Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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III. Aufzug.

Ein felsiges Thal.

In der Mitte steht eine Eiche, zu deren Füssen der Drache Feuerrachen liegt.

Drache. Obgleich es eigentlich nicht üblich ist, daß Drachen sprechen, so muß ich es doch thun, damit ihr wißt, woran ihr seid. Ich bin also der erschreckliche Drache Feuerrachen. Meine Mutter war die nächtliche böse Fee Schlangenblitz und mein Vater der Zauberer Negromanticus. Von Haus aus war ich eigentlich ein Papierdrache, den die Buben im Herbste auf den Wiesen fliegen ließen; allein nach und nach wuchs ich heran und gewann endlich meine dermalige Gestalt. Ich bin ein furchtbarer Kerl und wer mir in den Weg tritt, dem speie ich Feuer in's Gesicht, wie ihr auch gleich sehen werdet, wenn der gute Prinz Rosenroth einen Zweig von diesem Baume pflücken will, den ich auf Befehl meines Papas zu bewachen habe. Ach! wäre ich doch lieber in meiner Kindheit geblieben; als Papierdrache befand ich mich so wohlgemuth und heiter gestimmt, besonders, wenn ich durch die blaue Luft dahinflog und endlich wieder auf den grünen Rasen niedersank! Nun sind mir diese jugendlichen Gefühle fremd geworden, ich bin mir selbst zuwider. Meine Leidenschaften, die ich nicht bekämpft, mein böses Naturell, das ich nicht überwunden, haben mich complett ruinirt. Laßt euch das Warnung sein! Die beste Seele kann schlecht und verdorben werden! Dieß sagt euch der Drache Feuerrachen.

Prinz Rosenroth und der Bär.

Rosenroth. (das Schwert in der Hand.) Hier sind wir also im Schlangenthale angelangt.

Bär. Und dort steht die Zaubereiche, an deren Wurzeln, der böse Drache liegt.

Rosenroth. Heda, Drache! entferne dich, damit ich einen Zweig des Wunderbaumes brechen kann.

Drache. Mein Platz ist hier und ich weiche nicht von der Stelle!

Rosenroth. So werde ich dich dazu zwingen! (geht auf ihn los.)

(Der Drache speit Feuer.)

Rosenroth. Magst du auch wie ein Vulkan Feuer speien, es wird mich nicht hindern, dich zu vertreiben.

(Casperl lauft mit einem Briefe herein.)

Casperl. Ja was ist denn da wieder los? Alleweil Spetakel! Warten's a Bißl und lesen's zuerst den Brief!

(Sieht Bär und Drachen.)

Da dank ich gar schön; auf der ein' Seiten ein Drach und auf der andern ein Bär! Da lauf ich davon.

Bär. Halt Freund! der Bär thut dir nichts zu Leid.

Casperl. A! da Hab' ich Respekt, des ist ein Mal ein manirlicher Bär, gewiß sind Sie ein quieszirter Tanzbär und privatisiren jetzt.

Rosenroth. Was steht in diesem Briefe? Vermuthlich ist er vom König Goldkron.

Casperl. Ja, von dem ist er. Wie haben's jetzt das wieder errathen können? Sie sind halt ein Tausendsasa.

Rosenroth. Sehr natürlich! Es wird die Antwort auf meine Anfrage sein, die ich dich stellen hieß.

Casperl. Richtig, so ist's.

Rosenroth (liest) »Edler Prinz! Sei mir jederzeit willkommen! Empfange zugleich mein königliches Wort, daß ich dir meine geliebte Tochter Lilienweiß zur Gemahlin gebe, sobald du sie aus den Händen des bösen Negromanticus befreit haben wirst!«

»Goldkron, König.«

Casperl. Punktum, Streusand d'rauf! aber auf den Punktum kommt's halt noch an, wegen der gewissen Befreiung.

Rosenroth. Nun erst bin ich doppelt begeistert und mein Muth kennt keine Grenzen, da der schönste Lohn des Lebens mir entgegenwinkt!

Heda, Drache! stell dich zum Kampfe!

Drache. Ich bin bereit. (Er erhebt sich und schlägt mit den Flügeln.)

(Casperl versteckt sich.)

Rosenroth. Wohlan.

(Er kämpft mit dem feuerspeienden Drachen, haut auf ihn ein; der Bär stürzt sich d'rauf.)

Drache. Ich bin besiegt.

Versinkt in den Boden. Ein papierener Drache fliegt auf und verschwindet oben; Rosenroth und Bär fallen sich in die Arme.

Casperl (aus seinem Versteck hervortretend.) Ah! das ist aber schön! Herr Jegerl, der schöne Drach! Ich mein', ich bin auf der Oktoberfestwiesen. Juhe, Juhe!

Duett.

Rosenroth und Bär.

Viktoria, Viktoria,
Der Sieg ist nun errungen!
Viktoria, Viktoria,
Der böse Drach bezwungen!
Viktoria, Viktoria!

Rosenroth. Nun will ich den Zweig brechen, um Lilienweiß zu erlösen und als Braut heimzuführen!

Bär. Und mich berühre dann auch mit dem Wunderzweige, damit ich von meiner Bärenhaut befreit werde.

Casperl. Und mich rührn's a bißl an, damit ich eine Bärenhaut krieg, denn die brauch ich zu die Schlag, die ich allenfalls noch bekommen könnt.

(Während alle drei sich der Eiche nähern, verwandelt sich die Szene in den Zaubergarten wie im ersten Aufzuge.)

Zaubergarten des Negromanticus.

Negromanticus und Leopardus.

Negromanticus. So eben habe ich in meinen Zauberspiegel gesehen, daß mir eine große Gefahr droht. Auch ist mein Trinkglas zersprungen, was von übler Vorbedeutung ist. Ich muß alle meine Zauberkräfte zusammennehmen, um nicht zu unterliegen; auch auf dich zähle ich, Leopardus. Sei wacker und bleibe ein treuer Wächter. Jedenfalls suche zu verhüten, daß irgend Jemand diesen Garten betrete. Nach überstandener Gefahr werde ich dich dadurch belohnen, daß ich dir deine vorige Gestalt wieder gebe und als Leopard in die ägyptische Wüste laufen lasse.

Leopardus. Ich danke dir im Voraus. Lieber aber war es mir dennoch, wenn du mich an eine Menagerie verkaufen würdest, wo ich meine alten Tage bei guter, regelmäßiger Fütterung beschließen könnte.

Negromanticus. Auch gut, wenn es dir lieber ist! Nun geh' ich in mein Zauberkabinet, um mich mit allen Waffen zu rüsten, die mir meine Kunst bietet. Einstweilen sei wachsam und brülle, wenn ich kommen soll. (ab.)

Leopardus (allein.) Nun, Gott sei's gedankt, erscheint vielleicht doch einmal der Augenblick, der mich aus dieser Sclaverei befreit! Aha! da kommt schon Etwas heran.

Casperl (guckt herein). Ps, Ps guter Freund! Ich möcht' Ihnen a bißt was sag'n.

Leopardus. Marsch da, hier darf Niemand herein!

Casperl. Wenn ich aber Entrée zahl; auf a paar Sechser kommt's mir nit an.

Leopardus. Hier wird man auch gegen Geld nicht eingelassen.

Casperl. No, laßn's nur ein Wörtl mit sich red'n!

Leopardus. Nichts da, oder ich erwürge dich!

Casperl. Ich muß ja hinein, weil mein Herr auch bald nachkommt.

Leopardus. Wage es nicht einzutreten, oder –

Casperl (stolpert und fällt herein). Schaugen's – ich bin ja nicht hereingetreten, ich bin ja nur hereing'fall'n. (Steht auf.)

Leopardus. Jeder Fremdling, der diesen Boden betritt, ist verloren, (ruft) Negromantikus!

Ein Blitzstrahl verwandelt Casperl in einen Esel.

So, da hast du den Lohn für deine Unverschämtheit. Als Esel kannst du die Disteln und sonstiges Unkraut dieses Gartens fressen! Nun ist wohl die Gefahr, von welcher Negromanticus gesprochen, vorüber. Ich will zu ihm und mir den versprochenen Lohn holen für meine Wachsamkeit. (ab)

Casperl (als Esel) Ya, Ya, Ya!

Prinz Rosenroth den Eichenzweig in der Hand und Ritter Hugo von Felseck treten ein.

Felseck (wieder in ritterlicher Gestalt) Wie leicht ist mir, seit ich meine ritterliche Gestalt wieder habe. Der schwerste Turnierharnisch war mir nicht so lästig wie das abgelegte Bärenfell.

Rosenroth. Sieh hier das Blumenbeet. Dieß werden wohl unsere verzauberten Fräulein sein!

Chor der Blumen. Wir sind es, ja, wir Blumen aller Arten, Die schon so lange auf Erlösung warten. O kommt, befreit uns durch den Zweig der Eiche, Damit der böse Zauber von uns weiche. Doch eilt, damit zuvor wir uns vereinen, Eh' Negromanticus wird hier erscheinen; Wir neigen schon die Köpflein euch entgegen Und harren auf des Eichenzweiges Segen.

Rosenroth. Wer könnte noch zögern, das süße Werk zu vollbringen? (Er naht sich den Blumen.) Göttliche Fee Liebinniglich! in deinem Namen berühre ich die Blumen, damit sie wieder Mädchen werden.

(Er schwingt den Eichenzweig.)

Sanfte Musik hinter der Scene, wie Harfenklänge. Die Blumen verwandeln sich in schöne Jungfrauen, Prinzessin Lilienweiß umarmt Rosenroth und Emma von Hohenthal den Ritter Felseck.

Prinz Rosenroth. Seligster Augenblick meines Lebens!

Felseck. Dank dir, liebliche Fee!

Lilienweiß. O wie bin ich glücklich, meine vorige Gestalt wieder zu haben!

Emma. Unser Blumenleben war höchst traurig!

Lilienweiß. Wenn wir auch süßen Duft aushauchten, die Strahlen der Morgensonne sich lieblich auf uns senkten und die frischen Thautröpflein uns erquickten; es war doch nur ein Traumleben.

Rosenroth. Nun seid Ihr befreit zu unserer Wonne! Laßt uns eilen, diesen Ort böser Zauberkünste zu verlassen. Geliebte Prinzessin, meine erste Pflicht ist es, Euch in die Arme Eures Vaters zurückzuführen!

Felseck. Und Euch, mein Fräulein, biet' ich meine ritterliche Hand. Auf der Burg Hohenthal bei Euern Eltern soll nun ungesäumt unser Vermählungsfest gefeiert werden. (Alle wollen abgehen.)

Casperl. (als Esel) Ya, Ya, Ya!

Rosenroth. Sieh da! ein Esel, den wir gar nicht bemerkt hatten in der Freude unserer Herzen. Was willst du, armes Thier?

Lilienweiß. Es ist ein verzauberter Mensch, der vor Kurzem in den Garten gedrungen war.

Casperl. Ya, Ya, Ya!

Rosenroth. Wer du immer bist, mein Eichenzweig soll auch dich erlösen. (Er berührt ihn.)

Casperl (wieder in voriger Gestalt.) Schlipperement! das war aber doch a bißl z'viel: mich in einen Esel z'verwandeln!

Rosenroth. Ei du bist's, mein guter Casperl?

Casperl. Ja freilich bin ich's. Haben's mich denn nit erkannt, hab'n mich doch schon so oft ein' Esel g'heißen?

Rosenroth. In der That nicht! – Doch, auf! laßt uns nicht säumen, fort von hier! (Alle ab, bis auf Casperl.)

Casperl. Jetzt könnt' eigentlich die G'schicht gar sein, also mach' ich mein höfliches Compliment. (Es donnert.) Auweh! Da kommt noch a Donnerwetter hintend'rein, da geh' ich. (ab)

Negromanticus (stürzt herein.) Bei allen Teufeln der Hölle! Ich bin besiegt! Wo sind meine Blumen? wo ist all meine Zaubergewalt? Ich fühle mich ohnmächtig und hilflos!

(Blitz und Donner.)

Weh mir! Sollte dieß Alles das Werk der Fee Liebinniglich sein?

Liebinniglich erscheint in Wolken.

Liebinniglich. Ja, böser Zauberer, es ist mein Werk, daß Lieb' und Treue gesiegt haben, und an der Zeit war es, daß dein böses Wirken zu Schanden geworden.

Falle zurück in das höllische Element, dem du dich ergeben hattest!

Nekromanticus versinkt unter Flammen.

Der Vorhang fällt.


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