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Fünfter Gesang.

Ottgar gebiethet in der Nacht dem Heere den Aufbruch, dem er mit schwachem Geleit folgt. Aus dem Hinterhalt fallen ihn die Kumanier an. Er schlägt sich mit Wallstein durch. Milota führt ihn auf Irrwegen von dem Heer ab, und quält ihn mit Rückerinnerungen verübter Frevelthaten. Von Drahomira bethört, hält Wallstein um die Hand seiner Tochter an. Er mißhandelt ihn.


S chüttelnd die triefenden Schwingen, erhob nach unendlichem Regen
Sich der Abendwind, und warf von dem rauschenden Hochwald
Und dem ersäuselnden Hain' gewichtige Tropfen zum Boden.
Trauernd senkten den lastenden Kelch in dem Felde die Blumen
Noch, und das blinkende Gras bewegte sich langsam und schwer nur.
Kein Gesang der Vögel erscholl; nur fern in dem Sumpfrohr
Quackte der Frosch, und die finstere Luft durchkrächzten die Raben:
Denn noch deckte Gewölk des Himmels Bogen; der Donner
Rollte noch fort, und der leuchtende Blitzstrahl fuhr noch im Süden
Flatternd umher: als droht' er entsetzlicher wiederzukehren.
Da gelangte, von Wuth und gährender Rache getrieben,
Ottgar heim vor das Lagerzelt, und schwang sich vom Sattel
Hastig herab. Ihm kam der Kunring, Leutold, entgegen,
Der mit Schmerzen daheim sein harrete. Jetzo begann er:
»Wahrlich, du kommst ersehnt, und glühender noch, als am Abend
Unsers mit Blut gefertigten Bund's: an dem Kaiser – an Rudolph,
Rache zu üben – an ihm, der nach den geheiligten Rechten
Altehrwürdiger Ritterzeit im empörenden Hochmuth
Greift mit gewaffneter Hand; der Deutschlands Edeln der Knechtschaft
Fesseln beut, da er schon gar viele der Vesten zu Boden
Schmettert', und allen ein Gleiches droht: daß nimmer die Freien
Uebten ihr Recht an dem Volk, dem niedriggebornen, nach Willkühr.
Nicht so wurden wir einst lehnpflichtig dem König. Der Leh'nsherr
Rang um sein Eigen im Feld; sein ist's, was dort ihm zu Theil ward –
König auch er: ihm huldigt zur Frohne der Hold und der Sasse.
Wie, mir würd' es verwehrt zu erbauen die Burg auf dem Felsen,
Der aus dunkelem Wald' aufragt, und zum schwindelnden Abgrund,
Senkrecht bis zu dem Wildbach hin die Wände hinabsenkt,
Unnahbar dem Feind? Nicht sollt' ich dort von den Zinnen,
Oder des Wartthurms Höh'n mit herrschendem Blick in des Abends
Goldenem Schein' erforschen die Gau'n: ob, lauernd, der Gegner
Nahe den Thalweg her? Nicht sein, des ohnmächtigen, spotten,
Der, mit blutigen Köpfen zurück von der Veste gewiesen,
Schamroth flieht? Nicht von ihr zum Kampf mit den Reisigen auszieh'n,
Kennend der Mauern Gefüg', und in selben geschirmt nach dem Heimzug?
Rechte nur immerhin der Unfreie mit mir, daß ich, Freier,
Niederwerfe nach Lust auf der Straße den wandernden Kaufmann,
Der, ein Bürger der Stadt, dem Juden zugleich und dem Wechsler
Treuverbündet, mein Volk bekriegt, deß' Habe doch mein ist?
Nur in der Ritterburg, der Wieg' erhebender Thatkraft,
Heldensinnes, und Muths wohnt auch das häusliche Glück noch.
Wenn ich schaue die Hausfrau dort, wie sie schaltet mit Sanftmuth
Ueber das rohe Gesind', und die züchtigen Töchter, den Rosen
Gleich aufblühend, erwerben die Huld und die Würde der Mutter;
Wenn ich vom Fenster hinab an des Hofraums rasigem Abhang
Ringen sehe den Sohn mit den Knappen: wie diesem den Bart er,
Lachend, zerrauft, und den anderen schlägt mit den winzigen Fäustchen,
So vorübend die Kraft auf die herrlichsten Jahre des Lebens:
Nicht für die goldene Kron' eintauscht' ich die goldene Freiheit.
Sieh', auch der Sänger spricht dort ein, und läßt in dem Hofraum,
Nachtumhüllt, gar mild ertönen die lieblichen Saiten,
Eh' er beginnet sein Lied; doch sitzen wir bald in des Saales
Schimmerndem Licht um ihn her, und horchen den zaub'rischen Tönen
Von der Minne Leiden und Glück; von den Wundergeschichten
Grauender Heldenzeit, und den Thaten gewaltiger Ahnen
So, daß in wonniger Lust, wie im Flug', uns die Stunden entschwinden!
Ha, und dessen gedenkt der Habsburg uns zu berauben?
Künftig sollen wir feig, erschlafft, und völlig verweichlicht,
Wohnen in dumpfiger Stadt, und der Ritterehre vergessend,
Höflingen gleich, uns bücken vor ihm? Doch, König, verzeihe,
Wenn vor dir nicht Gefälliges spricht ein wackerer Deutscher!
Wie habt ihr turneit? Ward Habsburgs Löwe gebändigt?
Hast du Rache geübt? – denn Schreckliches kündet dein Aug' an.«
Sagt' es, erstaunt; doch Ottgar sah mit den flammenden Augen
Ihn noch schrecklicher an, und rief: »Ja, Rache geübet
Offen vor allem Volk! Wohl sagt' ein höllischer Geist mir
Heimlich in's Ohr: ›Durchbohr' ihn!‹ doch mich dünkt' es zu niedrig:
Morden! Ein Leichtes war's, auf dem Plan das blinkende Schwert ihm
In die verräth'rische Brust – er zitterte! heute zu tauchen,
Doch nur in offener Schlacht, das Aug' auf das Auge geheftet,
Soll er mir steh'n, und, fallend, im Staub' aushauchen das Leben.«
Vor, aus seinem Gefolg trat Milota jetzt, und begann so:
»König, verzeih': er zitterte nicht! Dich täuschte der Rachgier
Seelenverwirrende Gluth. Wohl staunt' ich, als er so muthvoll
Dir entgegen trat auf dem Plan: du sporntest den Rappen
Weise davon. Gut war's: nicht wehrlos falle der Gegner,
Tapferen Herzens, dem tapferen Mann; das hast du erwogen:
Selber beut sich ja oft nur klügeren Seelen das Glück an.«
Sprach so, kaum bekämpfend die Wuth, die ihm heimlich des Herzens
Tiefen zerriß, und er lächelte nur. Doch jener zernagte,
Schweigend, die Lippen vor Zorn: denn Spott verriethen die Augen
Milota's. Jetzt entblößt' er das Schwert, und flehte zum Himmel:
»Ewiger, der du schirmst das Recht, und bestrafest das Unrecht;
Auch in der Vorzeit oft in die Hände der Führer des Volkes
Gabst dein Rächerschwert, zu vertilgen Israels Gegner,
Höre mein Fleh'n, und laß' mich jetzt vergelten im Vollmaß
Dem, der, frevelnd an mir, verletzte die Treu' und die Wahrheit,
Mich beschimpfend vor allem Volk, da er laut es gebilligt:
Heimlich im Zelt sollt' ich ihm huldigen – schändlicher Trug war's!
Mich verachtet das Volk seitdem, und die jammernde Mutter
Meiner Erzeugten weis't die unschuldigen Opfer des Truges
Mir, im verzweifelnden Schmerz. O, gib mir den Sieg in dem Kampf jetzt!«
»Ihr,« so rief er den Feldherrn laut, »erhebet die Banner
Eurer geordneten Schar! Wir ziehen noch heute nach Thalsbrunn:
Dort von dem Weidenbach g'en Wien zu dringen, entschlossen.«

Jene gehorchten sogleich, und gebothen dem Heere den Aufbruch.
All' die geordneten Reihen hinab ertönte das Rufen
Tausender: »Auf! In den Kampf! Wir geh'n den Feinden entgegen.«
Trommeln rasselten dumpf, und das Schmettern eh'rner Drometen
Scholl aus dem Waffen-Geklirr mit dem Wiehern unbändiger Rosse.
Bald schwand rings die wandernde Stadt der Gezelt' aus den Fluren,
Und die unendliche Wagenburg nachfolgte der Heer'smacht
Langsamen Schritts, von dem Lastvieh fort auf der Straße gezogen.
Siehe, in drei Heersäulen ging des gewaltigen Königs
Furchtbare Macht jetzt vor! Er hemmte sein Roß an dem Heerweg;
Sah die Tausende zieh'n, und heischte von Diesem und Jenem,
Schnelleren Gang mit erhobener, oft schrittweisender Rechten.
Lobkowitz führt' in dem Vorderzug die böhmischen Reiter;
Mährens Volk, das muthig zu Fuß anstürmt in der Feldschlacht,
Milota, der in der Mitt' einher vor den Reussen, den Meißnern,
Und den Thüringern zog. Doch Czernin lenkt' in dem Nachzug
Sachsens reisiges Volk, dem rasch die Mannen der Kunring',
Und die Bayern zugleich voreileten, fröhlichen Muthes.
Als das geordnete Heer aufbrach, da schloß mit Gefolg auch
Ottgar sich, hinbrütend, ihm an. Der tapfere Wallstein
Ritt ihm zur Seit' – auch er versunken in düstere Schwermuth:
Denn nicht brachte der Tag ihm Gewinn; nicht die schönere Hoffnung
Blüht' ihm darum, weil er sie dem Gegner entriß auf der Turnbahn.
Ach, sie stand ihm zu hoch, des Königs Erzeugte! Nicht wagt' er,
Ihm zu eröffnen das Herz, obgleich er liebend an ihm hing.

Jetzo schwand das hüg'lige Matz zur Rechten, und Angerns
Weidenreiches Gefild zur Linken dem Heere vorüber.
Ottgars Blick hing starr an der March, die rauschend hinunter,
G'en Marcheck und Kressenbrunn die dunkelen Fluthen
Wälzte. Der herrlichen Zeit errungenen Ruhmes gedacht' er
Jetzo mit pochender Brust, und sprach zu dem sinnenden Jüngling:
»Eilt nicht der Strom, wie die Zeit, in ewigwechselndem Lauf fort?
Bald erglänzt er im sonnigen Licht, bald wogt er im Sturmhauch,
Trübaufschäumend, umher: sein voriger Reiz ist entschwunden.
Siehe, wie düster die March jetzt fließt, und wie herrlich erschien sie
Dort an dem Tage von Kressenbrunn, Die Schlacht von Kressenbrunn (Kroissenbrunn) im Marchfeld, in welcher Ottokar über Bela IV., König der Ungern, einen entscheidenden Sieg davon trug, ereignete sich im J. 1260. Siehe die höchst anziehende Beschreibung derselben in Hornecks Reim-Chronik vom 58. bis 64. Cap. wo im Siegesgefild mir
Ungerns Macht erlag, die Bela, der tapfere König,
Wahllos, wie der Heuschrecken Heer', uns entgegengeführt hat!
Jenem Siegestag zur Erinnerung gründet' ich dankbar
Dann Marcheck, die blühende Stadt, am Gestade des Flusses.
Ha, dort scholl mir die Stimme des Glücks in dem Siegesgefild noch,
Und ich folgt' ihr beherzt! Vielleicht erschallt sie mir nimmer.
So ist des Menschen Geschick, des sterblichen, hier auf des Lebens
Pilgerpfad' empor zu schießen, voll üppigen Wuchses;
Doch gestellt ist das Maß, und er schrumpft dann wieder zusammen.
Wie die thürmend' Eich', die ihr Haupt in die Lüfte gehoben,
Nun zu Moder zerfällt: die, ach, Jahrhunderten trotzte,
Liegt in dem Staub! So schreiten auch Reich' und gewaltige Völker
Plötzlich wieder zurück von den kaum errungenen Höhen,
Und mir ahnet es fast, ich hab' sie errungen: zum Abend
Neigt sich mein Strahlengestirn, und bald versinkt es in Nachtgrau'n.«
»Das sey ferne,« so rief den schwärmerischtrüben Gedanken
Sich entreißend mit Macht, der feurige Jüngling, »das Dunkel
Kennt dein Glücksgestirn nicht mehr: erst jetzo beginne
Solches den schöneren Lauf zu des Ruhms hellleuchtender Sonne!
Fällt der Kaiser besiegt, und das soll er! dann ist die Welt dir
Unterthan. Wie dort nach dem herrlichen Sieg' im Triumphzug
Du hinführtest dein Volk an Italiens Gränze: Nach jenem Sieg von Kroissenbrunn über die Ungern, zog Ottokar mit seinen Scharen, wie im Triumph, durch Kärnthen und Krain. Als die Böhmen an der Gränze von Italien die Steinwände von Canale ersahen, fragten sie den König: »ob Rom nahe sey? denn sie hätten öfters von ihren Vorfahren sagen gehört, daß sie durch eine solche Felsenpforte auf die Straße nach Rom gekommen seyen.« Ottokar antwortete ihnen, »Böhm' und Pole sollen sich einst hier wie zu Hause finden, denn, so er noch einige Zeit lebte, würde sich seine Gewalt noch viel weiter erstrecken. Horneck Reim-Chronik Cap. 90. so winkt jetzt,
Ueber sie hin dein Siegespfad. Weltherrschend, eröffnet
Roma dir die Thor', und erblickt die Krone der Kaiser
Schimmernd auf deinem Haupt, die Carol der Große getragen.
Stark bist du, und noch stärker, so dir ein tapferer Eidam –
Doch nicht aus Rudolphs Stamm, den du geziemend verschmähtest,
Sich in dem Schlachtfeld eint, als Gatte der himmlischen Hedwig!«

Ottgar schwieg, und das Heer zog weiter in täuschender Stille,
Wie er gebothen zuvor. Doch sieh', aus den nächtlichen Wolken
Senkte sich Arpad Arpad, der erste Anführer der Ungern (Magyaren), die, kommend von den Ufern des Tanais her, im neunten Jahrhundert Pannonien in Besitz nahmen, stand seinem Volk (nach Anonym. Belae Not. 52. Cap.) beiläufig von 889 bis 907 vor, und war der Stammvater einer Reihe von Königen, unter welchen der heil. Stephan zuerst, im J. 1000, diesen Titel annahm, bis mit Andreas III. im J. 1301 sein Stamm ausstarb. Erst Ferdinand I. hat dieses Reich auf immer mit Oestreich vereinigt, obschon dasselbe vor ihm zwei Fürsten seines Hauses, Albert II., und Ladislaus Posthumus, besaßen. jetzt in Eile herunter! Ein Vater
Ward er genannt dem Magyaren-Volk', und aus seinem Geschlecht her
Sproßte der Segenszweig: der erste, der heilige König
Ungerns, der, sein Volk auf des Heilands Pfade geleitend,
Ihm der Menschlichkeit beglückende Recht', und der Sitten
Mildere Form kund gab, auch Gesetz' ihm schenkte zur Wohlfahrt.
Arpad, schauend den Kun, im Rohrgefilde verborgen,
Sann alsbald nur Thaten des Muths, und er nahete pfeilschnell
Ladislav, dem Könige, der, entschlummert im Zeltraum
Lag auf dem Bärenfell' im grasumwucherten Aufeld;
Beugte sich über ihn hin, und preßte den Mund auf den Mund ihm
So, daß er ängstlich sich wand, und stöhnete, bis er die Augen
Aufschlug, schrie, und im finsteren Zelt', entrüstet, umher sah.
Arpad haucht' ihm Muth in die Brust mit dem Seelengelispel:
»Also bezwungen vom Schlaf, dehnst du die blühenden Glieder,
Eingelullt vom Gesang kumanischer Frau'n und der Zither
Sanftem Getön? Wach' auf, du Weichlicher! Denke der Ahnen
Weitgefeierten Heldenruhms, und des feurigen Muthes,
Der sie beseelte beim Klang des furchtbarbrüllenden Rindhorns,
Wenn die Feinde sich trafen im Feld', und der Würgenden Ruf scholl.
Wachen muß dort stets für alle der Herrscher, und rastlos
Walten bei Tag und bei Nacht, in gefahrumdräuender Kriegszeit.
Horch dem Gewirr! Schon zieht der Böhm' in täuschender Stille
Eilig die Straße hinab g'en Thalsbrunn, dort in des Lagers
Weitumkreisendem Raum, von dem Rasenwall' und dem Graben
Mächtig geschirmt, dem Feinde sich rasch entgegen zu werfen.
Zahllos regten sich dort viel' Tag' und Nächte die Gräber,
Die er entboth in dem Land' umher voll schrecklicher Drohung;
Doch im Rücken des eilenden Heers, nichts Arges vermuthend,
Kommt mit schwachem Gefolg' auch der König vorüber, und langsam
Folgt ihm die Wagenburg: d'rum schnell an das muthige Werk jetzt!
Sende hinaus in den Hinterhalt der bewährtesten Reiter
Tausend, die, verborgen im trocknen Geröhr', an dem Heerweg
Harren, bis Ottgar naht: gleich weit entfernt von den Scharen
Und von der Wagenburg; dann all', im sausenden Eilflug,
All' auf ihn los, und erhascht ihr ihn, schnell in Geschrei und Getümmel
Wieder zurück in das Lager gejagt mit dem werthen Gefang'nen.
So beginne den Kampf, ein Sieger, zur Freude dem Kaiser –
Dir, und dem Vaterlande zum Ruhm, dem Lande der Helden!«
Sagt' es mit lispelndem Laut. Da trat ein Kun in das Zelt ein,
Athemberaubt vor Hast, und verkündete: daß auf dem Heerweg
Zahllos, Schar auf Schar, der Böhme vorübergezogen.
Feuriger hauchte der Geist, da er sprach, dem horchenden König
Noch in die Seele den kühnen Entschluß. Sieh', eilig erhob er
D'rauf sich vom Lager, und rief nach dem tapferen Führer der Kunen,
Kaduscha, der, von Gestalt nur klein, und häßlich von Anseh'n,
Doch unbändiger Kraft, und flammenschnaubenden Muths war.
»Eile,« so sprach er zu ihm, »mit tausend erlesenen Reitern
Bis an den Rand des Geröhres hinaus, und harre mit Vorsicht
Dort in dem Hinterhalt, bis Ottgar selber dir nah' ist:
Weit getrennt von der Wagenburg, und den eilenden Scharen;
Dann im Fluge hinaus, zu erhaschen den Herrscher der Böhmen!
Fünfzig Rosse sind dein, und zehn goldschimmernde Sättel,
Auch der Waffenschmuck des Königes, kehrst du als Sieger.«
»Ich vernahm es,« entgegnete stolz der muthige Feldherr,
Als er das Roß bestieg. Er jagte mit tausend Erwählten
Bis an den Saum des Geröhres hinaus, und warf sich, des Königs
Harrend, in's Gras. Wie in dunkeler Nacht der schreckliche Rohrwolf
Lauscht an der Trift, und dort auf die Hinterfüße gesunken,
Winselnd vor Gier nach Blut, mit glühenden Augen umherschaut:
Ob nicht der Rinder Schar vorüber wandere, grasend?
So der Kune dahier. Doch sieh', bald wogten des Feindes
Reihen vorbei, und im Zwischenraum, nichts Arges vermuthend,
Naht' auch Ottgar jetzt, als Kaduscha, sich in den Sattel
Hebend, den Kunen zu stürmen geboth. Vor dem wilden Getümmel
Klirrender Waffen, und brausender Ross', und der stürmenden Krieger
Lautem Gejauchz' erbebte die Nacht, und des Königs Geleitschar
Starrte vor Angst: denn schnell, weit vorgebeugt aus dem Sattel,
Schwingend mit wildem Gebrüll den krummgehämmerten Säbel,
Jagten die Kunen heran, und drohten ihm Tod und Verderben.
Wallstein rief alsbald dem Gefolg': »O, schließt um den Herrscher
Einen ehernen Kreis mit der Brust, und fielen im Kampf wir
Alle zugleich, nur sey des Herrn Gesalbter errettet!«
Aber nicht säumten die Tapferen: denn dreihundert aus Böhmen,
Bayern, und Sachsen, erwählt zum Geleit', umringten den König
Schirmend, und kehrten die Brust nach dem Feind, der, ähnlich dem Sturmwind,
Näher und näher im Flug, herbraust' auf dem stäubenden Heerweg.

Kaduscha hieb der erst' in den Kreis des kühnen Gefolg's ein.
Er zerschmetterte schnell zwei muthigen Bayern, von Törings
Mannen, die Stirn', und erhob sein Eisen, noch fürder zu wüthen.
Töring, der edele Ritter, der, ausziehend aus Seefelds
Ragender Burg, dort sieben unmündige Kinder zurückließ:
Denn ihm raubte der Tod erst jüngst die treffliche Hausfrau,
Senkte den Speer auf den Wüthenden; ritt rasch an, und durchstieß ihm
Also die Rechte, daß ihr alsbald entschlüpfte der Säbel.
Jetzo hätt' er gerächt die Ermordeten; aber es barg sich
Jener sogleich im Gedräng', und rief nach dem Führer des Volkes,
Zobor, ihm vertrauend des Kampfs entscheidende Leitung –
Ihm, dem Riesen an Kraft: er lockte den grimmigen Bären
Aus der Höhle heraus, und erwürgte ihn, ringend, am Boden.
Seitwärts drang er auf Töring ein, der, schnaubend vor Rachgier
Reiter auf Reiter herab aus dem Sattel warf mit dem Speerschaft.
Vier' erwürgt' er schon: da stieß ihm die Spitze des Eisens
Zobor tief in's Genick', als er nach dem Gegner sich beugte.
Töring sank in den Staub, und hauchte den muthigen Geist aus.
Ach, und die Amme führt, wie die liebvollsorgende Mutter,
Jeglichen Morgen die Kinder heraus auf die Zinnen der Felsburg;
Zeigt dort allen den Weg, den jüngst der Vater gezogen,
»Und euch allen,« so sprach sie, »ein schönes Geschenk aus der Hauptstadt
Heimbringt, so ihr euch fromm und gut, wie er's heischte, benehmet.«
Doch nicht kehret er heim; sein harren die Kinder vergeblich:
Denn er liegt getödtet im Staub! So fielen noch hundert,
Unter der würgenden Faust der Kunen, gebändigte Krieger,
Und Verderben umgab stets näher und näher den König.
Wie wenn nächtlich im Wald' ein wandernder Fleischer, von Räubern
Angefallen, mit tapferem Muth' sich wehrt, und der Gegner
Manchen erlegt; doch wäre noch all sein Mühen vergeblich,
So das menschengetreueste Thier ihm nicht fest an den Seiten
Kämpfte: sein mächtiger Hund, der rasch im Kreise sich wendend,
Diesem die Kehle durchhaut mit den tödlichen Zähnen; den andern
Niederreißt am Genick', und, würgend, nicht ruhet, nicht rastet,
Bis er errettet schaut den Gebiether: so stritt für das Leben
Ottgars, häufend die Leichen umher, der tapfere Wallstein.
Doch, als jetzt die Gefahr ihm noch gewaltiger drohte,
Schrie er ihm zu: »Mir nach, mein König und Herr!« und er bahnte
Sich mit dem sausenden Stahl durch Feindeshaufen den Blutpfad.
Ottgar folgt' ihm beherzt, und hieb die Umstürmenden nieder.
Ha, nach entsetzlichem Mord und Gewürg, durchhau'n, und gesprengt war
Endlich der Todesring, und ihm entrannen die beiden,
Brausenden Flugs, auf dem Heerweg fort! Im nächtlichen Dunkel
Schwanden sie bald aus den Augen der weitnachfolgenden Gegner;
Doch die kehrten zurück', und des Königs treue Geleitschar
Fiel nach tapferer Gegenwehr (denn Keiner ergab sich)
Hier erschlagen im Kampf mit den herzblutdürstenden Kunen.
Ach, wie grausam wütheten jetzt die Schrecklichen: hauend
Allen das Haupt von dem Rumpf', und es dann auf die Spitze des Säbels
Pflanzend, zogen sie heim, siegtrunken und rachegesättigt:
Denn sie sahen zuvor wohl doppelt die Zahl der Gefährten
Hingestreckt im Staub', und erwürgt von den tapferen Feinden.

Fort, und fort im Galopp war Ottgar schon in des Heeres
Nähe gelangt; nur die Höh'n von Prottes, dem ruhigen Dörfchen,
Lagen noch, trennend, vor ihm, und hinter den eilenden Scharen.
Milota trabte die Höhen herab. Mit ängstlicher Sorgfalt
Forschte sein Auge zuvor nach dem König: er hatt' ihn dem Tod schon
Lange geweiht, und harrete nur des ersehneten Tages,
Wo er nach Rache die Gier an ihm sättigte, schrecklich und furchtbar!
D'rum verlor er ihn nie aus den Augen, und so, wie der Kater,
Grausamer Lust, freigibt das erst gefangene Mäuschen:
Da folgt ihm sein glühender Blick, und will es entrinnen,
Streckt er sogleich ihm nach die klau'nbewaffneten Pfoten –
Reißt es zurück in den Todes-Kreis, und weidet die Augen
So an dem armen, voll Grimms: nicht anders verfolgten die Augen
Milota's Ottgarn stets, der Rach' ihn zu opfern, entschlossen.
Jetzo gewahrend: er sey's, begann er von weitem zu rufen:
»Wahrlich, du wagtest viel, mein König, so fern dich zu halten
Von dem schnellvoreilenden Heer! Wer so die Gefahr sucht,
Wandelt auf glattem Geröll', an des Abgrunds schwindligem Rand hin:
Denn in den Auen der March droht uns der schrecklichen Kunen
Leis'umspähendes Volk: du warst die erwünschteste Beut' ihm,
So es dich traf. Doch sprich, wo weilt dein Reitergefolg noch?«

»Mein Gefolg ist todt,« entgegnete jener, »gefallen
Unter des Feindes würgender Faust. Dem tapferen Jüngling
Hier verdank' ich das Leben allein; stets hielt er im Leben
Treulich an mir; er sey, wie ein Sohn, mir geliebt in der Zukunft.«
D'rauf hinbeugt' er nach Wallstein sich von dem Sattel; er küßt' ihn
Auf die glühende Stirn, und drückt' ihm die Rechte noch freundlich.
Jener, mit Freudenthränen im Blick', erwiederte, hebend
Ottgars Hand an den Mund, der Liebe beglückendes Zeichen.
Plötzlich sah er im Geist der wahnsinngenähreten Hoffnung
Truggestalt in der Wirklichkeit, hellschimmernden Glanzes,
Ihm genaht, und gestillt des Herzens unendliche Sehnsucht.
Wehe, daß Drahomira so nah' ihm war in des Nachtgrau'ns
Schrecklicher Stund', und stets auflauerte, daß sie, verderbend
Ihn, sich räche zugleich an Ottgarn, höllischer Lust voll!
Hufesgerassel erscholl: denn Milota's Reitergeschwader
Jagte heran. Sie schrie ihm ins Ohr: »Der Feind ist im Anzug!«
»Ha, der Feind!« rief Milota laut, und in wilder Verwirrung
Jagt' er nach Ebenthal, woher sie gekommen, das Roß hin.
Ottgar folgt' ihm schnell; nur Wallstein hemmte den Läufer
Oft: um den König besorgt, und für ihn zu sterben, entschlossen.
Aber ihm däuchte das nahe Gebirg, und drüben das Blachfeld
Jenes von Ebenthal an der freundlichen Burg, wo er seither
Oft sich erging, des Weidwerks Lust ergeben im Feld' auch.
Ottgar hörete jetzt den Ruf des warnenden Jünglings;
Tobte vor Zorn, und sprach zu Milota grimmigen Blickes:
»Hat dich mein böses Geschick mir entgegengeführt an dem Kreuzweg,
Wo in dem nächtlichen Grau'n nur menschenfeindliche Geister
Hausen, daß du dem Heer mich entrückst, und verleitest zum Irrgang?
Wahrlich, der Himmel straft heut Nacht die Vergehungen alle,
Die mich erniedrigten einst auf des Lebens verlockenden Bahnen!
Fort, g'en Stillfried jetzt, wo die Wagenburg und der Nachhuth
Tapfere Schar mich schirmt, bis wir dem Heere vereint sind!«

Finster umhüllete noch das Gewölk den nächtlichen Himmel;
Noch aufriß der entfliehende Blitz zuweilen die Lieder,
Zürnend, und sah mit feurigem Blick aus Osten herüber.
Bergan hob sich der Weg, und Milota sagte, verhöhnend,
Als die Ross', oft zögernden Gang's, aufschritten den Bergpfad:

»Hoffst du, Herr! vor des Ewigen Richterstuhle so leicht dich
Abzufinden dereinst mit dem schreckengerüsteten Engel,
Der dein Blatt dir weist in dem Buche des Lebens und Todes?
Wähnst noch gar, du habest gebüßt für Alles und Jedes,
Was du verübt seither, schon heut' im nächtlichen Irr-Ritt?
Grauses vernahm mein Ohr. Ist's Wahrheit, oder nur Täuschung,
Was die Sag' uns gab von dem blutbesudelten Handel
Dort? Daß die Ost- und die steyrische-Mark dir bleibe zu Eigen,
Hast du Schätze gesandt nach Wälschland – heimlich verbündet
Rom und Neapel dir, und Konradin, Friedrich von Oestreich Das Schicksal beider fürstlichen Jünglinge, Konradins von Schwaben (Sohn Konrads IV.) und Friedrichs von Oestreich (Sohn Markgraf Hermans von Baden, und Gertruds, Tochter Heinrichs, Herzogs von Mödling) die im Jahr 1268 zu Neapel durch das Bluturtheil Carls von Anjou hingerichtet wurden, ist bekannt. Horneck beschuldigt Ottokarn an mehr denn einer Stelle, daß er, als Mitwerber um Oestreich und Steyermark, ihren Tod befördert habe. S. Reim-Chronik Cap. 164.
Hingeopfert des Henkers Schwert, die blühenden Fürsten?
Hast nicht Erbarmen geübt, als d'rauf die Mutter des letztern,
Gertrud, Gertrud, die Mutter Friedrichs von Oestreich, ließ Ottokar, nachdem er Steyermark in seine Gewalt bekam, aus allen ihren Besitzungen, zuletzt auch aus Judenburg und Feistritz, durch den grausam gesinnten Propst von Brünn, vertreiben. Zur Nachtzeit, im Regen und Sturm, mußte sie die Reise antreten. Sie begab sich nach Meißen. ( Horneck Reim-Chronik Cap. 55 und 56.) sanften Gemüths, aus dem Erbe der Väter vertrieben,
Fliehen hieß dein Wüthrich fort in stürmischer Nachtzeit?
Bist du rein von Schuld an dem Tod der verstoßenen Gattinn,
Margareth? Ueber Margarethens, der verstoßenen Gemahlinn Ottokars, Schicksale, siehe oben Anmerkungen zum ersten Gesange, 2 zum Vers 68. Ward der edele Herr und Ritter von Meißau
Nicht in unwürdiger Haft von dir verbrannt in dem Schloßthurm? Otto, Herrn von und zu Meißau, den Stolz des östreichischen Adels, hatte Ottokar, wegen geargwohnter Anhänglichkeit für den Sohn der babenbergischen Gertrud, im Schloß Eichhorn festsetzen, und dort Jahr 1265 im Hungerthurm verbrennen lassen. ( Chron. Austral. Neob. et Leob. apud. Hieron. Pez T. I.)Nicht die Heldenschar, von dem Pettau'r, Der scheelsüchtige Ritter Friedrich von Pettau hatte Ottokars argwöhnisches Gemüth gegen einige seiner Mitstände in der Steyermark aufgeregt, der dann mehrere von ihnen, als: Ulrich von Lichtenstein, Hartneid von Wildon, Wülfing von Stubenberg, und Heinrich und Bernhard von Pfannberg, auf verschiedene Vesten gefangen setzen, und sie aus diesen nach einer zweijährigen Haft nicht eher entließ, bis sie ihm ihre Burgen ausgeliefert, hatten. Horneck Cap. 85 und 86. niedrigen Herzens,
Angeschwärzt, jahrlang' in schmählichen Banden gehalten –
Ihrer gewaltigen Vesten beraubt? Sieh' dort auf dem Hügel
Drüben den Rabenstein: wie im Wind sich die dürren Gerippe
Dreh'n nun hin, nun her, und im Schwung lautächzen die Ketten!
Hu, aufsträubt sich mein Haar – und dennoch lieber gehenkt dort,
Als daß ich übte, wie du, an dem Merenberger Seyfried von Merenberg, der steyrische Ritter, versäumte dem König Ottokar, auf seinem Siegszug an der Drau mit den übrigen Herrn entgegen zu kommen, und fiel durch Einflüsterung eines bösen Menschen bei ihm in Verdacht. Er ließ ihn in der Folge heimlich greifen, und gebunden nach Prag abführen. Als er vielfältig gemartert, Gott zum Zeugen seiner Unschuld rief, und dem, nach Geständnissen einer Verschwörung in Kärnthen und Krain gierigen König, keine Lüge für Wahrheit geben wollte, wurde er durch ein Pferd zum Galgen geschleift, und dort, das Haupt zu den Füßen gebunden, aufgehenkt. Noch in der zweiten Nacht lebt' er in diesem qualvollen Zustand, bis ihm endlich einer der böhmischen Szupane die Scheitel mit einem Kolben einschlug, weil er, auf wiederholte Aufforderungen, schon halbtodt, aber standhaft, der Wahrheit getreu gewesen zu seyn betheuerte. ( Horneck Cap. 99.) den Frevel!
Aber horch! Da er nun, das Haupt an die Füße gebunden,
Zweimal den Morgen und Abend sah, in schrecklichen Qualen
Hängend am Rabenstein, war nur der geschändeten Schwester
Bild – geschändet von dir, vor seinem Gemüthe! Dir flucht' er,
Eh' er starb, durchbohrt von einem der wilden Szupanen.
Wie, du erschrickst? Nein, fürchte nichts, Herr! Daß ich jetzo der Tochter, Ottokar ließ den Bruder Milota's, Beneß, Kämmerer von Mähren, dessen Tochter er geschändet haben soll, zugleich mit Otto von Meißau im Jahr 1265 in dem Hungerthurm zu Eichhorn verbrennen. Milota's Haß gegen Ottokar, und der Verrath, den er in der Marchfelder Schlacht 1278 an ihm beging, soll dadurch veranlaßt worden seyn. Siehe Hanthalers Fast. Campil. Lib. I. Dec. VII. § 26. S. 1017 und Fuggers Ehrenspiegel etc. S. 104.)
Meines geliebtesten Kindes, gedacht, nicht verdenk' es dem Vater,
Der nicht weinen mehr kann um sie, die schändlich verführt ward.
Ihre die Schuld, der Metze: sie gab sich wohl selber der Schmach hin!«

Ottgar schlug sich die Brust, und wimmerte: »Vater, Verzeihung;
Mein ist die Schuld allein: den Himmlischen glich sie an Reinheit!«
»So?« – sprach dann mit gedehnetem Laut der entsetzliche Vater.
Ottgar stöhnte vor Angst, daß es jener vernahm; mit den Zähnen
Knirscht' er; sah empor, und rief mit ersterbender Stimme:
»Milota, sieh', wie es über den armen Sündern erblitzet!«
Sagt' es, und stützte das Haupt, vergehend, auf Milota's Schulter.
Jetzt in der geistverzückenden Zeit todähnlicher Ohnmacht
Sah, wie entkörpert, er dort an dem Rabenstein, Drahomira
Schweben umher, und oft hellstrahlen von röthlichen Flammen.
Ihr nachfolgten zum Dienst drei Mißgestalten der Hölle
So, daß der Halbentseelte noch zuckt', und bebte vor Schrecken,
Als er die Furchtbar'n sah. Aus schwarzumhüllendem Schleier
Starrten mit weitgeöffnetem Aug' todblasse Gesichter,
Und ihr Leib, durchblinkt von der Flammengestalt Drahomira's,
Floß, wie ein Trauerflor, hinaus in das finstere Nachtgrau'n.
Doch, nach dem Wink der Gebietherinn, auf, und hinunter sich schwingend
Dicht an dem Rabenstein, wie der Mauerspecht am Gemäuer,
Der mit kläglichem Ruf nach Gewürm' und Käferchen spähet,
Nagten sie dort ein Giftgewächs und das Moos mit den Zähnen
Ab von dem Stein und Gehölz, und schwebten hinab auf den Heerweg.
(Zwischen Ottgar hier, und Milota – aber vor Wallstein
Dort, der zögernd folgt': in täuschende Träume versunken
Künftigen Glücks) und hauchten zugleich auf die Erde den Unrath.
Doch Drahomira kam, vorhaltend in glühender Rechten
Einen Becher, in dem verderbliche Säfte von Kräutern
Gähreten: erst entpreßt dem Eisenhütchen und Schierling,
Dann Tollkirschensafte vermengt, der plötzlich des Menschen
Sinne verwirrt. Sie goß mit zaubergewaltigen Worten,
Vor den Drei'n, die sie nachmurmelten, wie aus der Felskluft
Grimmvoll murrt ein Drach', das Gift auf den furchtbaren Unrath
Aus; zertrümmerte schnell den Becher auf ihm, und erhob sich
Dann im Weh'ausruf des Höllengefolg's in den Luftraum.
Alsbald schwamm ein bläulicher Duft, des giftigen Pfuhles
Nebel gleich, umher: dem nahenden Jüngling zum Falle
Hingebannt von der Macht Drahomira's, des schrecklichen Weibes.

Ha, schon naht' er heran! Noch brannte der glühende Kuß ihm
Auf der Stirn'; noch scholl in das Ohr ihm der schmeichelnde Zuruf
Ottgars: »Daß er ein Sohn ihm sey – dem liebenden Vater.«
»Wie, ein Sohn? Dann ... ja, wenn Hedwig die Rechte mir reichet!
Himmlische Hoffnung!« Rief's; da bäumte schnaubend sein Reitroß
Dort an der furchtbarn Stelle sich auf. Ihn däuchte der Wehruf,
Den er jetzo vernahm, aufhorchend mit pochendem Herzen,
Hedwigs Stimm': alsbald vorspornend den hurtigen Läufer,
Stand er gebannt in dem Zauberkreis', und urplötzlich, so wähnt' er,
Ward ihm zur Gegenwart die nimmergeahnete Zukunft.
Hochbeglückt hielt er die Ersehnete jetzt in den Armen:
Ihm schwand Himmel und Erde dahin! Doch flatterte blitzschnell
Weiter der täuschende Spuk, da, schnaubend vor Angst und Entsetzen,
Nun das Roß fortsprang aus dem Zauberkreise der Hölle.
Stöhnend sah er zurück, und die Blässe des Todes bedeckte
Seine Wangen: ein Traum, so schien es ihm, flüchtig entronnen,
Wies ihm des Erdenglücks Erwünschtestes. Wehe, nicht schwand jetzt
Mehr des Gesehenen Bild aus seinem Gemüth'. In den Adern
Kocht' ihm das Blut, und im kreisenden Schwung' umgaukelte jenes
Rastlos ihn, da er flog, getrieben von höllischem Zauber,
Abzufordern die Hand der Königstochter dem Vater;
So zu empören des Herrschers Stolz, und, von diesem gehöhnet,
Racherfüllt, sich selber und ihn zu verderben auf immer.

Siehe, voll Himmelshuld war ihm sein schützender Engel
Wieder genaht, und rief in sanftverweisenden Lauten:
»Wie, umsonst ertönte dir erst mein warnender Zuruf?
Wehe dir, Jüngling, ach, wenn Schuld verdunkelt die Reinheit
Deines Gemüths! Wie ein Spiegel, noch erst im herrlichsten Lichtglanz
Schimmernd, schnell abstirbt, so ihn feuchtannahender Hauch deckt:
Also umwölkt es die Schuld. Bald scheint die blühende Schöpfung
Dir verwelkt, und erstarrt ringsum das regsame Leben:
Nichts des Hohen vollführest du mehr, von irdischen Banden
Niedergehalten. Verzieh'; o denke des Ewigen, reuig;
Kehre zurück, und beherrsche mit Kraft die Gelüste des Herzens,
Daß du nicht Schmach dir jetzt durch thörichte Worte bereitest!«

Sagt' es, und schwang sich empor zu dem Vater im Himmel, deß' Antlitz
Er mit dem Seraph und Cherub schaut für immer und ewig.
Aber der Jüngling rief: »Ward erst der Seligen Wonne
Mir von dem Himmel gewährt? Vernahm ich jetzo der Hölle
Täuschenden Ruf? Nicht weiß ich's – will es nicht wissen; es dreht sich
Schwindelnd die Welt um mich her; sie reiße mich mit in den Abgrund!«
Sieh', und er hieb in den Bauch des ächzenden Läufers den Sporn ein:
Brausenden Sprung's trug fort ihn das Thier, bis er's vor dem Herrscher,
Der mit dem Feldherrn, ernst und schweigend die nächtliche Bahn zog,
Jetzt festhielt, nach gewaltigem Müh'n: denn wüthenden Ingrimms
Flog es dahin! Nun sprach mit sanfterheitertem Antlitz,
Nach dem Jüngling gekehrt, der weitgefürchtete König:
»Wallstein, ha, wo weilst du? Komm, und rette den Vater
Dir, dem liebenden Sohn, von diesem entsetzlichen Manne!
Milota, fort! Entfleuch! Du warst mir treulich ergeben,
Du, des Herrschers Vasall; doch hast du mit blutiger Faust ihm
Heut' in dem Herzen gewühlt – frechlautende Worte gesprochen.
Gott ist gerecht. Die Schuld, vergrößert von feindlicher Mißgunst,
Mindert vor ihm ein reuiges Herz: er wird's nicht verschmähen!
Halte dich künftig entfernt von mir – auch jetzt in dem Feldzug,
Daß nicht mein Zorn, erwacht, dich noch verderbend ereile.«
Jener lächelte grimmig, und rief: »Recht hast du gesprochen:
Weichen will ich – im Kampf' entfernt dir stehen; der Tochter
Stets gedenken, und flieh'n die Nähe des dräuenden Herrschers.«
D'rauf entschwand er im Feld; doch Ottgar sagte dem Jüngling:
»Wallstein, höre mich nun! Stets warst du mir theuer vor Allen
Ob des Heldenmuths und der Treue, mit welcher du, liebend,
Hingest an mir: doch heut, wie lohn' ich geziemend die Thaten
Ewigen Ruhms? Erst rächtest du mich an Rudolphs Erzeugtem;
D'rauf hast du mich entrissen der Wuth umdrängender Gegner.
Sieh', am kommenden Tag sollst du durch würdigen Lobspruch
Hochverherrlichet steh'n vor meiner versammelten Heersmacht;
Auch den Feldherrn dort, als Führer des böhmischen Fußvolks,
Beigesellt, ein Zeuge der Huld und des Glückes erscheinen!«

Jener entgegnete schnell, von dem Höllenzauber getrieben:
»Herr! du nanntest mich Sohn zuvor, und ein liebender Vater
Willst du mir seyn? Wohlan! Ich rühme mich edlen Geschlechtes,
Ja, des edelsten, das in dem Vaterlande genannt ist:
Reich an Schätzen und Land, gleich Fürstensöhnen geachtet!
Vater, mein höchstes, mein einziges Glück harrt deiner Entscheidung!
Gib mir Hedwigs Hand, des angebetheten Fräuleins:
Dann wird überschwenglicher Lohn mir zu Theil, und ein Eidam
Steht dir dankbar bereit – für dich zu sterben, entschlossen,
Tapferen Muth's im Feld', ein mächtiger Schirmer des Thrones,
Den du zierest, und Wenzeslav, dem Erzeugten, vererbest.
Hörst du mich nicht: dann fort an die fernsten Gränzen des Weltmeers;
Dann aus dem Leben fort, dann wähle dir treuere Diener!«
»Tod und Hölle!« so rief entrüstet der König, »wie ward mir
Heut das Geschick, Wahnsinnigen hier zum Spotte zu dienen?
O Verblendeter! Wie? so täuschest du frech und verwegen,
Meine Hoffnungen all', auf dich gegründet, und trotzest
Auf die erworbene Herrscherhuld? Du erkühnst dich um Ottgars
Tochter zu frei'n – um Hedwig, nach welcher sich Könige sehnten?
Schwind' aus dem Glanz der Sonn', aufdämmernder Stern, und durchlaufe
Fern mit jenen die dunkele Bahn, die selber dir gleichen!
Ehren sollte des Königs Ruf dich am kommenden Morgen?
Sieh', ich schlage dich jetzt – doch, wiss' es, Bube, zur Schmach nur:
Daß du gedenkest hinfort, wie frech du ihn eben gehöhnt hast!«
Rief's, von der Hüfte sich reißend das Schwert. Er schlug mit der Kling' ihn,
Wüthend, über den Helm, und jagte hinüber zur Heersmacht,
Der er genaht, in des Morgenroths erglühendem Lichtstrahl.
Wallstein zog bei dem Schlag schon halb aus der Scheide das Eisen,
Hielt's so, fest umspannt, hinbrütend, die Augen zum Boden
Heftend, erblaßt, und starrete noch mit entsetzlichen Blicken
Lang' um sich her; dann stieß er das Eisen zurück, und verlor sich
Von dem Pfad seitab, in des Hains umschattendem Dunkel.


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