Wiederhersteller der schottischen Monarchie, schlief einst bei einer Recognoscirung des ihm gegenüberstehenden feindlichen Heeres in einer Scheure, welche einem ihm zugethanen Landmanne gehörte. Als er früh das Haupt von seinem Strohlager erhob, bemerkte er eine Spinne, die an einem Balken der Decke hinanklimmte. Das Insekt fiel herab, machte aber augenblicklich einen zweiten Versuch, um hinaufzukommen. Dies zog die Aufmerksamkeit des Helden immer mehr auf sich, der mit Bedauern zusah, wie die Spinne auch das zweite Mal von derselben Höhe herabfiel. Auch ein dritter Versuch fruchtete nicht. So sah der Monarch das Insekt zwölf Mal vergebend dasselbe wiederholen; aber die dreizehnte Anstrengung belohnte endlich den Erfolg. Die Spinne erklimmte die Spitze des Balkens und der König rief, von seinem Lager aufspringend, aus: »Dieses verachtete Insekt hat mich ausdauern gelehrt, ich will seinem Beispiele folgen. Unterlag ich nicht auch zwölf Mal der Uebermacht meiner Feinde? Auf einem Gefechte vielleicht noch beruht die Unabhängigkeit des Vaterlandes.« Und wenige Tage darauf ward diese Voraussagung durch den für Schotttand glorreichen Ausgang der Schlacht von Bennorouen bestätigt.

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Ein gewaschener General.

5. Man machte dem französischen General Soubise den Vorwurf, bei der Schlacht von Roßbach sich nicht an der Spitze seines Heeres, sondern im Bade befunden zu haben. Sogleich erschien in Holland eine Medaille, welche auf einer Seite die Schlacht von Roßbach, auf der andern aber den Prinzen Soubise in der Badewanne darstellte, mit der Unterschrift: »Das ist ein General, der sich gewaschen hat.«

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Unbedeutende Begebenheiten haben oft große Erfolge gehabt.

6. Eine Anzahl von Gelehrten fast jeder Abtheilung, waren dem Zuge Napoleons nach Aegypten gefolgt. – Anfangs waren diese bei den französischen Soldaten wenig beliebt, und wurden, bei vielen Gelegenheiten auf das empfindlichste verspottet; so erhielten sie z. B., und die Maulthiere, auf welchen sie ritten, dieselben Namen. Der tapfere General Friant befehligte eine Abtheilung des französischen Heeres, und war einmal in großer Gefahr, von einem bedeutenden Haufen Araber überfallen und aufgerieben zu werden. Als er die drohende Gefahr erkannt hatte, gab er sogleich folgenden Armeebefehl.

La division formera un Quarré
Les ânes et les avants au millieu!

(Die Division bilde ein Quarree,
Die Esel und die Gelehrten in die Mitte.)

Ein allgemeines lautes Gelächter erschallte hierauf. Die Araber, die eben im Begriff waren, anzugreifen, befürchteten eine Hinterlist, weil sie des Lachens in solchem schwierigen Augenblicke nicht begreifen konnten; sie kehrten daher eiligst um, und die Division setzte ungehindert und noch mehr lachend, ihren Marsch fort. –

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Die Blauen und die Grünen.

7. In einer Garnison standen ein blau gekleidetes Regiment und ein grün gekleidetes Jäger-Regiment. Die Offiziere des letztern waren gewandte Tänzer. Auf einem Balle versagte ein Fräulein den Offizieren des ersten Regiments, ohne Ausnahme, alle Tänze und verband sich blos mit den Jägern. Sie wurden deshalb späßlich aufgezogen. Indeß der Obrist des blauen Regiments, ein alter Grämelbart, den es ärgerte, seine Offiziere zurückgesetzt zu sehen, nahm scheinlich die Parthie der jungen Schönen und erklärte in ihrer Gegenwart: »Das ist natürlich, die jungen Gänse gehen stets nach dem Grünen.«

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Der französische Grenadier bei Roßbach.

8. Der preußische Monarch traf nach der Schlacht bei Roßbach einen von seinen Husaren umringten französischen Grenadier an, der sich durchaus nicht gefangen geben wollte. Der König rief ihm zu, ob er denn glaubte, daß er unüberwindlich wäre?

»Unter Ihrem Kommando würde ich es sein, Sire,« antwortete der Soldat.

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Ein gefangener Pauker setzt einen großen Theil einer siegenden Armee in Gefahr, den Sieg zu verlieren.

9. Als Friedrich der Große am 4. Juni 1745 die vereinigte östreichisch-sächsische Armee bei Strigau geschlagen und schon die Hoffnung zum vollkommensten Sieg in Händen hatte, spielte ihm ein sächsischer Pauker, der gleich im Anfange des Treffens gefangen worden war, einen Streich, der bei einem Haar ihm die mit so großer Tapferkeit errungenen Lorbeeren aus den Händen gewunden hätte.

Man hatte in der Eile versäumt, diesen gefangenen Pauker absitzen und ihm die Pauken abnehmen zu lassen. Diesen Umstand wußte der kluge Mann sehr meisterhaft zu benutzen; denn als das Schlachtgetümmel größer war und die preußische Kavallerie schon im vollen Einhauen begriffen war, schlug er in dem Augenblicke aus allen Kräften Retraite, da der Sieg sich auf die preußische Seite lenkte. Sein heftiges Schlagen und wechselweises Rufen: »Halt! Halt! Zurück! Zurück!« brachte schon eine preußische Escadron nach der andern zum Stehen, und es erfolgte sogar Stockung und Verwirrung.

Zum Glück für Friedrichs Ehre, bemerkte ein junger preußischer Offizier, daß dies kein preußischer Paukenschlag war, was er da hörte. Wüthend sprengte er auf den allzu patriotischen Musikanten zu, um ihn den Kopf zu spalten; eine gemachte Wendung jedoch, rettete dem Sachsen das Leben, nicht aber das Gesicht; denn der Hieb nahm ihm die Nase, die Lippen und einen Theil des Vorderkinnes weg. Der gräßlich entstellte Mann stürzte vom Pferde und blieb bis nach geendigter Schlacht liegen.

Als der Sieg erfochten war, umringten eine Menge preußischer Offiziere den unglücklichen Sachsen. Flüche und Lobsprüche flogen ihm wechselweise zu; denn der Eine rühmte ihn als einen braven Patrioten, der Andere verdammte ihn als einen Verräther; dieser bewunderte ihn, jener verwünschte ihn.

Endlich machte ein alter Kürassier dem Lachen und Bedauern dadurch ein Ende, daß er sagte:

»Ei, was ist hier lange Kriegsrath zu halten! Wer ein braver Kamerad ist, der fasse an, wir wollen ihn nach Strigau bringen!«

Man hob ihn auf einen, so eben mit Blessirtin vorbeifahrenden Wagen, und ein rechtschaffener Lazaretharzt nahm sich seiner sorgfältig an, daß er wieder kurirt und dann ausgewechselt werden konnte.

Der sächsische Hof belohnte die Klugheit und Treue des Patrioten mit einer Accise-Einnehmerstelle. Erst nach dem siebenjährigen Kriege ist er in einem sehr hohen Alter gestorben.

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