Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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II. Aufzug.

Halle auf Blaubarts Burg mit der Durchsicht auf einen Söller.

Blaubart. Jetzt hab ich also meine siebente Frau. Ha! sollte auch diese fallen müssen? Noch keine hab ich gefunden, die nicht einen Fehler gehabt, der mir unerträglich war und weßhalb ich sie dem Tode geweiht habe. Die erste war schön aber mürisch; die zweite war nicht mürisch aber herrisch; die dritte war nicht herrisch, aber ihre Taubensanftmuth langweilte mich endlich; die vierte war nicht übel, aber sie war eifersüchtig; die fünfte hatte alle guten Eigenschaften, allein sie war häßlich; die sechste endlich konnte keinen guten Caffé machen; und alle – eine wie die andere – waren neugierig wie die Affen und dieses Laster brachte ihnen die wohlverdiente Strafe. Jetzt hängen ihre Leichen in dieser Kammer, wo ich ihnen die Köpfe mit meinem Schwerte abschlug. Ich will doch sehen, ob Bertha, der ich nun mein sanftes Herz gewidmet habe, die Probe der Neugierde bestehen wird? Es wäre mir sehr leid, wenn auch sie schwach wäre und das Opfer meiner unerschütterlichen Grundsätze würde; denn ein ächter Ritter muß seinen Grundsätzen treu bleiben und mein Beschluß steht fest, jedes meiner Weiber zu tödten, welches den Versuchungen der Neugierde nicht zu widerstehen vermag. Potz tausend! ich habe noch nicht gefrühstückt! Holla! den Kaffe will ich haben! Bertha, geliebtes Weib, wo bleibst du?

Bertha tritt ein.

Casperl bringt das Frühstück.

Casperl. Hab die Ehre guten Morgen zu wünschen! Wünsch wohl geruht zu haben. (Ab.)

Bertha. Guten Morgen, lieber Blaubart!

Blaubart. Hast du gut geschlafen, mein Täubchen?

Bertha. Wie im Himmel, theurer Gatte.

Blaubart. Es freut mich, wenn du dich bei mir zufrieden fühlst. Ich werde auch mein Möglichstes thun, dich glücklich zu machen. Nichts soll dir fehlen. Wünsche nur, und Alles soll dir zu Gebot stehen.

Bertha. Du bist zu gut, theurer Blaubart. Solch ein Glück verdiene ich wahrlich nicht!

Blaubart. Ich habe bereits heute mit dem Frühesten schon an deinen Vater einen Brief geschrieben, in welchem ich wegen deiner Entführung um Entschuldigung bitte und habe ihn mit deiner Schwester zum Essen eingeladen, damit du Gesellschaft hast.

Bertha. Wie so, Geliebter? Sollte mir deine Gesellschaft nicht genügen?

Blaubart. Leider habe ich heute auch eine Nachricht erhalten, welche mich sogleich zu einem Geschäfte von hier abruft. Ich muß ausreiten und werde erst morgen Abend wieder zurückkommen.

Bertha. O, wie leid thut mir dieß! Schon am ersten Tage unserer Ehe willst du mich verlassen?

Blaubart. Es muß sein? Wir Ritter vom ächten Schrott und Korn haben ein bewegtes Leben. Daran mußt du dich gewöhnen. Mein Roß ist schon gesattelt und ich werde gleich aufsitzen.

Bertha. So lebe wohl, lieber, lieber Gemahl, komme aber so bald als möglich wieder zurück zu deiner Bertha!

Blaubart. Nun höre: Hier übergebe ich dir die Schlüssel zu allen Räumen der Burg. Der ist der Kellerschlüssel; dieser schließt die Vorrathskammer; der große da, sperrt meine Cassa. Das kleine goldene Schlüsselchen öffnet das Schloß der Thüre dieses Nehengemaches, welches Niemand betreten darf, als ich allein, selbst mein Weib nicht; denn ich habe darin Kostbarkeiten aufbewahrt, die kein Mensch sehen darf, den ich nicht selbst einlasse. Wage es nicht, etwa aus Neugierde aufzuschließen und in das Gemach einzudringen! Selbst dein Leben könnte in Gefahr kommen. Merk' dir's wohl! Keine Neugier! Unterdrücke den ersten Gedanken der Versuchung, welcher in dir auftauchen wollte! – Denk daran!

Bertha. O, wie kannst du befürchten, daß ich deinen Befehl nicht genau befolgen werde? Ich bin gar nicht neugierig! Was geht mich dieß Gemach mit all seinen Schätzen an? Du bist mein einziger Schatz!

Blaubart. Gut, wenn's dabei bleibt; allein du könnt'st dennoch in Versuchung gerathen.

Bertha. Nichts mehr davon! Verlasse unbekümmert die Burg. Ich werde genug zu thun haben, alle andern Schlüssel zu gebrauchen und überall in der Burg nachzusehen.

Blaubart. Thu' das, bald bin ich wieder hier. Leb' wohl!

Bertha. Laß dich hinab begleiten, lieber Mann?

(Beide ab.)

Casperl (tritt ein, einen Besen in der Hand.) Das ist aber curios! Gestern hat er seine Bertha entführt, heut' Nacht hat er sich einen Rausch angetrunken und jetzt in allerfruh reit't er schon wieder davon. Mir ist's recht. Ich werde mich mittlerweile an das wichtige Geschäft der Abstaubung dieses Zimmers begeben. Daß wir Domestiken aber überhaupt abstauben müssen, find ich ungeheuer dumm. Erstens deßwegen, weil wir lieber gar nix zu thun hätten, als Kost und Lohn einzunehmen; zweitens, weil der Staub eigentlich überall liegen bleiben soll, damit der Mensch alleweil die Erinnerung vor Augen habe, daß er selber nix als Staub und Aschen ist. Meine muralische Betrachtung geht aber dahin aus:

(singt.)

Man sollte gar nicht mehr abstauben,
Weil wir daran nur müssen glauben,
Daß Staub wir sind bis über d'Ohren,
Zu Aschen wird, was je geboren.

Doch Eines muß ich stets beachten
Und täglich bei mir selbst betrachten:
Den Staub löscht man auf allen Straßen,
Die man bespritzt mit Etwas Nassen.

Drum weil ich, Mensch, aus Staub bestehe,
Ist's Pflicht daß ich in's Wirthshaus gehe,
Den Staub zu löschen und die Aschen,
So nacheinander aus der Flaschen.

Da heißt's alleweil: der Casperl thut nix als saufen, ja – weil niemand den wahren Grund dieser meiner unausgesetzten Thätigkeit einsieht. Das Trinken oder Durstlöschen ist eigentlich nur das memento muri, daß der Mensch Staub ist und wieder Staub wird, also ist nach saufologischen Grundsätzen das Trinken die Staubbewußtseinserinnerungsangelegenheit, folglich: je mehr Einer trinkt, desto muralischer ist er. Wenn Ihnen das nit eingeht, so – kann ich Sie nur bedauern und muß Ihnen meine stille Verachtung zeigen. – Da kommt die gnädige Frau!

Bertha (tritt ein.) Ah, du bist ein fleißiger Diener, Casperl. Du reinigst das Gemach.

Casperl. O sehr! Dieser Staubbesen kommt den ganzen Tag nicht aus meiner Hand. Er ist gleichsam das Zunftzeichen und die Standarten meines Lebensberufes – (für sich) so lang mich mein Herrschaft sieht. (Laut) Aber wie ich bemerke, haben sich Euer Gnaden auch schon fleißig umgethan im Hauswesen.

Bertha. Als Hausfrau muß ich doch Einsicht nehmen von Allem, was ich zu verwalten habe.

Casperl. Und der ungeheure Bund Schlüssel! Wird er Ihnen denn nit zu schwer?

Bertha. Ha, ha, ha! wie könnten einer guten Hausfrau ihre Verpflichtungen zur Last werden?

Casperl. Da schauen 'S einmal! Was ist denn das für ein wundernettes goldenes Schlüsserl? Das gehört gwiß zum Geldkasten, wo die Dukaten drin liegen.

Bertha. Das ist der einzige Schlüssel, von dem ich keinen Gebrauch machen darf.

Casperl. Oho? war nit übel! Ja warum hat ihn nachher der g'streng Herr Ritter nit lieber in sei'm Gilettaschl b'halt'n?

Bertha. Das ist seine Sache. Er will es einmal so.

Casperl. Das scheint mir eine reine Schicanederie und eine Buleidigung, grad so, als wenn mir Einer ein' Bierkrug zum Trinken vorsetzen thät, in dem Nix drin wär. Eine Buleidigung und Blamasch! Das thät ich einmal nit leiden.

Bertha. Der Schlüssel sperrt dieß Seitengemach auf, in welches weder ich noch sonst Jemand hineindarf.

Casperl. Das hielt ich nit aus, wenn ich den Schlüssel dazu hätt! So jetzt machen 'S was wollen. G'horsamer Diener. (ab.)

Bertha. Eigentlich hat Casperl so unrecht nicht. Es ist in der That eine Kränkung für mich und Mangel an Achtung, die mir mein Gemahl schuldig ist. (denkt nach.) Und was könnte denn wohl in diesem geheimen Zimmer sein, welches selbst die Hausfrau, die Ehefrau nicht betreten darf? Pure Männerlaune! Ich werde gewiß stets meine Pflichten als Gattin streng erfüllen; ob es aber auch zu ihnen gehört, Launen und Willkür zu ertragen, das ist wohl sehr die Frage. – – Ein geschlossenes Gemach! Vielleicht mit alten Tabakspfeifen gefüllt, abgelegten Kleidern und dergleichen?

»Kostbarkeiten,« sagte er im Weggehen! Was für Kostbarkeiten? – – Nein, es ist eine Quälerei, eine Tyrannei meines Mannes, die ich am ersten Tage unsere Ehe nicht dulden kann, nicht dulden darf; denn wie ging's dann vielleicht weiter mit mir? Seine Tyrannei würde zunehmen von Tag zu Tag und ich wäre dann bald nicht mehr Blaubarts Gattin, sondern seine Sklavin. Neugierde! – Was Neugierde? Ich bin gar nicht neugierig; allein wenn es meine Weibesehre und Würde betrifft, müssen alle Rücksichten in den Hintergrund treten. Ich will nur ein bischen durch's Schlüsselloch gucken.

Vielleicht bekomm ich Etwas zu sehen von den einfältigen, geheimen Kostbarkeiten.

(Sieht durch's Schlüsselloch einer Seitenthür.)

Ich kann nichts unterscheiden; es ist mir wie ein Nebel vor den Augen. Das ist ärgerlich, sehr ärgerlich! Nun, was wird's denn sein, wenn ich geöffnet und mich ein wenig umgesehen habe in dem Tempel des Heiligthums. Immer und immer müssen die Männer sich Etwas vorbehalten. Es ist wirklich schändlich, wie sie uns Frauen behandeln! Gerade als wenn wir nur Mägde wären.

Komm nur liebes goldenes Schlüsselchen; du sollst nicht umsonst mit den Uebrigen am Schlüsselringe hängen. Laß einmal sehen! (steckt den Schlüssel an)

(Zögernd.) Wird mir doch ganz sonderbar zu Muth. Blaubart hat mir's so streng untersagt. Warum? War es nothwendig? Hätte er nur den Schlüssel bei sich behalten! – es ist und bleibt eine grausame Männerlaune! Ich wag's und habe ein Recht dazu. (Sperrt auf und tritt hinein; nach kurzer Pause furchtbarer Schrei und sie stürzt verzweifelt heraus.)

Herr im Himmel! ich bin verloren! – Weh mir! weh mir! (sinkt zusammen) – – – Wie ist mir? War's ein Traum? Was hab' ich gesehen? Es ist fürchterlich! die Leichen meiner Vorgängerinnen an der Wand hangen! zu ihren Füssen ihre Köpfe! Alles voll Blut! Schauerlich! Schauerlich!

(Pferdegetrappel im Hof unten.)

Ach! Blaubart kömmt! Was fang' ich an? – – zusperren, zusperren! – Wenn er mich in diesem Zustande findet! wo ist der Schlüssel? wo? wo? – Ich hab' ihn fallen lassen. Schnell, schnell, daß ich wieder zuschliesse! –

(Stürzt hinein und wieder heraus, den Schlüssel in der Hand)

Da ist er – aber blutbefleckt! Rasch die Thüre zu! (stürzt ab, man hört Tritte) Er kömmt! weh mir! ich muß Fassung gewinnen. (Eilt hinaus.)

(Blaubart tritt stürmisch ein.)

Blaubart. Heda! wo ist mein Weib! Bertha, Bertha! – Warum ist sie nicht hier? – – Will doch sehen, ob auch sie mich getäuscht hat. Du sanftes Täubchen nicht wahr mein Geschäft war bald abgemacht; vielleicht zu früh für dich? (ruft) Bertha, liebes Weibchen, komm doch in die Arme deines Gemahls.

Bertha (tritt befangen ein) Ei, schon zurück, lieber Blaubart?

Blaubart (mit Verstellung.) Ja, liebes Weibchen! Als ich ein paar Stunden geritten war, kam mir ein Bote entgegen, der mir die Kunde brachte, daß das Geschäft abgemacht sei und daß man meiner Gegenwart nicht mehr bedürfe. Da bin ich denn heimgejagt, um baldigst bei dir zu sein.

Bertha. O, wie freut es mich, daß du wieder da bist!

Blaubart. So, so? Aber du bist so sonderbar. Bist du vielleicht nicht ganz wohl? du siehst blaß aus, als wärst du krank.

Bertha. O nein, ich bin ganz wohl und es fehlt mir gar Nichts, lieber Mann.

Blaubart. Du zitterst am ganzen Leibe. Hast du Fieber?

Bertha. Nein, es ist die freudige Ueberraschung, die mich bewegt, dich so bald wieder zu sehen.

Blaubart. Eine curiose Art, sich zu freuen. (Im gebieterischen Tone) Gib mir die Schlüssel zurück.

Bertha (zitternd). Hier sind sie.

Blaubart. Es sind nicht alle.

Bertha. Ich wüßte nicht, daß Einer fehlte.

Blaubart. Wo ist der goldene, der dieß Gemach aufsperrt.

Bertha. Er muß dabei sein.

Blaubart (immer zorniger.) Er ist nicht dabei. Her damit!

Bertha (stotternd) Ei, ja, ich hatte ihn bei Seite gelegt, weil du befahlst – – – hier, da – –

Blaubart. Was stotterst du (nimmt den Schlüssel) Wie? Ein Flecken darauf?

Bertha. Ein Flecken? ich wüßte nicht wie?

Blaubart (wüthend.) Ha, Schlange! ich weiß es! du warst ungehorsam, du warst neugierig, du hast das Gemach betreten, hast das Schicksal derjenigen gesehen, welchen du nun folgen sollst. Weh dir, Treulose! die Strafe, ist verhängt. Morgen wirst du sterben!

(Bertha sinkt mit einem Schrei um.)

Der Vorhang fällt.


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