Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

[XIII]

Diner in Herrn Laborde's Gartenhause. – Die madagaskarischen Damen und die Pariser Moden. – Die Verschwörung. – Ein Traum. – Der Kostüme-Ball. – Die unruhige Nacht. – Konzert bei Hofe. – Der Silber-Palast. – Ein Ausflug der Königin.

 

Am 3., 4. und 5. Juni war ich sehr unwohl, auch bei mir zeigten sich Vorboten des bösen Madagaskar-Fiebers.

Glücklicher Weise fiel in dieser Zeit nichts Interessantes vor. Am 6. Juni gab Herr Laborde in seinem Gartenhause, welches an dem Fuße des Hügels liegt, ein großes Diner zu Ehren des Prinzen Rakoto.

Obwohl das Essen erst um 6 Uhr angesagt war, ließen wir uns doch schon um 3 Uhr dahin tragen. Auf dem Wege kamen wir in der oberen Stadt an einer Stelle vorbei, auf welcher 19 große Kanonen (18-Pfünder) aufgestellt sind, mit den Schlünden nach der unteren Stadt, nach den Vorstädten und dem Thai gerichtet. Sie stammen aus den Zeiten des Königs Radama, der sie von den Engländern zum Geschenk erhalten hat. Sie wurden nicht in Tamatavé, sondern an der östlichen Küste in Bombetok ausgeschifft; die Entfernung von diesem Hafenorte nach der Hauptstadt ist zwar größer als jene von Tamatavé, aber die Wege sind besser, und mehrere Tagreisen lang kann man einen Fluß benützen.

In dem Gartenhause Herrn Lamborde's angelangt, suchte man uns die Zwischenzeit bis zum Mittagessen auf allerlei Art zu verkürzen, und gab uns mehrere einheimische Belustigungen zum besten, von welchen eine der beliebtesten eine Art »Fußboxen« war. Die Leute stießen sich nämlich mit den Füßen nach dem ganzen Körper und zwar so stark, daß ich jeden Augenblick glaubte, einer oder der andere müßte eine Rippe oder ein Bein gebrochen haben. Dieses zarte Spiel steht besonders während des Winters bei dem Volke in sehr hoher Gunst; es dient den Leuten dazu, sich zu erwärmen. Die kälteste Zeit ist hier vom Monat Mai bis Ende Juni, und der Thermometer fällt oft bis auf vier oder drei, ja manchmal bis auf einen Grad Reaumur. Dessenungeachtet bleibt alles grün, die Bäume entlauben sich nicht, und die Landschaften sehen so freundlich und blühend aus, wie bei uns mitten im Frühling. Die Bewohner Tananariva's lieben jedoch die Sonnenhitze, und da sie keine Mittel besitzen sich Holz zu verschaffen, und die mangelnde natürliche Wärme durch eine künstliche zu ersetzen, so nehmen sie ihre Zuflucht zu dem Fußboxen.

Die Reichen lassen durch ihre Sklaven Holz aus den entfernten Waldungen tragen und Feuer anmachen. In Herrn Laborde's Hause wurde in dem Empfangszimmer vom frühen Morgen bis zum späten Abend Kohlenfeuer in einer großen Pfanne unterhalten – natürlich blieb immer die Thüre oder ein Fenster offen. Dieser Luxus kostete ihn aber jeden Tag einen Thaler – ein unendlich hoher Preis bei der großen Billigkeit aller übrigen Bedürfnisse.

Nach dem Fußboxen kamen Tänze und gymnastische Uebungen an die Reihe; auch an Musik fehlte es nicht. Der Prinz hatte sein Musikcorps vorausgesandt, das einige ganz artige Stücke ziemlich gut vortrug. Weniger Vergnügen fand ich an dem Gesang einer Schaar einheimischer Mädchen, welchen einer der bei Herrn Laborde wohnenden Missionäre Unterricht gegeben hatte.

Sie wußten eine große Anzahl von Liedern auswendig und kreischten zwar lange nicht so unangenehm, wie die Künstler, die ich bisher gehört; im Gegentheil sie sangen ziemlich richtig; es war aber doch sehr langweilig, und ich dankte immer Gott, wenn der Schlußakt kam. Kurz vor 6 Uhr erschien der Prinz in Begleitung seines Söhnleins, seiner geliebten Maria und einer Freundin der letzteren. Maria gefiel mir heute noch weniger als früher. Die Schuld lag an ihrem Anzug – sie war nämlich ganz auf europäische Art gekleidet. Diese übertriebenen unsinnigen Moden, welche Paris in die Welt schickt, kann ich selbst an unseren Mädchen und Frauen nicht reizend finden, und sie stehen nur den wirklich schönen gut, die durch nichts entstellt werden können; wo aber natürliche Schönheit und Grazie fehlen, da werden unsere Moden geradezu barock und lächerlich – um so mehr an diesen plumpen Gestalten mit den dunklen Affengesichtern. Madame Marie mag ein ganz gutes Geschöpf sein, und ich möchte ihr in keiner Beziehung zu nahe treten; das konnte indeß nicht hindern, daß ich meine Lippen halb blutig biß, um bei ihrem Anblicke nicht laut aufzulachen. Ueber einem halben Dutzend steifer Reifröcke trug sie ein wollenes Kleid, besetzt bis zur Taille herauf mit breiten Falben und großen Bandschleifen, die aber anstatt vorne, rückwärts angebracht waren. Um die Achseln hatte sie einen französischen Shawl geschlagen, mit dessen Haltung sie nicht zurecht kommen konnte, und hinter dem wollig gekrausten Pudelkopfe auf dem Genick saß ein neckisches Rosa-Hütchen.

Ihre Freundin trug ein Musselin-Kleid und eine Haube von so veralteter Form, daß ich trotz meiner 60 Jahre nie ihresgleichen erblickte. Später erinnerte ich mich, eine ähnliche auf dem Bildnisse meiner Großmutter, die ungefähr um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts lebte, gesehen zu haben. Die Freundin war noch viel plumper gebaut und hatte viel häßlichere Züge als Maria, so daß ich jedesmal förmlich erschrack, wenn mein Blick auf dieses Weib fiel, dessen Aeußeres mich an einen verkleideten Kannibalen-Häuptling mahnte.

Das Mittagessen gestaltete sich überaus heiter; nie hatte ich Herrn Lambert so gut gelaunt gesehen, und der Prinz scheint es immer zu sein. Nach Tische hielten die Herren Lambert und Laborde in einem Nebenzimmer mit dem Prinzen eine kurze politische Unterredung, an welcher ich Theil nehmen durfte, und auf deren Inhalt ich später zurückkommen werde. Der Abend wurde mir leider durch den Sängerchor etwas verdorben. Das reichliche Mittagsmahl schien den guten Damen ganz besondere Kräfte verliehen zu haben – sie schrieen viel stärker als vor Tische, und um den Lärm noch zu vergrößern, klatschten sie dazu mit den Händen. Einige führten auch den langweiligen malegaschischen Tanz auf, dießmal mit Begleitung des »Marovane«, des einzigen Instrumentes, zu dessen Verfertigung sich der madagaskarische Erfindungsgeist erhoben hat. Es besteht aus einem armdicken, vier Fuß langen Bambusrohr, an welchem rings umher Fasern aufgehoben und auf kleine hölzerne Sättel gestützt sind. Sein Ton ist ungefähr wie der einer alten schlechten Zither.

Zum Schlusse tanzten die Gäste sogar, und Herr Lambert trug dazwischen einige recht hübsche Gesänge vor.

Gegen 10 Uhr Abends flüsterte mir Herr Laborde zu, eine kleine Schwäche als Folge meiner noch nicht ganz wieder hergestellten Gesundheit vorzuschützen und die Gesellschaft aufzuheben. Ich erwiederte ihm, daß dieses Recht durchaus nicht mir, sondern dem Prinzen zugehöre. Er bat mich aber, es dennoch zu thun und sagte mir, daß wichtige Ursachen zu Grunde lägen, die er mir später mittheilen werde – ich hob also die Gesellschaft auf.

Begünstigt vom schönsten Mondschein und unter der Begleitung heiterer Musik zogen wir den Hügel hinan nach unseren Wohnungen.

Hier riefen mich der Prinz Rakoto und Herr Lambert in eines der Nebenzimmer, und der Prinz erklärte mir nochmals, daß der Privat-Vertrag zwischen ihm und Herrn Lambert mit seiner vollkommenen Zustimmung abgefaßt wurde, und daß Herr Ellis ein Verleumder sei, wenn er behaupte, er (der Prinz) habe das Dokument in der Trunkenheit unterzeichnet. Er sagte mir ferner, daß Herr Lambert auf seinen Wunsch und in der Absicht wieder nach Madagaskar gekommen sei, um im Verein mit ihm und mit einem Theil des Adels und des Militärs die Königin Ranavola von dem Thron zu entfernen, jedoch ohne sie ihrer Freiheit, ihrer Reichthümer und der ihr gebührenden Ehren zu berauben. Herr Lambert seinerseits theilte mir mit, daß wir in dem Gartenhaus des Herrn Laborde gespeist hätten, weil man sich da über alles ruhiger besprechen konnte, daß der Aufbruch von mir ausgehen mußte, um glauben zu machen, das kleine Fest habe meiner Person gegolten, und daß wir mit lärmender Musik durch die Stadt gezogen seien, um zu zeigen, es hätte sich blos um Unterhaltung und Vergnügen gehandelt.

Er zeigte mir in dem Hause ein vollständiges kleines Arsenal von Säbeln, Dolchen, Pistolen und Flinten, um die Verschworenen zu bewaffnen, so wie auch lederne Panzerhemden, die den Lanzenstichen widerstehen sollten, und sagte mir zum Schlusse, daß jede Vorbereitung bereits getroffen und der Augenblick des Handelns ganz nahe sei, ja daß ich jede Stunde darauf gefaßt sein möge.

Ich gestehe, daß mich ein eigenthümliches Gefühl erfaßte, als ich mich so plötzlich in eine so wichtige politische Begebenheit verwickelt sah, und daß mir in dem ersten Augenblicke die verschiedenartigsten Gedanken durch den Kopf gingen. Ich konnte mir nicht verhehlen, daß bei einem Fehlschlagen der Sache mein Leben in derselben Gefahr stand, wie jenes des Herrn Lambert; denn in einem Lande wie Madagaskar, wo alles von der Willkür des Herrschers abhängt, wird auf »Schuldig oder Unschuldig« keine Rücksicht genommen. Ich war in der Gesellschaft eines der Haupt-Verschworenen nach Tananariva gekommen und hatte einigen Versammlungen beigewohnt – mehr bedurfte es nicht, um mich als an der Verschwörung theilhaftig und eben so strafwürdig erscheinen zu lassen wie die thätigen Mitglieder. Meine Freunde in Mauritius hatten mich freilich schon gewarnt, die Reise nicht in Herrn Lamberts Gesellschaft zu unternehmen, und aus dem, was Herr Ellis daselbst erzählte, so wie aus einzelnen Worten, welche Herrn Lambert von Zeit zu Zeit entfallen waren, konnte ich ungefähr vermuthen, um was es sich handelte; aber mein Wunsch Madagaskar kennen zu lernen, war so groß, daß er alle Furcht zum Schweigen brachte. Nun ließ sich nichts mehr ändern, und das beste was ich thun konnte, war, zum bösen Spiele gute Miene zu machen, und auf Gott zu vertrauen, der mir ja schon aus vielen gefährlichen Lagen geholfen hat.

Ich gab dem Prinzen Rakoto und Herrn Lambert meine wärmsten Wünsche zum Erfolge ihres Unternehmens, und zog mich dann in mein Zimmer zurück. Es war schon Mitternacht vorüber. Ich legte mich zu Bette und ermüdet wie ich war, schlief ich bald ein; aber während der ganzen Nacht hatte ich unruhige Träume, und unter anderen folgenden höchst sonderbaren: Ich träumte, daß die Verschwörung entdeckt worden sei, und daß die Königin Herrn Lambert und mich nach dem Palast berufen habe. Wir wurden nach einem großen Saal gebracht und mußten da lange – lange warten. Endlich erschien die Königin mit ihrem Hofstaat, auch Prinz Rakoto war dabei; er stellte sich aber seitwärts an ein Fenster und wagte es nicht, uns anzusehen.

Einer der Minister, derselbe, der uns das erstemal nach Hofe begleitet hatte, hielt eine lange Rede, die ich trotz meiner Unkenntniß der madagaskarischen Sprache ganz gut verstand, und in welcher er Herrn Lambert seine Undankbarkeit und Verrätherei vorwarf. Ein anderer Minister nahm dann das Wort und sagte uns, daß wir zum Tanguin verurtheilt seien.

Man führte uns hierauf in ein anderes Zimmer und hier kam ein großer, in einen weiten, weißen Talar gehüllter Neger mit den bewußten Häutchen auf uns zu. Herr Lambert mußte sie zuerst nehmen, in dem Augenblicke aber, als die Reihe an mich kam, erschallte plötzlich nebenan Musik und lautes Jubelgeschrei und – ich erwachte, während wirklich auf der Straße Musik und Jubelgeschrei ertönte. Es war heller Tag. Ich warf schnell einige Kleidungsstücke über und eilte an das Hausthor, um zu sehen, was es gäbe. Zwei Männer, die zu dem Tanguin verurtheilt worden waren und glücklicher Weise das Gift sammt den drei Häutchen erbrochen hatten, wurden im Triumph von ihren Verwandten nach Hause gebracht.

Wäre ich abergläubisch, so würde ich diesen Traum und sein theilweises Zusammentreffen mit der Wirklichkeit auf weiß Gott welche Art ausgelegt haben. Glücklicher Weise bin ich es nicht, und Träume können mich nur im Schlafe beunruhigen.

8. Juni. Heute hielt der Prinz in unserem Hause einen großen Kabar, bei welchem sehr viele Adelige und Offiziere erschienen. Ueberhaupt verging nun kein Tag mehr, an welchem nicht größere oder kleinere Kabars bei uns statt hatten. Unser Haus war die Stätte der Verschwörung.

9. Juni. Großer Kostüme-Ball bei Hof zu Ehren Herrn Lamberts.

Welche Kontraste! Auf der einen Seite Verschwörung – auf der anderen Feste.

Sollte die Königin wirklich an dem Vertrage zwischen dem Prinzen Rakoto und Herrn Lambert zweifeln und von der beabsichtigten Ausführung desselben keine Ahnung haben, oder will sie die Verschworenen zu einem entscheidenden Schritt kommen lassen, um ihre Rache dann mit anscheinendem Recht auszuüben? Die Folge wird es lehren.

Obgleich sowohl Herr Lambert, wie ich, fortwährend unwohl waren, entschlossen wir uns dennoch, diesem Feste beizuwohnen.

Der Ball begann nach 1 Uhr Mittags und fand nicht etwa in den Gemächern des Palastes, sondern vor denselben in dem großen Hofe statt, in welchem wir die Audienz gehabt hatten. Wie damals saß die Königin auf dem Balkon unter dem Schatten ihres großen Sonnenschirmes, und wir mußten vor ihr, wie vor dem Grabmale des Königs Radama die üblichen Verbeugungen wieder machen; nur ließ man uns dießmal nicht stehen, sondern wies uns bequeme Armstühle an. Nach und nach erschien das Ball-Publikum, aus Adeligen beiderlei Geschlechtes, aus Offizieren und deren Frauen, und aus den königlichen Sängerinnen und Tänzerinnen bestehend. Die Adeligen trugen verschiedene Kostüme, die Offiziere europäische Kleidung. Alle mußten viele Verbeugungen machen. Den Kostümirten wurden gleich uns Stühle angewiesen, die Uebrigen hockten sich in beliebigen Gruppen auf die Erde.

Die königlichen Tänzerinnen eröffneten den Ball mit dem langweiligen malegaschischen Tanze. Diese reizenden Geschöpfe waren von oben bis unten in weiße Simbus gehüllt, trugen auf dem Kopfe künstliche, oder vielmehr sehr unkünstliche Blumen, die wie kleine Fahnenstangen steif und gerade in die Höhe stiegen, und drängten sich so enge aneinander, daß sie wie zusammengebunden erschienen. So oft sie unter dem Balkon der Königin oder an dem Grabmal vorüberzappelten, wiederholten sie die Verbeugungen, ebenso auch am Schlusse jedes einzelnen Tanzes. Nachdem die Tänzerinnen abgetreten waren, tanzten die Offiziere ungefähr denselben Tanz, nur in einem etwas rascheren Tempo und mit lebhafteren Bewegungen, das heißt, sie hoben die Füße ein wenig mehr in die Höhe. Jene, die Hüte oder Mützen aufhatten, schwenkten sie von Zeit zu Zeit in die Luft, und erhoben dabei ein kreischendes Geheul, das Freudengeschrei vorstellen sollte.

Auf die Offiziere folgten sechs Kinderpaare in Kostümen. Die Knaben waren in altspanischer Tracht oder als Pagen gekleidet und sahen ganz leidlich aus; die Mädchen dagegen glichen wahren Popanzen – sie trugen Kostüme aus der altfranzösischen Zeit mit hohen Steifröcken und kurzen Leibchen und hatten den Kopf mit Straußfedern, Blumen und Bändern ganz überladen. Nachdem diese kleine Affen-Gesellschaft einige Polonaisen, Schottische und Contre-Tänze, und zwar wider meine Erwartung recht gut getanzt hatte, machte sie mit tiefen Verbeugungen einer größeren Platz, von welcher ebenfalls der männliche Theil in altspanische und der weibliche in altfranzösische Tracht gekleidet war.

Alle diese verschiedenen Kostüme werden von der Königin anbefohlen, gewöhnlich nach Kupferstichen oder Bildern, die ihr zu Gesicht kommen. Die Damen fügen den königlichen Vorschriften bei, was ihnen Geschmack und Erfindungsgeist eingeben, welche beide ganz besonders in der Zusammenstellung der Farben auf höchste Originalität Anspruch machen können. Ich will einen dieser Anzüge beschreiben, damit meine Leserinnen eine Idee davon bekommen. Das Kleid war von blauem Seiden-Atlas und unten mit einer orangefarbenen Borte besetzt, oberhalb welcher ein breiter kirschrother Atlasstreifen herumlief. Das Leibchen, ebenfalls von Atlas und mit langen Schößen versehen, erglänzte in schwefelgelber Farbe, und ein lichter hellgrüner Seiden-Shawl drapirte sich darüber. Der Kopf war derart mit steifen, plump nachgemachten Blumen, mit Straußfedern, seidenen Bändern, Glasperlen und allerlei Posamentir-Kram bedeckt, daß man von den Haaren gar nichts sah – wobei die gute Dame freilich nichts verlor – ich bedauerte sie nur der Last wegen, die sie zu tragen hatte. Aehnliche Farben-Kontraste wiesen die Anzüge der übrigen Damen auf, von welchen einige zu diesen schönen Kostümen noch eine neue Verbesserung erdacht hatten – einen hohen nach oben beinahe spitz zulaufenden Hut, ungefähr in der Art, wie sie bei den Bauern in Tirol üblich sind.

Die Tänzer-Gesellschaft, durchgehends der höheren Aristokratie angehörend, führte außer verschiedenen europäischen Tänzen, die »Sega« auf, welche die Madagaskaren für einen einheimischen Tanz ausgeben wollen, die aber von den Mauren herstammt und deren Figuren, Schritte und Musik so hübsch sind, daß sie in Europa nur bekannt zu sein brauchte, um bald allgemein in die Mode zu kommen. Mit diesem schönen Tanze war der Ball noch lange nicht zu Ende. Nach einer kurzen Zwischenpause, in welcher keine Erfrischungen gereicht wurden, trat die Elite der Gesellschaft, aus sechs Paaren bestehend, in den Hof. Die Tänzer waren der Prinz Rakoto, die Herren Laborde Vater und Sohn, zwei Minister und ein General, die Tänzerinnen durchgehend's Fürstinnen und Gräfinnen. Auch diese Herren waren in altspanische Tracht gekleidet, den Prinzen ausgenommen, welcher einen so geschmackvollen Phantasie-Anzug trug, daß er darin ungescheut auf jedem europäischen Hof-Ball hätte erscheinen können. Er hatte ein Beinkleid an von dunkelblauem Tuche und mit Goldborten besetzt, dazu eine Art Waffenrock von nelkenbraunem Sammt, ebenfalls mit Goldborten und mit den feinsten Goldstickereien verziert und ein Barett von gleichem Sammt mit zwei von einer goldenen Agraffe gehaltenen Straußfedern. Der ganze Anzug saß so gut, die Stickereien waren so schön, daß ich dachte, Herr Lambert habe das Maaß des Prinzen nach Paris gebracht und die Kleider dort verfertigen lassen. Dieß war aber nicht der Fall – alles, die Stoffe ausgenommen, ist in Tananariva gemacht worden – ein Beweis, daß, wenn die Madagaskaren nicht viel Erfindungsgeist besitzen, sie dagegen im Nachahmen ausnehmend geschickt sind.

Diese Tänzergruppe nahm sich ganz hübsch aus, denn auch die übrigen Herren und ebenso die sechs Damen waren viel kostbarer und geschmackvoller gekleidet, als deren Vorgänger. Sie führten nur europäische Tänze auf.

Den Schluß des Balles machten, wie den Anfang, die Hof-Tänzerinnen.

Das ganze Fest hatte drei Stunden gedauert, und der Königin auch nicht die geringsten Kosten verursacht. Der Tanzboden war der Hof, die Beleuchtung die Sonne, und Erfrischungen konnte jeder nehmen so viel er wollte, wenn er nach Hause kam. Glückliche Königin! Wie müssen unsere europäischen Ballgeber sie beneiden!

10. Juni. Abermaliger Lärm und Gesang auf der Straße. Ich eilte sogleich wieder an das Hausthor und sah lange Züge von Männern, welche in Körben Steine und Erde trugen. Diese Leute, 800 an der Zahl, hatte die Königin dem obersten Befehlshaber der Armee bewilligt, um für ihn ein Haus zu bauen. Sie bekamen weder Lohn noch Kost und mußten dabei noch singen und jubeln, um der Königin zu beweisen, daß sie glücklich und mit ihrem Lose zufrieden seien.

Vor einigen Tagen hatte ich ähnliche, noch viel zahlreichere Züge gesehen. Es waren gewiß 1500 Männer. Sie trugen Holzkohlen nach der königlichen Schmiede, in welcher 1000 Arbeiter unter der Leitung Herrn Laborde's alle Gattungen Waffen verfertigen. Sowohl die Schmiede wie die Kohlenträger erhalten nicht die geringste Entschädigung, und nicht genug, daß die Königin von ihren Unterthanen alle Arbeiten umsonst fordert, müssen diese auch noch, wenn irgend eine besondere Staatsausgabe zu machen ist, das dazu nöthige Geld herbeischaffen. So im Jahre 1845, als die Königin 30.000 Gewehre aus Frankreich kommen ließ, welche 145.000 Thaler kosteten. Die ganze Summe wurde auf das Volk vertheilt; einige der Reichsten hatten bis zu 500 Thaler zu entrichten; aber auch die Aermsten mußten beisteuern, und selbst die Sklaven waren nicht ausgenommen.

11. Juni. Heute Nacht hörte ich einiges Geräusch und leise Schritte in unserem Hause. Ich wußte, daß sich die Verschworenen von hier aus während der Nacht nach dem Palaste begeben sollten. Ich horchte auf – eine wahre Grabesstille herrschte durch mehrere Stunden; dann aber plötzlich erschallte lautes Hundegebell, welchem rasche Männertritte folgten. Ich erschrak unwillkürlich und dachte, daß das Unternehmen mißglückt und die raschen Tritte jene eines der Flüchtlinge seien. In diesem Augenblicke fühlte ich, wie unendlich peinlicher es ist, sich bei einer drohenden Gefahr unthätig und leidend zu verhalten, als selbst thätig einzugreifen und sie zu bekämpfen.

Ich wollte mein Zimmer nicht verlassen, um für den Fall, daß es ein blinder Lärm gewesen wäre, meine Schwäche nicht zu erkennen zu geben und meine Gefährten nicht aus dem Schlafe zu schrecken. Mit Geduld erwartete ich Gottes Fügung. Es fiel aber nichts weiter vor. Der Rest der Nacht verging ruhig, und den andern Morgen erfuhr ich, daß noch nichts unternommen worden, der günstige Zeitpunkt noch nicht gekommen sei.

Ich fange wirklich an zu befürchten, daß durch diese lange Zögerung alles mißlingt, um so mehr, als die Zusammenkünfte nicht sehr vorsichtig gehalten werden, da es viele Mitwisser gibt und da sich unter den dem Prinzen anscheinend ergebenen Adeligen und Offizieren sehr leicht ein Verräther finden kann. Viel Schuld mag auch an dem Prinzen selbst liegen. Wie ich bereits bemerkt habe, besitzt er sehr gute und edle Eigenschaften; aber es fehlt ihm an Entschluß und Charakter-Festigkeit, und dann ist seine Liebe zu der Königin so groß, daß ihm leicht im entscheidenden Augenblick der Muth fehlen dürfte, etwas gegen sie zu unternehmen. Er sollte aber bedenken, daß es sich ja durchaus nicht darum handelt, die Königin ihrer Freiheit, ihrer Titel, ihrer Reichthümer zu berauben, daß man ihr ja nur die Macht nehmen will, alle diese Grausamkeiten, diese Blutthaten zu verüben, welche ihre Unterthanen in das Elend und zur Verzweiflung bringen. Der Sohn, der seine Mutter über alles liebt, über alles ehrt, und sie nur daran zu verhindern sucht, ein ganzes Land unglücklich zu machen, ist gewiß keines Vergehens schuldig. Gott stärke ihn und verleihe ihm den Muth, der Retter seines Volkes zu werden!

12. Juni. Herr Lambert bekam einen so heftigen Fieber-Anfall, daß sein Leben durch mehrere Tage in höchster Gefahr stand. Er hielt aber auch durchaus keine Diät. Sobald er sich ein wenig besser fühlte, aß er alles durcheinander, wie es ihm gerade einfiel – kalte Straßburger Pastete, Fleisch, Früchte, und trank dazu Champagner und andere Weine. Und eben so wie Herr Lambert machen es auch die übrigen Europäer, so daß es mich gar nicht wundern würde, wenn alle, die das Fieber bekommen, demselben erlägen. Während ich noch in Mauritius war, im Monate März, kam ein sehr wohlbeleibter Herr aus Tamatavé selbst an und blieb einige Tage in Herrn Lamberts Hause, um eine Gelegenheit nach Bourbon abzuwarten. Dieser Herr behauptete das Madagaskar-Fieber zu haben, und als er beim Frühstück erschien, klagte er, die ganze Nacht vom Fieber beunruhigt gewesen zu sein. Man hatte deshalb für ihn eine kräftige Fleischbrühe bereitet, die ihm sehr behagte, aber bei weitem nicht genügte, denn er aß darauf eine tüchtige Spalte einer Zucker-Melone, kostete von den andern Gerichten so viel, daß ich gewiß acht volle Tage davon hätte leben können, und beschloß das Mahl mit einer Mango-Frucht. Nicht minder emsig sprach er den verschiedenen Getränken zu, und Abends bei der Hauptmahlzeit, da hieb er erst recht ein – er griff zu, als ob er den ganzen Tag gefastet hätte.

In Tananariva hatte ich häufig Gelegenheit ähnliche Diät-Fehler zu beobachten, und wenn ich eine Bemerkung darüber machte, erhielt ich die vernünftige Antwort: »Was wollen Sie? Das ist nun einmal so Sitte im Lande; die Madagaskaren behaupten, daß das Fieber sehr schwäche, und daß man die verlorenen Kräfte durch Nahrungsmittel zu ersetzen suchen müsse.«

Dieser Glaube herrscht wirklich im Volke. Je kränker ein Mensch ist, desto mehr zwingt man ihn zum Essen, und wenn ein Malegasche in den letzten Zügen liegt, wird ihm der Mund noch voll Reis gestopft. Stirbt der Mensch bald darauf, so rufen die Leute ganz erstaunt aus: »Wie wunderbar! so eben hat er noch gegessen!«

Und weil dieß die dummen und rohen Madagaskaren so machen, so müssen es die vernünftigen und gebildeten Europäer nachahmen!

13. Juni. Heute wurde mir die große Ehre zu Theil, meine Geschicklichkeit, oder besser gesagt, meine Ungeschicklichkeit auf dem Pianoforte vor der Königin zu zeigen. Herr Lambert hatte ihr nämlich, als er das erste Mai nach Tananariva gekommen war, ein Piano aus der Fabrik des Herrn Debain in Paris zum Geschenk gemacht. Es war eines jener Pianos, auf welchen man nicht blos mit den Fingern, sondern auch wie auf einer Dreh-Orgel mittelst eines Dreh-Schlüssels spielen kann.

Schon in Mauritius hatte mir Herr Lambert von dem Klavier erzählt und mir gesagt, daß die Königin noch nicht mit Fingern darauf spielen gesehen habe, und daß dieß gewiß eine große Ueberraschung für sie sein würde. In meiner Jugend war ich wohl eine ziemlich fertige Klavier-Spielerin gewesen, aber das war schon lange her. Seit mehr als 30 Jahren hatte ich die Musik gänzlich aufgegeben und alles vergessen. Wer hätte je gedacht, daß ich noch an einen Hof berufen werden wurde, um ein Konzert zu geben, und gar jetzt in meinem sechzigsten Jahre, wo ich schlechter klimperte als bei uns Kinder, die kaum einige Monate Unterricht genommen haben! Allein wenn man so abenteuerlich in die weite Welt hinauszieht, kommt man gar häufig in die sonderbarsten Lagen und muß auf alles gefaßt sein.

Mit großer Mühe zwang ich meine alten steifen Finger zu einigen Skalen und Uebungen, erlernte mehrere leichte melodische Walzer und Tanzstücke, und so vorbereitet wagte ich es, mich dem Urtheile der strengen madagaskarischen Kunstrichter auszusetzen. Uebrigens machte mir diese Einladung große Freude, denn ich hoffte bei dieser Gelegenheit in die inneren Gemächer des Palastes eingeführt zu werden, und das unschätzbare Glück zu haben, Ihre Majestät ganz in der Nähe betrachten zu können.

Da Herr Lambert am Fieber krank lag, so begleiteten mich die beiden geistlichen Herren nach dem königlichen Palaste. Als wir in den inneren Hofraum gelangten – o bittere Enttäuschung! – da saß die Königin schon auf dem Balkon. Vorbei war es mit meinen schönen Hoffnungen, in den Palast selbst zu kommen, und nicht minder fühlte sich mein Künstlerstolz beleidigt. Ich fürchtete gleich einer Straßen-Musikantin behandelt zu werden und hier unten im Hofe spielen zu müssen.

Ganz so weit kam es zwar nicht, aber doch immer weit genug, um den großen Abstand zwischen meiner unbedeutenden Person und der allmächtigen Königin fühlbar zu machen. Dieses hochmüthige, aufgeblasene Weib scheint im Ernst zu glauben, ein außerordentliches Wesen und über alle anderen Menschen erhaben zu sein und meint seiner Würde etwas zu vergeben, wenn es einem Fremden gestattet würde, in seine unmittelbare Nähe zu treten. Blos mit Herrn Lambert, als er vor zwei Jahren das erste Mal in Tananariva war, hat die Königin eine Ausnahme gemacht, und ihm nicht nur den Zutritt in das Innere des Palastes gestattet, sondern ihn sogar der Ehre gewürdigt, sie auf einer kleinen Reise begleiten zu dürfen.

Man wies uns zu ebener Erde in die Gallerie des Silber-Palastes, wohin man bereits Stühle für uns gebracht hatte. Die breite Thüre, welche nach dem Hofe führte, wurde ganz geöffnet, das Piano herbeigetragen und gerade unter der Thüre derart aufgestellt, daß die Königin von ihrem Balkon auf die Tasten sehen konnte.

Während dieser Vorbereitungen hatte ich Gelegenheit den Empfangssaal im Silber-Palaste, welcher, wie sich meine Leser erinnern werden, dem Prinzen Rakoto gehört, genauer zu besehen. Er ist groß und hoch, und ganz auf europäische Art eingerichtet. Die Möbel sind reich, aber nicht überladen und mit Geschmack aufgestellt. Der madagaskarischen Sitte gemäß stand auch in diesem Saale ein Bett, zwar ein echt königliches Bett, an welchem es weder an Gold noch Seidenstoffen fehlte, und in dem, wie man mir versicherte, noch niemand geschlafen hatte; aber für europäische Augen ist es immer störend, in einem Empfangs-Saale ein ähnliches Möbel zu sehen.

Noch störender aber fand ich die an den Wänden dieses Saales angebrachten Zeichnungen und Malereien, kostbare Produkte einheimischer Künstler: Offiziere in rothen Uniformen, Frauengestalten in europäischen Kleidern vorstellend. Ich wußte wirklich nicht, was ich an diesen Fresken mehr bewundern sollte, die Zeichnung oder die Malerei. Erstere war so steif und hölzern, wie nicht einmal auf den schlechtesten chinesischen Bildern, letztere ein solches Chaos der grellsten schreiendsten Farben ohne Licht und Schatten neben- und durcheinander geschmiert, daß ich nie geglaubt hätte, je etwas ähnliches zu Gesicht zu bekommen. Am komischsten aber nahm sich eine landschaftliche Zugabe aus – kleine Bäumchen, welche zwischen den Figuren standen. Da letztere nur Brustbilder waren und der geniale Künstler dennoch zeigen wollte, daß die Bäume der Erde entsproßten, so hatte er von dem Gürtel der einen Person zu jenem der andern einen grünen Streif gezogen, der den Boden vorstellen sollte, wodurch der Mann wohl ganz unabsichtlicher Weise noch den höchst wundervollen Effekt schuf, daß es schien, als wären die Leute bis an den halben Leib begraben. Aus dem grünen Streifen stieg eine braune Linie, der Stamm des Bäumchens, kerzengerade bis zu der Achsel der Figuren, in welcher Höhe einige grüne Flecken die Blätterkrone anschaulich machen sollten.

Ich war noch ganz in die Betrachtung dieser Kunst-Schöpfungen verloren, als mich einer der Herrn Missionäre darauf aufmerksam machte, daß das Piano bereits aufgestellt sei, und daß ich das Konzert beginnen könne. Ehe ich dieß that, mußte ich der Königin das übliche Manasina zeigen, und es in die Hände eines Offiziers übergeben. Das Manasina wird nämlich jedem Fremdlinge nicht nur bei seiner ersten Vorstellung bei Hofe abgefordert, sondern auch so oft er irgend ein königliches Gebäude zum ersten Male betritt. Dieß war mein Fall in dem Silber-Palaste; ich fand es aber höchst überflüssig, gleich Herrn Lambert ein Fünfzigfrankenstück zu geben, und beschränkte meine Großmuth auf einen Thaler.

Nun setzte ich mich an das Pianoforte und spielte ein kleines Präludium, um die guten Eigenschaften meines Instrumentes kennen zu lernen; wie wurde mir aber zu Muthe, als ich es so verstimmt fand, daß auch nicht ein Ton richtig war, und als ich bemerkte, daß viele von den Tasten auch dem stärksten Drucke ein energisches Schweigen entgegensetzten! Ich mußte sie erst heben, drücken, daraufschlagen, kurz alle denkbaren Mittel anwenden, um sie in Gang zu bringen. Auf einem solchen Instrumente sollte ich ein Konzert geben! – Doch wahre Künstlergröße setzt sich über alles hinaus, und begeistert von dem Gedanken, mein Talent vor einem so kunstsinnigen Publikum zu zeigen, machte ich die holperigsten Rouladen über die ganze Klaviatur, hieb aus Leibeskräften auf die störrigen Tasten und spielte ohne Sinn und Zusammenhang den ersten Theil eines Walzers, den zweiten eines Marsches, kurz alles, war mir gerade in das Gedächtniß kam. Ich hatte dafür aber auch die große Genugthuung, allgemeine Anerkennung meines Talentes zu finden, und mit dem besonderen Beifall und dem Dank Ihrer Majestät belohnt zu werden. Ja, der Prinz Rakoto gab mir die schmeichelhafte Versicherung, daß alle Stücke, vorzüglich aber meine Walzer, der Königin sehr gut gefallen hätten, und daß sie mir nächstens die Ehre erweisen würde, mich bei sich selbst, in dem Palaste spielen zu lassen. Wäre die unglückliche Verschwörung nicht dazwischen gekommen, so hätte ich vielleicht gar das Glück gehabt, Hof- und Leib-Pianistin Ihrer Majestät der Königin von Madagaskar zu werden!

Noch an demselben Tage sandte mir Ihre Majestät als Zeichen allerhöchst ihrer Huld und Gewogenheit eine Menge fetten Geflügels und einen großen Korb voll Eier.

Am 17. Juni machte die hohe Frau einen Ausflug nach einem ihrer nahen Lustschlösser, welches am Fuße des Hügels auf einer Insel in der Mitte eines großen Teiches liegt. So oft die Königin Ausflüge macht, müssen sie alle Offiziere, Adeligen und die in Tananariva ansäßigen Europäer begleiten. Ich hätte gerne an dieser Parthie Theil genommen; da aber die Königin wußte, daß Herr Lambert noch sehr krank lag, wollte sie ihm keinen seiner Pfleger entziehen; es wurde daher niemand von uns eingeladen. Der Zug ging knapp an unserem Hause vorüber, und wir mußten uns alle, Herrn Lambert ausgenommen, an dem Thore aufstellen, um Ihrer Majestät unsere Verbeugungen zu machen.

Es scheint, daß in diesem Lande jedes Fest ein eigenthümliches Gepräge von Starrheit und Absonderlichkeit haben muß, so auch diese Ausflüge, bei welchen es den die Königin begleitenden Herren vorgeschrieben ist, in türkischer oder arabischer Tracht mit dem Turban zu erscheinen. Diese Kostüme stehen übrigens den Eingeborenen viel besser als die spanischen, obwohl sie als Türken gleichfalls bemüht waren, mit ihrem unübertrefflichen Geschmack gar manches Schöne zu verderben. Frauen nehmen an solchen Ausflügen selten Theil und jene, welche daran Theil nehmen, sind in Simbus gehüllt. Auch die Königin war in einen weiten seidenen Simbu eingeschlagen, hatte aber dabei die große Krone auf dem Haupte. Ohne diese zeigt sie sich nie den Augen ihrer Unterthanen, und es würde mich sehr Wunder nehmen, wenn sie Nachts im Bette nicht wenigstens eine kleine goldene Krone trüge.

Sie blieb den ganzen Tag in dem Schlößchen, und kehrte erst kurz vor Sonnen-Untergang nach der Stadt zurück. Das Volk hat an diesen Ausflügen auch in so ferne Theil zu nehmen, daß es sich auf die Straßen drängen muß, durch welche der Zug geht. Viele, um ihre besondere Ergebenheit zu bezeigen, schließen sich demselben an.


 << zurück weiter >>