Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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Vorspiel.

Zimmer im Schlosse des Grafen.

Gräfin Adelhaid an einem Tische mit weiblicher Arbeit beschäftigt, Margaretha, etwas rückwärts, sitzt und spinnt; ihr zur Seite eine Wiege mit Vorhängen gedeckt.

Gräfin (zu Margareth.) Schläft der Bube?

Margaretha. Nein, edle Frau; er ist wach und blickt mich mit seinen hellen Augen freundlich an, als wollt er sagen: Heut will ich euch zum Trotz mein Nachmittagsschläfchen nicht machen.

Gräfin. Das schlimme Bürschlein! Laß uns Eins zusammen singen, vielleicht beliebts dem kleinen Herrn dann.

Margaretha. Gewöhnlich geht's so. Ruhe thut ihm noth, denn er zappelt ja den ganzen Tag über.

Gräfin. So fangen wir an:

(singt; Margareth begleitet sie.)

Wenn die Sonn' ist aufgestiegen
Und die dunkle Nacht entfloh,
Dann die Vöglein hoch auffliegen,
Die da ruhten irgendwo,
In den Nestern, auf den Bäumen
In der Büsche grünen Räumen,
Holla! auf ihr Vögelein!
Auf, begrüßt den Sonnenschein!

Wenn sie dann mit glüh'ndem Strahle
Hoch einher am Himmel zieht,
Senkt das Vöglein sich zu Thale
Und in düstern Schatten flieht.
Nur die Käfer summen leise
Auf den Blumen ihre Weise.
Sum, sum, sum lieb Käferlein,
Sumse mir mein Büblein ein!

Wenn die Sonne selbst sich neiget,
Und der Abendstern dort prangt,
Munter sich manch Vöglein zeiget
Eh' es nach dem Nest verlangt,
Schüttelt noch einmal die Flügel,
Sonnt euch auf dem grünen Hügel,
Singet hell: Gut Nacht, gut Nacht,
Schlummert all bei Sternenpracht!

Schläft er?

Margaretha. Er schnarcht wie ein kleines Mäuslein.

Gräfin. G'segn's ihm der liebe Gott, daß er wächst und gedeiht! (tritt an die Wiege.) Ach! wenn doch mein Friedrich den Knaben säh' wie er so lieblich schlummert! Ist doch nichts Lieberes, als der sanfte Athemzug eines schlafenden Kindleins!

Margaretha. Ja der edle Herr, wo mag er jetzt Herberg haben ?

Gräfin. Herberg? Ei was denkst du Margreth? Im Krieg da gibts selten Herberg. Das Bett ist Gottes freies Erdreich und die Zehrung ein Stück vertrocknetes Brod; ja oft fehlt's sogar am frischen Trank aus einer Quelle und Hunger und Durst sind zumeist der Ritter Feldgenossen.

Margaretha. Mir ist's wohl lieber, ich bin ein Mädel; denn Spinnrocken und Kindswart find ein sanft Gewerb.

Gräfin. Heut sind's gerade 3 Monate, daß mein Herr auszog auf des Herzogs Aufgebot gegen den Markgrafen.

Margaretha. Was aber die fürnehmen Herren immer zu streiten haben? oft um ein Geringes.

Gräfin. Dießmal gilt's wieder den Klosterzehend, und ist's vom Markgrafen fürwahr ein muthwillig Gebahren, denn der Zehent hat seit ältester Zeit dem Herzog gebührt.

Margaretha. Und der Herr Graf muß ihm helfen mit seinen Reisigen.

Gräfin. Ist's doch seine Schuldigkeit als dessen Lehensmann.

Margaretha. Schuldigkeit hin oder her; ich blieb aber doch lieber daheim bei Weib und Kind.

Gräfin. Ei! was Ehr und Pflicht gebieten, das muß immer s'erste sein. Machst's ja selbst so, Margreth, du möchst gewiß oft lieber in die Spinnstube zu den Mägden und Knechten gehen, zu plaudern und zu kosen, als hier an der Wiege sitzen und den Buben pflegen.

Margaretha. Ihr habt wohl recht, edle Frau! Jeder soll das Seine thun, wie's Pflicht ist.

(Trompetenstoß des Thurmwarts.)

Gräfin. Der Thurmwart bläst; wird wohl ein Gast sein. Schau hinaus auf die Zugbrücke.

Margaretha. (an's Fenster tretend.) Ein Reiter sprengt h'rüber! Herr Jesus! s'ist des Hannes Schimmel.

Gräfin. Gott sei Dank; Botschaft von meinem Herrn!

Margaretha. S'klappern schon die Hufe auf dem Pflaster im Schloßhof.

Gräfin (will hinaus.) Mög's gute Kunde sein!

Hannes (bestaubt und abgehetzt, tritt ein, stürzt auf die Gräfin und küßt ihr die Hand.)

Gräfin. Grüß Gott, Hannes! was bringst du?

Hannes. Edle Gräfin, es muß wohl gleich heraus, wie's ist.

Gräfin. Mein Gott, was ist gescheh'n?

Hannes. Der Graf liegt hart getroffen!

Gräfin Verwundet? wie? wo? – o sag' Hannes! Vielleicht liegt er gar schon todt?

Hannes. So arg ist's nit, Frau Gräfin; aber schlimm ist's doch!

Gräfin. Sprich, ich muß es ja wissen, und wenn's das Aergste wäre!

Hannes. 's war schon bald aus mit dem Streit; wir hatten mit den Marktgräffchen manch' harten Strauß gehabt und die Zeit ist uns kurz geworden – hin und herging 's scharf, aber wir legten sie nieder. Auf dem Heimweg, sechs Stunden von hier an der Waldmühle – ihr kennt sie ja – ergaben sich die mit dem rothen Fähnlein; ein Theil davon stieb auseinander; der Herzog gab unserm Herrn freundlich Urlaub und als wir abritten, rief er noch nach: Gott lohn's euch, Graf Friedrich! ohne euch wär's schlimm gegangen! da schwang der Graf sein Barettlein – ich hatt' ihm den Helm schon abgenommen – und ritt mit mir allein fröhlich von dannen, um bälder zu Euch zu kommen; der Troß sollte gemach nachzieh'n.

Gräfin. Weiter, weiter – was ist's mit ihm?

Hannes. Als wir eine Stund scharf geritten waren, spürten's die Gäule; des Grafens Hengst fing's hinken an. »Wollen die Bursche ein bißl ruhen lassen, zu viel ist zu viel,« sagt der Graf, sprang vom Gaul und legte sich in's Gras; dieweil lüft' ich die Sättel und gab den Roßen an einem Waldbrünnlein zu saufen. Holla, kracht's durch's Buschwerk her! s'waren Vier von den Markgräfschen; die stürmten meuchlings auf uns ein und schrie'n dabei: »Wollen dir noch die Zech zahlen, die du uns aufgerechnet hast, Graf Eichenfels! Wir zogen aus dem Leder; was wollen so ein paar Lumpen gegen des Grafens Arm und Schwert, und mein Kolben auch dazu? Wie's Wetter waren sie wieder weg, aber mein Herr strauchelt ein wenig und sank nieder; aus seiner Stirn quoll 's Blut 'raus! Herr Gott im Himmel, schrie ich! aber der Graf wollt's nit mehr hören.

Gräfin. (Stößt einen Schrei aus.)

Hannes. Ich lehnt' ihn an einen Baum, wusch ihm die böse Wunde mit hellem Wasser und band sie mit einem Tüchlein fest zu. Ein Glück war's, daß wir nit weit vom Köhlerwinkel waren, wo die Bauern den Meiler schüren – die kommen gleich auf mein Geschrei herbei und trugen ihn in's Dorf! da ließ ich ihn; die Pflege ist treu; ist auch gleich ein Knecht in's Kloster geritten, um den Pater Felix zu holen, der's Heilen versteht und ein guter Wundarzt ist. Ich aber saß auf, als wenn der Höllische hinter mir wär', und jagte heim, und nun thut, wie ihr glaubt, edle Frau!

Gräfin. Da thut nur Eins noth! Ich muß zu meinem Friedrich; wie's auch sei. – Hannes laß mein Beiz-Rößlein aufzäumen, der Wilhelm soll auch satteln und mitreiten! Auf die Reiherbeiz geht's heut nicht! Herr im Himmel verleih die Gnade, daß ich meinen Herrn noch am Leben finde!

(Hannes ab.)

Margaretha. O theuere, gute Gräfin, was habt ihr für ein herbes Leid!

Gräfin. Wie Gott will! – du aber sorg' mir für den Buben. Ich werde wohl ein paar Tage ausbleiben; denn, find' ich nicht einen Todten, wie ich zu Gott hoffe, bedarf's ja meiner Pflege, bis wir den Ritter auf's Schloß herbringen können. Derweil vertraue ich dir meinen Heinrich an; du sorgst ja gern für ihn, wie ich selbst. (Neigt sich über die Wiege) Leb' wohl, Herzensbub; deine Mutter segnet dich!

Margaretha. Habt keine Sorge um euer Kind; ich halt's ja als ob's mein eigen Kleinod wäre! Lebt wohl; mögt ihr Alles besser finden, als wir jetzt meinen. Wie oft ist der Ritter schon verwundet worden! `s wird dießmal wohl auch nit so arg sein.

Gräfin (abgehend.) Geb's Gott!

Margaretha (allein.)

(Schaut zum Fenster hinaus.)

Arme Frau! Da steigt sie auf und sprengt fort! Der Wilhelm hinterdrein, daß das Feuer auffliegt!

(Der Thurmwächter bläst.)

Ja blas nur dein Stücklein zum Ausritt! Alter Narr, meinst wohl, es sei ein fröhlich' Jagen! Leg dein Horn weg und schweig lieber. Der gute Ritter! ach! wie grämt' ich mich halb zu todt, wär ihm ein Leids geschehen und müßten wir in schwarzer Woll' gehen; da wär auf lang alle Freud' aus Burg Eichenfels geschieden. – – So will ich aber das Beßte denken; Gott verläßt uns nicht! und so ein schöner, mannhafter Herr!

Görg (guckt zur Thür herein.) Greth, was gibts im Schloß?

Margaretha. Ei was soll's geben? Nichts Gut's.

Görg. Ohe! – Grad steh' ich im Wurzgarten – Tre, Tre blast der Christoph vom Thurm herab; gleich raßelt die Kette an der Brück und 's sprengt was herein, bis ich über die Stieg vom Weiher heraufsteig und meinen Korb bei Seit gesetzt, – Tre, Tre blast 's wieder und fliegt auch schon die Frau Gräfin zum Thor hinaus.

Margaretha. (Ihn nachäffend.) Tre, Tre, Tre – ja so ist's und weißt du warum? weil der Ritter zwei Meilen von hier auf dem Siechbett liegt und vielleicht an seinen Wunden stirbt.

Görg. Da ist freilich kein Spaß zu machen! hätt' ich das gewußt! der arme Herr! – und denk dir aber, das paßt auch nit dazu; unten in der Schloßherberg lungern Zigeuner, ein lustig Gesindel; die fideln und tanzen, daß 's n' wahrer Jux ist!

Margaretha. Jagt sie doch fort! Das Lumpengesindel will doch nur stehlen und seitabtreiben?

Görg. Eine alte Hex ist dabei; die sagt aus der Hand wahr.

Margaretha. Und was hat sie denn dir gesagt?

Görg (wichtig.) Mir? – Ja mir – –

Margaretha. Daß du ein Esel bist und bleibst.

Görg. Oho!

(Man hört Zigeunermusik und Geschrei.)

Hörst du, da zieh'n sie ab; kannst sie von oben seh`n.

Margaretha. Was geht mich das Volk an! – Ich möcht' lieber Trübsal blasen, statt den Dudlsack zu hören.

Görg. Denk dir, haben auch so ein Höckerthier bei sich aus Afrika und d'rauf sitzt ein lust'ger Aff!

Margaretha. Ei laß' mich mit dem Zeug und geh' deiner Wege.

Görg. Auch recht! – wenn du aber willst, kannst sie da hinten beim kleinen Erker unten vorbeizieh`n seh'n. (ab)

Margaretha (allein) Firlefanz, was kümmern mich die Zigeuner da unten? Man sollt solch' Gesindel nicht im Reiche dulden und wär' wohl gescheiter, wenn die Herzoge und Grafen und all' die edlen Ritter statt unter sich Krieg zu führen, zusammenhalten wollten, um dem Räuberwesen ein End zu machen, das keine Heerstrasse sicher läßt, geschweig' erst einzelne Gehöfte.

(Die Musik kommt näher.)

Nun geht's bald zum Thore hinaus, Gottlob! (an die Wiege) wirst wohl gar aus dem süßen Schlaf geweckt werden, Herzensgräflein? (schaut hinein) der schnarcht wie eine Säg! – da könnt ich doch ein bißl an den Erker schau'n; seh'n möcht ich doch die Bursche und gar das Höckerthier mit dem Affen drauf; bin ja gleich wieder da. (seitwärts ab.)

Juta (lauscht zur Thür herein; da sie Niemand sieht, tritt sie vorsichtig ein.) Das wär das erste Mal, daß wir bei solch' vornehmen Besuch Nichts mitgenommen hätten. Gibt's da Nichts zu kripsen in so ei'm gräflichen Schloß? Kein Geschmeid, kein Linnen oder sonst was? – Den Spinnrocken laß ich stehen! Heiliger Crispin, heut wirst uns doch nit sitzen lassen! – Holla eine Kindswiegen! Könnten so ein Würmlein brauchen, wenn Eins d'rin läg. Zum Nachwuchs für unser Gelichter oder wenn's geht, gibt's gelegentlich ein hübsch Lösgeld, wenn man's nur klug anfangt. (Schlägt die Vorhänge der Wiege zurück.)

Ei du allerliebster Schnack! schläfst ja zum Küssen! Du bist mir schon recht, (vorsichtig um sich blickend) Das Hausgesind gafft unten noch bei den Meinen, da wird wohl die Kindswärterin auch dabei sein. Wird mich doch Glück- und Geschick diesmal nicht sitzen lassen! So komm, herziges Käferlein! verlaß dein warm seiden Grafenbett und folg' mir in's kühle Felsenloch! Kannst dort auch schlafen.

(Sie nimmt das Kind und birgt's unter ihrem Ueberwurf.)

Hopsa, hopsa – nur nicht aufgewacht, damit's kein Geschrei gibt, will dir aber schon's Mäulchen zuhalten – fort, fort, sonst zieh'n sie ab und ich müßt' nachzotteln, das wär' verdächtig. (rasch ab.)

Margaretha. Da bin ich wieder. Hat mich doch gefreut, daß ich's geseh'n hab. Das sind aber abscheuliche schwarze Gesichter und das Gehudel und Gedudel! (zum Fenster.)

Ah, da wandern sie fort und die alte Hex läuft hintendrein, als wenn sie was vergessen hätt!

So – jetzt sind sie draußen! Gute Fahrt durch's Land! – (gegen die Wiege.) Nun, Heinrich, jetzt wär's aber Zeit in den Garten hinab. (singt.)

Wach auf, wach auf, 's ist Frühlingszeit,
Wach auf, mein Lieb und sei bereit!
Der Himmel ist so wunderblau,
Die Blümlein winken auf der Au. – –

(Will das Kind nehmen – sieht die Wiege leer.)

(Schreit.) Herr Jesus – das Kind ist fort! Wer hat's? Wer hat's? – (ruft) Görg, Görg! Martha! Hannes! Kommt! Helft! helft! s' Gräflein ist weg!

(Besinnt sich.) Ei was thu ich so? – vielleicht hat's die Martha in den Garten getragen. Wir hatten ja ausgemacht, den Abend drunten zu verplaudern, während das Kind im Grase liegt. Und doch! Ich weiß nicht, mir ist so bang, so absonderlich bang! Martha, Martha hast du den Heinrich? Martha, Martha! (ab)

Ende des Vorspiels.


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