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[Vorworte]

Vorwort zur ersten Auflage.

Aus der verwirrenden Fülle vieldeutiger Krankheitsbilder, die das Leben dem nervenärztlichen Beobachter vor Augen führt, ragt die Hysterie weit hervor, fesselnd schon durch die Seltsamkeit ihrer Erscheinungsformen, doch vornehmlich durch die Schwierigkeiten für die grübelnde Ausdeutung. Seltsam die Pfade, seltsam die Richtung, die der Forschergeist im Laufe der Jahrhunderte hier einschlug! Wenn ich, unbekümmert um den Streit der Geister über den Ursprung der Krankheit und die ursächliche Bedeutung der Sexualität im besondern, zunächst eben diese Sexualität der Hysterischen – im weitesten Sinne – aufzurollen anstrebe und, was eigene Erfahrung und überreiche Literatur an Ausbeute liefert, in diesem Buche zu einem anschaulichen Gesamtbilde zu gestalten suche, so geschieht es, weil so ein notwendiges, bisher stiefmütterlich bedachtes Erkenntnismaterial entsteht, mit dessen Hilfe erst die Hauptstreitfrage nach der Ursache der Hysterie wirklich aufrollbar ist. Mit der einfachen Ablehnung jedes sexuellen ursächlichen Faktors, wie mit der ebenso einseitigen, wenn auch anspruchsvoller auftretenden Heilfindung in der allein ursächlich bestimmenden Sexualität ist das Rätsel der Hysterie nicht gelöst und nicht lösbar. Als unumgängliche Vorbedingung und als gleichgewichtiger Entscheidungsfaktor muß das tatsächliche Geschlechtsleben der Hysterischen studiert werden. Mußte es sich zunächst auch noch um Sammlung von Erfahrungswissen und um Ordnung weit zerstreuten Beobachtungsmaterials handeln, so gibt es doch die Hoffnung, auf diese Weise eine Typenlehre der Hysterie als Geschlechtswesen vorbereiten zu können. Ob und wie weit diese Absicht erfüllt wurde, möge der Leser entscheiden.

Berlin, 18. September 1919.

Dr. Placzek.

Vorwort zur zweiten Auflage

Überraschend schnell erlebt dieses Buch, getragen von der fast einmütigen Anerkennung der Kritik, eine Neuauflage. So erfreulich mir die Tatsache an sich ist, da sie unwiderleglich beweist, daß die Neuart des Stoffes, wie Form und Inhalt seiner Gestaltung in weiten Kreisen Interesse weckte, so traurig stimmt es mich, daß die Ungunst der Zeit die tiefgreifende Umgestaltung verwehrt, wie sie mir in fortschreitender Erkenntnis und Durchdringung des Stoffes, nicht zum wenigsten gewonnen aus der immer ausgedehnteren und vielgestaltigeren persönlichen Erfahrung, als ergänzungsnotwendig vorschwebt. So wurden nur geringfügige Einfügungen möglich, und in fast unveränderter Gestalt muß das Buch von neuem hinausgehen. Möge ihm gleichwohl die Anteilnahme des Leserkreises beschieden sein wie bisher.

Berlin-Wilmersdorf, 30. November 1921.

Dr. Placzek.


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