Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dritter Gesang.

Marbod, einst König der Markmannen, und ein jetzt dem Kaiser gewogener Geist, eröffnet dem Feldherrn Hugo von Tauffers, in einem Traum, den Verrath, den Waldram, Bürgermeister zu Wien, an dem Kaiser sinnt. Rudolph kommt mit seinen Scharen heran, und nimmt an der Wien von seiner Gemahlinn Abschied. Sendet Hugo von Tauffers an den König der Ungern, Ladislav. Ernennt an dessen Stelle seinen Sohn, Hartman, zum Festungsgebiether, und eilt in das Lager am Tabor. Aufzählung seiner Völker. Hugo von Tauffers im Lager der Kumanter und Ungern. Diese setzen die March herüber.


H a, schon lockte der Kampf des Geisterreiches Bewohner
Aus dem übersinnlichen Raum', und den Tiefen des Erdballs,
Mächtigen Zaubers herbei! Auch Marbod, Marbod, Marobodus, wie ihn Tacitus nennt, König der Marcomannen, eines schwäbischen Stammes (Mark-Mannen, Hüther der Gränze, oder wie Andere wollen: Marich-Mannen, Roßtummler, von dem alten deutschen Wort Marich, Stute, Mähre, equa), lebte gleichzeitig mit Herman dem Cherusker. Entschlossen, sich in einer entfernteren Stellung den Römern furchtbar zu machen, sammelte er ein Heer von mehr denn siebenzig tausend Mann, zog immer weiter an der Donau herab, und nachdem er den Catualda (Gothwald oder Katwald), einen Anführer der Gothen, aus dem Lande der Bojen, dem heutigen Böhmen, verjagt hatte, gründete er dort den Sitz eines neuen Reichs, das sich von der äußersten Spitze der Ostmark, und der Gränze Pannoniens, bis an das Riesengebirge hin erstreckte. Inguiomar (wahrscheinlich Hinkmar), der Ohm Hermans, der zu ihm flüchtete, verwickelte ihn in einen heftigen Streit mit seinem gewaltigen Neffen, und als nach einer unentschiedenen blutigen Feldschlacht seine Krieger auf Hermans Seite traten, und Catuald mit Hülfe römischer Scharen seine Burg erstürmte, faßte er den Entschluß, sich in Roms Schutz zu begeben. Er wurde nach Ravenna verwiesen, wo er nach einem zwei und zwanzigjährigen Aufenthalt sein Leben – das er, wie Tacitus sagt, zu sehr liebte, in unrühmlicher Abgeschiedenheit endete. Catuald hatte ein gleiches Schicksal, denn er wurde von den Römern nach Fréjus in Frankreich verwiesen. der edele Markmann,
Kam. Nicht im übersinnlichen Raum ergetzte das Licht ihn
Seither: denn er saß, versunken in düstere Schwermuth,
Dort in des Erdballs Schooß wohl zwölf Jahrhunderte lang schon,
Seit er getrennt sich sah von der liebenden Gattinn, Erwine,
Die, in dem Todeskampf', ihm die Hände mit weinenden Blicken
Reichte zum letzten Mal', und dann, viel reineren Herzens
Denn ihr Gemahl, empor zu glänzenden Räumen sich aufschwang.

Marbod herrschte, von Kraft und glühendem Muthe beseelet,
Ueber ein tapferes Volk: Markmannen genannt in den Reihen
Mächtiger Stämme des deutschen Vereins. Von Schwabens Gefilden
Her, die norischen Alpen entlang, Pannonien nahend,
Wo in der Ostmark sich am Ufer der mächtigen Donau
Vindobona erhebt, bis hin zu den Höhen der Heünburg Das Schloß Hainburg mit dem Städtchen gleiches Nahmens, an der Gränze Ungerns in Unter-Oestreich, soll, der Sage nach, von Attila, dem König der Heunen, wie die Deutschen der Vorzeit die Hunnen nannten, erbaut worden seyn: daher Heunenburg, Heunburg, geheißen haben. Was hier von dem Umfang, und der Lage des markomannischen Reichs unter Marbod, und weiter unten Vers 25 von der durch ihn gekämpften Schlacht auf dem Marchfeld gesagt wird, gründet sich, nicht mit historischer Gewißheit, sondern in poetisch genommener scheinbarer Möglichkeit, auf folgende Stellen aus dem Werke: Hist. opus in IV. T. divisum, quorum T. I. Germ. ant. illust. continet. Basileae 1574 ed. Teneterus.

Sub Martungis erant Curiones, inde Chetuari, et Parmecampi, ubi hodie pars est Austriae Cis-Danubianae juxta Krembs, Znaem et Niclaspurg. Inde habitabant Marcomanni; hodie regio illa Moravia est, quae se ad Sudinos extendebat, et Danubium usque, ubi hodie civitas est Prespurgium. – Gessit haec gens maxima bella cum Romanis etc. etc. Bilibaldi Birkheimeri Locor. per German. explicatio pag. 209.

Ferner: Nariscos Marcomannos et Quados haud dubie ea loca tenuisse putamus, ubi nunc agunt Moravi, Merherrlandt. De Marcomannis nemo dubitare potest, qui Vellejum legerit. Henr. Clareani in P. C. Taciti de Mor. Germ. comment. p. 188.

Und endlich: Marcomanni sedes habuerunt in ea parte, quae spectat ortum versus Moraviam et Austriam. Enituit autem virtus Marcomannorum in multis asperrimis bellis, in quibus patriam adversus Romanos fortissime defenderunt etc. Philip. Melanchtonis Vocabula Regionum et Gent. quae recens. in libello Taciti de mor. Germ. p. 193.

Daß aber Rudolph aus Marbods Stamm entsprossen seyn soll (siehe unten V. 48) gründet sich in besagtem Sinn auf folgende Stelle:

Andreas Alciatus in suis annotationibus in Tacitum, etiam in Helvetiis consedisse Marcomannos quadosque putat. Exstat enim, inquit, adhuc in eis Vallis Marcomanna nomine.

Andreae Althameri Scholia in Cornel. Tacit. de Germ. pag. 61
desselben Werks.
Schirmten gegen den Feind, im Rücken der Berge, die Marken,
Sie des gemeinsamen Vaterlands, als mannhafte Streiter.
Aber dem schrecklichsten dort, der allzermalmenden Roma,
Ferne zu stehen, und ihm einst kühn zu begegnen im Schlachtfeld,
Zog er nach Bojenheim; verjagte den Gothen-Beherrscher
Katwald; gründete sich ein Reich und die Stadt an der Moldau,
Marobud, Marobudum hieß die Residenzstadt Marbods, des Königs der Marcomannen, die er sich in dem vormahligen Bojenheim erbaute, und die an der Stelle, wo jetzt Prag – nach Andern – wo jezt Budweis, gestanden haben soll. und ward gefürchtet umher in den Ländern.
Inguiomar, der Ohm des tapfern, cheruskischen Hermann,
Floh, von diesem gehaßt, zu Marbod. Sie kämpften im Marchfeld
Lange die blutige Schlacht, und es rühmten sich beide des Sieges.
Aber an Hermanns Macht, des glücklichen, schlossen die Scharen
Marbods sich an. Da entriß, mit den Römern verbündet, ihm Katwald,
Stürmend, die Burg Mar'bud, und entthront' ihn. Ach, er vertraute
Roma's täuschender Huld, und starb in den Mauern Ravenna's
Arm – ein Zeuge des wechselnden Glücks auf irdischer Laufbahn!
Doch nun kam er herauf, und wandte sich rasch nach den Fluren
Oestreichs, das er mit Bojenheim sein nannt' in der Vorzeit.
Bald gewahrte sein Aug' auf des Lilienfelder Gebirgs Höh'n
Drüben die Ritterschar blondhaariger Deutschen. Er schwebte
Jetzt in sausender Eile dahin, und so, wie der Geier
Schnell von dem Felsenhorst nach dem dunkeln Thale herabfährt,
Weil er im Laub hellschwirrende Vögel erspähte: so blitzschnell
Fuhr er herab. Er staunte: wie hier die ermüdeten Krieger
Schlummerten; dort, zu dem Bild des Gekreuzigten, einer der Helden
Flehend rang, und ein Greis ihm naht' in erschütternder Hoheit;
Hörte: wie jenem der Greis der tiefverborgenen Ankunft
Dunkel enthüllt', und Habsburgs Ruhm mit unzähliger Völker
Glück in seinem Geschlecht verkündete: schauend im Geist dort
Oestreichs Größ', und in Wonn' erbebend den hehren Gesichten.
Aber vor allem ergriff des stattlichragenden Herrschers
Näh' ihn, der, entsprossen aus seinem Stamm', in des Aargau's
Thälern die Burge der Ahnen bewohnt', und von allen gepriesen
Als der Schirmer des Rechts, zum erhabenen Kaiser der Deutschen
Jauchzenden Rufes erwählet ward. »Doch biethet ihm jetzo,«
Also sagte zuvor der Greis auf den luftigen Alphöh'n,
»Ottgar furchtbarn Kampf, und er soll in dem Waffengefild nur
Dann erringen den Sieg, wenn ihm« – welch' dunkele Reden! –
»In umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd' tönt?«
Dacht' es, und eilte, die Heeresmacht des gewaltigen Königs
Drüben am Ufer der March, durchdringenden Blick's, zu erforschen;
Rudolph helfend zur Seite zu steh'n; in dem Seelenverein ihm
Stets zu erregen das Herz zu ruhmverherrlichten Thaten,
Und zu enthüllen die List auflauernder Feind' in dem Feldzug.

Dort, wo im schimmernden Zelt', umfangen von nächtlichen Schatten,
Ottgar eben, vereint mit den tapferen Helden, zu Rath saß,
Hielt er, schwebend, und sank, wie der Aar, der hoch aus dem Luftraum
Auf die kreischenden Jungen sich senkt, vor dem Zelte herunter;
Doch wie erwachte sein Zorn, als jetzt Drahomira die Recht' ihm
Lächelnd both, im Wahn: er nah' als verbündeter Freund ihr.
Grimmig sah er sie an; sie lächelte wieder, und sagte:
»Ha, nicht hast du die Knie' vor des Menschen-Sohne gebeugt einst,
Du, in dem Lande der Frei'n Geborener: hast in des Eichwalds
Schauriger Nacht, noch triefend von Blut, geopfert den Göttern –
Zwar erschuf sie der Wahn, doch hatten wir Schuld an dem Irrwahn
Dort? Jetzt nähr' ich ihn kühn – will nie dem stolzen Gewaltspruch
Huldigen. Komm, und stehe mit mir im Bund des Verderbens.
Stark ist mein unbändig Gemüth: dir will ich auf immer
Thatengenossinn seyn auf der Bahn, die Empörung genannt wird
Von dem Beherrscher des All's. Wir wandeln sie muthig und kühn fort,
Wie er es will, uns fern von des Lichtreichs Gränze verbannend.
Uns vereine das gleiche Geschick und die gleiche Gesinnung:
Ottgar falle besiegt; Kunegund' sey Herrscherinn! Mir gleich
Trägt sie im Busen ein Herz, voll Kraft, und unbändiger Kühnheit.«
Aber sie lockt' ihn umsonst: aus der Bläue der trotzigen Augen,
Die, vom röthlichen Haar umwallt, einst, Gegnern zum Schrecken,
Glüheten, sah er, verachtenden Blicks, auf die Zauberinn nieder;
Wandt' ihr den Rücken, und fuhr in den Raum des Zeltes herunter:
Denn ihm schwebt' Erwinens Bild vor den Augen, und Thränen
Trübten sie schnell, da er jetzo, bewegt, der Sanften gedachte.
Doch als sie in dem Kreis' der Versammelten hier Kunegundens
Herz mit verblendendem Zorn und Haß zu erfüllen bedacht war;
Ottgar selbst, von dem Weib' empört, dem Herrscher der Deutschen
Grause Vernichtung sann; Verrath in den Mauern der Hauptstadt
Gegen ihn dräuend sich hob, und, »Rache,« die Losung des Heers war:
Ha, da flog der entrüstete Geist in Eile von dannen!
Eben erglühte das Morgenroth, erneut, wie der Hoffnung
Herzerheiternder Strahl, an dem östlichen Himmel. Er fühlte
Ruh' in der stürmischen Brust, und schwebte hinan zu den Zinnen
Wiens, wo er bald mit ringsumspähendem Blick im Gebein-Haus,
Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen,
Rüdiger Waldram fand, der dort mit den Bürgern zu Rath saß:
Rudolphs Feinden die Veste noch heut zu verrathen, entschlossen.
»Seht,« so sprach er, »uns frommt's des ruhmverherrlichten Ottgars
Herrscherthron zu erhöhen in Oestreichs blühender Hauptstadt.
Wir sind Bürger der Stadt, und erfuhren es all' in der Wahrheit,
Daß uns Rudolphs Macht, des stolzaufstrebenden Fremdlings,
Schon in dem früheren Völkerkampf nicht zu schirmen vermochte.
Seine Heimath ist fern – ein Aargau'r bleibt er noch immer.
Flieht den Leu'n im güldenen Feld: roth glüht er vor Ingrimm; Das Wapen der Grafen von Habsburg enthielt im goldenen Felde einen rothen Löwen mit einer blauen Krone auf dem Haupt.
Aber euch sey in dem Purpurfeld der weiße Das böhmische Wapen zeigt einen weißen gekrönten Löwen im rothen Feld. Kaiser Friedrich I. ertheilte selbes, nach dem Mailänder Krieg, Uladislav II. im Jahr 1159. willkommen,
Selbst vor dem Doppelaar, den Kaiser Friedrich, der And're, Kaiser Friedrich II. erhob Wien im Jahr 1237 zu einer freien Reichsstadt, ertheilte ihr den doppelten Adler zum Wapen, und stiftete eine hohe Schule daselbst. S. Lazius. Auch diesem wird widersprochen.
Hier zum Wapen uns gab. Nun hör't, ihr Getreuen! Erschallen
Wird vor dem Stubenthor im mitternächtlichen Grauen
Dreimal ein Glöckchen. Es ruft uns zur That: denn kühne Gesellen,
Von dem König der Böhmen gesandt, durcheilen den Wehr-Gang
Außer der Veste, wo ich in Menge die tödlichen Waffen
Heute gehäuft. Wir öffnen das Thor, und, wißt es: verrathen,
Oder errungen im Blut – uns gleich! wir biethen die Stadt ihm
Morgen zum Unterpfand des jüngstbeschworenen Bundes.
Eilt nun heim, und gedenket des Muths, und des herrlichsten Lohn's nur!«
Schweigend reichten ihm jene die Hand, und eilten von dannen.

Aber mit Schrecken vernahm den schnöden Verrath an dem Kaiser
Marbod im schwebenden Flug', und sann, wie er solchen vereitle.
Jetzt entschloß er sich rasch, zu nah'n im warnenden Traumbild
Hugo von Tauffers, dem Greis' unbändigen Muthes im Schlachtfeld,
Dessen gewaltiger Feldherrnkraft die Veste vertraut war.
Wie sich ein Nebelgewölk hersenkt auf die dämmernden Berghöh'n:
Also nahet' er ihm, und wies in der Tiefe des Grabens,
Außer dem Stubenthor', ein Heer von Wölfen: sie folgten
eilig dem Weidmann nach, der wildanlockenden Köder
Trug in der Hand, und Waldram glich, voll triegender Arglist.
D'rauf durchstürmten sie das eröffnete Thor, und erwürgten
Ringsum Kinder und Greis', und lautaufheulende Mütter
So, daß das Blut durchwogte die Stadt, wie ein brausender Gießbach,
Der im regnigen Herbst mit schäumenden Fluthen daherfleugt.
Stöhnend entwand sich der Held dem Traum', und sagte, verwundert:
»Wahrlich, mir führte die Nacht noch nie so klar und lebendig
Gaukelgebilde des Schlafs an der Seele vorüber. Mich dünket,
So ich es recht erwäg' im Gemüth: ein warnender Traum seys!«
Und er erhob sich behend', um die Veste besorgt in dem Herzen.

Jetzt erscholl ringsher von den hochaufragenden Wällen,
Mächtiger stets Drometengetön', und unzählige Glocken
Weckten mit ehernem Schall des Volks unendlichen Jubel:
Denn von des Berges Höh'n, wo die Spinnerinn saß an dem Kreuzbild,
Kam Kriegsvolk, und vor ihm der erhabene Kaiser. Die Sonne,
Die sich im rosigen Osten erhob, sog blitzende Strahlen
Aus dem stählernen Kleid der Gewaffneten, herrlich zu schauen!
Rührend zugleich, und herrlicher noch: wie, inmitten des Volkes,
Das entgegen ihm zog, im Geleit zwo lieblicher Töchter,
Agnes und Adelheid, und Hartmann, ihres Erzeugten,
Man die Kaiserinn trug in der Sänfte. Die Mutter der Armen
Hieß sie dem Volk', und hieß die trefflichste Mutter und Gattinn:
Mild sich bewährend an allen zugleich, ein Engel an Sanftmuth;
Doch sie naht', abzehrend, des Lebens Ziel', und auf einmal
Welket sie hin wie die Blume, versengt vom giftigen Mehlthau.

Draußen in Matzleinsdorf, wo fromme Verehrer ein Standbild
Weihten dem Sankt Florian, dort hob Jahrhunderte lang schon
Eine Linde sich auf, die mächtigen Zweige verbreitend
Rings, und biethend in Sommers Zeit umschattende Kühlung
So dem Pilger zugleich, wie dem schwerarbeitenden Löhner.
Dort geboth er die Rast, und grüßte die nahende Volksschar
Freundlichen Blicks. Doch jetzt, die treffliche Gattinn gewahrend,
Trat er zu ihr, und führte sie sanft zum beschatteten Sitz hin.
Wie ihm die liebende Brust auch blutete, sie an des Lebens
Kraft so erschöpft, und ach, dem Tode verfallen zu schauen;
Dennoch bezwang er den Schmerz, und sah ihr noch heiter in's Antlitz!
Aber das liebliche Paar der Töchterchen legt' ihr das Kissen
Unter den Füßen zurecht, und wand das Tuch ihr mit Sorgfalt
Um die erschütterte Brust: der dräuenden Kühle gedenkend.
Doch sie sprach zu dem trauten Gemahl, verweisend mit Sanftmuth:
»Gar nicht erwägest du, ach, wie des Vaters die Kinder bedürfen –
Meiner, der Mutter, nicht mehr: denn schon gewahr' ich sie mündig
Alle vor mir, und bewährt, mit Gott, in jeglichem Guten!
Rastlos sucht dein Geist nur Müh' und Arbeit: die Tag all'
Schwinden dir hin, und die Nächte, gesammt, in ewigem Streben
Nach dem erkorenen Ziel', und die Ruh' erquicket dich nimmer.
Auch bestehst du zu oft und zu kühn die Gefahren, als Herrscher;
Zogst auch jetzo hinauf g'en Lilienfeld in dem Waldthal
Nur mit schwachem Geleit, und leicht wohl hätte die Heimkehr
Dir der Böhme verwehrt, so ein arger Verräther es kund that.
Weh', und neu entflammt sich der Krieg'. Von neuem beginnst du
Wieder den blutigen Lauf, und, ob auch die liebende Gattinn,
Ob die Mutter vergehe vor Angst, und die Kinder, verwaiset,
Schreien nach dir – umsonst: du kennst, Tollkühner, die Furcht nicht!
Ach, erhob dich die Huld der ewigwaltenden Vorsicht
Nicht auf den Thron, daß du beglückest unzählige Völker;
Führest den Frieden zurück' in die sturmerschütterten Gauen
Deutschlands, unseres Vaterlands, und erhebest die Ostmark,
Deinem Geschlechte zum Ruhm - zum Sitz' unendlichen Segens?«
Jener entgegnet' ihr sanft: »Nicht also gedacht, und gesprochen
Hast du, Theure, zuvor in den blühendentfalteten Jahren,
Als in den Kampf dein Held auszog. Du reichtest die Waffen
Selber ihm dort, vom Staub sie reinigend, oder vom Blutrost
Oft mit dem Hauche des Mund's und den zartgestalteten Fingern,
Und umgürtetest ihn mit dem Schwert, nach ad'liger Sitte.
Zwar dir pochte die Brust, und die rosigerglühenden Lippen
Zitterten ob den Gefahren des Kampfs; doch immer bezwangst du,
Schweigend, die Angst, und theiltest die Freude des kehrenden Siegers:
Denn nicht eitelen Ruhm, nicht schnöden Besitz zu erjagen,
Lag ich draußen im Feld; nie schaffte mein Eisen das Eigen
Armer und Waisen mir heim: nur diese zu schirmen – zu rächen
Unterdrückung und Schmach der Unschuldigen, zog ich mit Macht aus,
Wie es die Ritterehre geboth. Auch jetzo, gezwungen
Nur, entreiß' ich das Schwert der rostenden Scheide. Des Friedens
Bothen, erhaben an Rang und Verdienst, entsandt' ich in's Lager
Ottgars erst: wohl mir, so er beiden ein günstiges Ohr leiht!
Doch so er taub verschmäht den ein- und den anderen: dann sey
Gott befohlen mein Haupt. Ich muß ja leben, und sterben,
Wie es der Völker Wohl und des Herrschers heilige Pflicht heischt.
Mög' er Tröster dir seyn, und das Leben noch lange dir fristen
Mir zur Freud', und den Kindern zum Glück', auf immer und ewig!«
Jetzo erhob er sich rasch von der steinernen Bank mit der Gattinn;
Winkt', und reicht' ihr, zum Scheiden, die Hand. Durch quellende Zähren
Sah'n sie lang' einander in's Aug': die Zitternde sank ihm
Dann, voll Hast, an die Brust, und küßte das pochende Herz ihm.
Angst ergriff das Volk, und ihr' Erzeugten verhüllten,
Weinend, das Aug': sie kehrete heim nach der einsamen Hofburg.
Ach, nicht sieht er sie mehr, die holde Geliebte der Jugend,
Nicht die erlesenste Gattinn mehr, nicht die beste der Mütter:
Denn ihr Lebenslicht soll nun, wie die Lampe verlöschen,
Die, des Oehles beraubt, nur matt aufflimmert noch einmal!

D'rauf an der Wien, die träg in den buschigen Ufern sich fortwälzt,
Führt' er die Heerschar schnell den Mauern der Veste vorüber:
Denn nicht wollt' er die Burg in den Tagen des Kampfes beschreiten,
Wählend das Zelt zur Wohnung im Kreise der tapferen Krieger.
Außer dem Stubenthor naht' ihm mit eilenden Schritten
Hugo von Tauffers, er, des treuen, tyrolischen Berglands
Heldensohn, der, jüngst erkoren zum Schirmer der Festung,
Tausend trefflichen Schützen geboth, die er warb in der Heimath.
»Herr,« so sprach er ihm leis' in das Ohr, »nicht wollest du Hugo's,
Deines Getreu'n, der lange, fürwahr, den Schuhen des Jünglings
Schon entwuchs, jetzt höhnen, als aberwitzigen Träumers!
Wohl ist des Menschen Geschick, zu spielen als Kind an dem Morgen;
D'rauf an dem Mittag ernst zu wandeln als Mann, – wie ein Kind fast
Sich zu geberden als Greis, an dem Abend des wechselnden Lebens;
Doch, getrost: noch sitzet das Haupt mir fest auf den Schultern;
Schaue noch scharf in die Fern', und mir entgehet der Laut nicht,
Der zu Thaten mich ruft im rühmlichen Felde der Waffen!
So verkünd' ich dir jetzt, wie heute am dämmernden Morgen
Mir ein Wundertraum das Geheimniß enthüllte, daß Gegner
Drinnen im Schooße der Stadt gehägt, gleich giftigen Nattern,
Sinnen auf Mord und Verrath. Ich sah an dem heimlichen Wehr-Gang,
Der, verborgen im dichten Gesträuch, vom Ufer der Donau,
Vielverschlungenen Zugs, zu dem inneren Graben heraufführt,
Listig eröffnet die Thür', und gehäuft unzählig die Waffen:
Sie zu vertrau'n der würgenden Faust verruchter Gesellen.
Auch entnahm ich zuvor aus dunkelen Zeilen, daß Waldram
Gestern um Mitternacht Rath hielt im grausen Gebeinhaus
Unter der wölbenden Gruft der Kirche Maria-Stiegen.
Solches erwäg', o Herr, und begegne dem schnöden Verrath jetzt!«
»Horch,« so gab ihm der Kaiser zurück, »der Huth in der Festung
Eine sich hier die Schar zweitausend gewaltiger Schweizer
Heute noch, die, so heiß' es, erschlaffte die dauernde Heersfahrt!
Hartmanns Muthe vertraut sey dann die Vest' und die Hofburg;
Doch du schwinge dich hurtig auf's Roß, und reite g'en Theben,
Wo schon Ladislav, mit der Krone des heiligen Königs
Jüngst geschmückt, als Freund und verbündeter Kriegesgenosse,
Unser mit Sehnsucht harrt im Kreise der tapfer'n Magyaren.
Ihm entbiethe denn unsern Gruß: er solle bereit steh'n,
Bis von dem Kahlenberg', in dem mitternächtlichen Grauen
Hoch die Lohe sich hebt: des Kampfs bedeutender Wink; dann
Eil' er herüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge
Sie in dem trocknen Geröhr', an dem Weidenbache vor Marchek.
Auch ich werde nicht fern mehr seyn, und ihm einen die Scharen
Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.«
Hugo vernahm das Wort – nicht zweimal braucht' er's zu hören:
Denn er hob sich, behend', im kreisenden Schwung in den Sattel,
Jagte davon – ihm nach der rüstige Knapp', und in Säulen
Hob sich der Staub empor in die Luft vom schimmernden Heerweg.

Doch nun theilten die Schützen Tyrols mit den tapferen Schweizern
Wiens ruhmwürdige Huth, wie solches der Kaiser gebothen,
Der das Schwert von der Hüfte sich nahm, und dem tapferen Hartmann,
Seinem Erzeugten, es gab mit sanftermahnenden Worten:
»Deinem Muthe vertraut sey jetzo die Burg und die Festung
Wiens, der herrlichen Stadt. Ein rettender Schild der Bedrängten
Mögest du seyn, und den Ruhm von deinem Geschlechte bewahren,
Das von der Habsburg kam, und Oestreich, liebend, zur Heimath
Sich erkor: ihr Glück auf immer zu gründen, entschlossen!«
Sagt' es, und Hartmann trat mit schweigendem Ernst in die Vest' ein,
Dort zu gebiethen der Schar wallschirmender, muthiger Völker.
Trauer umwölkte sein stilles Gemüth. Von den Sterblichen einer,
Die, durch Prüfung bewährt, des Herrn verborgener Rathschluß
Wandeln heißt auf der Dornenbahn in die ewige Heimath,
Wuchs er in Schwermuth auf. Den Gegnern gefürchtet im Schlachtfeld,
Und von Jeglichem ob des Wissens Reichthum bewundert,
War er der Aeltern Stolz, und die Freude der edelsten Menschen;
Doch mißlang ihm oft sein Müh'n und Streben, und ach, erst
Kündet' ihm Eginhard des stolzgesinneten Fräuleins
Liebeverschmähendes Wort. Er hielt sich die Brust mit der Rechten,
Wo das Herz empörter ihm schlug, und sah zu dem Himmel
Düsteren Blicks, empor; doch bald bezwang er sich wieder:
Mit Ergebung vor Gott, und den Menschen zu wandeln, entschlossen.
Jetzt, so hoch ihn der Ruf des Heldenvaters auch ehrte,
Inner den ragenden Mauern Wiens dem Feinde zu trotzen,
Und zu entreißen den Sieg, nicht weckt' er ihm Freud' in dem Herzen:
Denn ihn hieß auf den Kahlenberg zur stillen Karthause
Pilgern ein frommes Gelübd', und, wie es nun lösen? – nicht wußt' er's.

Aber es zog auf der Brücke dort, die, einigend Leupold's
Außen- und Inselstadt Der schmale Donau-Arm, der, unterhalb Nußdorf von dem Hauptstrom geschieden, die Stadt Wien von der Leopoldstadt trennet, und hiermit ein großes Eyland bildet, auf welchem nebst besagter Vorstadt, auch die anmuthigsten Spaziergänge in der Brigittenau, dem Augarten und dem berühmten Prater sich befinden. mit dem Land' und der Vest', in dem Grund fußt,
Eilig der stattliche Kaiser einher vor den muthigen Scharen.
Schmal, und getrennt von dem Riesenarm der herrschenden Donau,
Wogt in der Tiefe der Strom, und umfaßt ein mächtiges Eiland,
Das im Schooße die Außenstadt und umschattende Auen
Lieblich vereint, zur Lust des wandelnden Städtebewohners.
D'rauf im Eilschritt ritt er hinaus auf den schwankenden Bohlen,
Wo auf dem Riesenstrom sich die Fähren an Fähren, im Halbkreis
Reihten, dem wachsenden Mond' an dem Sternenhimmel nicht ungleich,
Wenn er auf dunkeles Nebelgewölk im Westen hinabsinkt.
Angelangt an der Spitze, vom Tabor hinaus, wo im Aufeld
Links an der Straß', und rechts sein Heer das Lager bezogen,
Sah er zum Ehrenempfang die Scharen geordnet, und winkte
Beifall den Amtnern Amtner, dieses im Verlaufe des Gedichtes einigemal vorkommende Wort, bezeichnet (wie Schaff-ner, Zöll-ner u. s. w. geformt) ganz entsprechend die französische Benennung Offizier; wo sodann Offizier-Corps, durch Amtnergilde gegeben werden könnte. zugleich, und den muthbegeisterten Kriegern:
Denn schon hob sich ihr Freuden-Geschrei die Reihen hinunter,
Endlosdauernd im Ruf: »Hoch lebe der Kaiser Rudolphus!«

Allen voran stand dort der Hauf' östreichischer Krieger,
Ober'n und unteren Lands; die letzteren führte Capellen,
Jene Dietrichstein in das Feld: zehntausend der Männer,
Die mit dem Panzerhemd, mit dem Helm', und dem Schilde bewehret,
Kämpfend zu Fuß, aufschwangen im Feld die tödlichen Lanzen.
Aber das muthige Volk der Steyrer, der Krainer, und Kärnthner
Stand an jene gereiht, und, wahrt' auch der Helm nicht das Haupt ihm,
Nicht der eiserne Harnisch die Brust; doch würd' es, den Degen
Schwingend, durchbrechen im Sturm, und erringen den blutigen Kampfpreis.
Pfannberg, Meinhard, und Ortenburg die untad'ligen Feldherrn,
Riefen die Völker in's Feld: dreitausend erlesene Reiter.
Auch der Schweizer gewaltiges Volk, und der heiteren Schwaben
Heldenschar stand dort, gesellet der lagernden Heersmacht;
Dies' empörte zur Schlacht der Burggraf, Friedrich von Nürnberg,
Rudolphs Schwestersohn, und ein tapferer Degen im Schlachtfeld,
Albrecht jene, der edele Sohn des edelsten Kaisers;
Doch den beiden vereinten sich noch tyrolische Schützen,
Die, gerufen erst jüngst aus den Thälern der Heimath, die Armbrust
Auf der Schulter – die Pfeil', im Bündel geschnürt, auf dem Rücken
Trugen; umspähenden Blicks, wie dem Wild' auf der Fährte die Jäger,
Fernhin sah'n, und, kühn, nicht in Stahl und Eisen sich hüllten.
Tauffers war ihr Hort im Gewühle der Schlachten. Er flog jetzt
Unaufhaltsam dahin, des Kaisers erlesener Herold.

Sieh', und schon gewahrt' er das Ziel! Die sinkende Sonne
Stand an dem Abendthor', umhüllt von rosigem Schimmer.
Heller glüht' ihr scheidender Blick; ihr goldenes Haupthaar
Flammt' empor, da in hehrem Glanz sie noch einmal herüber
Winkt' ihr Lebewohl! dem sanft entschlummerten Erdkreis.
Aber die Kühlung sank auf den Fittigen schmeichelnder Lüftchen
Leise herab, und erquickte die schweraufathmende Schöpfung.
Jetzt vollbrachte den Ritt sein feuriger Renner; es flogen
Dampfend und triefend von Schweiß ihm die Seiten; der Hals und der Rücken
Schäumt', und ihm wankten die Füß', da er stand vor dem Zelte des Königs.

Dort den Hügel empor, wo jetzt nur Trümmer des Schlosses
Weitumkreisenden Hof bezeichneten, das in der Vorzeit
Herrschend hinuntersah auf das Land, aus dem in die Donau
Drüben die March sich ergießt, und, von ihren gewaltigen Fluthen
Stolz zurückgedrängt, seegleich bedecket die Fluren:
Dort, auf Pfähle gespannt, erhoben sich tausend und tausend
Schimmernde Zelte des Volks der Kumanier und der Magyaren. Die Kumanier (ein sarmatisches Volk), die aus ihrem Land, welches zwischen den Alpen und der Donau, gegen die Tartarei zu, lag, von den hinterhalb wohnenden Tartaren gedrängt, unter Bela IV. Jahr 1239 nach Ungern kamen, und von diesem eine große Strecke Lands zwischen der Donau und der Theyß eingeräumt erhielten, vereinigten sich dann mit den bald nachfolgenden Tartaren, über Ungern die schrecklichste Verwüstung zu bringen, weßwegen sie dem Unger, der sie in seiner Sprache Kun nennt, auch nachdem jene schon abgezogen waren, noch lange verhaßt blieben. ( Bonfinii Decad. II. Lib. 8.)
Jene rühmten sich gleichen Geschlechts und Ursprungs mit diesen;
Doch der edlere Stamm der ahnenstolzen Magyaren
Hielt Jahrhunderte schon, aus Scythiens grasiger Steppe
Kommend (Tanfu, Zuard, Lehel, und der tapfere Almus,
Waren die Führer des Volks) Pannoniens herrliche Fluren
Im Besitz', errungen im Sieg ruhmdürstender Ahnen.
Jüngst erst kam der Kune heran, dem wilden Tartaren
Folgend im Schreckenszug, und, als er, verwilderter heimzog, Dschengis Khan brachte durch die Gründung seines großen Reichs in Asien auch die europäische Tartarei, welche die Halbinsel Krimm, Beßarabien und das Land zwischen dem Dniester und Dnepr in sich faßte, in Bewegung. Seine Horden drängten die vor ihnen liegenden Kumanier, und als diese, unter ihrem König Kuthen, sich nach Ungern zurück zogen, folgten sie ihnen dahin nach, und verwüsteten unter ihren beiden Anführern, Vathos, der über Reußen, Polen und Mähren, und Kadan, der aus der Moldau hereinbrach, beinahe durch zwei Jahre das Land mit Feuer und Schwert.
Nach entsetzlichem Mord' und Gewürg' unzähliger Christen,
Blieb er im Lande zurück: inmitten der Theyß und der Donau,
Sich erwählend ein Sandgefild zum dauernden Wohnsitz,
Welches der Steppe gleich, unendlicher Fläche sich ausdehnt,
Und Kumanien heißt. Ihn nennt der Unger den Kun nur.
Eisern hielt er noch fest an der Sitte der Heimath; auch Götzen
Dienet' er, so vermengend das Wort der ewigen Wahrheit
Mit entehrendem Wahn: denn kaum erkannte des Heilands
Rettenden Weg sein Geist, und roh bewahrt' er das Herz noch.
Aber entsetzlich wüthet der grimmige Kun' in der Feldschlacht.
Ordnungslos, bald links, bald rechts sich wendend, im Eilflug,
Braust er heran wie der Sturm. Er schnellt von dem tönenden Bogen
Durch die heulende Luft den befiederten Pfeil, und verfehlt nie,
So er den Gegner in's Auge gefaßt, in die Brust ihn zu treffen.
Aber von diesem bedrängt, entflieht, und kehret er wieder,
Listengeübt; läßt oft dem fliehenden Rosse den Zügel;
Wendet sich hurtig im Sattel herum, und schleudert des Tschakans
Eisengewichtige Last dem Nahenden mächtig entgegen.
Sieh', und hatt' er ihn etwa verfehlt, da setzt er sich wieder
Rasch, im Schwunge, zurecht in dem Sattel; ergreifet die Zügel;
Lenkt im kreisenden Lauf mit eisernem Drucke der Schenkel
Eilig den Renner heran, und so der entflogenen Waffe
Nahend, schwebt er mit einem Fuß noch im Riemen des Bügels;
Beugt sich nieder im Flug', und hebt sie empor von dem Boden,
Ehe der Feind sich gestellt, und des Fliehenden Jauchzen vernommen.

Dort schwang Hugo sich jetzt mit forschendem Blick' aus dem Sattel,
Und vertraute das Roß dem redlichen Knappen zur Pfleg' an.
Fernher scholl an sein Ohr des Lagers Getöse: dem Meersturm
Gleich, der himmelan braus't, erfüllt' ein dumpfes Gemurmel
Drüben die Nacht. Stets glühender schien der wolkige Himmel
Ueber dem Lager, erhellt von unzählbarlodernden Feuern.
Dorther kam auftobender Manner Geschrei, und der Weiber
Lautes Kreischen, vermengt dem Gebrüll' und dem Wiehern des Lastthiers:
Denn von den Zelten hinaus umgrasete rings in dem Blachfeld
Breitgehörnetes Rind und der Ross' unendliche Mehrzahl,
Die nur klein von Gestalt, und unscheinbar dünken dem Fremdling,
Aber, von feurigem Muth' erfüllt, und dauernder Kraft voll,
Tragen den Reiter so schnell wie der Blitz an den Feind, und erretten
Oft ihn im Schlachtengemeng, schnellfüßig zum Sprung und zum Laufen.
Also lagerten hier die Kumanier. Doch in des Heeres
Rücken ruhte das Reitervolk der edelen Ungern,
Kummererfüllt: denn Ladislav, der König, erkor sich
Jene zu Lieblingen, so der Ahnenehre vergessend.

Als nun Hugo dem Zelt des Königes nahte, vermeint' er,
Zithergetöne zu hören; ihm schien: kumanische Mädchen
Sangen dazu, nach Heidenbrauch, unziemliche Weisen.
Ach, und so war's! Doch bald verstummte der Sang und die Zither,
Als der Fremdling, in Eisen gehüllt, ihm näher getreten.
All' erhoben sich schnell von dem Boden – die bärtigen Männer
Und die rosigen Mädchen, und jetzt der fürstliche Jüngling,
Anmuthstrahlenden Blicks, an dem Haupte von bräunlichen Haaren
Lieblich umlockt, voll Jugendkraft und blühender Schönheit.
Aber er stand verwirrt, und wußte nicht, wie er beginne,
Bis er sich wieder ermannt', und d'rauf mit kräftigem Laut rief:
»Sprich: weß' Landes du bist, o Fremdling? Triegt uns die Ahnung
Nicht, so kommst du gesandt von dem Kaiser der Deutschen, Rudolphus,
Der uns vielleicht des Saumsals zeiht, und unrühmlicher Trägheit,
Weil wir ruhen dahier, bei Saitenspiel und Gesängen
Uns ergetzend, und sein', des feindbedrängten nicht achten?
Doch wir harreten nur des Winks, den er uns verheißen,
Und gedenken, ihm treu und redlich zu Hülfe zu stehen!«
Hugo beugte das Haupt, und sagte mit edelem Anstand:
»Herr, du ahnetest recht! Hier steht des Kaisers Gesandter,
Hugo von Tauffers genannt, vor dir, und, wahrlich, ein Krieger,
Seit er der Schul' entlief: ein Taug'nichts ist er am Schreibtisch!
Aber nicht rostete noch in der Scheide sein trefflicher Degen;
Gerne stellt er sich ein, wo es gilt ihm Ruhm zu gewinnen,
Und hoch ehrt ihn die Sendung auch jetzt: denn Wichtiges soll er
Dir kund thun; doch, Herr, verzeih' – in dieser Gesellschaft?«
Sagt' es, und lächelte fast; der König entgegnete leiser:
»Ritter, mir scheint dein lächelndstrafendes Auge zu sagen,
Was dem Könige ziemt, was nicht! Erfahrenes Alter
Richtet streng; doch sieh', noch blüht mir der fröhlichen Jugend
Rosenhain, und ich wandle in ihm mit heiterem Sinn fort;
Weile so gerne dahier im Kreis' des unschuldigen Volkes,
Das, von der Urzeit her die ererbeten Sitten bewahrend,
Frei, die Fessel nicht kennt, die uns engt im verfeinerten Leben!
Aber tritt in mein Zelt, und vergnüge dein Herz an dem Spätmahl,
Das ich dir biethe nach Lagers Brauch; dann will ich dich hören.«

Eilig traten sie ein. Die finsteren Scharengebiether
Folgten dem Könige nach, und setzten sich rings um den Tisch her,
Sonder Ordnung, noch Wahl. In zottige Pelze gehüllet,
Sah'n sie stolz aus den tiefvergrabenen Augen dem Fremdling
Jetzt in das heitre Gesicht, und strichen den Bart an der Lippe.
Bald erschienen im Zelt' auch die rosigblühenden Mädchen,
Tragend in Körben Pferdfleisch auf, das unter dem Sattel
Barg der Reiter, und dann hinflog, bis solches im Ritte
Heiß geworden, und mürb', des Volks ersehntes Gericht war;
Auch gebratenes Fleisch vließtragender Lämmer, mit Knoblauch
Vielgewürzt; dann Brot aus dem feinsten Mehle gebacken,
Hochgewölbet und weiß, nach Art magyarischer Backkunst,
Und die mächtigen Krüge, gefüllt mit den edelsten Weinen.
Alle schmausten nach Lust; doch Hugo verschmähte des Kunen
Lieblingsgericht – nicht des Weins, des trefflichen, schonend: unendlich
Gab er bei Humpen Bescheid, und blieb stets seiner noch Meister.

Siehe, von neuem erscholl der Zither Getön', und der Herrscher
Mahnte die Männer und Mädchen zum Tanz', dem Gaste zu Ehren!
Jene stellten sich ernsten Blicks, dem König gehorchend,
Draußen in Doppelreih'n, und hoben den werbenden Tanz an,
Der in das Feld den Jüngling ruft, und Gefühle der Wehmuth,
Ihm in der Brust aufregt, an die Zeiten der Väter ihn mahnend,
Mit wehklagenden, tief das Herz bestürmenden Weisen.
Aber sie schlugen die Hand an die Hand, und die Sporn' an die Spornen;
Stampften zugleich, rasch hin und daher sich wendend, den Boden;
Stöhnend vor Lust, und ihr Aug' erfüllten oft schimmernde Thränen,
Plötzlich geweckt von dem Sturm der empörten Herzensempfindung.
Doch als d'rauf zu dem Wechseltanz der erfahrene Künstler
Rasch in die Saiten griff, mit dem Fuße der schnelleren Weisen
Zeitmaß schlug: da faßte die Tänzerinn jeglicher Tänzer
Um den blühenden Leib, und schwang sie umher an der Stelle,
Bald mit dem linken, und bald mit dem rechten Arme sie drehend
Fort im verengenden Kreis'. Dann riß er sich wieder von ihr los;
Hüpfte schnell vor ihr hin, und schlug die klingenden Spornen,
Jauchzend, zusammen, und schlug die Wade mit wechselnden Händen.
Aber sie folgt' ihm entfernt. Die Recht' an die Seite sich stemmend,
Hielt sie die Schürze am Saum' sich stolz vom Leib' mit der Linken,
Wandte sich links und rechts, mit niedlichen Sprüngen, und mied ihn
Scheinbar, bis sie, ersehnt, urschnell in die Arme des Tänzers
Flog, und von neuem das Paar in schwindelnden Kreisen sich drehte.
Doch nun winkte der König zum Schluß: die Saiten verstummten;
Hoch erhob der Tänzer die Tänzerinn noch, und entließ sie;
Kam dann, triefend von Schweiß, und setzte sich wieder zum Tisch hin.
Jene entfloh'n, und der König sprach, mildlächelnd, zu Hugo:
»Ritter, du hast magyarische Tänze geseh'n, und ergetzet
Dich bei'm fröhlichen Mahl', obgleich du ein nüchterner Gast bist!
Nun ersehnte mein Geist zu vernehmen, wie Kaiser Rudolphus,
Unser Bundesgenoß' und Freund, zum Throne gelangt ist –
Er, einst Habsburgs Graf? Doch künde zuvor uns die Abkunft
Und die muthigen Thaten des huldbeseligten Herrschers,
Die mit unsterblichem Ruhm' ihm zieren die Stirne. Der Morgen
Graut: bald steht ihm Ungerns Macht zu Geboth' in der Feldschlacht.«
»Zwar verweigerst du noch,« so entgegnete jener, »des Kaisers
Herold' ein willig Gehör, und lullst ihn bei Tänzen und Mahlen,
Zaubernd, ein, daß er ganz vergesse der wichtigen Sendung.
Aber, weil dich verlangt, von meines erlauchten Gebiethers
Abkunft, Muth und Heldenkraft, die Carol des Großen
Glänzenden Thron ihm errang, zu hören, so will ich mich fügen
In Geduld, und harren: es gilt ja die Ehre des Kaisers!«

»Wisse demnach! Stolz hebt sich vom Fels die mächtige Habsburg
Aus umdämmerndem Wald, an der Aar in die bläuliche Luft auf.
Dort, so kündet die Sag', erschien in grauender Vorzeit
Rudolphs edles Geschlecht, aus fränkischem Stamm, und erbaute
Jene, wie auch Aarburg, und Brugg, die gewaltigen Vesten.
Aber vor allen hieß die ›Herrliche‹ jene von Habsburg:
Denn mildherzige That an den Dürftigen, eisernes Schirmrecht
Gegen die freche Gewalt des Unterdrückers der Schwachen,
Uebten aus ihr, gebührend, die weitgerühmten Gebiether.
Dort erwuchs, entflammt von dem Ruhm gefeierter Ahnen,
Rudolph, Albrechts Sohn, des Weisen, und Hedwig, der Frommen,
Lernend durch Gottesfurcht und Weisheit frühe des Lebens
Höchstes Glück in der eigenen Brust zu gründen für immer.
Doch wo wäre Beginn und Ende? so Alles und Jedes
Ich dir kündete: wie an den Hof ihn Friedrich, der Kaiser,
Der zu der heiligen Tauf', als Path' ihn führte, gerufen,
Daß er ihn lehrte mit Rittersmuth nach rühmlichen Thaten
Streben; wie er im sicilischen Krieg', und in jenem von Oestreich,
Gegen den Streitbar'n focht, und miterstürmte die Stadt Wien,
Die, vor allen beglückt, ihn einst als Herrscher begrüßet;
D'rauf in der Ahnen-Burg Rudolphs Zug nach dem Gelobten-Lande; auch daß er Hofmarschalk König Ottokars gewesen (siehe weiter unten Vers 602) gehört unter die bestrittenen Ereignisse seines Lebens. zugleich mit dem Vater das Kreuz nahm;
Nach dem Gelobten-Land, die Feinde des Kreuzes bekämpfend,
Wallete; dort den Vater begrub, und, als er zur Habsburg
Heimzog, freudig zu eh'lichem Bund sich Annen erkies'te,
Hochbergs Kind, voll Huld, und die tugendreichste der Frauen –
Auch, allmänniglich werth, ein trefflicher Ritter und Herr war.
Wohl gebräch' es mir auch an der Zeit und an Odem, geziemend
Nun zu schildern die sieg- und ruhmverherrlichten Krieg' all',
Die er geführt in den zweimal eilf unseligen Jahren,
Wo das verwaisete Reich nach Friedrichs Tode, des Kaisers,
Voll von Mord und Plünderung war, da in grauser Verwild'rung
Aus der thürmenden Burg ein jeglicher Ritter, nach Willkühr
Schaltend, Sitten, Gesetz', und allem Heiligen Hohn sprach;
Wie er beschirmte das Recht und die Unschuld stets, und das Banner
Habsburgs ward dem Schwachen zum Trost', und den Räubern zum Schrecken.
Aber vernimm dieß einzige nur, wie kühn, wie entschlossen,
Und wie edel er ist! Ihm stand der Abt zu Sanct-Gallen,
Der, ein Falkensteiner, das Schwert und den hirtlichen Krummstab
Kundig zu führen gelernt, gar feindlich entgegen; sie quälten
Tapfer sich ab. Da brach sein Zorn auf die Baseler Bürger
Los, die ihm, wildempört, erschlugen die Freund' und Verwandten:
Denn mit wenigen Reisigen hielt er still vor den Thoren
Wyls, des Städtchens, und heischte noch Einlaß dort zu dem Stiftsabt,
Der bei dem nächtlichen Imbiß saß, und, erstaunet, ihn ansah.
Aber er both ihm die Hand, und sprach: »Daß ich also zu dir kam,
Diene zum Zeichen dir: ich achte dich, redlichgesinnet,
Wie ich es bin, und vertraue dir kühn so Leben und Freiheit.
Höre, viel besser wär's, daß wir uns in Rechten vertrügen,
Heute noch; dann die Waffen vereint, nach den Baselern kehrten,
Die mir erschlugen die Freund', und erwürgten die theuern Verwandten!«
Also geschah's: sie schmausten versöhnt. Am kommenden Abend
Zogen sie rasch auf die Baseler los, und fürchterlich brannt' es
Bald von der Stadt auf; bald versöhnete Blut die Erschlag'nen,
Und die Gegner umfing der Friede mit traulichen Armen.
D'rauf durchschwamm er die Furt, die noch ›habsburger‹ im Land dort
Heißet, des mächtigen Rheins mit reisigem Volk', und erstürmte
Breisach kühn, mit dem Stahl in der Faust, ein trefflicher Stürmer!

Laut aufjubelten jetzt die Kumanier, preisend des Ritters
Heldenmuth, und, ergreifend, voll Hast, den irdenen Weinkrug,
Der vor jeglichem stand, mit edelem Moste gefüllet,
Leerten sie ihn bis zum Boden hinab auf seine Gesundheit
Aus, auf einen Zug: daß ihr Haupt mit dem steigenden Weinkrug
Weit zurücke sich bog, und stellten ihn dann auf den Tisch dort
Nieder mit ohrerschütterndem Schlag. Doch wieder begann er:
»Also erscholl sein Ruhm zu den fernentlegensten Ländern
So, daß der Böhmen-König sogar, der jetzt in dem Feld uns
Biethet die Fehd' auf Leben und Tod, mit schimmernder Goldschrift
Ihn an den Hof zu sich lud, und zum Marschalk, ehrend, ernannte.
Ha, nicht reut' ihn die Wahl! Er focht ihm zur Seite mit Siegsruhm,
Gegen die Heiden im Preußenland', und errang ihm den Lorber
Auch im Vernichtungskampf g'en Bela's schreckliche Heersmacht.
D'rum kein Wunder, daß er, nach dem Wink der erbarmenden Vorsicht,
Die des gemeinsamen Vaterlands unendlichem Jammer
Setzen wollt' ein Ziel, von den sieben glänzenden Sternen
Unser's heiligen Reichs zur herrschenden Sonne gewählt ward:
Daß er im goldenen Schmuck der Kaiserkrone des Segens
Strahlen über die Gau'n des deutschen Landes versende.
Sieh' er lag vor Basel mit Macht; da brachte die Bothschaft
Ihm der Pappenheimer! Er stand, und wankt', und besann sich;
Aber, auf Gott vertrauend, geboth ihm das Herz in dem Busen
Freudigen Muth. Er ging, und bald vereinte der Krönung
Allerfreuendes Fest die Völker der Deutschen zu Aachen.
Dort heischt' er, im Dome gekrönt, den Eid von den Fürsten:
Daß sie verschafften nach Recht dem heiligen, römischen Reich' jetzt,
Was ihm die Faust entriß. Ueber das Faustrecht siehe Dr. Gerhards Abhandlung. Jena 1711. Sie ersannen, zaudernd, die Ausflucht:
›Noch vermiss' er zum Königseid' den Zepter der Ahnen.‹
Doch er wandte sich schnell; hob selbst das Kreuz von dem Altar;
Hielt es empor, und rief: ›Wer kennt ein schöneres Zeichen,
Kraft zu verleihen dem Eid', denn dieses, woran der Erlöser
Sterbend hing, und uns errettete, heilig und wahrhaft?‹
Und sie schwuren darauf: erbebend dem herrschenden Manne,
Der so kräftig gesprochen – so fest- und so muthiggesinnt war.
Dir, und manniglich ist es bekannt, wie der Kaiser, Rudolphus,
Redlich gehalten sein Wort, und treu gelöset den Schwur hat:
Bannend den Uebermuth, und des Faustrechts wildes Gewaltreich
Muthig aus Deutschlands Gau'n – an Leib und an Seel', er, ein Deutscher,
Der bald unserer geist- und herzerhebenden Sprach' auch
Sinnig zu Ehren half: in den Kanzeleien den Vorzug
Ihr vor dem todten Latein, dem schwerverständlichen, gönnend. Fugger erzählt: »Auf dem Reichstag zu Nürnberg Jahr 1274 ist beschlossen worden, daß forthin alle Reichsabschiede, Freiheitsbriefe, Befehle, Verträge, letzte Willen, und dergleichen öffentliche Urkunden, nicht mehr wie zuvor, in lateinischer, sondern in deutscher Sprache sollten ausgefertigt werden, damit also die Ungelehrten, die das Latein nicht verständen, nicht ungefährt bleiben, und die bürgerlichen Geschäfte in mehrere Richtigkeit kommen möchten. Wiewohl es noch bei dem damaligen Unform der Sprache (!!) mit der deutschen Rednerei etwas hart herginge, so wäre doch diese löbliche Sorgfalt K. Rudolph ein guter Anfang, und eine kräftige Anreizung zur Ausübung unserer Muttersprache gewesen.« ( Siehe Ehrenspiegel S. 87.)
Also geschah es, daß, dankerfüllt, ein jegliches Herz ihm
Huldigte: denn ihm zürnet allein der König der Böhmen,
Weil er, thörichten Sinns, die Kaiserkrone verschmähend,
Sie auf dem Haupte des Mannes sah, der einst ihm als Marschalk
Dienete. Doch umsonst bestürmt er die Erd' und den Himmel,
Sie zu entreißen dem Haupt, dem Gott sie gegeben, zum Segen
Gegenwärtiger Zeit und endlos dauernder Zukunft.
Ha, schon winket das Morgenroth! So höre mit Huld nun,
Was mein Kaiser und Herr zum freundlichen Gruß dir entbiethet:
Wenn von dem Kahlenberg in dem mitternächtlichen Grauen
Hoch die Loh' auffleugt: dann eil' aus dem schirmenden Lager
Schnell hinüber die March mit den schrecklichen Reitern, und berge
Sie in dem trocknen Geröhr' an dem Weidenbache bei Marcheck:
Denn auch er wird also dir nah'n, und die Hände dir reichen
Dort zu gemeinsamer That in des blutigen Kampfes Entscheidung.«
Und er erhob sich nun, schnell heimzukehren, entschlossen.

Glühenden Blickes sah aus dem schimmernden Thore des Morgens
Nach dem Zelteingang die Sonne herüber, und hauchte
Hüpfende Funken in's bleiche Gesicht der schläfrigen Krieger,
Die um den König herum sich lagerten. Aber er hob jetzt,
Stillhinbrütend, vom Stuhle sich auf. Zur glänzenden Heerschau
Dacht' er zu wecken sein Volk, dem scheidenden Fremdling zum Staunen.
»Gern,« so entgegnet' er, »will ich mich ganz dem Winke des Kaisers
Fügen, und eilen in's Feld, sein redlicher Bundesgenosse;
Aber nicht wollest du scheiden zuvor, eh' dir nicht zur Heerschau
Draußen mein Volk sich wies: nicht soll sich's lange verziehen.«
Sagt' es; riß sich das Schwert von der Hüft', und schlug in die Tafel
Dann mit der Klinge so stark, daß die ird'nen Gefäße zum Boden
Taumelten: ein's das and're im Flug zu Scherben zerschmetternd.
Wunder zu schau'n! Da fuhr in brausender Eile der Feldherrn
Leise zum Schlaf hinnickende Schar von den Sitzen, und leer war's
Bald in dem weiten Gezelt. Dem Könige folgte der Ritter
Staunend nach. Doch jetzt erschollen von grausem Gebrülle
Tausend Hörner, die einst die mächtige Stirne des Pflugstiers
Ziereten, breitgestellt, daß kaum der größte der Männer
Sie mit den Armen ermaß von einer Spitze zur andern.
Schon erhob sich Geschrei und Getös', und das Wiehern der Rosse
Rings in dem Lager, und füllte mit Angst und Entsetzen die Umwelt.
Hoch auf fuhr der finstere Staub, und dicht, wie der Krähen
Wimmelnde Schar durchstürmt den nebligen Himmel, so flogen,
Schnell gewahrend den Wink des Königs, unzählige Haufen,
Sich in den Sattel schwingend, voll Hast, nach dem Ufer der March hin.

Dort, auf dem sandigen Feld', in fernhinschwindenden langen,
Drei Mann tief, geordneten Reih'n aufritten die Kunen:
Lenkend hurtige Rosse vor und zurück mit des Schenkels
Mächtigem Druck, den, weitumflatternd, das leinene Beinkleid
Hüllete bis zu der Ferse hinab, und den ledernen Bundschuh'n.
Sonst ihr Kleid: ein Pelz von dem zottigen Vließe des Widders,
Ueber dem kürzeren Hemd', das halb des Niedergebeugten
Rücken entblößt – doch weit die Arme umwallt, und, der Scheitel
Zur Bedeckung, die Mütze von Filz, mit der wallenden Feder.
Zehnmal tausend' erhoben zur Luft den blitzenden Säbel,
Der der Sichel des Neumonds glich in der Krümm', und es führten
Eben so viele den Bogen und Pfeil mit dem hämmernden Tschakan.
Diese lenkte Suhol, der Eber genannt von den Seinen,
Ob des unbändigen Muths, und der Blitzstrahl, Kaduscha, jene:
Denn er flog so schnell wie der Blitz im Sturme der Schlacht hin.
Aber der Ungern edeles Volk beherrschte Matthias
Von Trentschin, der schlachterfahrene, tapfere Feldherr,
Dessen gewaltige Burg an den schimmernden Fluthen des Waagstroms,
Dräuend, in's Waag-Thal schaut, und Schrecken gebiethet den Feinden.
Auch er führte heran zehntausend muthige Reiter,
Welchen der Kalpag zierte das Haupt mit des Reihers Gefieder;
Aber der Pelz, am Rücken hinab an goldenen Schnüren
Hängend, von hellblau'm Tuch, verbrämt mit schwärzlichem Lammsfell,
Und gelbschimmernden Knöpfen besetzt; dann, ähnlich, der Dolman,
Schimmernd von Gold an der Brust, vom seidenen Gürtel umfangen,
Ziert' ihm den Leib, und der Bein' anschmiegende, gleiche Bekleidung
Zierte die Füße zugleich mit den spornenbewaffneten Tschismen.
Jeglicher hielt in der Faust, an die Schulter gelehnet, des Säbels
Krummgehämmerten Stahl, der, sausend, die Feinde zerschmettert.

Als nun Hugo die Völker geseh'n, da sprach zu Matthias
Von Trentschin der König, ihm selbst und den Seinen zur Trauer:
»Tapferer, weile dahier mit deinen Geschwadern, des Lagers
Mächtiger Hort: denn bald, erbaut auf schwankende Fähren,
Einet die Brücke des Flusses Gestad', und all das Geräth hier
Schaffest du dann noch heute hinüber, dem Heere zum Vortheil!
Aber, o freundlicher Greis, du, Hugo von Tauffers, der Ritter
Edelster, folg' mir nach, und künde dem mächtigen Herrscher,
Heimgekehrt in die Kaiserburg, was du an der March hier,
Staunend, gewahren wirst; künd' ihm: wir stehen den Feinden
Jenseits nahe genug; zum würgenden Kampfe gerüstet!«
Sagt' es, und sprengte voraus: ihm nach die Kumanier alle,
Mitten hinein in den Fluß, hinüber zu schwimmen, entschlossen.
Hochaufspritzte die Fluth dem gewaltigen Drange; die Wässer
Brauseten laut von unzähligen Hufen der Rosse geschlagen;
Brandend flogen die Wellen zum Land', und schäumten, und zischten
Endlos. Wie in dem eisigen Belt keckmuthige Fischer,
Eilend zum Wallfischfang' in schaukelnden Booten, auf einmal
Nahe des Unthiers Riesengestalt, das Heere der Fischchen
Vor sich jagt, erseh'n: da werfen sie schnell die Harpun' aus,
Die zweizackig gespitzt, einstürmt in die Weiche des Bauches,
Oder in's breite Genick des riesigen Fisches, und Blut färbt
Alsbald ringsum das Meer: denn eilig hinunter zum Abgrund
Fährt er, und eilig herauf, und peitscht mit dem Schweife die Meerfluth,
Daß sie himmelan fleugt, und röchelt mit dumpfem Gebrülle
Durch den schrecklichen Sturm der empörten Gewässer: so wogte,
Schäumt', und braus'te die March, als jetzo die Kunen hinüber
Mit gewaltigem Lärm und Geschrei, die wiehernden Rosse
Spornten, und all' das Heer errang, durchschwimmend, das Ufer.

Hugo saß in dem Sattel, und schwieg; doch jetzo besann er
Sich nicht lang', und schwamm (ihm folgte der redliche Knappe)
Eisenbewehrt, wie er war, auf dem mächtigen Gaule hinüber;
Schwang das Schwert in die Luft, und flog entgegen der Hauptstadt.


 << zurück weiter >>