Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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Verwandlung.

Zimmer im Pallaste des Königs Purpur.

König Purpur und Königin Hermeline.

Purpur.

Wie glücklich sind wir liebe Hermeline!
Ein Kind, ein Kind liegt vor uns in der Wiege!

Hermeline.

Wie athmet's lieb, wie blickt es mit den Aeuglein,
Wie schmücket Rosenduft die vollen Wangen!
Dem Himmel Dank, der uns nach langem Hoffen
Die Segensgabe endlich hat bescheert.

Purpur.

Dem Himmel Dank, doch auch den weisen Frau'n,
Durch deren Rath und Mittel wir errungen,
Wonach wir lang gestrebt; denn was Natur
Und auch Magie vermag, das boten sie!

Hermeline.

Bei all dem Glück jedoch, bei all der Freude
Bin ich ob eines Umstandes sorgenvoll.

Purpur. Sprich, was beengt das Herz?

Hermeline.

Du weißt: wir dachten
Der beiden Zauberfrauen nicht; Wiltrude,
Scohlint, die luden wir zur Feier nicht,
Und ihre Rache könnt' gefährlich werden.

Purpur.

Ei was? wer hätt' auch gern die bösen Weiber
Bei unserm Freudenfeste denn geduldet?
Und lobten nicht die Andern uns darum,
Daß wir mit der Gesellschaft sie verschont?

Hermeline.

Doch sie auch waren hier zu Rath gesessen
Im Kreis der weisen Frau'n und sprachen mit;
So hatten sie ein Recht auch, theilzunehmen,
Als von den Zinnen Freudenbanner wehten.

Purpur.

Was hätten sie gebracht? Nur Zwiespalt, Hader!
Dieß ist ihr Element; die guten Fee'n
Beschenkten unser Kind mit schönen Gaben;
Was hätten jene beiden denn zu bieten
Aus ihrer dunklen Höhle Zauberreich?

Hermeline.

Wie's immer sein mag, mich beschweret Angst
Und Sorge d'rum, vielleicht weil ich ein Weib bin;
Als Mann magst du dergleichen wohl bewält'gen.

Purpur.

Beschwichtige dein Mutterherz; bedenke,
Daß unser Röslein schützt die Fee Sconea,
Die Heil dem Kinde sprach, als es erwachte
Zum Leben und den ersten Lichtstrahl schaute.

(Herold tritt ein.)

Herold.

Verzeiht, o Herr! wenn Euch mein Eintritt stört
Doch ihr befahlt ja, daß, man immer melde,
Wenn sich der Königsburg ein Fremder naht.

Purpur. Was gibt's?

Herold.

Ein Wand'rer harret vor dem Thor,
Er bittet Einlaß sich, um euch zu huldigen.
Es schmückt sein Haupt ein grüner Lorbeerkranz,
An seiner Schulter hangt das Saitenspiel.
Ein Sänger ist's, wie er sich selber nennt.

Purpur.

Willkommen sei er; solche Gäste lieb ich,
Und Sang und Klang kömmt mir zur rechten Stunde.

Herold.

Auch folgt ein Diener ihm, ein droll'ger Kauz,
Der dir als Schalksnarr gute Schwänke bringt.

Purpur. So laß sie beide ein; ich will sie seh'n. (Herold ab.)

Hermeline.

Die Fremden nah'n, ich geh' zu unserm Kinde,
Dem lieben Röslein! und wie oft geschieht's!
Ja nimmer müde wird der Mutter Liebe,
Zu herzen und zu küssen!

Purpur.

Geh, bald folg ich. (Hermelin« ab.)
Doch zum Empfang will ich den Thron besteigen
Und mich mit meinem Purpurmantel schmücken;
Die Krone setz' ich auf und nehm' den Scepter,
Denn solchen Käuzen muß man imponiren.
Und tritt der Dichter vor mich, um die Schläfe
Den Lorbeerkranz, ziemt mir das Diadem.
Die Blätter welken, doch das güldne Stirnband
Trotzt auch dem Zahn der Zeit; ja, in den Gräbern
Ziert noch der Könige Schädel manche Krone
Und sonft'ger Schmuck von fürstlichem Geschmeid.

(Setzt sich im königl. Schmuck auf den Thron.)

(Herold führt Lautenklang und Christoph ein.)

(Lautenklang läßt sich auf ein Knie nieder und legt die Laute vor den Thron hin. Christoph macht fortwährend Complimente.)

Lautenklang.

Ich neig' mich ehrfurchtsvoll vor dir, o König;
Und lege meine Laute dir zu Füssen
Greif wieder ich nach ihr, wenn du's befiehlst,
Sei's, um der Majestät ein Lied zu weih'n!

Purpur

Erhebe dich, willkommen sei! ich liebe
Den Sang. Greif in die Saiten, mich zu grüssen
Nach Sänger Art.

Lautenklag

Es sei, wenn du's erlaubst!
(singt zur Laute.)

Hast du mich auch nicht gerufen,
Tret ich kühn hier an die Stufen
Deines Throns mit meinem Sang!
Frei sind wir, des Liedes Meister,
Unterthan sind uns die Geister,
Die gebannt der Laute Klang!

Kronen goldne Strahlen senken
Nieder und die Scepter lenken
Volkesschaaren; welche Pracht!
Majestätisch wie die Sonne –
Zieht einher sie voller Wonne –
Leuchtet eines Königs Macht.

Alle demuthvoll sich neigen
Vor dem Herrscher, Alle schweigen,
Schier geblendet von dem Licht!
Nur der Sänger laut verkündet,
Was der Glanz in ihm entzündet,
Was aus seiner Seele spricht!

Und was er dann frei gesungen,
Durch die Hallen ist's gedrungen,
Tönt in alle Welt hinaus!
»Heil des Königs goldner Krone,
»Die da strahlet auf dem Throne –
»Heil des Königs ganzem Haus!«

(Verneigt sich tief.)

Purpur. (von» Throne herabsteigend.) Ihre Huldigung hat mich sehr erfreut. Sie scheinen mir ein Mann von Talent zu sein. Wie heißen Sie?

Lautenklang. Majestät, mein Name ist Lautenklang.

Purpur. Ein schöner Name für einen Sänger! Ihr Geburtsort?

Lautenklang. Eine kleine Provinzialstadt in Deutschland und ich bin der Sohn eines armen Schuhmachers.

Purpur. Es gibt sehr viele Schuhmacher in Deutschland.

Christoph (vorlaut.) O ja, und auch viele Schneider aller Gattung, erhabene Majestät.

Lautenklang. Schweig und rede nicht zur Unzeit.

Purpur. O lassen Sie ihn. Er ist wohl Ihr Diener?

Christoph. Zu dienen bin ich sein Diener. Mein Name ist Christoph. Auch ich bin in einer erbärmlichen kleinen Stadt des ungeheuern deutschen Reiches geboren, eine Art Abkömmling des alten Hermann, in welchem schon der Keim zu mir, seinem dereinstigen Enkel, lag.

Purpur. Bravo, bravo! Ihr Humor gefällt mir. Waren Sie vielleicht schon Schauspieler?

Christoph. Ei bewahre! Unter das Comödiantenvolk mischt sich ein Mann wie ich nicht. Ich habe bisher nur auf der großen Weltbühne mitagirt, mitgelitten, mitgehungert, mitgedurstet und mit meinem Herrn Stoff gesucht, möglichst viel Stoff!

Lautenklang. Verzeih'n Euer Majestät diesem ungeschliffenen Burschen.

Christoph. O, ich bin ein ungeschliffener Diamant, welcher Witz bei einer Gelegenheit in einem Gedichte meines Herrn vorkömmt. Hört nur:

(pathetisch deklamirend.)

Dort in Brasilien ein Diamant
Liegt unbeachtet in dem Sand,
Den noch kein menschlich Wesen fand
Gleich der Corall' am Meeresstrand.

– da hab'n wirs schon –

Dort leuchtet hell ein Diamant
An meines Mädchens Busenband,
Und die Coralle am Gewand,
Die beide schliff des Menschen Hand.

– Jetzt kommt's eigentlich –

So ist Natur denn wohl verkannt,
Der Werth nur an den Schliff gebannt?
Dort in Brasilien ein Diamant
Und die Corall am Meeresrand!

Habt Ihr den Witz verstanden? – Ja, ich bin auch ein verkanntes Genie, wie der ungeschliffene Diamant in Brasilien!

Lautenklang. Ich bitte Euer Majestät das ungeeignete Benehmen dieses Hanswursten nicht zu beachten; sollten jedoch Allerhöchstdieselben eines Hofpoeten bedürfen, so wage ich es, meine Dienste anzubieten.

Purpur. Ich bin gar nicht abgeneigt, Ihrem Gesuche Gehör zu geben, um so mehr da der Meistersänger, den ich an meinem Hofe hatte, an Mittelaltersschwäche gestorben ist; auch waren seine Leistungen nicht mehr zeitgemäß, weßhalb ich ihn längst pensionirt hatte.

Lautenklang. Unendlich glücklich wäre ich, könnten meine geringen Kräfte Eurer Majestät dienlich sein. Meine Ansprüche sind in jeder Beziehung höchst bescheiden.

Christoph. Ei, der lügt! – Still, still! Je mehr wir kriegen, desto besser!

Purpur. Gut denn, es sei! Von heut an sind Sie in meinen Diensten. Sie sollen mit Ihrer Stellung zufrieden sein. Und ihr Diener kann auch bleiben. Ich ernenne ihn zum Hofnarren extra statum.

Christoph. Extra statum oder extra status, das heißt eine Extrastatur, wohlgenährt und überhaupt gut gehalten!

Purpur. Auch Er wird zufrieden sein. Doch verbitte ich mir alle plumpen Spässe, denn ich dulde nur den feinen Humor.

Christoph. Einen feinen Rumor hab' ich noch nicht gehört. Wenn's einmal wo einen Rumor gibt, da muß es schnallen und krachen.

Purpur (zu Lautenklang.) Kommen Sie, Lautenklang! Ich will Sie der Königin vorstellen. Sie können gleich Ihr Talent in Anwendung bringen und ein Gedicht auf die Geburt meiner Tochter Prinzessin Röslein schreiben.

Lautenklang. Herrlicher Stoff zu einem graziösen Schlummer- oder Wiegenliede!

(Purpur und Lautenklang ab.)

Christoph. »Sein oder nicht sein – das ist die Frage.« Wo wird hier zu Land ein gutes Wirthshaus sein oder nicht sein, in welchem man von dem anstrengenden Hofleben einigermassen bisweilen stillvergnügt ausruhen kann?

Trinken, »schlafen und nichts weiter?! denn wer zu viel getrunken hat, schlaft gern. Also ist's trinken schlafen. Daß aber »ein Schlaf« das Herzweh und »die tausend Stöße endigt, dieß ist ein Ziel auf's Innigste zu wünschen!« – »Schlafen, vielleicht auch träumen?« Neulich träumte mir, ich hätte Prügel bekommen. »Stolze Mißhandlungen!« Ich erwachte und »stöhnte und schwitzte unter Lebensmüh!« Ha, Schicksal! »das unentdeckte Land – nemlich das Wirthshaus – von deß Bezirk kein Wanderer wiederkehrt« ohne daß er seine Zeche hätte bezahlen müssen – dieß Land oder dieß Haus vielmehr sei der Zweck meiner »Unternehmungen voll Mark und Nachdruck!« (Ab.)

Königin Hermeline, ihr Kind Prinzessin Röslein auf den Armen tragend.

Hermeline.

O herzig Kleinod laß dich an mich drücken
So inniglich! bist ja ein Theil von mir,
Das beßte wohl aus meinem eignen Ich,
Ja selbst mein »Ich,« gleichwie der Blume Duft,
Der aus dem Kelch sich hebt so würzig rein,
Zu ihr gehört. Denn wär' die Rose Rose,
Haucht' nicht ihr rother Mund so süßen Ruch?
Wär' Lilie Lilie, stünd sie duftlos da?
So bist du mein und ich bin wieder dein:
Ein Leben und Ein Sinn, schier unzertrennlich!
Und doch, wie bang ist mir, blick ich dich an
Und schaust du auf zu mir mit deinen Sternlein,
Die aus dem Himmel mein so lieblich leuchten.
Ein dunkler Schleier liegt auf dir, ich seh's;
Ich möchte weg ihn küssen, doch er bleibt,
Umhüllt die Zukunft mir in trüben Nebel.
Ich fühl' es! Drohend sah ich jene Frau'n
Vor mir steh'n oft in dunkler Nächte Traum!

(König Purpur mit Lautenklang eintretend.)

Purpur. Ich suchte dich, o Königin.

Hermeline. Hier bin ich!

Purpur.

Und hier ein Gast, der Hausgenosse worden:
Der Dichter Lautenklang, mein Hofpoet,
Mög' er der Königin willkommen sein.

Hermeline.

Ist nicht die Poesie des Lebens Schönstes?
Sie windet Blumen in den dunklen Kranz,
Der ernst sich oft um unsre Stirne wölbt;
Ist sie nicht auch der Regenbogenschimmer,
Der düstre Lebenswolken überspannt?

Lautenklang.

Ihr zeichnet sinnig, edle Königin,
In schönen Bildern, was ich tief empfinde.
Fürwahr, ich tret in's Reich der Poesie;
Der Dichter hat die Heimath hier gefunden,
Die er vergebens sich so lang gesucht;
Die Welt ist öd' und kalt sind alle Herzen,
Verschlossen höh'rem Sinn nach Irdischem trachtend.

Purpur.

Vortrefflich! – Ja die Kön'gin war geneigt
Der Poesie und ihren Jüngern stets.

Lautenklang.

Gestattet, daß der Königin ich bringe
In einer Dichtung meine Huldigung,
Indem ein kleines Lied ich schnell ersinne,
Dem Kind geweiht, das auf dem Arm sie wiegt.

(Singt zur Laute.)

Mit Blumen aller Arten
Und süßen Duft und Hauch
Blüht in des Frühlings Garten
Ein kleines Röslein auch.

Erwärmt vom Sonnenstrahle,
Erfrischt vom Tröpflein Thau,
Ein Sitz dem Bienemahle,
Gewiegt von Lüftlein lau.

(Es hebt sich ein Sturm.)

Hermeline.

Weh uns! hört ihr den Sturm sich jetzt erheben?
Wenn er dem Kind nur nichts zu Leide thut!

Purpur. Grundloses Bangen! Setzt den Sang nur fort.

Lautenklang (singt weiter.)

So blüht's und schaut in's Leben,
Und mög es wohl gedeih'n!
Gott woll' dem Röslein geben
Den hellsten Sonnenschein!

(Der Sturm wird mächtiger.)

Hermeline. Hört's nur! sie nah'n, die ich im Traum geseh'n!

Purpur.

Wer naht? dich schreckt die Angst vor dem Gewitter,
Verlaß den Ort und leg das Kind zur Ruh!

(Wiltrud und Scohlint erscheinen.)

Wiltrud.

Wir sind's, wir sind's, die ungebet'nen Gäste,
Die ihr vergessen habt bei eurem Feste.

Scohlint.

Wir sind's, wir sind's, zu bringen unsre Gaben;
Wir bieten euch das Beßte, was wir haben.

Hermeline und Purpur. Weh uns, da sind die bösen Zauberfrau'n!

Wiltrud.

Wir reichen eurem Kind als Weihgeschenk
Den Fluch, dem seinerzeit Erfüllung folgt.

Scohlint.

Daß Röslein sich an einer Spindel sticht,
Wenn fünfzehn Mal der Mai sie hat begrüßt.

Wiltrud.

Und mit dem Stich fällt sie in tiefen Schlaf,
Ihr selbst auch und was lebt im Königshaus.

Scohlint.

Ein Dornstrauch wird umwuchern den Pallast:
»Dornröslein« sei fortan das Kind genannt!

Wiltrud und Scohlint.

Hört's König Purpur, Königin Hermelin:
Den Fluch schenkt euch das Zauberschwesternpaar!

(Ein Donnerschlag.)

Der Vorhang fällt.


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