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Neunter Gesang.

Morgen. Der Kaiser verschiebt die Hauptschlacht auf den folgenden Tag. Sendet Trautmansdorf mit seinen Söhnen, es Ottgarn kund zu thun, und ihm nochmals Frieden zu biethen. Dieser wird von ihm schnöde abgefertigt. Von den feindlichen Reitern gehöhnt, kehren fünf seiner Söhne, kämpfen, und fallen. Der Kaiser stellt sein Heer dem anstürmenden Feind, vor des Lagers Wall, entgegen. Angriff, und hartnäckiger Kampf. Milota tödtet die beiden Führer Berchtold und Col von Seldenhofen. Capellen entflammt die Oestreicher. Die Mährer weichen. Katwald ermuntert den Herbot von Füllenstein, daß er vor Allen auf den Kaiser eindringe. Meinhard, Graf von Görz und Tyrol, ringt gegen die Bayern und Sachsen, und erlegt den Feldherrn Czernin; Heunburg den Markgrafen Pfeil, Feldherrn der Sachsen. Da dringt Herbot von Füllenstein auf den Kaiser los, und ersticht ihm das Pferd unter dem Leib. Sechs Trautmansdorfe kämpfen um ihn herum, und fallen. Der Kaiser reißt Herbot mit dem Speere von dem Pferd herunter, und macht ihn gefangen. Heißt dort Albrecht mit den Schweizern vordringen, hier Matthias von Trentschin mit den Ungern dem Feind' in die Seite stürmen. Lobkowitz ruft Ottgar auf, daß er mit ganzer Macht sich auf den Feind werfe. Er gibt ihm kein Gehör. Auf den Ruf »die Feinde fliehen!« weichen seine Völker, und er führt sie bis Dürnkrut zurück. Der Kaiser lagert vor Ebenthal. Nacht.


S anft verhallete jetzt der Gesang zu der heiligen Feier,
Die der Priester des Herrn vollendete, kreisendumgeben
Von des Heeres geordneten Reih'n. Im räumigen Lager
Stand der Altar erbaut vor dem Bild des erlösenden Kreuzes
Schnell, wie die Zeit es heischt', im Schmuck hellgrünender Reiser;
Aber im Augenblick, wo nahe des Lebens und Todes
Würfel fallen, aufschwang sich das Herz in heißerer Andacht
Mit dem Gesange zu Gott: gar feierlich schlug's in dem Busen!
Jetzt vom Staub, wo er bethend kniet', erhob sich der Kaiser.
Himmlische Ruh' erhellte sein Aug', und heiteren Muthes
Pochte sein Heldenherz, da im Feld die kehrenden Scharen
Schnell sich ordneten: denn schon riefen zum Kampf die Drometen.

Hell aufflammte des Morgens Strahl. Die freundliche Sonne,
Die den Abend zuvor in Westen ermüdet hinabsank,
Hob sich in Osten jetzt, als unter dem kreisenden Erdball
Sie die heimliche Bahn vollendete, schöneren Anblicks,
Wieder herauf, und erweckte die Welt zu erneuertem Leben.
Frischer grünte das Feld, und glänzender hüpfte der Strom hin;
Voll war Himmel und Erde vom Laut der verjüngeten Schöpfung;
Nur aus dem Waffenschmuck des versammelten Heers in dem Lager,
Sog die Sonn', im Lauf, toddräuenden Glanz, und erfüllte
Rings die Völker umher mit Angstgebilden der Zukunft.
Aber den Kaiser umgab ein Kranz erlesener Feldherrn;
Alle horchten auf ihn, und harrten freudig des Winkes,
Der zu Thaten sie rief. Da sprach er, finsteren Blicks, so:
»Ottgar säumt, uns hier, wie er gestern gedroht, zu vernichten.
Schmach der That: nicht der Sitte gemäß, die aus grauender Vorzeit
Wir ererbten, uns both er den Kampf; nein, heimlich, im Dunkeln
Fiel er, dem Wahrwolf gleich, der nächtlich die Hürde bestürmet,
Ueber uns her. Es gelang dem Kühnen, zerstreute Geschwader
Niederzuwerfen: sie trugen die Schuld und hatten den Lohn hin,
Allen zum warnenden Wink, daß nimmer ein Gleiches geschehe!
Aber vernehmt, was mir zuvor an heiliger Stätte
Mächtig die Seel' ergriff. Der entschwundenen Tage des Lebens
Dacht' ich im stillen Gemüth: kein dauerndes Glück ist auf Erden.
Als ich Gutes und Schlimmes erwog, da fand ich, verwundert,
Daß ich am Freitag, an dem der Welterlöser für uns starb,
Stets mit Vortheil focht, und den Sieg errang in der Feldschlacht.
D'rum, nicht aus Feigheit, nein, aus herzentspross'ner Verehrung
Für das geheiligte Kreuz, will ich den Kampf der Entscheidung
Morgen kämpfen, am Tag des heiligen Bartholomäus –
Heute, gefaßt, nur kühn abwehren den feindlichen Angriff
Ottgars, so er ihn wagt. Wir wollen sogar ihm versöhnend
Nah'n vor des furchtbaren Kampfes Beginn. Hervor aus den Reihen,
Trautmansdorf! Zieh' hin zu dem Könige; bieth' ihm des Friedens
Oehlzweig noch einmal aus meiner versöhnlichen Rechten.
Mögen auch dein' Erzeugten, wie sonst, dir folgen, daß etwa
Solches den Trotz ihm beugt, und das Herz zur Milde beweget:
Denn tief rührt uns die Schau des söhn'umgebenen Helden!«
Also geschah's. Hervor aus den Reihen der tapferen Ritter
Kam nun Trautmansdorf mit den zwölf ruhmdürstenden Söhnen –
Zwei entraffte der grimmige Tod schon gestern im Nachtgrau'n,
Als sie im Ueberfall dort Ottgars Rechter erlagen.
Ach, nicht lange, so fallen auch sie, auf dem eisernen Schlachtfeld
Kämpfend, und einsam kehrt der trauernde Vater zur Burg heim!
Jetzt entblößt' er den Stahl, und sagte mit sinnigen Blicken:
»Hart ertönet dem Vater der Ruf, daß er nahe dem Gegner,
Dessen Rechte noch roth vom Blut der erschlagenen Söhn' ist:
Denn er könnte den Streit, obgleich ein Bothe des Friedens,
Heißer entflammen. Wohlan, wir wollen des Friedens gedenken!«
Sagt' es, und sprengte davon, umringt von den tapferen Söhnen.

Siehe, nicht fern von Zwerndorf theilt, von trüben Gewässern
Schwer, sich der Weidenbach, und eint sich nur wieder vor Marcheck.
Links hin streckt er im Augefild den schlängelnden Arm aus,
Während, die Straß' entlang, er rechts die tieferen Fluthen
Träg fortwälzt. In dem Eiland dort, Baumgarten vorüber,
Traf nun Trautmansdorf auf die Reisigen, welche der Gegner
Sandt', umspähenden Blicks, zu erkunden die Nähe des Gegners:
Denn es erlies't auf der Kriegslaufbahn ein jeglicher Feldherr
Waghäls' sich, die im Grau'n des feindbedroheten Vorschritts,
Als Erleuchter ihm zieh'n, und Sicherheit schaffen der Heersmacht. Die Krieger, gewöhnlich leichte Reiterei, die vor einem feindlichen Heere daherzieh'n, heißen in der bestehenden Kriegssprache: Eclaireurs.
Schon von ferne die Schar, die Rudolph sandte, gewahrend,
Ritten sie, brausenden Flugs, zu den Mähnen gebeugt, und den Degen
Schwingend auf in die Lüfte, heran: sie wähnten, des Gegners
Vorhuth sey's, und brannten vor Gier, sie niederzuschmettern.
Laut schrie Trautmansdorf: »Halt ein! Als Herolde nah'n wir:
Blutigen Kampf – will's Gott, noch lieber den Frieden zu biethen!«
Jen', unmuthigen Blicks (denn beutebegierig) ihm winkten
Stille zu halten am stäubenden Weg', und sendeten alsbald
Zween der Reiter zurück, des Feldherrn Sinn zu erforschen,
Milota's; doch er that, des Herolds Worte bedenkend,
Solches dem Herrscher kund, und er säumte nicht: denn mit den Reitern
Seines Gefolgs und Milota's, kam er heran zu dem Vor-Zug;
Hemmte den Rappen, und hieß, mit zorngerötheten Augen,
Gegen ihn stolzausstreckend den Arm, den Redner beginnen:
»Mein erlauchtester Kaiser und Herr,« so sagte der Ritter,
»Sendet dir freundlichen Gruß, und thu't dir kund, und zu wissen:
Nicht nach edelem Brauch – unritterlich hast du sein Volk ihm
Ueberfallen bei dunkeler Nacht, und zu weichen, gezwungen.
Dennoch biethet er jetzt, hier unter des wölbenden Himmels
Heiterem Blau, und im Angesicht des versammelten Heeres,
Dir an dem Fest des heiligen Bartholomäus, auf morgen,
Offen die Feldschlacht an; obgleich gerüstet, entschlossen
Heut' in dem Lager zu ruhn, und abzuwehren den Angriff
Deiner Gewaltigen, wenn – doch, das sey ferne, sie stürmten.
Aber er heißt dich zugleich das Wohl und das Wehe bedenken
Tausender. Seyd versöhnt! Du vernahmst des Friedens Bedingniß.«

Ottgar schwieg erstaunt. Ihn erschütterte heimlich die Bothschaft.
Auch ergriff ihn mit Zaubergewalt ein flüchtiger Anblick
Jener blühenden Schar, die um ihren Erzeuger zu Pferd saß.
Bald auf dem einen und bald auf dem anderen hing mit Gefallen
Sein gemilderter Blick: er dachte des Sohnes, und – Wallsteins!
Schon gewahrete jetzt auch Lobkowitz, daß ihm der Unmuth
Wich aus der Brust: er kam, des Friedens Ruf zu erneuern;
Aber da naht' ihm Katwald schnell, und haucht' ihm, vor allem,
Trotz in das Herz. Er sagte: »Du sollst für den blühenden Oehlzweig
Tauschen heute dein Schwert im furchtbarn Felde der Waffen,
Wo der Sieg dich erhöht'? Ein Thor wär's, der es nicht sähe,
Daß nur die Angst vor dir ihm solches gerathen; zerschmettr' ihn!«
Also der Geist. Auch Milota rief ihm, verhöhnend, entgegen:
»Ha, du sollest vielleicht neu huldigen, wie auf dem Eiland
Kamberg? Steht das dunkle Gezelt, mit dem trüglichen Vorhang,
Dich zu beschimpfen, bereit, daß rings die Völker dich schauen,
Dich, den König von Böheim, dort auf den Knie'n vor dem Kaiser?«
Ottgar ballte die Faust; er sah mit grimmigen Augen
Um sich her, und begann voll Wuth: »Wer wagt es, vom Frieden
Hier zu sprechen? Hinweg auf immer mit jeglicher Einung
Zwischen Habsburgs Grafen und mir, dem Könige! Weichet,
Zitternde Memmen, nur wieder zurück', und entbiethet von Ottgar
Ihm die Fehd' auf Leben und Tod! Zieht hurtig von hinnen,
Alle, daß euch nicht ereile mein Zorn schon hier, vor dem Angriff.«

Rasche Bewegung erhob sich im Kreis' der gesendeten Helden:
Manchem zuckt' es im Arm, aus der Scheide sein blinkendes Eisen
Gegen den König zu zieh'n; doch schnell bezwang sie der Vater:
»Denket,« so rief er gefaßt, »wir kamen als Herolde Rudolphs,
Unsers erhabenen Kaisers, gesandt: nicht ziemt es uns, jetzt hier
Rächer der Unbill zu seyn; doch bald, in dem Felde der Waffen
Laßt uns gedenken der Schmach, und sie rächen im Blute mit Nachdruck.«
Rief's, und jagte den Renner zurück'. Ihm folgten die Seinen
Zögernd, vor Ingrimm, nur, und wandten die flammenden Augen
Häufig zurück: denn ach, die raschnachstürmenden Reiter
Höhnten sie noch mit Geschrei und mit schallendem, lautem Gelächter!
Sieben gehorchten, und folgten ihm nach; doch lenkten die andern
Fünf', aus der Zahl der eigenen Söhn', unbändiger Wuth voll,
Plötzlich die Rosse herum, und flogen zurück auf dem Heerweg.
»Brüder,« so rief der älteste laut, »kommt, lasset uns sterben,
Eh' wir dulden die Schmach, die uns also die Seele betrübet!«
So mit empörendem Ruf' enteilete Hartwig, den Degen
Schwingend zur Luft. Ihm nach, mit Eckhard, Walther, und Siegfried,
Folgte sein Zwillingsbruder und Freund, der tapfere Dietbert,
Bis sie erreichten die Schar der Reisigen, die zu dem Angriff
Herbot von Füllenstein, der riesengestaltete, führte:
Denn er warb sie entlang die grünlichen Fluthen des Peltew,
Jüngst: Klein-Reussens Volk, zu des Kriegs Beschwerden gestählet,
Wie auch geübt in dem Schlachtengedräng, schnellfüßige Rosse
Spornend, vorzusenken den Speer aus der Röhre des Bügels;
Dann mit des Fußes Druck' und dem Stoße der nervigen Rechten
Einzustürmen im sausenden Flug' in die feindlichen Reihen.

Siehe, so weit ein Pfeil, von der Sehne geschnellt, in den Lüften
Herfleugt, hemmte schon Hartwig das Roß, und harrte, dem Leu'n gleich,
Der in der Hetz', umringt von emporgereiheten Sitzen
Voll schaulustigen Volkes, allein, der entfesselten Rüden
Heulender Schar, wie sie kommen, mit todandräuenden Augen
Harrt, und vor Grimm dumpf murrt: so Hartwig, als ihm die Reiter
Naheten; doch er rief mit gewaltiger Stimme noch laut so:
»Ha, ihr brüstet euch wohl, auf die zierlichgestalteten Mützen
Wie auf das wallende Kleid und die fähnleintragenden Lanzen
Stolz, in dem Vor-Zug oft, in vielumstürmender Mehrzahl,
Niederzustoßen den einzelnen Mann? – so gar nicht geachtet,
Weder dem Feinde noch Freund': denn bar all' edler Gesinnung,
Die des Kriegers Brust, des tapferen, füllet mit Großmuth!
Euere Zung' ist kühn, die Helden zu schmähen; so kommt denn,
Zeiget den Muth, uns hier zu besiegen im rühmlichen Vorkampf!«
Also drang er im Eilflug vor; ihm folgten die Brüder
Alle, zur Wuth empört. Den Schaft der feindlichen Lanzen
Jetzt aufschleudernd zugleich mit dem Schwert', erwürgten der Gegner
Dreizeh'n sie, voll Hast, und wandten dann fliehend den Rücken.
Fort nur ein Weniges noch, und sie waren entrückt dem Verderben:
Da fiel Dietberts Roß, und begrub mit dem Rücken den Reiter.
Hartwig ersah's, wie er lag in dem Staub: denn immer nach ihm hin
Wandt' er den lächelnden Blick; urplötzlich verscheuchte das Lächeln
Jetzo die Angst: er stieg nicht, er stürzte vom Pferde herunter;
Lief, erhob ihn, und strebt', auf den Rücken des rasch und behend sich
Wieder erhebenden Thiers, ihm, lautermunternd, zu helfen.

Doch schon nahten im Flug die erbitterten Feinde. Die Lanzen,
Lechzend nach Blut, voreileten weit, zugleich von der Rechten
Und vom kräftigen Fuße gedrängt, zum schrecklichen Mordstoß.
Sieh', und, als den Zaum und die Mähn' erfassend, sich Dietbert
Auf in den Bügel schwang, da bohrten der feindlichen Reiter
Zween ihm die Lanz' in die Brust: er sank, und verhauchte das Leben,
Eh' aufschreiend vor Angst um den liebenden Bruder, ihm Hartwig
Hülfe geschafft, und Eckhard, fern mit Walther und Siegfried,
Sich des Jammers versah'n im lauterbrausenden Heimritt.
Zwar sie kehrten zurück'; auch Hartwig saß in dem Sattel
Wieder, und so wie der wüthende Bär, dem drüben der Weidmann
Schon das zweite Geschoß in die Seite getrieben, sich brüllend
Auf den hinteren Beinen erhebt, und rasch auf den Schützen
Losstürmt: drang auch er, ergrimmt, auf die feindliche Schar ein.
Nur die Zween im Aug', die ihm erst erwürgten den Bruder,
Gab er dem Rosse den Sporn, und warf sich inmitten der beiden:
Einem im Flug zerschmetternd die Stirn', und dem andern die Scheitel
So, daß sie lautlos jetzt, und auf einmal dem Sattel entstürzten!
Hoch aufflatterte noch, im Sturz, von dem Schafte das Fähnlein,
Das, geröthet vom Blut des erschlagenen Bruders, ihn reizte.
Lang' noch, hätt' er zugleich mit den drei kampfmuthigen Brüdern
Sich, unbändiger Kraft, gewehrt, und noch manchen der Gegner
Hingewürgt; doch schrie, vor Wuth sich die Lippen zernagend,
Jaroslav, der Führer des Volks, mit entsetzlicher Stimme:
»Schließt, ihr Memmen, den Kreis um die Rasenden; stoßet sie nieder!«
Also geschah's: denn jetzt, umringt von dichteren Haufen,
Sanken sie dort, mit nie zu erschütterndem Muthe sich wehrend,
Alle, vom Sattel herab, und verhauchten auf Leichen der Gegner,
Die sie im Kampf' erwürgten zuvor, die tapferen Seelen.

Doch der unglückliche Vater flog auf dem schnaubenden Rosse
Nach dem Lager zurück. Den Herrscher zu treffen, verlangend,
Daß er ihm künde sogleich das Nahen der feindlichen Heersmacht,
Sprengt' er, die Scharen entlang, dorthin, wo im Hauche des Windes
Sein Panier aufflatterte, schön und erhaben vor allen.
Eilig sprach er vor ihm, um die fünf gefährdeten Kinder,
Die ihm nicht folgten, besorgt: »Umsonst ersehnst du den Frieden
Jetzt mit dem Könige: denn nur des Kampfs und der Rache gedenkt er.
Wisse, dir nah't sein Heer; nicht fern mehr streifen die Reiter
Milota's. Ach, mir gönne die Huld, vor des Lagers Umwallung,
Kehrend in Eile, zu schau'n: ob mein' Erzeugten mir folgen?
Denn sie sanken vielleicht, empört von unwürdiger Schmähung,
Die von dem Feind' uns ward, als Opfer unbändiger Rachgier!«
Sagt' es, und eilete dann, von den tapferen Söhnen umgeben,
Wieder hinaus vor des Lagers Wall, wo Lärm und Getümmel
Unter dem Volk sich erhob: denn Milota's furchtbare Reiter
Jagten herbei, wie am grau'numhülleten Morgen des Winters
Mit endlosem Geschrei unzählige Krähen heranzieh'n;
Schwangen die Lanzen zur Luft, und bothen dem Heere des Kaisers
Kampf auf Leben und Tod, mit wildverhöhnendem Trotz', an.
D'rauf nachbrausten sie wieder im Flug den Kriegesgefährten,
Sich auf des Feldherrn Wink schnell aufzustellen im Saatfeld.

Aber der Lärmruf scholl nun rings in dem Lager. Die Trommel
Wirbelte; stets empörender klangen die hellen Drometen;
Herolde flogen voll Hast umher; die Stimme der Führer
Rief gebiethend zur Schlacht; das Fußvolk schloß sich in Reihen;
Rasch auf das Pferd aufschwang sich der Reisige; schimmernden Anblicks
Zogen die Ritter allen voran, und herrlich geordnet
Ging jetzt Rudolphs Heer in festausdauernder Abwehr
Außer des Lagers Wall, dem Feinde die Spitze zu biethen.
Ach, dort starrete noch auf die fünf erschlagenen Brüder
Trautmansdorf, der tapfere Held, mit erschütternder Fassung,
Schweigend, hinab! Es sandte zuvor der schreckliche Feldherr,
Milota, der auf dem Feld den angstergriffenen Landmann
Zwang, das gehörnete Rind, in Eil', an den Karren zu spannen,
Sie nach dem feindlichen Lager heran. Da enthoben die Krieger
Jenem die traurige Last, und legten sie dort auf den Boden.
Aber er trieb sein Gespann schnell wieder zurück' auf dem Heerweg.
Siehe, schon wandte sich Trautmansdorf von den theueren Todten
Nach den Lebenden um, und gewahrte mit steigender Rührung
Jetzt, daß sie all', ihm gleich, bezwangen die Thräne. Nur Erdwin
Hielt sich nicht länger, der jüngst', und der theuerst' ihm seiner Erzeugten:
Denn er sprang von dem Roß', und warf mit schallendem Wehruf
Sich auf die Brüder hin: nun dem – dann wieder dem andern
Küssend die blasse Stirn' und die toderstarreten Lippen.
Schnell umzog ein glänzender Thau die Augen des Vaters
Und der Söhne zugleich; sie weineten, über die Todten
Hingebeugt. Doch jetzo begann der tapfere Feldherr:
»Keiner tadle den Schmerz, der uns bei den jammernden Tönen
Meines geliebtesten Sohnes ergriff. Vielleicht, daß ihn auch bald
Grausam der Tod entrafft. Daß mir doch solches geschähe,
Eh' denn ihm – zu entsetzlich wär' des Getödteten Anblick!
Aber so will es des Kriegers Los: er sterbe der Pflicht treu!
Nur beschirmt, als Brüder, ihn kühn! Im Gemenge der Waffen
Möge der eine die Brust für den andern biethen, und Rettung
Schaffen sich selber und ihm, der Wechselhülfe gedenkend!
Erdwin, auf! Gebieth', und schnell gehorchen die Krieger
Dir: nach Marchecks heiligem Grund die gefallenen Helden
Heimzutragen, daß dort der Priester mit Grabesgesängen,
Segnend, vertraue dem Staube den Staub; du folge dem Zug' nach!«
Erdwin winkte den Kriegern stumm: sie erhoben die Leichen
Auf langschaftige Speer', und trugen sie schnell nach den Mauern
Jener, unferne gelegenen Stadt, daß Alles und Jedes
Nach dem Willen geschah des mildgesinneten Vaters.
Durch das geordnete Heer ging nun der trauernde Zug fort:
Denn nach dem Rasenwall, den gestern unzähliges Landvolk
Baute, und d'rauf mit dem Graben umzog, dem Lager zur Schutzwehr,
Kam es heran: in den blutigen Kampf mit dem Feinde zu treten.

Aber, nicht rastete Katwald jetzt im höheren Luftraum:
Denn voll Muthes empört' er die Kraft des nahenden Feldherrn,
Milota's. Sieh', als dieser die furchtbarn Reisigen Herbots
Eilen hieß in dem Vorderzug, nach dem muthigen Fußvolk
Mährens, dem er geboth, nachdrang ihm zur Rechten der Baiern
Treffliche Schar, geführt von Heinrich dem edelen Herzog,
Jetzt mit den Sachsen vereint, den tapferen, welche der Markgraf
Pfeil (ein Pfeil in der Schlacht!) im Sturmschritt lenkte: den beiden
Herrschte noch Czernin ob, als Feldherr. Aber zur Linken
Drang der Böhmen erlesenes Volk, gehorchend dem Helden
Lobkowitz, vor, und nach diesem kam das kühne Geschwader,
Welches sich Ottgar heut' erlas, gleich loderndem Feuer,
Rasch aus dem Nachhalt vor, in die Reihen der Feinde zu stürmen.
Katwald eilte, voll Hast, vom Einen zum Andern, und weckte
Mächtig in jeglicher Brust des Kampfs entsetzliche Sehnsucht.
Horch, schon tönt drometendes Erz; schon wirbelt die Trommel,
Schreit der Krieger, und wiehert das Roß; schon zittert der Boden
Unter dem stampfenden Huf; des Blachfelds Weite bewegt sich
Vorwärts. Doch, wie im Hauch zwei streitender Wind' an den Ufern
Wogen die Fluthen des See's herauf und hinunter: so trat auch
Rudolphs tapferes Heer vor dem Wall den Feinden entgegen,
Und, wie der thürmende Wald erkracht, den plötzlich aus Süden
Und aus Norden zugleich, Orkane zerschmettern im Spätherbst:
Zahllos liegen umher die unendlichen Stämme geworfen
Durcheinander hinab in den Staub: so lagen die Reiter
Dort mit den Rossen, erwürgt, und des Fußvolks Reihen vermenget.
Furchtbar wüthete heut vor allen der tapfere Feldherr,
Milota, so daß Ottgar selbst den gewaltigen Thaten
Staunte, die er vollbracht' in des Todes erkorenem Saatfeld.
Ach, er ahnete nicht, wie der Rachebrütende jetzt auch
Arges sann im Gemüth – daß er ihm vertraue, die Scheingluth
Heuchelte, bald Verrath nur an ihm zu verüben, entschlossen!
»Herbot,« so rief er »hin, wo in keilgestalteter Ordnung
Oestreichs Heerschar naht – die Ritter für jetzo vermeidend,
Eile zuerst, und stürm' im Flug' in die Seite des Volks ein!«
Also geschah's: denn schmetternd erklangen die eh'rnen Drometen;
Schnell, wie das Wetter fleugt, vorbraus'ten die reussischen Reiter,
Und die gesenkte Lanz' aus der Röhre des eisernen Bügels
Festnachdrängend, erkor ein jeder von ferne den Mann schon,
Dem er die Brust zu durchbohren beschloß. Wohl sechzig erlagen
Also dem tödlichen Stahl der wildanprallenden Reiter,
Die in des oberen Oestreichs Gau'n der tapfere Hauptmann
Berchthold, warb, und lautes Geschrei auftobte zum Himmel.
Jene wichen zurück', um schnell zu erneuerndem Anlauf
Sich zu stellen im Feld', und die mordende Lanze zu senken;
Aber Capellen, der oberste Hort des Volks, wie des Ober-
Also des Unterlands, flog her, und empörte sie laut so:
»Denket der Ehr' und des Vaterlands, östreichische Männer,
Jetzt in dem Kampf. Nur fest die Reihen geschlossen; die Lanzen
Kühn dem Feind' entgegengesenkt, und, nah't er, zur Erd' euch
Hurtig gebeugt; dann auf, zu durchbohren dem schnaubenden Rosse,
Oder dem Reiter, die Brust! Bald schaut ihr sie fliehen im Schlachtfeld.«
Auch die Steyrer entflammt' er, und rief: »Heut sollt an dem Feind' ihr,
Krieger der Steyermark, euch rächen, der Schande gedenkend,
Wie ihr gewichen vor ihm mit Lärm und Getös in dem Nachtgrau'n,
Fortgerissen durch Schuld des Pettau'r, der, von dem Kaiser
Heimgesandt, hinfort zur Flucht euch nimmer verlocket!
Jetzo nur kühn an den Feind! Uns lohnt der herrlichste Sieg bald.«
Sagt' es, und sprengte zurück: da brausten die furchtbaren Reiter
Herbots wieder heran, zu erneuen den muthigen Angriff.
Jene senkten das Haupt, ausbeugend, zum Knie' hin, und bohrten
Hier dem Reiter, und dort dem Roß den Stahl in die Brust ein,
Als weit über ihr Haupt die feindliche Lanze dahinfuhr.
Aber der Boden, mit Leichen bedeckt, verwandelte ringsher
Sein erfreuendes Grün in die gräuliche Farbe des Blutes.

Milota sah den wankenden Sieg mit Staunen: er sandte
Schnell die Reiter zurück, und führte die mährischen Krieger
Gegen das Fußvolk, das aus dem ober'n und unteren Oestreich
Kam, und den Steyrern vereint, ihm entgegen stand in dem Schlachtfeld.
Gleich den Wogen des Meers, die ein Sturm aus Süden daherrollt,
Eilten die Reih'n jetzt vor; doch so, wie jene zum Strand sich
Stürzen mit lautem Gebrüll', und im schäumenden Zorne zerschellen:
Denn nicht wanket der Fels: so trafen sie auch an den Kriegern
Oestreichs ehernen Widerstand im Gemenge der Waffen.
Schrecklich ertönte der Schrei der Würgenden, schrecklich der Lanzen
Kreischender Schlag, als sie den eisernen Helm und den Harnisch,
Oder das Panzerhemd zerschmetterten, wüthend geschwungen.
Gleich dem Orkan, flog jetzt auch Milota hin, und, ersehend,
Wie die Führer des Volks: der Seldenhofen die Steyrer –
Berchthold Oestreichs Krieger zum Kampf' empöreten, schwur er
Beiden den Tod. Urschnell auf Berchthold drängt' er das Streitroß,
Und als dieser, erhebend das Schwert, die muthigen Krieger
Oestreichs jetzt noch mehr vortummelte, siehe, da bohrt' er
Ihm den Stahl in den Hals, daß alsbald ihm aus den Lippen
Starb das Wort, er taumelnd sank, und das Leben verhauchte!
Schmerz durchzuckte die Brust des Volks bei dem schrecklichen Anblick,
Da er, so mildgesinnt, ein Vater der Krieger genannt ward.
Doch mit erneuerter Wuth flog Milota hinter den Reihen
Seines Volkes hinab; drang wieder hervor, und durchrannte
Col von Seldenhofen das Herz, der weit vor den Seinen,
Die er entboth, hersprang, und nach ihm sein blutiges Eisen
Zuckte, die Stirn' ihm zu spalten, gesinnt. Nun brachen die Knie' ihm,
Schlotternd, ein, und er fiel, im Tod' erbleicht, auf das Eisen.
Ach, bald jammert daheim die alterserblindete Mutter,
Deren einziger Sohn und Trost er war in den Jahren
Trauerbelasteter Witwenzeit auf der einsamen Felsburg:
Denn nicht kehrt er zurück, wie ein täuschender Traum ihr verheißen –
Er, den Traum ihr deutend, verhieß, die Gute zu trösten,
Als er zum letzten Mal' auszog von dem rühmlichen Stammhaus!
Hier erlag er zugleich mit fünf erlesenen Kriegern
Milota's Schwert, der furchtbarn Muths, umtobt' in dem Schlachtfeld.
Ottgar wandte sich jetzt nach Lobkowitz um, und begann so:
»Nie war Milota's Seele mir hold: ich kenne der Menschen
Trugverhüllende Brust; doch sieh', ein schrecklicher Krieger
Ist er im Feld': ich vertraute mit Recht ihm die rühmliche Stelle!«
Jener entgegnete schnell: »D'rum vor mit den Reitergeschwadern
Jetzt, wo die Feind' erbeben vor ihm, sie niederzuwerfen,
Und zu entscheiden den Kampf in der heiteren Stunde des Glückes.«
»Nein,« so sagte der König ergrimmt, »noch laß uns verziehen,
Bis er noch mehr aufflammt, und wir ihn entscheiden für immer!«

Also die beiden dahier. Capellen, der Edle, gewahrend
Drüben im Feld den Tod der muthigen Scharengebiether,
Sandte den Oesterreichern den Meißauer hier, und den Steyrern
Dort den Lichtenstein, aus der Schar der Ritter, als Feldherrn.
Schnell gehorchten die zwei Feldobersten jetzo Capellens
Ruf: denn jener erkor, an Berchtholds Stelle, den Helden
Summerau, und Lichtenstein den furtbaren Ritter
Merenberg, an jene des Seldenhofen, zu Führern.
Hoch schwang Merenberg sein Schwert in die Luft, und er rief dann:
»Ha, nun endlich dem Ziel, dem schrecklichen, näher und näher
Schreit' ich den dunkelen Pfad! Komm, Richard, und stehe dem Bruder
Treu zur Seite, mit ihm die entsetzliche That zu vollführen,
Die sich der Merenberger ersehnt! O denke des Bruders:
Wie er am Galgen hing – das Haupt zu den Füßen gebunden,
Dreimal schreckliche Tage sich wand! Wie, leben soll Ottgar?«
Alsbald einte sich ihm in dem Kampf sein finsterer Bruder.
Doch mit erneuetem Muth vorstürmten die beiden Geschwader,
Und ermordeten, was sich entgegenstemmt' in den Reihen.
Also gedrängt von den Stürmenden, wich Morawia's Fußvolk
Langsam zurück', und stand, und wehrte sich wieder: nicht anders
Weicht der gewaltige Felsenblock, nach dauerndem Regen
Losgewühlt vom Gebirg', an des Bergs abgleitendem Rand hin;
Bis nachströmend die Fluth ihn bewegt, und er in den Abgrund
Stürzt im sausenden Sprung' und Getös', unhemmbaren Fluges.

Doch der erhabene Kaiser sah mit Freude die Seinen
Ringen im Feld, die im Vorkampf schon die gesunkenen Lorbern
Ihrer Heldenstirn' jetzt herrlicher wieder erhöhten.
Schnell entboth er zu sich Trentschins Gebiether, der Ungern
Muthigen Hort, und sprach: »Noch ward dir, tapferer Feldherr,
Nicht eröffnet das Thor an der siegsruhmbiethenden Laufbahn;
Aber ich kenne den Muth, der dich und die Deinen beseelet.
Zieh' g'en Schönfeld hin mit den furchtbarn Reitern, und harre
Drüben des Winks: urschnell dem Feind' in die Seite zu fallen.
Aber der Wink sey dir: wenn, blutrothschimmernd, von Marchecks
Ragendem Thurm die Sturmfahn' weht, und die Glocken erschallen.
Also erringst du dir Ruhm, und mir den herrlichsten Vortheil.«
Jenem erglänzten die Augen wie Gluth; er strich mit der Rechten
Sich den mächtigen Bart, und sprach: »Glorwürdiger Kaiser,
Gleich dem Morgenthau, der schmachtende Fluren erquicket,
Hat dein ehrendes Wort das Herz mir gelabt, und des Unmuths
Wolken entflieh'n mir jetzt vor den lang'umdüsterten Augen!
Tödtendem Blitz und verheerenden Stürmen gleich ist im Schlachtfeld
Ungerns tapferes Volk: ich will sie dir lenken zum Vortheil,
Mir zum Ruhm; weil mich des edelsten Kaisers Vertrau'n ehrt.«
Sagt' es, und ritt im Flug, mit den jauchzenden Scharen nach Schönfelds
Auen hinab, ersehnend den Wink zu dem schrecklichen Angriff.
Aber der Kaiser entsendete links und rechts an die Feldherrn:
Albrecht hier, und Meinhard dort, die Herolde; stehen
Hieß er sie noch vor dem Wall', und festabwehren des Gegners
Furchtbardrängenbe Wuth, bis, blutrothschimmernd, von Marchecks
Ragendem Thurm die Sturmfahn' weht, und die Glocken erschallen:
Denn er ordnete dort die zeichenerspähenden Männer.

Marbod nahte heran. Er schwebte zuvor in dem Zeitraum
Eines entfliehenden Augenblicks nach den schimmernden Mauern
Drüben der Wunderstadt, Venezia, Venezia. Ueber die merkwürdige Eroberung Constantinopels im Jahr 1202 (also 76 Jahre vor der Marchfelder Schlacht) durch vorzügliche Mitwirkung des 90jährigen Greises, Heinrich Dandolo, Doge von Venedig, siehe Raumers Geschichte der Hohenstaufen III. B. und Daru's Histoire de Venise I. Der Sänger Rudolphs von Habsburg wollte hier, jener herrlichen Stadt, der einstigen Königinn des adriatischen Meeres, deren Andenken ihm auf immer theuer bleiben wird, dankbar erwähnen. die aus des Meeres
Fluthen sich hebt, und des Fremdlings Brust erfüllet mit Staunen,
Dort das ehrende Maal des Heldengreises zu schauen,
Dandolos, der mit den Franken im Bund', ersiegte die Hauptstadt
Constantins, erst jüngst, mit nie zu erschütternder Thatkraft.
Doch nun kehrt' er zurück', und staunte der Menge der Leichen,
Die in der Männerschlacht schon weit bedeckten die Felder.
Wie den Wanderer Grau'n befällt, der plötzlich ereilet
Von dem sausenden Sturm', in den tiefergesunkenen Wolken
Weißherschimmernden Hagel ersieht, und drüben im Wald' ihn
Wüthen hört, wo er bald, entstürzend mit lautem Geprassel,
Blühende Zweige zerschlägt, und zu Boden schmettert die Wipfel:
Also befiel ein Schauder auch ihn. Im Fluge vernahm er
Katwalds Ruf, wie er hier empörte den mächtigen Herbot.
»Ha,« so sprach er, »du prahltest zuvor: du wollest lebendig,
Oder todt, aus der Schlacht heimführen den Kaiser der Deutschen?
Eitler Schwätzer, wie werden dereinst dein spotten die Helden!
Reite zur Rechten hinab, und versuche denn quer in die Reihen
Elnzudringen, wo Rudolph weilt, und keine Gefahr ahnt.«

Herbot besann sich schnell; fünfhundert Reisigen rief er:
»Folgt mir!« und jagte zur Rechten hinab, wo, nahe dem Herrscher,
Meinhards Heldenruf die Krieger zum Kampfe bewegte:
Denn schon maßen im Waffengemeng' auch die Bayern und Sachsen
Sich mit den Tapferen Krains und Kärnthens. Dicht, und unzählbar
Lagen die Leichen im Gras'. Doch Czernin führte die Völker
Gegen Meinhards Macht, der jetzt ihn näher gewahrend,
Schnell vordrang, und, genaht, ihm rief: »Du hast dich vermessen,
Nächtlich, im Ueberfall, Vindobona, die herrliche Festung
Zu betreten; gehofft, als Sieger, herunter zu schauen,
Stolzen Blicks, aus der Kaiserburg: nun sollst du es büßen,
Was du frevelnd gedacht, und gewollt, und nimmer erreicht hast.«
Czernin schwieg, ergrimmt. Er senkte den Speer, und erreichte,
Sausenden Flugs, den Mann, der also ihn schalt vor den Scharen,
Ihm die Brust zu durchbohren, gesinnt; doch fehlt' er des Zieles,
Zitternd vor glühender Hast, und der blutgeröthete Speerstahl
Streifte nur, zwischen dem Leib' und dem Arm, durchfahrend, den Harnisch.
Meinhard säumte nicht, hob, und senkte das Schwert, und zerschlug ihm
Jetzo den Helm und die Stirne zugleich, daß er rücklings vom Rosse
Sank, und, gestreckt lang hin, in Todesschauern erblaßte.
So vor den äußersten Reih'n stritt auch der muthigen Sachsen
Feldherr, Pfeil, mit dem weitgefürchteten Grafen von Heunburg,
Der den Kärnthnern geboth, und der Hort der krainisches Scharen,
Ortenburg, mit Bayerns gewaltigem Herzoge, Heinrich,
Jetzo auf Leben und Tod: da Scharen des einen und andern
Sich bekämpften, und rings nur Mord und Gewürge zu schau'n war.
Heunburgs blitzendem Stahl' erlag der tapfere Markgraf
Pfeil, nicht des Todes Pfeil, von des Gegners Rechte geschleudert,
Mehr vermeidend, nach schrecklichem Kampf', und hauchte den Geist aus.
Heinrich gelang's, den Ortenburg aus dem Sattel zu heben,
Ihm durchstoßend den Arm, daß er dort im knisternden Sandstaub
Blutete, kriegsgefangen sich sah, doch wieder gerettet
Heim in das Lager kam, und dem kundigen Arzte sich hingab.

Sieh', als hier in dem Streit die erbitterten Völker sich maßen;
Schlachtruf scholl; Drometen schmetterten; Trommelgewirbel
Klang; der Würger Geschrei und Verwundeter Aechzen ertönte,
Jagte Herbot von Füllenstein mit seinem Geschwader
Durch den sondernden Raum, der zwischen der mittleren Heersmacht
Und dem Flügel zur Linken sich fand, in Eile hinunter –
Dann auf den Kaiser los, den Katwald ihm, wie der Gemsaar
Fernhin schauend, verrieth mit empörendem Geistergelispel.
Rudolph kam, im Gefolge der Trautmansdorfe (nur Erdwin
Weilte noch, frommbesorgt, in Marchecks schattigem Freythof)
Eben heran, gelockt von des raschvorstürmenden Meinhards
Lautem Siegesgeschrei, und ahnte die nahe Gefahr nicht;
Doch nun hemmt' er mit zweifelndem Blick das Roß, und erforschte
Gierig: ob Freund', ob Feind' ihm naheten? bis er des Ritters
Riesengestalt ersah, der kennbar im feindlichen Heer war.
»Ha,« so rief er, »erlag mein Volk? Entsetzliches Unglück
Droht: denn, seht, uns kommt ein feindlich Geschwader entgegen!«
Doch schon war er umringt. Laut schrie zu seinen Erzeugten
Trautmansdorf: »Kommt, laßt uns sterben für unseren Kaiser:
Rettet ihn, kämpft, und ersiegt euch hier unsterblichen Nachruhm!«
Alsbald kehrten die sechs untad'ligen Brüder den Feinden
Kämpfend, entgegen die muthige Brust, vom rühmlichen Beispiel
Ihres Erzeugers entflammt, den edelsten Herrscher zu retten.
Aber auch Marbod sah die Gefahr, die jetzo dem Leben
Rudolphs droht'; er umfing mit heißumschlingenden Armen,
Flehend, Capellens Brust, und rief: »Zur Linken hinüber
Eil' im sausenden Flug', und errette den Kaiser vom Tod jetzt!«
Jener staunte bei sich, wie ihn solche Gedanken bestürmten?
Gab dem Rosse den Sporn, und jagte herüber im Blachfeld.

Schon umhäuften die Brüderschar in Menge die Leichen;
Schon war Edelred mit Erhard gefallen: die andern
Bluteten; doch ermahnte sie laut ihr edeler Vater
Noch mit dem Schwert' in der Faust, zum Kampf für den edelsten Kaiser.
Sie gehorchten ihm all', und erlagen nach schrecklichem Mord nur:
Kurd, Agilolf, und zuletzt mit Otto der heitere Winfried.
Jetzt drang Herbot schnell mit dem Speer, der hoch wie ein Mastbaum
Sich in die Lüft' erhob, auf Rudolphs tapfere Brust ein.
Siehe, nicht traf er die Brust des kampferfahrenen Herrschers;
Doch dem steigenden Roß durchstieß er die Stirn, daß es stöhnend
Sank, und zugleich in den Staub den trefflichen Reiter herabwarf!
Ha, wer rettet ihn mehr? Zwar nahte Capellen; die Ritter
Naheten; links und rechts herstürmten die muthigsten Krieger:
Dennoch war es um ihn gescheh'n, und die Hülfe vergeblich,
Wenn nicht hurtig er selbst, mit dem mordenden Speer in der Rechten,
Auf den schrecklichen Mann losfuhr; unbändigen Muthes
Ihn bekämpfte; den Streich nach seinem geschlossenen Schlachthelm
Führend, mit solcher Gewalt ihn traf, daß die Augen ihm alsbald
Dunkelten – Seh'n und Hören verging. Auch erhob er urplötzlich
Wieder den Speer: durchstach dicht unter dem Kinne den Riemen,
Der den Helm an das Haupt ihm festigte; drehte den Schaft noch
Hurtig herum, und riß blitzschnell ihn vom Sattel herunter.
Wie die Zinne der Burg, vom Orkan zur Erde geschleudert,
Fällt mit Gekrach, und der Grund weit hin erbebet: so fiel dort
Herbot zur Erde: sie bebte dem Fall', und Gerassel der Waffen
Scholl im Gefild' umher. Laut schnaubend vor Angst und Entsetzen
Jagte Capellen herbei. Er both, vom Pferde gesprungen,
Solches dem Kaiser, und half ihm hinauf in den Sattel, er selber
Schwingend das Schwert mit Trautmansdorf, dem tapferen Helden,
G'en die umdrängende Feindesschar sich zur Wehre zu stellen.

Schon entfloh die Gefahr: ein Jauchzen erscholl um den Herrscher,
Als jetzt Herbots Volk sich ergab an die drängenden Scharen.
Aber er stand, und zitterte. Schnell, empört von dem Anblick
Dieses Gewaltigen, der das Leben des Kaisers bedrohte,
Sprengten die zürnenden Krieger herbei, an ihm Rache zu üben;
Doch der Erhabene rief: »Zurück, verschont ihn: er lebe!
Das sey ferne, daß ich bestrafe den tapferen Ritter,
Der so kühn sich erwies, nicht Tausende scheuend, im Angriff:
Heute noch komm' er nach Wien in ehrenvolle Gewahrsam.
Trautmansdorf, dir dank' ich das Leben, nach Gott! Nicht zum Boden
Wende den Blick jetzt mehr, noch einmal die Opfer zu sehen,
Die es dich kostete! Fort, zur Rechten hinab, und entbiethe
Albrecht schnell: er stürm' in den Feind; du stehe zur Seit' ihm
Dann mit gewaltigem Arm, ein rettender Schild in Gefahren!
Eilt nun all' an's Werk! ich bin geborgen; erhebt euch!«
Alle jagten davon; nur einer – unglücklicher Vater,
Nur du allein verweiletest noch, und sah'st auf die Todten,
Uebergebogen, hinab; dann gabst du dem Rosse die Spornen!
Ach, und das Augenpaar des umschauenden Kaisers erglänzte,
Thränenumhüllt! Doch jetzt aufschwang er den Degen: von Marchecks
Thurm ertönten mit stürmendem Ruf die Glocken, und blutroth
Flatterte dort in die Luft die thatengebiethende Sturmfahn';
Bald erscholl ringsum Geschrei und verwirrtes Getümmel.

Ottgar zögerte noch. Umsonst ermahnte der Greis ihn,
Jammernden Lauts, getäuscht von Herbots Kühnheit, und sagte:
»Sieh', wie dort rechts hin die Reisigen stürmen, das Fußvolk
Rasch vordringt! Nun gilt's: entscheide den schrecklichen Kampf du!«
Aber der König begann: »Fürwahr, wir tauschten für heut schon
Art und Gemüth: du kühltest die Gluth sonst mir in dem Busen,
Kaltvorschauend, und heut', empört zu Feuer und Flammen,
Hast du nicht Ruhe, nicht Rast. Bald tönt der ersehnete Ruf dir.«
Dann begann er noch leise für sich in sinnender Schwermuth:
»Wallstein, ach, ich schau' in des Sieges Gefilden dich nimmer!«
Lobkowitz schwieg. Doch sieh', nun hemmte die stürmenden Krieger
Milota's Feldherrnwink! Er dacht', ergrimmend im Geist, so:
»Jetzo der Thaten genug, daß mir vertraue der König.
Ist's nicht klar? Er sann mir heute den sicheren Tod nur,
Als er mich ehrend erkor: ich lebe noch, ihm zum Verderben.«
Dacht' es, und zog alsbald, schwachkämpfend, mit zögernden Schritten
Sich auf des Nachhalts Reihen zurück. Ihn empörete Katwald,
Tapfer zu steh'n: umsonst, er wich! Doch, sausenden Flugs, war
Marbod den Völkern genaht, die am rechten Flügel, gehorchend
Albrechts Stimme, voll Heldenmuths, nach dem Kampfe sich sehnten.
Hochberg, der den Zürchern geboth, ersah er, und rief ihm:
»Schreie: ›Der Feind entflieht!‹ Gar mächtig ertönet dein Ausruf.«
Hochberg schrie: »Der Feind entflieht« mit gewaltiger Stimme,
Die zum Kern des Heers, und hinaus zum äußersten Flügel
Donnerte. Bald erscholl's von tausenden Stimmen auf einmal:
»Holla, die Feind' entflieh'n! Sie flieh'n – die Feinde, sie fliehen!«

Ottgar horchte dem Ruf mit kalthinstarrendem Blick' auf;
Wandte das Roß, und sprach zu Lobkowitz: »Wahrlich, vermuthend
War ich des Unfalls mir: denn höre des Herzens Geheimniß!
Jüngst, in der furchtbarn Zeit des mitternächtlichen Grauens
Hieß ich, im dunkelen Eichenhain, die Alrune, Al-rune. Runen, Runenschrift, ein den alten Germanen und Scandinaviern eigenes Alphabet, nach welchem im nördlichen Deutschland noch einige Denksteine beschrieben gefunden werden. Wahrscheinlich hatten sie selbes von den Phönikern erhalten, und was sich davon hie und da auf verwittertem Gestein vorfand, diente in späterer Zeit zu manchen vorgeblich zauberischen Künsten, das Schicksal der Menschen von den Nornen, den Schicksalsgöttinnen, zu erfragen. Diese drei schönen Jungfrauen heben sich stets aus Mimers Brunn, der himmlischen Quelle, herauf, bei welcher die Götter Rath halten, und ihre Urtheile offenbaren, und heißen: Urda, Werandi, Skulda: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. ( Ryerups scandinav. Mythol. etc.) des Schicksals
Hehre Verkündigerinn durch Bothen befragen; sie gab mir
Antwort: Ottgarn winkt an Stillfrieds Marken das Ziel schon!
Dort ist der Sieg mir gewiß; wir wollen uns fechtend zurückzieh'n!«
»Herr, nicht der Hölle vertrau',« so rief der jammernde Greis auf,
»Gott vertraue – dir selbst, und deinen gewaltigen Kriegern!
Noch steht Sachs und Bayer im Kampf; noch nichts ist verloren.
Wolle mit Ernst den Sieg, er ist dein: o komm', und erring' ihn!«
Aber er trabte zurück. Ihm folgten am Fuße die Scharen
Milota's, der in dem Nachzug noch voll täuschenden Eifers
Selbst abwehrte, zum Schein, die raschnachrückenden Gegner.

Bald erscholl auch drüben Geschrei, wo Bayern und Sachsen
Kämpften im Waffengefild, geführt von dem tapferen Herzog
Heinrich, und Zierotin, dem kraftgerüsteten Helden:
Denn Matthias, der Hort magyarischer Krieger, ersehend
Oben am ragenden Thurm die blutrothflatternde Sturmfahn' –
Hörend der Glocken Getön', erhob sich in Eile von Schönfeld,
Mit zermalmender Macht dem Feind' in die Seite zu fallen.
Vor zu des Rosses Mähne gebeugt, den blitzenden Säbel
Schwingend in kräftiger Faust, hinbraus'ten die Reiter, und hieben
Links, rechts, ein: bald lagen die Leichen gesä't in dem Blutfeld,
Wankten die Gegner, und floh'n, verfolgt von den Gegnern in Hast fort.
Rastlos eilte der König dahin im sinkenden Nachtgrau'n,
Bis er nach Dürnkrut kam in das Lager, das er noch letzthin,
Stolz vor Siegeshoffnung, verließ – nun trotzig begrüßte:
Denn er dachte des Siegs am nächstaufstrahlenden Morgen.
Doch bis Ebenthal, dem einsamen Schloß' an dem Waldthal,
Führte der Kaiser sein Heer, und ruht', umlagernd, im Feld dort.
Ganz verhallte des Tages Lärm, und vom nächtlichen Himmel
Sah'n die Sternenheer' auf die schlummernden Völker herunter.


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