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Zweiter Gesang.

Rudolph zieht seinem Sohn Albrecht bis Lilienfeld entgegen. Besteigt die Alpenhöhen, wo ein frommer Klausner ihm seines Hauses künftige Größe verkündet. Schlägt Müller, den Zürcher, zum Ritter. Sonnenaufgang, und herrliche Aussicht. Albrecht nah't von Zell heran, und stellt dem Kehrenden die Schweizer-und die schwäbischen Scharen vor. Er zieht mit ihnen g'en Wien. Hedwig.


S iehe, wer reitet den Wald entlang? Vom felsigen Boden
Tönet der eiserne Huf. Wer zieht im Schatten der Thäler
Fort im eilenden Trab? Doch dort, wo am lichteren Waldsaum
Weitgesondert, die Tannen steh'n, und der sonnige Bergpfad
Schlängelnd sich hebt, erblitzt es von hellgeglätteten Waffen
Quer in die Eb'ne herab. Jetzt näher und näher erschallet
Munterer Reiter Gespräch, und das Schnauben und Wiehern der Rosse.
Doch wer ist's, der allen voran den feurigen Rappen
Reitet, so freundlich und mild, so bar all' prunkenden Schmuckes?
Zwar erhellt die, in Rosengluth versinkende Sonne
Kein' unedele Stirn', und Ehrfurcht heischen die Augen
Dieses Gewaltigen, der ein Fürst, ein Kaiser von Anseh'n
Scheinet? Er ist's – ha, Rudolph ist's, der Kaiser der Deutschen!

Gestern zog er im Abendlicht mit hundert Erwählten
Eilig zum Kärnthnerthore hinaus nach dem herrschenden Hügel,
Wo (so kündet die Sag') in grau'numhülleter Vorzeit
Eine Spinnerinn saß, und bettelte, reichliche Spenden
Sammelnd: ein Kreuz zu erbau'n von zartdurchlichtetem Stein dort,
Wo das hölzerne, morsch, zerfiel, an welchem sie lebte.
Aber es wurde zugleich ihr Grab, von dem Fremdling bewundert:
Denn erblickt er die Stadt, die weit auf Erden gerühmt wird,
Vor sich in schimmernder Pracht der Thürm' und unzähliger Häuser,
Zollt er vor allem der sinnigen Wahl der Spinnerinn Beifall,
Und erquickt sein Aug' an dem wunderherrlichen Anblick.
D'rauf einlenkt' er zum Fuß' der traubengesegneten Hügel:
Petersdorf, und Brunn am Gebirg, wo der emsige Winzer
Keltert den kräftigen Most für die spätnachfolgende Zeit noch,
Und durchtrabte die Stadt von Mödeling. Die Veste Mödling, deren Ruinen über dem Städtchen gleiches Nahmens, nicht fern von Wien, in dem Brühler Thal zu sehen sind, war das Eigenthum mehrerer Fürsten eines Zweigs des babenbergischen Herrscherstammes, die sich Herzoge von Modeling nannten, und das zuletzt auch Gertrud, die Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling, und Bruders Friedrichs des Streitbaren, zu ihrem Antheil erhielt, nachdem ihr Gatte, Herman, Markgraf von Baden, gestorben war. Mächtigen Anseh'ns,
Schaut in das düstere Felsenthal, durch welches der Waldbach,
Eingezwängt, sich windet, und rauscht, die ragende Felsburg,
Mödling herab (ein Eigen des babenbergischen Herzogs,
Heinrich) und lieh auch zugleich dem Städtchen den Nahmen. Die Nacht hing
Dunkel herab; nicht erspähte der Wart von dem ragenden Wartthurm
Rudolphs hohe Gestalt: d'rum scholl die Dromete zum Gruß nicht.
Doch jetzt zog er am Tannberg fort, In einem eng umschlossenen Thal, am Fuße des Tannberges, welches der Sattelbach durchfließt, stiftete Leopold der Heilige im Jahr 1135 das Cisterzienser-Kloster Heiligen-Kreuz, welches nebst andern merkwürdigen Grabmäälern im Kreuzgang auch jenes von Friedrich dem Streitbaren, letzten Sprossen des babenbergischen Stammes, zur Schau stellt. wo im ruhigen Thalgrund
Schimmert das Gotteshaus zum Heiligen-Kreuz mit dem Kloster.
Herzog Leopold baut' es, der Heilige. Mönche von Cisterz
Rief er dahin, daß dies' in Saatengefilde die Wildniß
Wandelten, und im Gesange des Chors lobpriesen den Schöpfer.
Manches Helden Gebein', auch Fiedrichs, des streitbaren Herzogs,
Letzten seines Geschlechts, deckt dort der ehrende Denkstein.
Aber es sandte darauf vom Heiligen-Kreuze der Stiftsabt
Auch nach Lilienfeld die Brüder: so wollt' es der Herzog
Leupold, der Glorreiche, selbst, als er an dem Fuße der Alpen
Im bezaubernden Thal das Gotteshaus und das Kloster
Stiftete, dem jetzt Rudolph naht'. Schon ließ er auch Kaumbergs
Marken zurück, und als die Sonne im rosigen Schimmer
Sich in Osten erhob, da zog er durch's liebliche Hainthal,
Und erkor's in des Mittags Stunde zur Rast. An dem Göls'bach
Weideten frei die Rosse hinab. Die tapferen Krieger
Saßen im Kreise herum: sie sättigten sich an des Weizens
Goldener Frucht, zum nährenden Brote gebacken, und löschten
Dann an der Quelle den Durst. Inmitten der fröhlichen Männer
Saß der Kaiser im Gras'; er rief den Einen und Andern
Auf zu ergetzlichem Schwank', und zuletzt den redlichen Knappen
Müller, den Zürcher, der ihm das Leben gerettet, und seither
Stets zu getreulichem Dienst' ihm stand, im Krieg' und im Frieden.
»Künde«, so sprach er zu ihm, »den Kriegern das lustige Mährchen:
Wie du mich, den Zürnenden, einst auf der Straße begegnend,
Sühntest, listengeübt: denn manchen von meinen Getreuen
Hast du niedergeworfen zuvor, ein frevelnder Raufbold.«
»Mit Vergunst, Herr Kaiser,« begann der fröhliche Kriegsmann,
Schlaugewendeten Blicks, »so ich ruhmbegierig, und eitel,
Meinen Gefährten des Zugs verkünde zuvor, daß ich Habsburgs
Grafen im Kampf mit dem Regensberg das Leben gerettet!
Edle von Toggenburg, und Homburg; jene von Nidov,
Palm, und Warth mit Eschenbach vereinten dem Ritter
Regensberg, den er gewaltig bedrängte, die Scharen;
Doch er dachte der List, kriegskundig, dem Feinde zu schaden.
Oft ritt Regensberg mit zwölf weißschimmernden Rossen,
Welchen voran mit lautem Gebell zwölf ähnliche Doggen
Sprangen, zur Jagd, von dem Uttliberg, stolzirend, herunter.
Rudolph lag in dem Hinterhalt: die Ross' und die Doggen
Hatt' er, wie jener gewählt. Mein Volk, die muthigen Zürcher
Brachen hervor, mit ihm in dem Handel verstanden, und als er
Nahte der Burg in verstellter Flucht, da meinte der Wächter,
Oeffnend das Thor voll Hast, sein feindbedroheter Herr sey's.
Alsbald ward erobert die Burg, und zerstöret von Grund aus.
Ist's nicht also gescheh'n, mein hocherlauchter Gebiether?
Aber da stellten sie euch, auf offnen und heimlichen Wegen
Nach. So geschah's, daß einst, auf einsamer Fährt' in dem Wald ihr,
Nur mit schwachem Geleit dem Feind' in die Hände gefallen,
Rang't auf Leben und Tod, als bügellos in den Staub euch
Warf das getödtete Roß. Ihr wäret erlegen der Mehrzahl;
Doch der Seinen gedenket der Herr: er sandte den Müller
Euch zu Hülf'. Er kam auf dem Pfade geritten, und sah euch
Kämpfen, ähnlich dem Leu'n, den wüthende Tiger umringen;
Naht' im Flug, und ihr, in den Sattel gehoben, entrannet
So der Gefahr. Doch Müller ist euer getreuester Jünger
Seitdem – rühmt sich denn auch des edelsten Meisters auf Erden.
Ihr erlaßt mir vielleicht für heute das lustige Mährchen: Ueber Jacob Müllers, des Zürcher Kriegers, lustige Mähre siehe Alb. Argent. Cap. 18 und Fuggers Spiegel der Ehren des Erzhauses Oestreich. Nürnberg, 1668, erstes Buch 7. Cap. S. 66.
Denn, mich dünkt, es entfielen, wie Perlen gestaltete Tropfen
Eueren Wangen. Mich drängte früher die Noth, und euch später:
Alles auf Erden eint der Liebe geschäftige Sorgfalt.«
Innig gerührt ergriff ihm der Kaiser die Hand, und begann so:
»Edel hast gehandelt an mir, mein trefflicher Jünger!
Doch die Capelle winkt auf den Alphöh'n: heute noch sollst du
Ernten herrlichen Lohn, der Heldenthaten gebühret.
Jetzt rasch auf, ihr Reisigen: rasch zu dem winkenden Ziel hin!«
All' erhoben sich nun voll Muths; sie zäumten die Rosse,
Jauchzend, auf, und es ging dann weiter der fröhliche Zug fort.

Siehe, nicht lang', und sie sah'n jetzt schon die bläulichen Alphöh'n
Oben, und tiefer den Kulm und den kegelgestalteten Spitzbrand,
Freudigen Blicks, als unter dem Huf der gewaltigen Rosse,
Drönend, die Brück' erscholl, die, stets von den Fluthen der Traisen
Unten durchrauscht, im Grund die rasche Forelle beschattet.
Weit gerühmt ist die Traisen im Land (daß beide den Ursprung
Sich bestreiten, die Hohenberg-, und die Lilienfelder)
Sprudelnd hervor aus dem Schooß des Traisenberges im Waldthal,
Und enteilend voll Hast, sich dem Donaustrome zu einen. Der Traisen-Flug in Unteröstreich, der bei Traisenmauer in die Donau fällt, entspringt hinter der Lilienfelder Alpenkette aus dem sogenannten Traisenberg, und ergießt sich in zwei Bächen, wovon der eine hinter Tirnitz aus der Süd- und der andere hinter Hohenberg aus der Nordseite des Berges hervordringt, so, daß beide erst oberhalb Lilienfeld sich wieder vereinigen, und die eigentliche Traisen bilden. Wechselweise wird der eine, und der andere Arm die unechte Traisen genannt, je nachdem der Bewohner des einen und des andern Bezirks Kunde darüber geben soll.
Freundlich blickten die Sterne bereits vom Gewölbe des Himmels,
Wieder zur Erde herab; schon hauchten die würzigen Matten
Kühlung umher; es verglommen die ragenden Höh'n, und die Fluthen
Dampften im Thal, als jetzt mit seinem Gefolge der Kaiser
Nahe vorüber an Lilienfeld, dem herrlichen Kloster, Lilienfeld, das Cisterzienserkloster in Unteröstreich, welches am Fuße der Alpen, in einem der reizendsten Thäler, nicht weit von der, auf der Hauptstraße nach Wien liegenden Stadt St. Pölten entfernt liegt, wurde durch den babenbergischen Leopold den Glorreichen, Herzog von Oestreich, im Jahr 1202 gestiftet, erhielt, wie schon weiter oben im Gedichte gesagt wird, die ersten Mitglieder aus dem Kloster Heiligen-Kreuz, und besteht nun schon 640 Jahre. In dieses Kloster trat der Dichter Rudolphs von Habsburg, in seinem zwanzigsten Lebensjahre, im Jahre 1792, und hatte ihm gegen 28 Jahre lang angehört, nach welchen er zu höhern Stellen berufen ward; es ist ihm daher wohl zu guten zu halten, daß er es zu einem der Schauplätze seines Gedichtes gewählt, und mit besonderer Liebe und Ortskenntniß beschrieben hat.
Eilete: denn zum Abendgebeth' ertönte das Glöckchen
Schon von dem Thurm'; es lud zu des Chors Vollendung die Brüder,
Und erweckte zugleich, mildklagend, die Wonne der Wehmuth
Tief in der fühlenden Brust, die leise nach Ruhe sich sehnet
Nach den verschollenen Stürmen des Tags, auf irdischer Wand'rung.

Nahend dem Ziele, durch's Thal, geboth der Herrscher den Reitern,
Langs dem Bach zu erringen den Kulm, auf dem breiteren Saumpfad;
Aber er selber klomm, des Weg's wohlkundig, mit Müllern
Dort, wo ein lieblicher Wasserfall, von schroffer Gebirgswand
Plätschernd herab, zerstäubt die silbernblinkenden Fluthen,
Schweigend, die Höhen empor. Er sah nach den lichten Gefilden
Ferner Ebenen, jetzt aus der nächtlichdämmernden Waldung,
Jetzt vom schwindligen Fels mit thauendem Blick', und errang so
Früher den Kulm; doch dort, vereint mit seinen Erwählten
Wieder, rastet' er nicht, und stieg, stets höher und höher,
Bis er, den dunkelen Wald entlang, auf blühenden Matten
Wandelnd, schimmern sah im Schooße der luftigen Alphöh'n,
Aus dem Gezweig umhüllender Tannen der kleinen Capelle
Heiligthum, wo das Licht, in der Lampe genährt von dem Klausner,
Sandte die fächelnde Flamm' empor aus goldenem Oehlduft.
Dorthin wies ein Gesicht, im mitternächtlichen Grauen
Ihm aufsträubend das Haar vor Furcht und Erstaunen, ihn heut' erst.
Wichtiges sollt' ihm, dort enthüllt nach des Ewigen Rathschluß,
Mächtig erheben das Herz in der Stunde des nahenden Kampfes.

Jetzt verließen auf seinen Wink die Reiter den Sattel,
Daß, freiweidend im Feld, die Pferde sich letzten. Des Zaumes
Ledig, sprangen sie wiehernd davon, und wälzten im Gras sich
Links und rechts, die Gluth des gepreßten Rückens zu kühlen.
Auch die Reiter gesammt ausruheten dort von der Wand'rung.
Aber der Klausner, ein Greis, von neunzig entflohenen Jahren,
Trat aus der Hütt', im härnen Gewand', und führte den Kaiser,
Schweigender Ehrfurcht voll, zur Capelle. Der silberne Bart floß
Ihm zu dem hänfenen Gürtel herab. Von den lastenden Jahren
Wenig gebeugt, sah noch aus seinen erglühenden Augen
Jugendkraft, die manchmal in sinnender Trauer am Boden
Hafteten. Doch jetzt traten sie ein, und beugten die Knie' dort,
Wo gesegnetes Brot, der Seelen Speise, verwahrt war;
Wo das Bild des Gekreuzigten stand, und die Mutter das Kindlein
Wies in dem hehren Gemähld', voll Lieb' an den Busen es drückend,
Und, den wonn'ausstrahlenden Blick auf die Menschen gerichtet,
Allen zu rufen schien: »O liebt den Liebenden mir gleich!«
Aber der Greis, als wär' es zum letzten Male hienieden,
Sah zu ihr lang' empor, und wandte sich dann zu dem Pilger:
»Herr«, sprach er, »blick' auf zu der Himmlischen! Früh in des Lebens
Blüthenzeit hast du die Verehrung der seligsten Jungfrau
Dir erkoren zum wahrenden Schild', und dem Schiffer nicht ungleich,
Der in der Sturmnacht fest aufschaut zu dem rettenden Leuchtthurm,
Dadurch bewahrt im reinen Gemüth Vertrauen und Demuth:
Jenes zu Gott und auf Menschenwerth, und dies' auch im Glück' noch.
Also wandeltest du, ein Seliger, fort auf des Lebens
Dornenpfad mit heiterem Muth: der göttliche Sohn hört
Gerne der Mutter Fleh'n, in ihrem Schutze geborgen.
Jetzt auch wirst du gewiß, in dem furchtbarn Kampf der Entscheidung,
Huldbeglückt, erringen den Sieg, wenn dir auf dem Schlachtfeld,
In umdrängender Noth vom Munde des Herzens Gelübd' tönt:
›Fromme Jungfrau'n einst zu versammeln zum Zeichen des Kreuzes.‹ Ob Rudolph vor, oder während der Schlacht das Gelübde gemacht habe: so er den Sieg gewänne, ein Kloster zu Ehren des heil. Kreuzes zu erbauen, ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht völlig erweisbar. So viel ist gewiß, daß er, nach jenem erhaltenen Sieg über seinen Gegner, das adelige Frauenkloster zu Tuln zu Ehren des heil. Kreuzes erbaut, und auch seine, und seiner Gemahlinn aus Stein gehauene Statuen dahin geschenkt habe, die leider zur Zeit der Aufhebung desselben, auf eine unverantwortliche Weise, vernichtet worden sind!
Höre, demnach was mir mein Meister und Herr in Gesichten
Dunkeler Zukunft wies: Ein Vater unzähliger Fürsten
Wirst du seyn, und so oft auch hier auf irdischer Laufbahn
Wechselt des Menschen Geschick vom Guten zum Schlimmen: so wird doch
Treu', und Redlichkeit stets in deinem Geschlechte noch dauern. Die hier bezeichneten Fürsten sind: Albrecht I., Friedrich der Schöne, Maximilian I., Carl V., Maria Theresia, Joseph II., Leopold II., Franz I.«

»Ernsten Gemüths, herrscht einst dein ältester über die Völker,
Die dein heitres gewann, und fesselte. Ob er auch mannhaft
Steht in der Männerschlacht, und vor ihm die Feinde, besiegt, flieh'n;
Ob er auch ehret das Recht, und Gerechtigkeit übet als Richter,
So auch die Wissenschaften, die Künst', und den frohen Gewerbsfleiß
Blühen heißt mit dem Ackerbau, ein sorgsamer Herrscher:
Dennoch mißt er die Liebe. Die Hand der ewigen Vorsicht
Waltet über des Menschen Geschick'. In Dunkel gehüllet
Möge sein Ende dir seyn. Ihn rächen entsetzlich die Seinen.«

»Schön an Gemüth und Körper, die Lust des Menschengeschlechtes,
Faßt mit unsträflicher Hand die Kaiserkrone dein Enkel.
Aber, ihm gleich, ein Held, vom feindlichen Schicksal zum Feind' ihm
Auserkoren, entwindet sie ihr auf dem rauchenden Blutfeld
Mühldorfs; doch entreißt er, erst nur der Rache gedenkend,
Auch in der Kerkerluft der Trausnitz dem edelsten Manne
Nicht den unsterblichen Kranz, der, lohnend, dem Guten zu Theil wird.
Sieh', er steht, erschütternd, vor ihm, da er Ehre viel höher,
Denn des Lebens erlesenstes Glück, die goldene Freiheit,
Achtet, und wiedergekehrt, die Hände noch selber den Fesseln
Beut: ein Muster der deutschen Treu' auf Wort und auf Handschlag!
Innig ehrt er ihn d'rauf, und theilt das nächtliche Lager,
Ja, auch den Purpurthron mit dem Freund, der Erde zum Staunen.«

»Ha, schon winket des Theuerdanks unsterblicher Held mir
Aus dem strahlenden Licht des thatenverherrlichten Lebens!
Sein erbarmt sich der Herr, und rettet ihn, wunderbar oft so,
Wie auf der Martinswand, aus unsäglicher Noth und Gefahren,
Welch' ihm fortan dräu'n auf des Herrschers dornigen Pfaden.
Hoch erhebt er den Ruhm von Oestreich: kühn auf dem Schlachtfeld,
Weis' im Rath; ein Liedergewaltiger, Held, und Beherrscher.«

»Aber ihm folgt, o Habsburgs Stolz, sein größerer Enkel!
Sein Zeitalter leuchtet in wunderherrlichem Glanz' auf.
Jugendlich regt sich die Erd', und treibt den erfreuenden Keim schon
Jedes Großen und Schönen hervor. Erhabene Geister
Wandeln auf ihr zum Ziel – der Höchst' er unter den Hohen!
Ha, wie würdig er herrscht, wie kraftvoll! Fern in die Zukunft
Schaut sein Blick: er sinnt auf Deutschlands Größe durch Einung,
Auf Hispania's Macht, und Italia's, daß er die Rettung
Schaffe dem Christenvolk g'en wildempörter Osmanen
Allverheerende Wuth, die er tapfer bekämpft, und besieget.
Auch jenseits dem unendlichen Meer' erbeben die Völker
Seiner Gewalt: nie geht die freundlichleuchtende Sonne
Unter in seines umuferten Reichs endlosen Bezirken.
Also die alt' und die jüngere Welt im Segen zu einen,
Strebt sein hohes Gemüth. Wie dunkel die Wege der Vorsicht!
Deutschlands Gau'n durchtobt die Neuerung. Feindlich-geschieden,
Schaut urplötzlich der Mensch dem Menschen in's Aug: ihn verwildert
Schrecklicher Sectenhaß: denn Mord, und Brand, und Empörung
Würgt Jahrhunderte fort, und verscheucht bald jegliche Hoffnung,
Die so herrliche Früchte verhieß. Vergeblich versucht er,
Heimzuführen den scheuentflohenen Frieden: auf immer
Scheint er entfloh'n. Ihn ergreift unendlicher Schmerz, und er endet,
Freientsagend dem Thron, in einsamer Zelle sein Leben.«

»Ha, nach neun, durch Weisheit, Mild', und Gerechtigkeit ruhmvoll
Herrschenden Männern deines Stamms, erseh' ich im Thronsaal
Eine gewaltige Frau, die im Sturm umdräuender Nöthen,
Gottvertrauenden Muths, die Lieb' und Bewunderung aller,
Eintritt dort, mit dem Sohn' auf dem Arm, in die hohe Versammlung
Eines edelen Volks, und tausend Stimmen erschallen,
Als der ehernen Scheid' entrissen der blitzende Stahl fleugt:
»Laßt uns sterben für Sie, die, als Königinn, uns ist ein König!«
Glücklich als Gattinn und Mutter zugleich, und als Herrscherinn würdig
Ewigen Ruhms, entschlummert sie sanft in den Armen des Todes.«

»Lange zum Manne gereift, nachfolgt ihr spät ihr Erzeugter:
Herrschend des Volks Abgott, dem er nur Gutes gewillt ist.
Aber ihm stürmts in der Brust: was kommenden Zeiten noch dau're,
Müsse sorgsam gepflegt, und festgegründet der Bau seyn,
Das bedenket er nicht, und sieht noch sterbend, verwelket
Was er gepflanzt, und im Sand, sturzdrohend, was er gebaut hat;
Dennoch beut ihm die Liebe den Kranz niewelkenden Nachruhms.«

»Siehe den Weisen, in dessen Hand dann erglänzet der Zepter,
Reißt des Todes Geschick aus der Zahl der Lebenden schnell fort!
Wohl ihm: denn früher erringt er das Ziel der herrlichsten Laufbahn
Auf hesperischer Flur, wo er Glück ausspendet, und Segen!«

»Jetzt entschwinden die hehren Gesichte vor mir wie in Nebeln.
Furchtbar steigt Geschrei in die Luft. Des alternden Erdballs
Vesten wanken; es scheint, als sollt' ein neues Geschlecht sich
Heben empor aus dem gährenden Grund, doch früher die alten
Ganz hinschwinden in Nichts: so entsetzlich schwelgt die Empörung
Fort an den Strömen vergossenen Bluts. Der täuschenden Gleichheit
Mordruf schallt: hinschwindelt das Volk, und reißt mit des Thrones
Stürzendem Heiligthum' auch sich selber hinunter zum Abgrund,
Wo in dem nächtlichen Grau'n sein Wuthgestöhne verhallet.
Aber ich sehe den Schiffer im Sturm, der, blickend zum Himmel,
Unerschütterten Muths, durchfleugt die empörten Gewässer;
Sehe den Sohn vor mir des Verblichenen, wie er im Nachtgrau'n
Fortgewogt auf der Fluth, nun sinkt, nun steigt, bis er endlich,
Lautumjauchzt, einfährt in den volkerfülleten Hafen,
Und noch höher als erst, nach zwei Jahrzehenden aufragt:
Denn ihn lenkt in den Tagen der Noth stets sicher der Tugend
Heiliger Wink, und sein ist die Lieb' und die Treue der Völker,
Die er, ein Vater, beherrscht mit mildvorsorgender Weisheit.
Heißt auch mancher Gewaltige ›Groß‹ in Geschichten der Menschen,
Ihn wird einst die Nachwelt laut den Edelsten nennen.«

»Dunkler ward's ... mir schwand in verworrenen Bildern die Zukunft.
Doch nun hast du vernommen, was mir, unwürdigem Diener
Heute der Herr enthüllt'. Leb' wohl! Vollbracht ist des Lebens
Weitumirrender Lauf – er endete, deiner gewärtig.
Denk' auch mein im Gebeth. Stets sey der Himmel dir gnädig!«
Sagt' es, und wankte hinaus, der Klause entgegen. Er warf sich
Dort auf die Knie', und bethete leis' mit erblassenden Wangen.

Aber auch Rudolph lag mit tiefgesunkenem Antlitz
So, daß die stürzende Thrän' auf die Marmorstufe hinunter
Ihm aus den Wimpern sank, mit hörbarem Laut in der Stille,
Vor dem Altar auf den Knie'n. Sein Dank auf den Fittigen tiefer,
Inniger Andacht flog empor zu dem Vater im Himmel.
Als er den Blick zu dem Bild' erhob, und das Aug' auf die Augen
Heftete, die so mild den frommhinwandernden Pilger
Wecken zur Liebe des Sohn's, da erblaßt' er betroffen. Ihn däuchte:
Daß sie in himmlischem Glanz' erglühten, und schaudernder Angst voll,
Wich er zurück vom Altar – bis jetzt in der Lampe der Lichtdocht
Hell aufflammt', und sanft, wie zuvor, die Mutter ihn ansah.

Jetzo rief er Müllern herbei, der draußen im Vorhof
Harrte; legte die Hand ihm fest auf die Schulter, und sagt' ihm:
»Hole die Waffen schnell: den Degen, den Helm, und den Harnisch;
Auch die Spor'n, die wir mitführeten: leg' sie in Demuth
Auf den Altar; dann fasse den Speer, die Wache zu halten,
Bis zum Morgen. Ich geh', ein Weniges draußen zu schlummern.«
Also geschah's. Der Knappe ging, und holte, verwundert,
Alles und Jedes herbei; dann faßt' er den Speer, und erging sich
Dort, gemessenen Schritts, die Wach' an dem Heiligthum haltend.
Doch als jetzt an des Himmels Rand der erwachende Morgen
Wie der purpurne Kelch der frischentfalteten Rosen
Glühete, hieß der Kaiser sein Volk der kleinen Capelle
Nahen, und dort im Kreis' umgeben den heiligen Altar.
Anbethend stand er selber vor ihm; dann wandt' er sich freundlich
Gegen den Kreis; rief laut dem Knappen Müller, und winkt' ihm,
Niederzuknieen vor Gott auf die Marmorstufe. Den Wammsrock
Nahm er ihm erst von dem Leib', und umgab mit dem glänzenden Harnisch
Ihm die Brust: er reicht' ihm die Sporn' und den trefflichen Degen
Dar mit dem Wehrgehäng; bedeckte sein Haupt mit dem Festhelm,
Riß dann schnell das Eisen hervor aus der Scheid', und begann so:
»Weil du, tapfergesinnt, obgleich als Bürger geboren,
Habsburgs Herrn, der jetzt des heiligen, römischen Reiches
Kaiser sich rühmt, das Leben gerettet, und stets auf dem Schlachtfeld
Ritterlich' Ehre gewannst durch heldenmüthige Thaten:
Will ich dich hier, vor Gottes Altare, den Edeln gesellen.
Aber bedenke denn auch, daß dir hinfort auf des Ritters
Ehrenbahn gezieme, zu schirmen das Recht und die Unschuld;
Schützer zu seyn des zarten Geschlechts in Zucht und in Ehren;
Nie zu meiden den Kampf, in die Schranken durch Edle gefordert;
Nie zu dulden die Schmach, und zu rächen erlittenes Unrecht,
Kräftig und ohne Verzug, so dir's nicht wehrt das Bewußtseyn:
Hierauf schlag' ich dich Gott, und Maria, der heiligen Jungfrau,
Auch Sanct Görgen, des Ritters Patron, zu Ehren, zum Ritter.« Nach Fugger geschah diese Handlung zu Mainz, als Kaiser Rudolph das Reich bereisete, im Jahr 1273. (Siehe Spiegel der Ehren. S. 84.)
Sagt' es, und führte den Streich kreuzweis mir dem tönenden Schwertstahl
Ihm die Schulter hinab, erhob den Edeln, und küßt' ihn.
Laut aufschrie die Schar der Versammelten. Jeglicher staunte,
Forschte zuvor, wohin sich wende das ernste Beginnen?
Doch, nun schüttelt' ihm jeder die Hand, und lächelt' ihm Beifall.

Schon erglühte das zarte Gewölk im lichteren Osten,
Das dem erwachenden Tag das Nahen der herrlichen Sonne
Kündete: sieh', da führte sein treues Gefolge der Kaiser
Schnell zum ersehneten Alpenrand, wo jetzo die Aussicht
Unermeßlich groß, vor den Augen der Männer sich aufthat!
Aber sie bebten zurück vor freudigem Schreck und Erstaunen:
Erst zur Tiefe hinab, wo auf duftigen Schwingen die Nebel,
Zögernden Flugs, bald hier, bald dort nach entfernteren Thälern
Flatterten, sank ihr Blick. Wie staunt' er: gewaltige Berghöh'n
Nun zu Hügeln versunken, zu schau'n, und auf jeglichem ringsher
Wiesen, und Ackergründ', und waldumsäumtes Gehöftland;
Unten am hellen Teich das Gotteshaus, und des Klosters
Riesengebäude; das Thal entlang, an der schimmernden Traisen
Hin, aufwirbelnden Rauch von den Eisenhämmern und Hütten –
Dann unendlich hinaus vom Gebirg verbreitet die Fluren;
Doch als jetzt aus dem Nebelmeer ihr breiteres Antlitz,
Dunkelgeröthet, die Sonn' erhob, und ringsum der Erdkreis
Jubelte: reich mit Perlen geschmückt, und begrüßt von den Scharen
Zahlloser Vögel im Wald', in den Thälern, und hoch in den Lüften,
Wo sich empor unsichtbar schwangen die wirbelnden Lerchen:
Ha, da erglühte die Brust der Männer vor tiefem Entzücken!
Mancher faltete, bethend, die Händ', und blickte hinunter,
Rings umher, dann himmelwärts, mit Thränen der Wonne.
Keiner hatte zuvor erstiegen die Höh'n, und gesehen
Dorther tausendfältig besä't mit schimmernden Städten,
Dörfern, und Klöstern das Land, und hochaufragenden Burgen;
Nur der erhabene Kaiser allein erlabte schon oft sich
Dort an der seligen Schau, und begann jetzt freudigen Blickes:
»Seht, wo nördlich hinaus sich die Straße, wie schimmernde Leinwand,
Dehnt, Sanct-Pölten, die Stadt voll trefflicher Bürger und d'rüben
Herzogburg mit dem Gotteshaus' im lieblichen Aufeld.
Seht dort links, erbaut auf dem weitgesehenen Berggrath,
Göttweig herrschen im Douauthal, das herrliche Kloster;
Doch, nicht ferne der Burg des Hoheneckers am Wald dort,
Herrlicher Mölk: bewohnt von Benedicts Söhnen die beiden;
D'rauf die Städt' auch: Krems, Und, Stein, von Traubengebirgen
Rings umgrünt, an dem Ufer der hellerglänzenden Donau.
Doch, o! wer erspäht', auch schärferen Blickes, noch jenseits,
Bis zu dem bläulichen Kranz der Karpathen hin, und den Marken
Mährens der Menschen Wohnungen all' in unendlicher Landschaft?
Seh't, g'en Westen, den Traunstein dort: er senket den Felsfuß
Tief in den Gmundner See: die Zierde des Oberen-Oestreichs.
Näher erglänzet die Tillisburg, die im ruhigen Thalgrund
Birgt Sanct Florians Stift, das Haus ruhmwürdiger Chorherrn.
Dann erhebt der mächtige Briel, und drüben der Oetscher
Noch das Haupt zum Gewölk, und rings bis zum östlichen Schneeberg,
Der nach der Wiener-Neustadt schaut, der Immer-Getreuen Wiener-Neustadt – erhielt den Titel der Allzeit Getreuen schon von Herzog Friedrich dem Streitbaren, wie es aus einer ihr im Jahr 1242 ertheilten Privilegien-Urkunde erhellet. Kaiser Leopold I. schenkte ihr im J. 1708 eine Fahne mit der Aufschrift: Semper fidelis civitas Neostadiensis – pro Caesare et Religione – wie solches nebst andern historisch merkwürdigen Seltenheiten in dem Rathhaus-Archive daselbst zu ersehen ist.,
Sehet ihr Berg' auf Berge gethürmt, erschütternden Anblicks.
Nur verhüllt uns der Kahlenberg mit seiner Karthause
Wien, die Kaiserstadt, und das weitverbreitete Marchfeld,
Wo jetzt Ottgar lagert, und dort auf blutigen Kampf sinnt;
Doch wir biethen ihm lieber die Hand mit dem friedlichen Oehlzweig,
Als daß er fühle den Schlag der eisernen, niedergeschmettert.
Ha, dieß Bild entschwind' euch nie, das heute so wonnig
Uns enthüllten die Höh'n des Lilienfelder-Gebirges!«

Eiliger wandt' er jetzt die Schritte zurück, in der Hütte
Noch dem frommen Klausner zu nah'n – zu vernehmen des Segens
Laute von ihm, und ach, wie ergriff ihn Angst und Entsetzen,
Als er geöffnet die Thür', und ihn, vor dem Bild des Erlösers
Auf den Knie'n, im Gebeth, mit gesunkenem Haupt und zum Boden
Starrendem Aug', ersah – doch stumm, und erblasset im Tod schon!
Lange staunt' er, bewegt, den Verblichenen an, und enteilte
Dann der Hütt'. In des Augenblicks entschwindendem Zeitraum
Schwangen die Reiter sich all' in den Sattel, und trabten ihm, schweigend,
Nach, zum Kloster hinab, wo er, tieferschüttert im Geist noch,
Anbethend, weilt in dem Gotteshaus', und dann in dem Kreuzgang
Wandelnd, hinauf in das Schlafhaus stieg in der Stunde des Mittags.
Hundert Schritt' entlang, auf mächtige Säulen gegründet,
Wölbete dreifach die Halle sich auf: nur dämmerndes Zwielicht
Brach durch farbiges Glas der zierlichgestalteten Fenster.
Ernst ergriff ihn das Bild der Vergänglichkeit, als er mit Ehrfurcht
Staunte dem Bau. »Du sollst«, so lispelt' er leise für sich hin,
»Eiserngefügt, mit Stolz auf die wechselnden Zeiten herabschau 'n;
Aber vielleicht, daß nach sechs Jahrhunderten, oder nach sieben
Du in dem Schutte versinkst, wenn dort die prasselnde Flamme
Ueber dir braust, und vergeblich des Wanderers Auge dich suchet!« Ein Meisterwerk der gothischen Baukunst, das alle Fremden durch seinen majestätischen Umfang in Erstaunen setzte, das sogenannte Dormitorium, oder Schlafhaus zu Lilienfeld, welches ursprünglich den Klosterbrüdern zur gemeinschaftlichen Wohn- und Schlafstätte diente, als noch, außer dem Chorgebeth, das Ausräuten und Urbarmachen der Wildniß umher ihr hauptsächliches Geschäft war, ging durch den großen Brand (13. September 1810) völlig zu Grunde, so daß keine Spur mehr von seiner Herrlichkeit übrig blieb.

Sieh', da nahte des Klosters Abt mit den Brüdern, und sagte:
»Herr, du zürnest uns wohl? Wir säumten den Herrscher zu grüßen!«
Doch der Kaiser begann: »Nicht euere Schuld ist es, wahrlich:
Denn ich schlich gar leise herein, als käm' ich, ein Späher.
Jetzo gedenkt, Herr Abt, mit sorglicher Liebe zu einen
Staub dem Staub', aus welchem er kam: die Leiche des Klausners,
Der in dem Herrn entschlief, in der einsamen Hütte der Alphöh'n.«
»Weh',« entgegnete jener bestürzt, »so schwand auch der Segen
Von den Alpen mit ihm: denn seinen erhörten Gebethen
Dankten sie ihr Gedeih'n, und des Segens Fülle die Hirten!
Aber nicht zeitlichen nur, auch ewigen wußt' er zu spenden.
Liebend brach er das Brot den Großen und Kleinen – versteht mich
Wohl, erlauchtester Herr: das Brot des göttlichen Wortes,
Das die Seel' ernährt, und stärket für immer und ewig!
Aber woher er kam; weß' Landes und Stamm's er gewesen,
Hat noch keiner enthüllt. Versenkt in düstere Schwermuth,
Kam er in frühester Jugendzeit auf die Alp', und erbaute
Dort die Capelle, geweiht dem Dienste der seligsten Jungfrau.
Weniges sprach er nur, mit den Worten geizend – mit Werken
Himmlischen Wohlthuns nicht: ein Heiliger allen verehret.
Morgen wollen wir ihn mit der Seelenmeß' und dem Bußpsalm
Würdig zur Erde bestatten, und ihm erhöhen den Denkstein.«

Jetzo erscholl mit freudigem Ruf Drometengeschmetter
Von dem Wege heran, der Zell' entgegen – der Jungfrau
Gnaden-Zelle, führt, wohin, wie der Hirsch nach dem Bronnen
Schmachtet, unzählige Pilger zieh'n mit sehnendem Herzen
Nach dem Segens-Born der göttlichen Huld und Erbarmung.
Hell erglänzte das Aug' und die Wange des Kaisers. Er eilte
Rasch die Stufen herab: denn Albrecht, sein ältester, kam jetzt
Her aus den rheinischen Gau'n mit tapferen Scharen gezogen.
Laut begrüßt' er den nahenden Sohn, und both ihm die Hand dar,
Freundlich und mild; doch warm erwiedert' es dieser, und innig,
Obschon er düstern Gemüths nie lächelte. Siehe, zur Heerschau
Hatt' er die Krieger in Reihen gestellt! Mit stolzem Vertrauen
Wies er ihm erst fünfhundert aus Zürch, die im Kampfe der Markgraf
Hochberg lenkt; dann jene von Kyburg, Salm und Luzern her:
Dreimal so viel' an der Zahl, die Nürnbergs tapferer Burggraf,
Friedrich, erkiesend, im Felde beherrscht, und wies ihm dann endlich
Jene, den ersteren gleich an der Zahl, die er selber in Schwabens
Heiteren Gau'n jüngst warb, und jetzo zum Kampf und zum Sieg führt:
Lanzengewaltiges Volk, mit Helmen bewehrt und mit Schilden.
Aber hinab und herauf vor den Reih'n erging sich der Kaiser
Dort mit zögerndem Schritt'. Er sah mit freundlichen Blicken
Jedem Krieger in's Aug'; erzwang ihm ein Lächeln, und fragt' ihn:
Wie's ihm erging seither? – bei'm Nahmen die Tapferen rufend.
Manchem strich er das rauhe Gesicht mit der Rechten; dem andern
Faßt' er die Hand, und verhieß ihm des Kampfs Arbeiten die Fülle:
Da er schon alle zuvor im furchtbarn Felde der Waffen
Sah, und erprobte den Muth und die Kraft des einen und andern.

Jetzo begann der Sohn dem herrschenden Vater zu künden:
Wie er das Kriegsvolk warb in der Heimath – d'rauf an den Marken
Schwabens vereinte zum Heer'; wie er schnell g'en Ulm an der Donau
Zog, wo zuerst der Strom den breiteren Rücken zur Fahrt beut;
Dann in Schiffen herab, durch Bayerns gesegnete Fluren,
Also durch Oestreichs obere Gau'n nach Enns, und gelandet,
Nach Stadt-Steyer geeilt, die am hellerglänzenden Waldstrom
Vielfach den Wand'rer ergetzt durch eisengestaltender Meister
Sinnigen Fleiß, und jetzt unwegsame Schluchten durchirrend,
Kam nach Zell, wo sich an der Gnadenquelle die Krieger
Alle reinten von Schuld, und des himmlischen Brotes genossen.
»Doch,« so erzählt' er fort, »wie erhob mich, nicht ferne dem Ziel mehr,
Heut' in dem dunkeln Oetscherthal' ein Wunder der Allmacht!
Vor mir sprang ein flüchtiger Gemsbock fort in des Weges
Krümmungen. Ich, von Jagdlust heiß, verfolgte den Kühnen
Seitab, bis er vom Rand der steilabgleitenden Felswand
Stürzte zur Tiefe hinab, und zerschmetterte dort die Gebein' all'.
Aber der Rückgang schien auch mir versagt, und ich wand mich
Mühesam nur, die Schluchten entlang, zu lichteren Stellen.
Plötzlich ergriff mein Ohr ein Donnergetümmel: die Felsen
Drönten umher; stets furchtbarer scholl aus der Schlucht, wie ich nahte,
Stürzender Fluthen Geräusch', und erfüllte die Thäler mit Schauder.
Doch nun war errungen der Stand. Von des schwindligen Felsens
Schmalvorragendem Riff' ersah ich, vor freudigem Schrecken
Selber zum Stein erstarrt, des Waldstroms Fall in den Abgrund:
Denn vor mir aufthürmte sich hoch der gespaltene Felsberg
Oben am Rand nur sanft zur Rechten gebogen, und dorther
Stürzt, ein raschvorstürmendes Ungethüm, nieder die Lasing. Der Lasingfall, in den Lilienfelder Gebirgen, ist seit dem Jahr 1815, wo ihn der Verfasser des gegenwärtigen Gedichts, als damaliger Stiftsvorsteher, zugänglich, und dadurch erst bekannt machte, der Gegenstand der Aufmerksamkeit der Reisenden, die ihn jährlich in großer Anzahl besuchen. Seine Schönheit übertrifft jede Vorstellung. Die Felsenschlucht, durch welche sich die Lasing herabstürzt, hat drei Hauptabsätze, die nach Wiener Maß:
a = 107 Fuß
b = 40 Fuß 8 Zoll
c = 123 Fuß 2 Zoll
270 Fuß 10 Zoll senkrechte Höhe, und a = 145 Fuß 2 Zoll
b = 126 Fuß 7 Zoll
c = 123 Fuß 4 Zoll
395 Fuß 1 Zoll
horizontale Länge des Wasserfalls bewirken. Auch das Felsenthal am Fuß des Oerschers, durch welches sie sich ergießt, gewährt einen ergreifenden Anblick.
Ha, wie Fluth auf Fluth und Wog' auf Woge sich dränget,
Rastlos; dann, erbebend dem Sturz', aufheult, und die Stimme
Aller, vereint, zum furchtbarn, schrecklichen Donnergetös' wird!
Wie sie sich fassen im Flug, mit eh'rnem Geprassel die Klippen
Schlagen, und schäumen vor Wuth; wie sie von dem Felsen herunter
Fort und fort, den jähabrollenden Schnee-Lawinen
Gleich, im kreisenden Schwung sich wälzen, und stürzen, und ewig
Rauschen, und brausen, daß rings die waldigen Höhen erzittern.
Ueber die Berg' empor, in die hehren Gefilde der Wolken
Fleugt der glänzende Staub zerschellter Gewässer, und dreht sich,
Wirbelnd, im eisigen Hauch des stromgeborenen Windes.
Doch als dort in die Felsenschlucht, am glänzenden Mittag,
Freundlich die Sonne schaut, da haucht sie in vielfacher Wölbung
Hin auf das wirbelnde Naß den siebenfarbigen Bogen,
Der die stürmende Brust mild sänftiget: so wie er Noah
Einst erquickte das Herz, ein Zeichen der hohen Verheißung.
Wahrlich, entzückend schön, und erhebend dem fühlenden Menschen,
Pranget der Lasingfall in Oestreichs hehrem Gebirgsthal!«
Aber er horchte den Worten des Sohn's mit Lust, und geboth dann,
Laut, dem Volke zu Fuß und den Reitern den eiligen Aufbruch.

Staunend ersah'n die Krieger zuvor, an der Seite des Kaisers
Müllern im Ritterschmuck – den ebenbürtigen Bürger
Zürcher Stadt; sie sah'n es, und lispelten, wiegend das Haupt noch,
Einer dem andern die Frag' in's Ohr: »was solches bedeute?«
Jener gewahrt' es, und, sich im kreisenden Schwung in den Sattel
Hebend, lenkte den Rappen herbei; dann heischt' er von Diesem,
Jenem die Rechte zum Gruß, und preßte sie, heiß in der seinen.
Aber da kam, erglühenden Blicks, der Kaiser, und sagte:
»Staunt nicht fürder, daß ihr im Ritterschmucke den Bürger
Euerer Stadt erblickt. Allmänniglich ist es bekannt ja,
Wie er in großer Gefahr mit tapferem Muth mir das Leben
Rettete: d'rum auch werth und würdig des Standes der Edeln;
Aber nicht Müllern nur, auch jeglichem steh' ich als Schuldner,
Der so, wie er dem Kaiser und Reich sich verdingte: Rudolphus,
Kaiser des Reichs, wird ihm die Schuld mit Wucher bezahlen.«
Sagt' es, und schwang sich auf's wiehernde Roß. Zum freudigen Aufbruch
Scholl die Dromet', und schnell g'en Wien bewegte der Zug sich.

Sieh', in des Abends Grau'n, gewiegt von gaukelnden Lüftchen,
Rauschte das Laub in dem Weidenhain, der nahe den Mauern
Drösings, am Hügel empor sich hob, und im schlängelnden Waldbach,
Längs dem duftenden Thal sich spiegelte! Völlig verhallt war
Nun des Kampfes Getös' – erstürmt die Veste. Die Gegner
Wichen, bezwungen, zurück, und Ottgars furchtbare Gattinn
Sah schon stolz auf das Land, das bald (so wähnte sie thöricht)
Oestreichs Aar' entrissen, dem Leu'n von Böhmen zu Theil wird.
Doch wer ist die holde Gestalt, die, zögernden Schrittes,
Drüben, den Bach entlang, hinwandelt in sinniger Schwermuth?
Hedwig, ihr' Erzeugte, die Wonne des herrschenden Vaters,
Und der Liebling des Volks, geliebt, und bewundert von allen.
Aber warum erbebt ihr hochgesinnetes Herz nun
Unter der sanftvorwölbenden Brust? Entlockte der Thränen
Hellerglänzendes Paar, das über die rosige Wang' ihr
Träufelte, tiefverborgener Gram, und die Einsame geht nun
Solches dem spähenden Blick der furchtbarn Mutter zu bergen?
Ach, nicht der Mutter allein – auch allen den Sterblichen ringsum,
Ja, sich selbst, und sogar dem Allerforscher im Himmel,
Bärge sie gerne den Gram, dem heute die Thränen geflossen!
Doch nun hemmt sie den Schritt. An den Stamm des schattenden Baumes
Stützend den Arm, und pressend die Wang' in die Höhle der Linken,
Hebt sie das Aug', voll Himmelsbläu', empor zu den Sternen.
Seitwärts sank von der hellen Stirn' ihr des bräunlichen Haupthaars
Ringelnde Meng', und hing von den Schultern zugleich, und des Nackens
Schöner Säul' an dem schneeigen Faltengewande hinunter,
Das dicht unter der schwebenden Brust der goldene Gürtel
Lieblich umfing. Nicht kam von den funkelnden Sternen ein Lichtstrahl
Ihr in die grau'numnachtete Brust. Sie starrte, verstummend,
Lange vergeblich empor; doch jetzt mit lispelndem Laut nur,
Und umschauend mit Angst, begann das jammernde Fräulein:
»Ha, vernichtendes Bild – entsetzlich, und furchtbar, und dennoch
Himmlisch zugleich aufschwebst du vor mir, umgaukelst mich rastlos,
Und bethörst mir den Geist mit tiefverwirrendem Schwindel!
Wallstein – Gott! Wen nannt' ich? Sein Nahm' entriß sich den Lippen
Mir, der Unglücklichen jetzt, und ach, der holdeste Laut wär's;
Süßer als Harfengetön' in des Mondlichts freundlichem Schimmer,
Kläng' er mir in dem Ohr', dürft' ich ihn nennen – ich darf nicht!
Glückliche Menschen ihr, die ihr dort in der niedrigen Hütte
Wohnt, wo des Throns augblendender Glanz nicht das Herz von dem Herzen
Trennt, dem ihr's auf immer geweiht: wie zög ich so freudig
Hin den dunkeln Pfad, der euch beglückend zum Ziel führt!
Weh', wie sprach ich? Wohin entschwand mir jede Besinnung!
Grünende Matten, du murmelnder Bach, und ihr Sterne da oben,
Sagt es nicht, was ihr gehört. Du Mutter des Heiligsten, Besten,
Huldvolle Maid, nah' mir, der armen Verirrten, zur Rettung!
Billig haßt' ich ihn. Ha, wie verwegen er jüngst zu den Knie'n mir
Sank – ich bebte vor Angst, in des Gartens umschattendem Laubgang;
Wie er mir faßte die Hand, an die glühenden Lippen sie pressend,
Bleich aufstarrte zu mir! Nicht soll er fürder mir nahen.
Doch wer eilt im Dunkel daher? Ich stürbe vor ihm jetzt.«

Sagt' es, und wollt' entflieh'n: da trat ein edeler Ritter,
Schimmernd im tönenden Waffenschmuck', in der Stille des Abends
Ihr in den Weg, und sprach: »Gönnt mir, holdseliges Fräulein,
Freundlich Gehör! Von Eginhards Geschlechte geboren,
Folg' ich, ein Rittersmann, der Fahne des Königs von Böhmen,
Eures Erzeugers, und doch, erschrecket nicht, steh' ich, ein Anwald
Seines Gegners, vor euch. Ich komme, gesendet von Hartmann,
Rudolphs Sohn', der euch schon lange zum Gatten erwählt ist:
Denn in dem rosigdämmernden Licht unschuldiger Kindheit
Wollten zu eh'lichem Bund' euch die liebenden Aeltern vereinen,
Ehe des schrecklichen Jammers Grund, die Krone der Kaiser,
Feindlich die Fürsten schied, und her auf das eiserne Schlachtfeld
Zog. Doch hört: mich hob er zuvor mit dem Speer' aus dem Sattel,
Als ich die flüchtende Schar aus den kühneroberten Mauern
Drosendorfs verfolgt', und ihn selber bestand auf dem Heerweg.
Aber er schenkte das Leben mir, und die Freiheit – auf Ritters
Redliches Wort d'rob heischend die Pflicht: daß ich brächte die Bothschaft
Her, und zurück, wie es euch Bescheid zu geben, genehm ist.
Ach, er hat euch jüngst, so sprach er mit leuchtenden Augen,
Wiedergeseh'n nach Jahren voll Grams, und nimmer entschwindet
Mehr ihm das Bild der holderblüheten Jugendgefährtinn!
Nicht entfloh ihm die Hoffnung noch des ersehneten Friedens.
Mild schlägt Rudolphs Herz: er biethet dem tapferen Ottgar
Freundlich die Hand. Vielleicht, daß bald die gesonderten Krieger,
Die jetzt noch, blutdürstenden Blicks, nach den Lagern hinüber
Schau'n, und, geballt, erheben die Faust: voll dräuenden Ingrimms
Gegen einander zu wüthen bereit, vernehmend des Friedens
Fröhlichdrometenden Ruf, in die Scheid' ihr blitzendes Eisen
Bergen, und mitten im Feld mit lautem Gejauchz' sich die Rechten
Schütteln, und ganz vergessen des Grimms in froher Umarmung.
D'rauf zerstreuen sich all'. Auf den staubenden Straßen erschallet
Sang und Klang. Bekränzt mit grünenden Reisern, enteilen
Sie zur heimischen Flur, um dort in den Blicken der Lieben
Jetzo des Wiedersehn's erschütternde Wonne zu lesen.
Dann aufdämmert auch ihm, dem euch die liebenden Aeltern
Einst verlobten, der Tag ersehnter, unendlicher Wonne.
Doch so ihn tröge der Hoffnungs-Strahl, und die waltenden Herrscher
Sich bekämpften mit eisernem Trotz' – o, hört ihn! Er fragt euch:
Wollt ihr auch dann noch treu dem geschlossenen Bund euch erweisen?
Fromm, und gut ist des Kaisers Erzeugter gesinnt: auf dem Schlachtfeld
Hob sich sein Ruhm, und Deutschlands throngeborene Jungfrau'n
Schau'n mit sehnlichem Blick nach dem herrlichgestalteten Mann hin.
Nur kargt er mit den Worten: es wohnt stets düstere Schwermuth
Ihm auf der Stirn' – und im Herzen nach euch unendliche Sehnsucht.«
Also sprach er, und harrte, bewegt, der entscheidenden Antwort.

Hedwig sann für sich hin; nach dauerndem Schweigen begann sie:
»Wohl ist Rudolphs trefflicher Sohn, der tapfere Hartmann,
Mir bekannt – ich ehre den edelgesinneten Jüngling;
Aber getrennt hat uns des Schicksals eherner Rathschluß,
Wandelnd in Haß, und nieversöhnliche Feindschaft der Aeltern
Herzen um uns: ich steh', entledigt der frühen Verlobung.
Ach, und sollt' in dem Kampf auch mein Erzeuger dem seinen
Unterliegen, und ich, die Tochter des mächtigen Ottgar,
Dem Europa's Völker umher sich beugen, voll Ehrfurcht,
Stürzen hinab in den Staub der schmachbelasteten Armuth:
Dennoch würd' ich nicht Rudolphs Sohn zum Gatten mir kiesen!
Und, da nur ein einziges Wort entscheidet für immer,
Künd' ihm: ich hätte gewählt – für den Einen gelobt' ich zu leben.«
Also floh ihr das Wort von den zitternden Lippen. Sie wandte
Heim nach der Stadt die furchtbeflügelten Schritt', und der Ritter
Eilte davon, beschwert mit der trauererregenden Bothschaft.


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