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Zehnter Gesang.

Hartman ertrinkt in dem Rhein. Der Kaiser hält mit seinen Feldherrn erst Kriegsrath; dann die Abendmahlzeit. Horneck der Sänger tritt ein, und singt die fromme Handlung des Kaisers, als er dem Priester sein Roß both. Entläßt die Feldherrn. Dem Entschlummerten erscheint sein Sohn Hartman. Ottgars Abschied von Kunegunden.


A bendröthlich erglänzt der schnellentgleitende Rheinstrom;
Völlig verhallte der Sturm; nur liebliche Lüftchen bewegen
Manchmal, leis'umsäuselnden Flugs den ergossenen Spiegel
Seiner Gestade, wo links und rechts, von dunklen Gebüschen,
Wäldern, und Höh'n, nun hochaufragende Thürme der Burgen,
Nun hellschimmernde Städt' und Gotteshäuser sich heben,
Und ihr Bild in die spiegelnde Fluth von oben nach unten
Kehren, gewiegt von dem Zuge der raschforteilenden Wellen.
Wechselnd, von einem zum andern Gestad' durchkreuzen der Vögel
Singende Scharen die Luft, und ziehen dem schauernden Wald zu.
Abendglockengetön, vermengt dem Blöcken der Heerden,
Schallet die Ufer entlang, als jetzt an dem wölbenden Himmel
Auf sich schwingen die goldenen Stern'; umschattendes Dunkel
Ruh' auf die Welt umher verbreitet, und jeglicher Laut stirbt.
Von Schafhausen allein tönt Donnergetös', in des Abends
Stille hörbarer noch dem Ohr: wo im schwindelnden Jähsturz
Sich von dem Klippendamm hinab zum versunkenen Strombett
Stürzt die gewaltige Fluth, aufschäumt an den Felsen, und dorther
Schauernden Nebelqualm in die Haine hinaus, und die Thäler
Sendet im Windeshauch', unendlichen, ewigen Eilflugs.

Sieh', ein Ritter kam aus fremden Landen gezogen!
Eilig trabt' er die Straße herab, und ihm folgte der Knappe
Fern, ermattet der Last der Wanderung. Aber den Ritter
Trieb herzinniges Leid und der Heimath glühende Sehnsucht.
Als er im Abendlicht, hervor aus dem dunkelen Eichwald
Kommend, vor sich das weitverbreitete Land, und inmitten
Fluthen sah den ersehneten Rhein, da hielt er das Roß an;
Sprang aus dem Sattel herab, warf sich, erschüttert, zum Boden,
Netzt' ihn mit Thränen, und stand, in des Anschau'ns Wonne versunken.
Hartmann war's, der jetzo dem Strom sich nähernd, und kehrend
Heim in das Vaterland, die trauten Gefilde begrüßte.
Drüben am linken Gestad', ersah er das freundliche Städtchen
Rheinau, welches der Rhein im kreisenden Lauf, sich nach Osten
Wendend, umfließt. Dort baute (so künden die Sagen der Vorzeit)
Sorglich das Gotteshaus Funtan, der Heilige, Rheinau, Augia major, ein kleines Städtchen zwischen Schaffhausen und Eglisau, wo eine Brücke über den Rhein führt. Dort befand sich vormals ein reiches Benedictiner-Stift, das Funtan der Heilige, aus dem königlichen Geblüt Schottlands, erbaut haben soll, da er aus höherer Eingebung einen Platz dazu suchen mußte, wo der Rhein nach Osten fließt, und solcher an dieser Stelle allein gefunden wird. Stumpf. Schw. Chron. p. 360. Schottlands
Königen blutsverwandt, den Brüdern von Monte-Cassino,
Als er, ein Pilger, dort die Stelle, vom Geiste getrieben,
Endlich fand, wo allein der Strom nach Osten den Lauf kehrt.
Hartmann sah vom Gestad mit bewegtem Herzen hinüber –
Sah im Geist noch hinaus weit über die Berge, des Aargau's
Liebliches Thal, und dort von dem Felsenhügel die Habsburg
Ragen aus dunkeln Tannen empor in die Luft, und herunter
Schau'n auf die Fluthen der Aar, die ihr, eilenden Laufes vorbeirauscht.
Zwar vermißte sie jetzt die trauten Gebiether: der Vater
Fern (er tauschte den Grafenhut mit der Krone der Kaiser)
Todt die Mutter – von ihm die holden Geschwister geschieden.
Er, der Unglückliche, kehrt allein, in einsamer Stille
Dort zu erreichen das tröstende Ziel der irdischen Wand'rung.

Doch nun rief er, bewegt, dem spätnachfolgenden Knappen:
»Mangold, fasse das Roß an dem Zaum', und führ' es mit Vorsicht
Ueber die Brücke zur Stadt; bald folg' ich dir nach in die Herberg!«
Mangold faßte das Roß an dem Zaum, und führt' es mit Vorsicht
Nebenher, dem seinen gesellt, hinüber nach Rheinau
So, daß die Brück', entlang, erst laut, dann leiser und leiser
Unter dem eisernen Huf fortpolterte, bis zu dem Land hin.
Hartmann weilete noch. Er saß in Trauer versunken,
Dort auf dem Felsenriff, das sich auf die Fluthen hinüber
Beugt; sah oft nach den Wellen hinab, wie sie rollten, und eilten
Rastlos fort in des ewigen Meers verschlingende Tiefen,
Und gedachte mit Trost der eilenden Tage des Lebens.
Sieh', nun hob sich vor ihm der Mond in des Himmels Gezelt auf;
Hellte die Nacht, und zog in grünlichen Goldes Gefunkel
Quer auf dem dunkelen Strom die flimmernde Straße hinunter,
Der er, bewegt, nachsah, bis dort zu dem äußersten Rand hin,
Wo das Gestirn sich scheitelrecht in den helleren Fluthen
Spiegelte. Dort winkt' ihm (so däucht' es ihn) freundlichen Blickes,
Jenseits her aus ätherischem Glanz die liebende Mutter.
Ach, er streckte die Arme nach ihr mit stöhnender Brust aus;
Beugte die Stirn', und ihm sank die heimliche Thrän' aus den Augen!
Jetzo fuhr ein Kahn rasch über den schimmernden Mondpfad;
Muntere Stimmen erreichten sein Ohr. Herüber von Rheinau
Kehrte nach Eglisau, der Vater mit seinem Erzeugten,
Der, ein Fischer, dahin die Beute der Netze getragen,
Und seit Jahren umher auf dem fischdurchwimmelten Rheinstrom
Ruderte. Nun verfehlt' er, getäuscht, des Zieles: der Kahn schlug,
Von der Strömung gerafft, an dem Joch der gewaltigen Brück' um,
Barst entzwei, und die Zween verschlang, so mächtig sie kämpften,
Schrie'n, und riefen, die Fluth. Nicht der lastenden Rüstung gedenkend,
Nicht der grausen Gefahr, aufsprang der edele Ritter
Auf das Angstgeschrei nach Rettung jammernder Menschen;
Lief das Ufer entlang, und warf sich hinab in die Strömung,
Als der Junge hervor aus der Fluth die Rechte gehoben;
Aber nicht rettet' er ihn, und fand in dem brausenden Abgrund
Dort das Ziel des schwermuthvoll entschwundenen Lebens. Hartmann, der jüngste der Söhne Rudolphs, ertrank, mit noch andern dreizehn Jünglingen, adeligen Geschlechts, am 20. December des Jahrs 1280, im achtzehnten seines Alters, als er mit selben den Rhein hinabfuhr, und das Schiff bei Rheinau von dem Grundeis umgestürzt wurde. – Seine Leiche ward nach Basel geführt, und im dortigen Münster begraben.

Ach, nicht ahnte des theueren Sohns unglückliches Schicksal
Rudolph noch, der fern im Zelt, von den Helden umgeben,
Saß beim erquickenden Mahl, nach unsäglicher Mühe des Tages!
Draußen, von Lagerfeuern erhellt, verlor sich des Himmels
Nächtliches Grau'n; Geschrei und Gelärm erscholl mit dem Wehruf
Blockender Lämmer und Schaf', und des dumpfaufbrüllenden Rindes:
Denn die Krieger besorgten das Mahl in geschäftiger Sorgfalt:
Jetzo das Fleisch in der siedenden Fluth, die im räumigen Kessel
Brodelte, wohl mürbkochend, und jetzt es auf kreisenden Spießen
Bratend so, daß der Wohlgeruch weit das Lager erfüllte.
Auch ermangelten sie nicht des herzerfreuenden Weines,
Oder des Brots; nicht des Habers und Heu's die munteren Rosse:
Denn des Heers Marschalk, der Breuner, hatte genügend
Alles und Jedes zur Stelle geschafft für die dauernde Kriegszeit,
Und stets lauter erscholl auftobende Freud' in dem Lager.

Drinnen im hellerleuchteten Zelt, von den Helden umgeben,
Harrte der Kaiser zuvor des blühenden Königs der Ungern,
Dem er den Herold gesandt, als dort vom Lager vor Marcheck
Sich das siegende Heer erhob, die geworfenen Scharen
Ueber den Weidenbach voll drängender Hast zu verfolgen.
An dem Gestade der March, wo, g'en Hochstätten, im Halbkreis
Sich hinwindet der Fluß, aufragte die Kuppe des Felsens,
Der vor grau'n Jahrhunderten schon den Völkern zum Markstein
Dienete, jetzt dem Zelt des lebensfreudigen Königs
Kühlenden Schatten both, und, ferne geseh'n, in der Umwelt
Alles dem spähenden Auge verrieth. Dort fand ihn der Herold
Sitzend im munteren Kreis' der Zitherspieler und Sänger,
Die von dem Heldenzug der Ahnen herüber nach Ungerns
Reichem Gefild' und der Thatenkraft gepriesener Führer
Sprachen im jubelnden Lied'; auch rühmten darauf: wie im Feld' erst,
Kämpfend mit nie zu erschütterndem Muth, des verbündeten Kaisers
Macht die Feinde bestand, und, gleich dem brausenden Sturmwind,
Der auf der Heid' im Herbst die verdorrten Disteln dahinjagt,
Trentschins ruhmverherrlichter Held dann ihnen im Rücken
Lag mit mordendem Stahl, als all die Scharen zerstoben.
Aber so laut der König sich d'rob erfreute, so gönnt' er
Dennoch dem Kunen den Ruhm vor dem Unger im heimlichen Busen,
Und ergrimmte noch mehr, daß ihm Kaduscha heute zurückstand.
Hastig nahet' ihm Meyenberg, der Herold, und sprach so:
»Herr, dein Herz erfreue der Ruhm des herrlichsten Sieges,
Den dein tapferes Volk mit raschentscheidender Thatkraft
Uns erringen half. Zum Kriegsrath ruft dich der Kaiser,
Und zu dem fröhlichen Mahl nach des Tags ermüdender Arbeit.«
»Gern,« erwiederte jener, voll Hast, »hineil' ich in's Lager
Meines erlauchten Verbündeten, der so edel gesinnt ist.«
Sagt' es, und schwang sich auf's Roß, im Gefolg kumanischer Reiter,
Ebenthal zu erreichen im Flug, wo im schimmernden Zeltraum
Rudolph, heldenumschart, sein harrete. Wie er dahinflog,
Fuhr der Staub zum Gewölk, erregt von den stampfenden Hufen.

Alle gehorchten dem Ruf des erhabenen Kaisers: nur Einer –
Kaduscha war nicht zu schau'n. Empört von dem Glücke des Helden
Von Trentschin, entboth er zu sich zweitausend der Reiter:
»Ha,« so sprach er, »was sollen wir hier, mit den Deutschen verbündet,
Nutzlos opfern das Blut, da jüngst den lohnenden Woldan Woldan hieß ein Raubritt, den öfters der oberste Anführer eines im Krieg begriffenen Volks, mit einer Schar Freiwilliger, in dem Lande des Feindes, Beute zu holen, unternahm. Bei der Belagerung Peterlingens forderte Rudolph sein Volk zu einem solchen Woldan auf; er streifte bis gen Lausanne, und es heißt da:

Si namen da so viel
Daz Ich fürwar sagen wil,
Daz in langer Zeit
Nahent, noch weit,
Nie wart geritten noch gethan
Ain so schedleicher Woldan.

( Horneck R. Chr. C. 319.)
,
Wie er den Raubritt hieß, uns grausam der Kaiser verwehrte?
Auf, wir zieh'n nach Günß, den tapferen Iwan Iwan von Günß (Sohn des Grafen Heinrich) empörte sich erst gegen seinen eigenen König, fiel dann, häufig plündernd, auch in Oestreich und Steyermark ein, und verübte unzählige Grausamkeiten. Im Jahr 1286 schlug er den gegen ihn gesandten Abt von Admont; später auch Herman von Landenberg, der sich ihm mit seinen östreichischen und steyerischen Kriegern ergeben mußte. Herzog Albrecht, von Truppen entblößt, verschloß sich in Neustadt, und ging sogar den Vertrag von Hainburg ein, vermöge welchem die Gefangenen ausgewechselt, und in einem Krieg mit Ungern sie sich beide gegenseitige Hülfe leisten sollten. Iwan setzte seine Verheerungen in Oestreich bald wieder fort, bis endlich im Jahr 1280 ihn Albrecht mir starker Macht bekriegte, ihm Oedenburg nebst vielen andern Vesten, Burgen und Märkten abnahm, und ihn endlich, nach einer hartnäckigen Belagerung, in Günß bezwang. Ueber diese Belagerung siehe Horneck R. Chron. von Cap. 312 bis 315. zu retten,
Den jetzt Bertholdsdorf, der Kammerer, stürmend, bedränget,
Innen im Raum der gewaltigen Burg! Wir entsetzen die Festung
Schnell mit würgender Faust, und erlösen den tapferen Grafen:
Dann soll Oestreich bald, verheert, und geplündert, mit Schrecken
Schau'n von nah' und von fern aufflammende Dörfer und Städtchen;
Aber wir kehren, beschwert mit reichlicher Beute, zur Heimath.«
Laut aufjauchzten sie ihm, nach Beute begierig, und zogen
Schnell g'en Heunburg fort, der Donau Fluthen hinüber,
Ueber die Brücke, die Albrecht jüngst erbaute mit Sorgfalt;
D'rauf gewahrten sie bald den Neusiedl-See, und die Mauern
Oedenburgs, und eileten rasch nach den Höhen von Günß hin.

Doch schon hatte der Kaiser, vereint mit seinen Erwählten,
Mit vorschauendem Blick des Angriffs Weisen erwogen;
Manchen erforscht, und dem Forschenden gern mit würdiger Sanftmuth
Klaren Bescheid ertheilt: bis all', einmüthig, ihm Beifall
Zollten; die Ordnungen, Zahl, und die Stellung der Völker im Schlachtfeld
Jeder gar trefflich fand, und jeglicher Zweifel entfloh'n war.
Siehe, nun scholl des Rosses Huf von der Straße herüber.
Jene horchten erstaunt; da sprach, sanftlächelnd, der Kaiser:
»Alle vermißet ihr hier nur ungern Hugo von Tauffers,
Jenen gewaltigen Greis, bei'm herzerheiternden Spätmahl.
Wahrlich, viel erduldet' er jetzt, in der engenden Festung
Müßig zu steh'n, der stets im Gemenge der eisernen Waffen
Rasch vortummelt das Roß, und allwärts ist, wo Gefahr dräut!
Ich entboth ihn in's Feld, dem jüngst verwundeten Helden,
Ortenburg, vertrauend die Vest', und er folgte dem Ruf bald.«
Als er's sprach, da trat der muntere Greis in das Zelt ein;
Grüßte den Kaiser zuvor, und den blühenden König der Ungern;
Dann die tapferen Helden umher mit feurigen Blicken,
Setzte sich hin, und begann: »Fürwahr, ich wähnte: verrosten
Müßte mein tüchtiges Schwert in der dunkelen Scheide für immer,
Und ich daheim Geschriebenes nur aus dem Munde des Mönchleins
Hören: von Thaten des Kriegs und euern errungenen Lorbern!
Aber als gütigen Herrn erwies dem alten Gesellen
Haug der Kaiser sich stets: sein dacht' er auch jetzo mit Huld nur.
Kaduscha sah ich zuvor an der Spitze des reisigen Volkes
Treulos flieh'n; er gab, hohnlachend, den kurzen Bescheid mir:
Iwan weih' er sein Schwert; euch wünsch' er Glück in dem Siegslauf.«

All' aufhorchten mit Staunen dem Wort; doch glühendes Roth fuhr
Jetzo mit wechselndem Weiß in die Wangen des Königs von Ungern,
Und ihm blitzte der Zorn aus den halbgeschlossenen Augen;
Dennoch besann er sich schnell; both dann die Rechte Matthias
Von Trentschin, und sprach: »Du sey des Heeres Gebiether
Mir hinfort! Obgleich vom Geschlechte der Kunen geboren
Mir die Mutter ward; ich die Liebe des Kun's aus der Brust ihr
Sog als wimmerndes Kind, und, zum Jüngling gereift auf dem Todbett
Noch ihr schwur auf die pochende Brust: so will ich den, Unger,
Reuig erwägend die Schuld der dauernden Geistesverblendung,
Vorzieh'n jetzt dem Treulosen, der mich verließ, und nicht schmähen
Fürder das edlere Blut des throngebornen Erzeugers.«
Jener erhob sich mit Würde vor ihm, und beugte die Scheitel,
Schweigend, zum Dank. Doch, als im schlachtentscheidenden Kriegsrath
Für den bald aufdämmernden Tag Alljedes besorgt war,
Saß der Kaiser im Heldenkreis' bei dem fröhlichen Nachtmahl
Heiteren Blicks, und sprach, umschauend, zu Diesem und Jenem:
»Laßt euch Lagerkost, ihr Herrn, genügen: für jetzt noch
Sind der Gerichte nicht viel', doch würze die wenigen Frohsinn!«
Lautes Gemurmel erscholl in dem Zelt. Geschäftige Diener
Reichten die Speisen herum: das dampfende Muß, aus dem Vorrath
Zartesten Mehles gekocht; dann wildes und zahmes Geflügel,
Wohlgebraten am Spieß mit dem Rücken des jährigen Rindes,
Und, zum kräftigen Brote zuletzt, der Sitte geziemend,
Goldenen Honigseim, wie solcher dem Deutschen ersehnt war.
Andere trugen die Fluth des köstlichen Weins in den Krügen
Freundlich herum, und füllten den Bauch der räumigen Humpen,
Die vor jeglichem Gast', aus schimmerndem Erze getrieben,
Standen, nach Herzenslust bei dem Nachtgelage zu trinken.
Lauter und feuriger ward das Gespräch, und bewegter das Kriegszelt.

Aber der Kaiser sah mit lächelndem Wink nach dem Ritter
Müller, dem Zürcher, der im Kreise der Fröhlichen, immer
Heiteren Scherzes gedacht', und jetzt zu Friedrich von Nürnberg
Also begann: »Herr Burggraf, sprecht: wie war's denn vor Basel
Mit dem Gelehrten, da Ihr ihm Habsburgs Pfennig nicht gönntet?«
Jener kündete nun mit hocherröthenden Wangen:
Wie in dem dauernden Kampf vor Basel dem edelen Ritter,
Rudolph, both sein Werk: »Von den Kriegen der Römer und Deutschen –
So auch des Feldherrn Wissenschaft« ein Gelehrter aus Straßburg;
Jener ihm schnell ein Goldstück gab mit der goldenen Kette,
Die von dem Hals ihm hing, und d'rauf, voll Gier, in den Büchern
Blätterte; wie er – der Schwester Sohn, ihm solches verwiesen,
Da viel Geldes das Volk ihn kostete, viel auch der Kriegszug
Fortan heischt'. »Ach hört,« so erzählt' er dann, »wie mich Rudolph
Schalt. ›Der herrlichste Lohn,‹ so sprach er, ›gebührt dem Gelehrten,
Der hochrühmliche Thaten beschreibt, und im Herzen den Muth weckt,
Sie zu vollbringen dereinst. Er säße wohl selber mit Freuden
Ueber den Büchern, so ihm nicht die Zeit ermangelte; lieber
Spendet' er auch sein Gold auf ihn, der, dauernden Mühens,
Solche Schätze gehäuft, denn auf manchen untüchtigen Krieger.‹« Ueber dieses historische Factum siehe Fugger Ehrenspiegel S. 75. Cap. VIII.
»Wahrlich,« so fiel ihm Müller in's Wort, »kein wankendes Schilfrohr,
Das sich im Hauche des Windes bewegt, gewahrten die Gegner
Jemals an ihm, denn hört: der Regensberger vererbte
Auch an den Kraft von Toggenburg, der seines Geschlechts war,
Unversöhnlichen Haß g'en Habsburg. Feindlich umringten
Wir mit erlesenem Volk dort Uznach, die ragende Felsburg,
Und ein Krachen begann alsbald: denn laut und unzählbar
Flogen die Felsen nach ihr, von des Antwerks Antwerk war ein Wurfgeschütz, aus welchem Steine von bedeutender Schwere, ja auch zuweilen Schwefelfeuer nach den Erkern, und auf die Häuser der Veste geworfen wurden. (Ueber diese und die folgenden Kriegswerkzeuge des Mittelalters, siehe: Schachts vortreffliches Werk über Hornecks Reim-Chronik, Mainz 1821, S. 388.) mächtigem Wurfbaum
Hingeschnellt, das Ermel in Roth, der treffliche Meister,
Sinnig zu bauen verstand. Auch die Katzen, Katzen nannte man die mit Erde gedeckten Werke, welche inwendig mit Stoßbäumen versehen, nach Ausfüllung der Gräben, bis an die Mauern vorgeschoben wurden, und gegen welche man sich durch Minen, und Geschosse von den Mauern herab, zu wehren suchte. S. oben. mit Erde bedecket,
Rasteten nicht, stets näher den Mauern gerückt, und die Krieger
Schirmend vor Feindesgeschoß, die im Sonnenlicht und im Nachtgrau'n
Schwangen die furchtbare Wucht des mauerzertrümmernden Balkens.
Hundert Fuß aufragte der Stamm des mächtigen Eichbaums,
Den der Meister sich wählt', und mit Eisen die Stirn' ihm bewehrte.
Donnernd schlug er die Wand, von kräftigen Kriegern geschwungen.
Endlich rückten wir auch mit dem Ebenhoch Ebenhoch hießen eine Art Thürme, die, wahrscheinlich auf Rädern, an die Mauern geschoben, verschiedene Geschosse in die Veste zu schleudern, dienten. Ihr Nahme zeigt, daß sie hoch genug waren, um das Innere der ummauerten Städte und Vesten übersehen zu können. S. oben. an die Zinnen:
Schleudernd von ihm zermalmende Blöck' in die Mitte der Felsburg –
Auch mit Schwefel und Harz erfüllete, brennende Kugeln.
Doch ereilt' uns d'rauf der grimmige Winter: verderbend
Hielt sich die Burg sechs Monden schon mit erlesenem Streitvolk.
Viele begruben wir dort der Unseren; viele vermißten
Wir an dem Morgen oft, die feig entwichen bei Nachtzeit;
Doch nie wankte noch Rudolphs Muth. Da warfen die Gegner
Lebende Fische heraus in das Lager, als spotteten sie noch
Seiner Gewalt. Er rief: »Ermannt euch: unser ist Uznach!«
Also geschah's. Er drang bei Nacht mit wenigem Volk nur
Ein durch den Mauerbruch, und eröffnete herzhaft das Thor selbst.
Unserm würgenden Schwert' erlagen die Gegner, und alsbald
Fiel auch die Burg, zerstört, auf den Wink des Helden von Habsburg.«

Laut umtönt' ihn einhelliger Ruf: »Hoch lebe der Held uns!«
Doch nun sah ihn zugleich der blühende König der Ungern
Traulicher an, und sprach: »Stets bist du wohl glücklich gewesen?
Denn ein heiterer Geist wohnt dir in den freundlichen Augen.«
Jener begann: »Nicht also: denn vieles erduldet' ich seither,
Ander'n Sterblichen gleich, im wechselnden Laufe des Lebens;
Leidengeübt erkenn' ich das Maß auch der härtesten Leiden
Anderer; doch, ich lernete dem, was über uns waltet,
Frühe mich fügen; hab' treu an des Heilands Lehre gehalten,
Die uns gewiß, denn einzig wahr, hienieden und jenseits
Leitet zum dauernden Glück. Mit Dank genoß ich des Guten;
Setzte dem Schlimmen ein Ziel durch Geduld; stets ehrt' ich die Wahrheit;
Meine Wege befahl ich dem Herrn, und schau' in des Grab's Nacht
Ruhigen Blicks: mir winket aus ihr das ewige Lichtreich.«
Sagt' es, und sah, bewegt, nach Albrecht, seinem Erzeugten,
Der an den Lippen des Vaters hing, und weinte, hinüber.
Stiller wurd'es im Zelt, da rief mit umschallender Stimme
Lichtenstein: »Was soll uns der Ernst bei der fröhlichen Mahlzeit?
Morgen ruft uns die Schlacht mit donnerndem Laut', und des Frohsinns
Jubel verhallt. Wer kehret, wer nicht? Weß' Sitz an dem Tisch hier
Leer ist bei'm künftigen Mahl: das steht uns zum Glück noch verborgen;
D'rum genießet des Augenblicks, eh' er schwindet auf immer!
Soll dieß herrliche Fest des Sängers ermangeln? Er harret
D'raußen nur eures Winks: der gemeinsamen Freude gedacht' ich.«
»Sage mir an,« sprach Rudolph jetzt, »weß' Landes und Volkes
Rühmt sich dein Sänger? Bekannt sind mir die Weisen der Meister:
Denn mir waren sie stets ersehnete Gäste; so mancher
Wallte zur Habsburg hin, und geehrt ging jeder von dannen.
Gierig horcht mein Ohr den zaubergewaltigen Männern:
Denn mit frischerem Grün bekleidet ihr Sang in dem Winter
Selbst, den entblätterten Wald, und mit Frühlingsblumen die Matten,
Die der herbstliche Wind versengt': auf den nebligen Himmel
Sä't er glänzende Stern' umher, und weckt in des Menschen
Fühlender Brust gar mächtig die Ahnung der schöneren Zukunft,
Der hier unter dem Druck der Gegenwart, wie erstarret,
Ach, nach jener, so oft, mit inniger Liebe sich sehnet!
Eilt, und führt ihn herein den werthen Gast bei dem Mahl hier.«
Jener eilte hinaus; dann kehrt' er, und sagte dem Herrscher:
»Nicht unrühmlich bekannt ist Hornecks Dem Verfasser der berühmten Reim-Chronik, die zuerst von dem gelehrten Benedictiner von Melk, Hieronymus Pez, im Jahre 1745 zum Druck befördert ward, hat Lazius Comment. Geneal. p. Auster. 233 außer dem Nahmen Ottakcher (Ottokar), den er sich selber R. Chr. Cap. 177 beilegt, unbekannt aus welcher Quelle, auch den von Horneck, aufgefunden. Er lebte unter Rudolphs I. und Albrechts I. Zeiten; war in Steyermark geboren; hatte den berühmten Meistersänger Kunrad von Rotenberg, der vorher an Manfreds Hofe lebte, zum Lehrmeister; stand, man weiß nicht, in welcher Eigenschaft, im Gefolge Ulrich und Otto Lichtensteins; wohnte der Marchfelder Schlacht 1278 bei, und starb erst nach dem Jahr 1309, da er noch von dem Aufruhr einiger aus dem Adel, und der Wiener Bürger, gegen Friedrich den Schönen spricht, und damit sein Werk beschließt. Die Reim-Chronik Hornecks, die mit dem Tode Friedrichs II. röm. Kaisers beginnt, und um das Jahr 1309 der Regierung Friedrich des Schönen endet, enthält über 83,000 kurze gereimte Verse in 830 Capiteln.

Ein anderes noch ungedrucktes Werk Hornecks: Von den Monarchen und Kaisern der Welt bis auf Friedrich II. röm. Kaiser, in ähnlichen Versen verfaßt, ist im Besitze der k. k. Hofbibliothek zu Wien. (Siehe die Vorerinnerungen des Hieronymus Pez zu Hornecks Reim-Chronik in seinem Werke: Scriptores rerum Austriacarum III. Band; und obiges treffliche Werk: Aus- und über Ottokars von Horneck Reim-Chronik, von Th. Schacht, Mainz 1821.)
Name, des Sängers,
Der aus der Steyermark entsproß, und in blühender Jugend
Fort nach Deutschland zog an den Hof des würdigen Bischofs,
Werner von Mainz, wo ihm Rotenburg zum Meister geworden.
Aber ihn drängte das Herz: ein redlicher Hirte der Schäflein
Seines Heilands zu seyn, und er weidete solche mit Sorgfalt,
Jahrlang, bis ihm die Feder zugleich und das Siegel der Bischof
Wieder vertraut'. Er starb, und Horneck kehrt' in die Heimath:
Erst dem Sänger des Frauenbuch's, Ulrich von Lichtenstein, aus der steyerischen Linie der Lichtensteine – ein trefflicher Ritter und Minnesänger zugleich, der die beiden merkwürdigen Gedichte: Frauendienst, und: Ytwitz oder der Frauen Puech, verfaßte, mag kurz vor der Marchfelder Entscheidungsschlacht gestorben seyn. Das erstere Werk enthält ein prächtiger Codex in München, und wurde herausgegeben durch Ludwig Tieck. Stuttgart und Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung 1812. Das zweite befindet sich in der Ambraser Sammlung zu Wien, Bl. 220-225 noch ungedruckt. (S. die Beschreibung Primißers – Seite 279.) deß' Sohn ich mich rühme,
Sich zum Frommen zu weih'n: dann mir, als jener gestorben:
Denn mit unsäglichem Fleiß, in zierlichem Reim die Geschichten
Schreibend, folgt er mir treulich nach im Krieg' und im Frieden.«
Doch nun trat im langen Talare der heilige Sänger
Leise herein. Er trug die tönende Harfe mit Vorsicht
Unter dem Arm, und grüßte die Schar – vor allen den Kaiser
Tief, und mit innigem Blick'. Erstaunt besann der Beherrscher
Deutschlands sich. Ihm schien: als hätt' er ihn früher gesehen;
Nur vom lastenden Alter gebeugt, und ergrauet an Haaren
Stand er, ein Fremdling, vor ihm. Da ließ er mit freundlichen Mienen
Auf den niedrigen Stuhl am Zelteingange sich nieder;
Langte die Harfe hervor, und fuhr mit flüchtigen Fingern
Ueber die Saiten dahin, die herzerschütternden Lautes
Töneten. Still ward's d'rauf in dem Zelt, und es stockte der Odem
Allen umher in der Brust, da er jetzt den feierlichernsten,
Heiligen Sang begann im Klange der bebenden Saiten:

»Laut erbrauset der Sturm, und jagt tiefhangende Wolken
Ueber die finsteren Berge hinaus. Der laubige Hochwald
Trieft, der Gießbach rauscht, vom dauernden Regen geschwollen.
Sieh', dort ruhete nun, aus dem Sattel gestiegen, ein Ritter,
Nach ermüdendem Weidwerk aus. Von dem heiteren Antlitz
Strahlt ihm der Heldenmuth – aus den bläulichen Augen die Wahrheit,
Liebe, und Treu'. Er sah in die Fluthen: sie saus'ten, und braus'ten,
Eilten im Fluge dahin, und er dachte des fliehenden Lebens.
Aber der Rappe scharrt; laut winselt der gierige Schweißhund:
Denn kein Wild auftrieb er im Forst, und der Ritter erhebt sich
Heim zu zieh'n in die Burg, wo sein die Liebenden harren.
Jetzt erreicht Geklingel sein Ohr. Von dem finsteren Wald her
Naht dem Ufer ein Priester des Herrn: im schimmernden Chorrock,
Und mit goldener Stol' an der Brust, nachschreitend dem Meßner
Eilig, das Engelsbrot zu dem sterbenden Manne zu tragen.
Doch jetzt schaut er, voll Angst, umher: denn siehe, der Gießbach
Schwemmte den Steg aus dem Grund', und drüben aufjammert die Hausfrau:
Hörbar poche der Tod an der Thür', und es lechze der Gatte
Nach der Labung, die ihn auf die Reis' in die Ewigkeit stärke.
Schnell entblößt' er die Füß' an des Ufers felsigem Abhang,
Dort die rauschende Fluth kühn durch zu waten, entschlossen.
Aber der Ritter kam in Eile herüber, und both ihm –
Erst anbethend den Heiland der Welt, das gesattelte Reitroß
An zu heiligem Dienst, und kehrte, vergnügt, zu den Seinen.
Als der Abend sank, und die Welt in rosigen Schimmer
Hüllete, sieh', da führte der Priester das Roß an dem Zügel
Ueber den Burghof her, und sagt' es dem Ritter mir Dank heim!
Aber er sprach: ›Was dünkt dich? Nein, nicht diene dieß Reitpferd
Fürder zu schnödem Gebrauch, das meinen Erlöser getragen:
Denn nun sey's der Kirche des Herrn mit dem Feld' an dem Weiher
Frei geschenkt, daß hinfort kein Wildbach mehr auf den Pfaden
Jenes unwirthbaren Raums, in dem heiligsten Amte dich hemme!‹
D'rauf der Priester begann: ›So vergelt' es dir Gott, der Erbarmer,
Edeler Herr, was du mit erbarmendem Sinn an dem Diener
Seiner Kirche gethan: stets mög' es dir glücklich ergehen!
Ha, mir sagt es der Geist, und ich irre nicht – sey dieß Geheimniß
Dir in den Tiefen des Herzens bewahrt: dir zieret die Scheitel
Würdig dereinst die Krone des heiligen, römischen Reiches!
Herrschen wird dein Geschlecht auf dem herrlichsten Thron' in die Zukunft
Endlos hin. Dein dauernder Ruhm erfüllet den Erdkreis!‹«

Endete so: da sah'n zugleich die versammelten Helden,
Staunend, dem Kaiser in's Aug', und erkannten des Grafen von Habsburg
Fromme That enthüllt, die er stets verschwiegen voll Demuth.
Aber er stürzte herbei, und drückte mit heißer Umarmung
Lange den heiligen Greis an die Brust; dann rief er bewegt so:
»Wahrlich, du bist's, Ehrwürdiger, der an dem rauschenden Gießbach
Mir mit dem Herrn erschien, dort Glück und Segen zu spenden!
Möge die ewige Huld dir hier und dort ihn vergelten!«
Jener beugte die Stirn' auf Rudolphs Hand, ihm die Thränen
Bergend, und wankte hinaus in dem einsamen Zelte zu ruhen.
Auch die Helden, gesammt, enteileten: denn an des Morgens
Tod- und lebenentscheidende Schlacht ermahnte der Kaiser
Sie mit erglühendem Aug': »O denket,« so sprach er, »des Morgens,
Der uns im eisernen Felde vereint. Im Sieg' ist die Freiheit,
Wohlfahrt, Ruhe und Glück viel Tausender: denket des Sieges!«
Aber erschütternd braust' ein Ruf aus dem Munde der Helden:
»Ha, wir gedenken mit Gott zu erringen den Sieg in dem Blutfeld!«

Tief verstummte das einsame Zelt. Mit sinnenden Blicken
Ging der Kaiser umher; dann saß er wieder, und dachte
Noch des wechselnden Glücks der Sterblichen – sah mit Ergebung
Himmelempor, und entschlummert' im Schimmer der Lamp' auf dem Lehnstuhl.
Aber nicht lang, da fuhr er, bewegt, zusammen (nicht wacht' er,
Schlummerte nicht) ihm stand, verklärt in himmlischer Schönheit,
Hartmann, der liebende Sohn, vor den nachtumhülleten Augen,
Blickte lächelnd ihn an, und sprach: »In düsterem Zeitraum
Schieden wir, mein Vater! Mir ward auf dem irdischen Dornpfad
Jammer zu Theil, und ich weinete still: nicht gewahrend der Vorsicht
Mildumschlingende Hand, die allein zum lohnenden Ziel führt.
Ha, nun steh' ich am Ziel! Gelös't, und in himmlischer Klarheit
Liegen des Lebens Räthsel vor mir; versiegt ist der Thränen
Bitterer Quell, und es jauchzt die entfesselte Seele vor Wonn' auf.
Vater, traure nicht, wenn die Todesbothen dir künden:
›Hartmann starb in den Fluthen des Rheins: im rühmlichen Streben,
Retter zu seyn Unglücklicher! Schon ist die sterbliche Hülle,
Die ihn umgab, in dem Baseler Dom zu Grabe getragen,
Wo ihm ein Denkstein wird, auf immer zum ehrenden Zeichen.
Traure nicht. Ich, und die Mutter – wir harren dein in Gefilden
Ewigen Glücks, bis treuerfunden am Ziel, wo entscheidend
Sinket die Wag', und steigt, auch du, vor unsäglicher Wonne
Jauchzend, die Deinen ersiehst in seliger Wiedervereinung.
Denke der Alpenhöh'n, des Greises, und frommen Gelübdes,
Wenn in umdrängender Schlacht die Hoffnung des Sieges dir schwindet!‹«

Rudolph fuhr von dem Stuhl'. Er wähnte den fliehenden Schimmer
Noch an der Decke des Zeltes zu schau'n, und zitterte, starrend
Hin, den Gesichten der Nacht. Dann rief er: »Ein furchtbarer Traum war's:
Furchtbar und himmlisch zugleich! Mein Hartmann lebt, und mich täuschte
Nur der Lamp' aufflimmerndes Licht. O Herr, du bewahr' ihn!«
Sprach so; streckt' auf dem Lager sich aus, und entschlummerte wieder.

Aber nicht herrschte die Ruh' und des Herzens Frieden in Ottgars
Zelt: denn eben kehrt' er zurück aus dem finsteren Eichwald
Götzendorfs, und er wähnete noch: die Schrecken der Hölle
Rauschten hinter ihm her, im Gezisch' unseliger Geister.
Furchtbar rollte sein Aug', und seine geöffneten Lippen
Zitterten. Doch nun warf er das Schwert auf den drönenden Tisch hin,
Ließ sich nieder, und starrte mit düsterem Blick' in des Oehldochts
Flimmernden Schein. Er eilte zuvor dem waldigen Thalgrund
Götzendorfs, im Grauen der Nacht, allein, und dem Heerweg
Fern' auf dem schnaubenden Roß entgegen: des dunkelen Schicksals
Ruf noch einmal dort an dem schauerumflossenen Eichbaum,
Dem die Bewohner des Dorfs nur mit Angst und Schrecken vorüber
Eileten: denn stets scholl Gezisch um ihn her, zu vernehmen.
Dorthin bannt' erst jüngst Drahomira, voll höllischer Arglist,
Einen täuschenden Spuk, zu verlocken den finsteren Ottgar,
Der um die Mitternacht hinwanderte, Gott zu versuchen.
Als er rasch auf den Baum losdrang, da trat ihm sein Engel
Unsichtbar in den Weg, und rief an das Herz ihm die Warnung:
»Wie, Verehrer des Herrn des Weltalls, Theuererlös'ter,
Willst du dem Vater der Lüge dich weih'n – die unsterbliche Seel' ihm
Selbst verschreiben zum Pfand für trugverhüllende Zeichen?
Kehre zurück; bereue die Schuld des entflohenen Lebens.
Mild erbarmt sich der Herr des Reuigen: eil' ihn zu söhnen!«
Ottgar horchte bestürzt: denn zorngerötheten Blickes,
Sah der Unsterbliche jetzt nach dem Baume hinüber, und alsbald
Floh'n die finsteren Mächte davon. Ihr wildes Gezisch scholl
Laut um ihn her: er wandte das Roß, und im brausenden Eilflug
Kehrt' er heim in das Zelt, von Angst ergriffen, und Schauder.
Als er dort beim Scheine der mattaufflimmernden Lampen,
Sinnend, saß: da scholl ein Getrab anstürmender Rosse
Näher. Nicht lange, so stand Kunegunde, mit flammenden Blicken
Schauend, vor ihm, und sprach: »Hast du die verhüllete Neigung
Deiner so theuren Tochter dir, zu dem herrlichen Jüngling,
Wallstein, früher gekannt, der jüngst in's eigene Schwert sank,
Und ihr Herz verwundet im Zorn? Nie siehst du sie wieder.
Hedwig entfloh. Aus dem Kloster, ach, der ad'ligen Nonnen
Drüben im Ungerland kam mir die Kunde gesendet:
Eine Braut des Herrn, will sie in erkorener Stille
Leben hinfort. Schon hüllt ihr die liebliche Stirne der Schleier.
Schrecklicher, dein Werk ist's: gar viel des Schlimmen erlebst du!«

Ottgar beugte das Haupt, und barg die thränenden Augen
Schnell mit den Händen vor ihr: von dem leise geahneten Schicksal
Seines theuersten Kindes bewegt. Er bebte, verstummend.
Doch sie sprach von neuem mit Hohn: »Im nächtlichen Grauen
Komm ich von Drösing heran: denn wer gewahrt' in des Tages
Licht nicht die Scham und die heimliche Wuth mir im glühenden Antlitz
Ueber die Flucht des Böhmenheers – des tapfersten Heeres,
Das sein Hort: weh mir, daß ich Gattinn dem Feigen geworden,
Fliehen hieß in dem Augenblick des entschiedenen Sieges!«
»Weib, halt ein!« schrie laut der Empörete, »kühn und entschlossen
War ich mein Leben lang, und feig ertrug ich als Gatte
Nur die Launen des Weibs, das mir zum Jammer zu Theil ward.
Ach, die unfriedliche Ehe gebiert die herbste der Qualen!
Doch für jetzo hinweg mit eitlem Gezanke. Zu furchtbar
Dränget der Augenblick: nicht fern ist die Stunde der Schlacht mehr.
Fort noch heute g'en Prag! Ich sende dir muthige Scharen
Zum Geleit. Mit dir sey Gott! Kunegunde, die Mutter
Meiner Kinder bist du! Erhabenes liegt in den Worten.
Halte sie wohl, die theuern! Gar viel ertrug ich des Schlimmen
Mit Geduld, um die Kindlein: denn mir fehlte der Sohn noch.
Ha, daß vielleicht, so mir die Heimkehr wird aus dem Kriegszug,
Schönere Tag' uns blüh'n! Nur als Sieger siehst du mich wieder.«
Sagt' es, und stand, verwendeten Blicks. Ihr rollten die Thränen
Ueber die Wangen herab: denn tief vorahnte sie's: nimmer
Werde sie ihn mehr seh'n; doch scholl kein freundliches »Leb' wohl!«
Ihr von den Lippen; sie ging, und schwang sich auf's Roß, von den Reitern
Dicht umschart, bald Prag, die herrliche Stadt zu erreichen.

Heftig bewegt, ging Ottgar jetzt im dämmernden Zeltraum
Auf und nieder, und sann. Schon längstentflohene Zeiten
Kehreten ihm, nun lieblich und hell, nun nächtlich und furchtbar,
Wieder im Bilde zurück, und ach, unendliche Wehmuth
Faßte sein Herz, als dort die dämmernde Helle des Nachtgrau'ns
Trauergewölk verschlang, und um ihn, verödet, die Welt lag!
Stöhnend streckt' er zuweilen den Arm weit vor, und ersehnte
Heiß, zu entreißen dem Grab, was solches im Moder bedeckt hielt.
Seine Lippen bewegten sich dann, und lispelten Nahmen,
Ort, und Zeit umher in die Dämmerung. Willigen Herzens,
Wär' er mit flehendem Wort vor Dem, und vor Jenem gesunken
Auf die Knie', zu erringen den Wink ersehnter Verzeihung.
Doch, als Niemand war, der Antwort gab, und auf Erden
Alles, verstummt, und erstarrt, auf immer jegliches Mitleid
Ihm zu versagen schien: da hob er die furchtsamen Augen
Auf zu dem Himmel, und sah durch leis'aufquellende Zähren,
Zweifelnd, hin, bis jetzt, erschüttert, die bebenden Händ' er
Faltete; dann, gesunkenen Haupts, auf die Kniee sich werfend,
Also begann: »O Herr, nicht geh' in's Gericht mit mir Armen!
Ringsum drängt mich die Schuld, wie die Fluthen des schwellenden Bergstroms,
Und einstürzender Berge Geröll. Wo find' ich Errettung
Einst vor deinem Zorn, Allmächtiger, wo, so dem Schuldner
Nur vergeltendes Recht, nicht auch Erbarmen zu Theil wird?
Doch Erbarmen mit mir, das, hart- und eiserngesinnet,
Ich nicht übt' an den Menschen – ein Mensch? Erhebe die Hand nur,
Furchtbarer, straf' mich: denn ich hab' es verschuldet, auf immer!
Dennoch nimmst du die Sühne noch an; barmherzig und gnädig
Bist du, o Herr, wenn reuig das Herz auf der irdischen Bahn noch,
Schmerzdurchdrungen, sie beut! Noch wandl' ich auf ihr. Im Bewußtseyn
Schrecklichen Frevels, zu dem auf der schwindelnden Höhe des Thrones
Mich die gefährliche Macht und der feiggesinneten Schmeichler
Zauberruf hinriß, und des ungebändigten Herzens
Ehrgeiz, Stolz, und begierliche Gluth stets mächtiger drängte,
Will ich, läßt du mich leben, o Herr, mit reuigem Herzen
Sühnen die Schuld! Wie ich einst des Kreuzes heiliges Zeichen,
Siegend, zur Ostsee trug, und dort den verwilderten Heiden
Deines Nahmens Ruhm verkündigte, eifernd für Wahrheit,
Tugend, und Recht; wie dort das Herz bei jeglichem Guten
Höher im Busen mir schlug, und ringsum die heitere Schöpfung
Lächelte, weil in der Brust noch Frieden mir wohnte: so will ich,
Ein erneuerter Mensch, hinfort dir leben, und würdig
Wandeln vor dir, geschirmt von deiner allmächtigen Rechten!
Ha, der Morgen graut! Ich stehe g'en über den Feinden:
Jenem zumal, der mich verhöhnete – mir in dem Herzen
Glühenden Haß und Rachsucht weckt'. Ich verzeih' ihm: du heischest
Solches, mein Heiland, von mir zum Gehorsam. Im redlichen Kampf nur,
Den des Throns erworbenes Recht und die Liebe der Völker
Heiliget, will ich ihm steh'n, und anheim dir stellen mein Schicksal.
Gieb mir den Sieg, Herr! Doch nicht mein – dein Wille geschehe!«

Aber die Himmlischen feierten nun der unendlichen Allmacht
Huldausstrahlenden Wink. Auf Erden erglühte das Frühroth.


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