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Die Ruinen der Tschárda.

Weite Haideflur in schönem Tieflandsbette,
Du bist meiner Seele liebste Tummelstätte.
Jenes well'ge Hochland ist ein Buch mit Lettern,
Dessen tausend Seiten mühsam ich muß blättern;
Doch mein Tiefland, wo nicht Berg' an Bergen ragen,
Liegt dem Briefe gleich, dem offnen, aufgeschlagen,
Ueber den die Blicke gleiten ohne Schranken –
Und was stehn darin für ewige Gedanken!
O, warum ist mir's vom Schicksal nicht gegeben,
Auf der Pußta hier die Tage zu verleben!
Da nur möcht' ich athmen, ledig aller Bande,
Wie der Beduine im Araberlande.
In der Pußta ich das Bild der Freiheit sehe,
Und die Freiheit ist der Gott, zu dem ich flehe!
Freiheit, mein Idol! nur deshalb will ich leben,
Um das Leben einst für Dich dahinzugeben;
Darf ich einst im Kampf für Dich mein Blut vergießen,
Werd' ich segnend mein so elend Seyn beschließen.
Sterben? ... Blut? ... Was soll der Ernst in meinen Mienen?
Ach, kein Wunder ist's, ich steh' ja vor Ruinen. –
Keine Burg – nur eine Tschárda liegt zertrümmert.
Wenig sich die Zeit um solche Namen kümmert:
Ob es eine Tschárda? Ob es stolze Hallen?
Rüttelt dran die Zeit, die Mauern müssen fallen;
Nichts kann ihrem Tritte sich als stark erweisen,
Sei's nun hoch, sei's nieder, Marmor oder Eisen.–
Doch wie konnt' aus Stein man diese Tschárda bauen,
Während ringsumher kein Steinbruch zu erschauen?
Eine Stadt vielleicht hat einstens da gestanden,
Ehe noch die Heimat lag in Türkenbanden;
(Armes Ungarland, wie bist Du zu beklagen:
Wie verschied'ne Ketten musstest Du schon tragen!)
Der Osmanen Horden hatten's wild getrieben,
Stein blieb nicht auf Stein, die Kirch' nur ist geblieben –
Doch auch diese krank – wohl deshalb, daß am Grabe
Die Verwüstung rings 'ne Trauerwache habe.
Und die Kirche stand Jahrhunderte in Trauer,
Bis der Gram zernagte Mauer ihr um Mauer;
Und auf daß die Trümmer nicht verloren gehen,
Ließ man eine Tschárda aus dem Schutt' erstehen.
Kirche einst, dann Tschárda! ... Nun, was weiter eben?
Jene that den Geist, und die den Leib erheben;
Und sind Geist und Leib nicht beide unser eigen
Beiden müssen wir uns gleich beflissen zeigen.
Kirche einst, dann Tschárda! ... Nun, was weiter eben?
Da wie dorten kann man gottgefällig leben;
Rein're Seelen giebt's in Schenken oft zu sehen,
Als da Tag für Tag hin zum Altare gehen. –
Hei, verfallene Tschárda, wo, wo sind die Zeiten,
Da noch Wandrer sich, und Gäste Deiner freuten!
Meine Phantasie errichtet Dich aufs Neue,
Deine Gäste seh' ich leibhaft nach der Reihe:
Dort am Knotenstock der Wanderbursch, der fremde,
Ein Paar »arme Bursche« in getheertem Hemde,
Hier ein bärt'ger Jude mit dem Waarenbündel,
Und ein Drahtslowak, und derlei mehr Gesindel.
Und die schmucke Wirthin in der Jugend Prangen?
Diese hält dort eben ein Student umfangen,
Dem der Wein ein wenig schon den Sinn verrückte,
Dem das Weibchen wohl das Herz noch mehr umstrickte.
Und der alte Wirth, fährt er nicht auf darüber?
Hei, der liegt im Heu da drauß und schlummert lieber ...
Damals noch im Heu, doch tief im Grab schon heute,
Und sein dralles Weibchen ruht an seiner Seite;
Und auch der Student, der lose, und die Gäste – –
Alle, Alle sind sie Staub- und Aschenreste.
Auch die Tschárda wurde alt und fiel; es raubte
Ihr der Sturm den Hut: das Dach herab vom Haupte ...
Barhaupt steht sie da, als sähe man sie stehen
Vor der Herrin Zeit, und unterthänig flehen,
Daß sie schone doch ein wenig ihres Lebens –
Aber alle Bitten sind bei der vergebens.
Und sie fiel und fiel, bis sie zerfiel vor Jahren,
Kaum noch sieht man heut', wo Thür und Fenster waren.
Nur die Esse steht und ragt empor noch immer,
Wie des Sterbenden all-letzter Hoffnungsschimmer.
Keller auch und Ziehbrunn sanken ein schon lange,
Fortgestohlen wurde wohl die Brunnenstange;
Pfeiler nur und Schwengel blieben an der Stelle,
Oben sitzt ein Aar; ein mürrischer Geselle.
Jener Schwengel ist der Pußta höchste Spitze,
Drum hat ihn der Aar erwählt zu seinem Sitze.
Und er sitzt und blickt so starr aus seiner Höhe,
Als ob sänn' er drob, wie Alles doch vergehe ...
Niederglüht auf ihn mit seiner Flamme Strahlen
Heiß der Sonnengott – er glüht vor Liebesqualen;
Schwebt ja dort sein Liebchen, seine Augenweide:
» Délibáb« das schöne Feenkind der Haide.


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